Friedrich Pollock (eBook)

Die graue Eminenz der Frankfurter Schule
eBook Download: EPUB
2019
350 Seiten
Juedischer Verlag im Suhrkamp Verlag
978-3-633-76391-7 (ISBN)

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Friedrich Pollock -  Philipp Lenhard
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Philipp Lenhards Buch ist die erste Biografie Friedrich Pollocks (1894—1970). Sie erzählt das Leben eines Mannes, der eine prägende Rolle in der deutsch-jüdischen Geistesgeschichte spielte und sich doch stets im Hintergrund hielt.

Ein Fabrikantensohn, der das Privateigentum abschaffen wollte; ein Jude, der vom Judentum nichts wissen wollte; ein Professor, der wenig publizierte; ein Ökonom, der sich an der Börse verzockte; ein Kommunist, der den Marxismus für anachronistisch hielt; und schließlich: ein kritischer Intellektueller.Wer sich mit der politischen Kultur der Weimarer Republik, der Entstehung der »Kritischen Theorie« und der deutsch-jüdischen Emigration in die USA auseinandersetzt, kommt an Friedrich Pollock nicht vorbei. Der Weggefährte Max Horkheimers und Gründer des Frankfurter Instituts für Sozialforschung spielt als bedeutender Vertreter der Kritischen Theorie eine tragende Rolle in der deutsch-jüdischen Geistesgeschichte.

Philipp Lenhard, geboren 1980 in Bielefeld, ist Akademischer Rat am Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er ist Herausgeber der Gesammelten Schriften Friedrich Pollocks und hat zuletzt das Buch Volk oder Religion? Die Entstehungmoderner jüdischer Ethnizitätin Frankreich und Deutschland, 1782—1848 veröffentlicht.

»Anhand des Lebens des Friedrich Pollock entsteht zudem das Bild einer untergegangenen Welt: die der linken Intellektuellen der Weimarer Republik, die außerordentlich häufig Juden waren. Wie sehr sie fehlen, das zeigt auch diese faszinierende Biografie.«
Leander F. Badura, der Freitag

»... eine der besten, weil methodisch reflektiertesten Gelehrtenbiografien der letzten zwei Jahrzehnte.«
Friedrich Wilhelm Graf, Neue Zürcher Zeitung

»Lenhards programmatische Entscheidung für die Personalbiographie beweist gerade in dieser Vielfalt der Perspektiven ihre große Ergiebigkeit. Das Licht auf die ›graue Eminenz‹ schließt nicht nur materialreich eine Lücke in der Instituts- und der Theoriegeschichte, es zeigt auch die lebensgeschichtlichen Dimensionen einer intellektuellen Welt zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik, die so nicht mehr existiert.«
Wolfgang Matz, Frankfurter Allgemeine Zeitung

»Die außerordentlich materialreiche und sehr gut geschriebene Darstellung ist mehr als nur eine Biographie. Sie ist, vor dem Hintergrund der deutsch-jüdischen (Geistes-)Geschichte der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts, auch die Geschichte der ›Kritischen Theorie‹ und ihrer bedeutendsten Theoretiker.«
Dirk Farke, woxx

»Die äußerst detailreiche Biographie Lenhards folgt nicht nur Pollocks verschlungenem Lebensweg, sie ist zugleich eine glänzend geschriebene Einführung in dessen neu zu entdeckendes Werk und eine gelungene Überblicksdarstellung zur Geschichte des Instituts für Sozialforschung und der Frankfurter Schule.«
Mathias Iven, Das Blättchen 4/2020

»Eine neue überaus lesenswerte Biografie über die ›graue Eminenz‹ Friedrich Pollock von Philipp Lenhard im Suhrkamp Verlag rundet das Bild von der ›Frankfurter Schule‹ gekonnt ab. Lenhard stärkt die These: Wer sich mit der politischen Kultur der Weimarer Republik, der Entstehung der ›Kritischen Theorie‹ und der deutsch-jüdischen Emigration in die USA auseinandersetzt, kommt an Friedