Die Silbermeer-Saga (Band 1) - Der König der Krähen (eBook)

Ein literarisches, bildgewaltiges Nordic-Fantasy-Epos
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
736 Seiten
Loewe Verlag
978-3-7320-1422-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Silbermeer-Saga (Band 1) - Der König der Krähen -  Katharina Hartwell
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Nominiert für den SERAPH 2021 - Bester Roman! Diese Geschichte beginnt mit den Kaltwochen, mit Fischern, die dem Meer nicht trauen, und den verschwundenen Kindern von Colm. Eine schwarze Feder ist das Einzige, was Edda von Tobin geblieben ist. Gleich zu Beginn der Kaltwochen ist ihr Bruder verschwunden. So wie jedes Jahr eines der Kinder Colms verschwindet. Niemand sucht nach ihnen, das Meer ist feindlich, voller magischer Kreaturen und Gefahren. Aber für Tobin überwindet Edda ihre Angst und begibt sich ins Inselreich. Denn irgendwo dort draußen lebt der geheimnisvolle Krähenkönig, der die verlorenen Seekinder mitgenommen haben soll ... 'Katharina Hartwell sucht im Phantastischen stets die Poesie und findet Worte, die ihren Welten eine ganz eigene Schönheit verleihen.' Kai Meyer Ein sagenhaftes Inselreich hoch im Norden, eine Welt voller fantastischer Wesen und eine starke Heldin sind der Auftakt zu Katharina Hartwells hinreißender Fantasy-Trilogie.

Schon als kleines Mädchen schrieb Katharina Hartwell Märchen, später Abenteuer- und Geistergeschichten. Als Studentin besuchte sie Schreibwerkstätten, nahm an Wettbewerben teil. Erst an regionalen, schließlich bundesweit. Sie stand im Finale des Literaturwettbewerbes open mike und gewann den überregional beachteten MDR-Kurzgeschichtenpreis. 2013 war sie Sylter Inselschreiberin. Ihr Debüt Das fremde Meer erschien 2013 im Berlin Verlag und wurde mit dem Seraph ausgezeichnet.

Schon als kleines Mädchen schrieb Katharina Hartwell Märchen, später Abenteuer- und Geistergeschichten. Als Studentin besuchte sie Schreibwerkstätten, nahm an Wettbewerben teil. Erst an regionalen, schließlich bundesweit. Sie stand im Finale des Literaturwettbewerbes open mike und gewann den überregional beachteten MDR-Kurzgeschichtenpreis. 2013 war sie Sylter Inselschreiberin. Ihr Debüt Das fremde Meer erschien 2013 im Berlin Verlag und wurde mit dem Seraph ausgezeichnet.

Edda sah aus dem Fenster. Eine gute Stunde war verstrichen, seitdem sie Tobins blonden Haarschopf zum letzten Mal gesehen hatte. Draußen nahm das Licht bereits ab, wurde trist und grau. Noch waren die Tage kurz, und die Dämmerung schien bereits in den Mittagsstunden einzusetzen. Samuel, der Krüppel, humpelte an den Fenstern vorbei. Sein Atem stieg in weißen Gespinsten auf und geisterte noch einen Augenblick über den Dorfplatz, bevor er sich zersetzte. Auch im Fischhaus war es kalt. Freya hatte der alten Muriel verboten, ein Feuer zu entfachen, und die Frauen und Kinder ertrugen die klamme Kälte schweigend. Edda schloss die Augen. Der Geruch von nassem Haar und feuchter Wolle lag in der Luft. Etwa dreißig Frauen und Mädchen und eine Handvoll Jungen hatten sich in dem Saal versammelt. Sie alle trugen den Winter noch in den Knochen und mit ihm den Hunger, die Kälte, die Müdigkeit. Wohl keiner von ihnen fühlte sich bereit für den Sommer und die harte Arbeit, die dieser mit sich bringen würde.

Wieder irrte Eddas Blick hinüber zu den Fenstern. Wo steckte Tobin? Sie hatte ihn ermahnt, dass er in Sichtweite bleiben sollte. Sie konnte nur hoffen, dass die anderen Jungen ihn nicht dazu gebracht hatten, mit ihnen zum Friedhof zu laufen. Während der Kaltwochen ließ Edda ihren Bruder nur ungern aus den Augen, nahm ihn sogar an die Hand, wenn sie morgens zum Fischhaus und abends wieder nach Hause liefen. Sie unterdrückte ein Seufzen, zwang sich, weiter Freya zuzuhören, dem endlosen Fluss an Anweisungen und Ermahnungen, lediglich unterbrochen von gelegentlichem Husten und Ächzen. Die Bänke waren hart und viele unter den Frauen zu alt, um stundenlang still zu sitzen und Freyas ausufernder Rede zu lauschen.

Teofin, der dicht neben Edda auf der Bank saß, gähnte verhalten.

»… ist es dieses Jahr besonders wichtig, dass die Mädchen darauf achten, die Bottiche anschließend ordentlich zu säubern«, sagte Freya und sah sich um. Suchte und fand Edda. Das Grau ihrer Augen war unheilkündend wie der wolkenverhangene Himmel an einem stürmischen Tag – auch und vor allem, wenn sie Edda ansah. Und die Gründe, aus denen sie Edda mit einem Gewitterblick bedachte, waren so zahlreich wie die Fische im Meer – weil sie den Boden nicht gründlich genug geschrubbt oder den Brei nicht lange genug gestampft hatte, weil sie zu spät gekommen oder zu früh gegangen war, weil sie Teofin abgelenkt oder zu viel Zeit damit verbracht hatte, nach Tobin zu sehen.

Beiläufig und so, als wisse sie selbst noch nicht, wohin ihre Füße sie tragen würden, schlenderte Freya durch den Saal und blieb vor Edda und Teofin stehen. Seitdem sie im Vorjahr eine einzelne Schuppe in Eddas Brei gefunden hatte, verstrich kaum ein Tag, an dem sie Edda nicht daran erinnerte, wie wichtig es war, sorgfältig zu arbeiten.

»Wir alle wissen, was geschieht, wenn die Schuppen nicht gründlich zerstampft werden, nicht?«, fragte sie.

Edda hielt den Kopf gesenkt. Angestrengt musterte sie den schmutzigen Saum von Freyas Leinenrock. Versuchte, zuzuhören und nicht an Tobin zu denken. Aber es geschah wie von selbst, dass ihre Augen wieder zu den Fenstern wanderten. Freyas Hand schnellte vor, packte Eddas Kinn und drehte ihren Kopf.

»Was passiert dann, Edda?«

»Schon eine einzige Schuppe kann den ganzen Brei verunreinigen«, antwortete Edda in dem leiernd gehorsamen Ton, den sie sich für diese Art Antworten angewöhnt hatte.

»Und dann?«

»Verunreinigtes Colmin können wir nicht verkaufen.«

Beinahe widerstrebend gab Freya Eddas Kinn frei und setzte ihre Runde durch den Saal fort. Während sie langsam die Bankreihen ablief, musste jede Frau und jedes Mädchen jenen Moment genau spüren können, in dem Freyas Gewitteraugen über sie hinwegwanderten. Vor ihrer eigenen Tochter, Ilsa, blieb Freya stehen.

»Die Pausen sind kurze Unterbrechungen«, erklärte Freya Ilsa. »Keiner hier hat Zeit, den halben Tag auf den Bänken herumzuliegen und von Centria zu träumen.«

Sie sah sich unschlüssig um. Wenn das Jahr voranschritt, die Müdigkeit zunahm und sich die Fehler häuften, mussten die Frauen oft bis spät in den Abend im Fischhaus bleiben und mit gesenktem Kopf Freyas Vorhaltungen lauschen. Aber das Frühjahr stand noch bevor, und noch hatte niemand einen Fehler gemacht. Lass uns gehen, betete Edda stumm, wie so oft unsicher, an wen sie ihr Gebet richtete, an Agatha und Lor oder schlicht an alle, die bereit waren, ihr zuzuhören.

Schließlich nickte Freya ergeben. Selbst sie konnte nicht ewig reden, wenn es nicht das Geringste zu sagen gab.

»Geht nach Hause. Ruht euch aus. In den nächsten Wochen werdet ihr genug Zeit hier verbringen.«

Edda presste die Rückseiten ihrer Beine weiter gegen das raue Holz der Bank, um nicht aufzuspringen und aus dem Raum zu rennen. Fiel Freya erst auf, dass Edda es eilig hatte, würde sie sicher einen Grund finden, sie zurückzurufen. Also ließ Edda erst Ilsa und Keva, Sige und Agnes, Roven, Jost und die anderen aufstehen, bevor sie selbst scheinbar gemächlich aus dem Saal schlenderte. Erst draußen im Flur wurden ihre Schritte schneller.

Drei Stunden waren verstrichen, seitdem Tobin gemeinsam mit den anderen Jungen das Fischhaus verlassen hatte.

Keine Spur von ihrem Bruder. Zumindest nicht auf den ersten Blick. War er etwa allein nach Hause gelaufen? Oder doch zum Friedhof gegangen, obwohl sie es ihm verboten hatte? Sie wollte gerade noch einmal ins Fischhaus laufen, um Teofin zu fragen, ob er sie zur Kapelle begleiten würde, als sie die Jungen bemerkte. Sie standen halb verborgen hinter den Goldenen Fischen, standen im Kreis, so als würden sie jemanden umringen.

Edda rannte los.

Der lange Ulf sah sie kommen und stieß einen Warnruf aus. Zwei der Jungen fuhren herum, stolperten zur Seite und gaben den Blick auf Tobin frei. Er stand in ihrer Mitte, einen halben Kopf kleiner als der Kleinste von ihnen. Noch im Laufen sah Edda die klaffende Wunde auf seiner Stirn, einen Streifen verschmierten Blutes, der sich von seinem Haaransatz bis zur Augenbraue zog. Die Jungen stoben auseinander, genau wie die Möwen, die sich keifend und mit raschem Flügelschlag von den Goldenen Fischen und in den Abendhimmel erhoben. Obwohl die Jungen sich kaum voneinander unterschieden – die gleichen Leinenhosen und Drachenrochenjacken, die gleichen schlickbraunen Haare und verschlagenen Augen –, war Edda sicher, mindestens zwei von ihnen erkannt zu haben: Hensy Moot, den seine abstehenden Ohren und seine sonderbar schlenkernde Art zu laufen verrieten. Und Hans Piel. Natürlich Hans. Er war nie weit, wenn irgendwo ein Kind unglücklich gestürzt war, sich einen Finger eingeklemmt oder die Hand verbrannt hatte.

Genau wie die anderen war auch Hans losgelaufen, doch schon nach wenigen Schritten blieb er stehen. Drehte sich zu Edda um. Spitzte die Lippen. Etwas Kaltes, Klebriges traf Eddas Wange, und Hans schoss davon, noch bevor Edda ganz begriffen hatte, was geschehen war. Unsicher tastete sie nach ihrer Wange. Spucke. Hans Piel hatte sie angespuckt. Hatte Tobin es gesehen? Sie wischte die Spucke mit ihrem Jackenärmel fort, bevor sie sich zu Tobin umdrehte. Er stand reglos neben den Goldenen Fischen. Mit zwei schnellen Schritten war sie bei ihm und kniete sich vor ihm auf das Pflaster. Es war noch nass vom Regen, der Tag und Nacht auf Colm hinabzugehen schien und nur an diesem Nachmittag einmal ausgesetzt hatte. Edda strich Tobin das Haar aus der Stirn, rieb mit ihrem Daumen behutsam das Blut fort. Die elenden Jungen. Dass sie noch weiter Angst und Schrecken verbreiten mussten. Als gäbe es in dieser Zeit des Jahres nicht schon genug. Gleichzeitig aber hatte Edda gewusst, dass sie sich nicht für immer damit zufriedengeben würden, Tobin mit Liedern, Reimen und Beschimpfungen zu verfolgen. Nur aus einem einzigen Grund hatten die sich so lange zurückgehalten: Sie fürchteten sich vor Edda. Selbst Hans Piel fürchtete sich vor ihr.

Vor einigen Jahren – Edda musste damals etwa so alt wie Tobin gewesen sein – hatten ein paar der Jungen sie hoch zum Friedhof gejagt. Hans war unter ihnen gewesen und Hans’ älterer Bruder Merek, der inzwischen als Fischer hinaus zur See fuhr und nichts mehr auf die Spiele der Kinder gab. Die Jungen hatten sich im Kreis um Edda aufgestellt, und der lange Ulf war vorgesprungen, um ihr eine Haarsträhne auszureißen – Merek hatte seinem Bruder und den anderen Jungen erzählt, dass Eddas Haar nicht brennen würde, wenn man es aufs Feuer legte.

Aus rein kopfloser Angst hatte Edda Ulf einen Schlag verpasst, der ihn gegen die Steinmauer in seinem Rücken hatte stolpern lassen. Ulf, ein Tölpel und Tumbtaumler an seinen besten Tagen, war so unglücklich gegen den Stein geprallt, dass er sich seinen Arm gebrochen hatte.

Nach dem Vorfall hatten die Jungen Edda einige Wochen Edda Knochenbrecher genannt, und keiner von ihnen, nicht einmal Hans Piel, war ihr seitdem wieder zu nahe gekommen. Dabei hatten sie wenig Grund, Edda zu fürchten: Als die Fischersfrauen von Ulfs gebrochenem Arm erfahren hatten, war die Aufregung im Dorf groß gewesen. Wäre es nach Freya, Agnes, Roven und Sige gegangen, hätte man Tobin und Edda in einen Karren gepackt und irgendwo in der Nähe Maunlands ausgesetzt. Ruben, Eddas Ziehvater, hatte jeden Gefallen einfordern müssen, den ihm die anderen Fischer schuldeten, damit Edda und Tobin in Colm bleiben durften. Und Edda hatte Ruben versprechen müssen, dass es nie wieder zu einem ähnlichen Vorfall kommen würde. Wenn sie Hans oder einem der anderen Jungen über den Weg lief, vergrub sie die Hände in den Taschen, achtete darauf, die Jungen nicht zu berühren, nein, nicht einmal zu streifen. Es war immer nur eine Frage der Zeit...

Erscheint lt. Verlag 12.2.2020
Reihe/Serie Die Silbermeer-Saga
Verlagsort Bindlach
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Bücher wie Das Reich der sieben Höfe • Bücher wie Die Rabenringe Odinskind • Bücher wie Die Spiegelreisende • Bücher wie Ein Meer aus Tinte und Gold • Das ferne Meer Katharina Hartwell • Dicke Bücher • Fantasy Buch Bücher ab 14 vierzehn Jahren Jährige • Fantasy Bücher ab 14 Jahren • Geschenke Jungen Mädchen 14 Jahren • High Fantasy Jugendbücher • High Nordic Fantasy Epos • Jugendbücher ab 14 Jahren Phantastik • Jugendbuch Jugendbücher ab 14 vierzehn Jahren Jährige • Seraph Phantastikpreis nominiert
ISBN-10 3-7320-1422-3 / 3732014223
ISBN-13 978-3-7320-1422-4 / 9783732014224
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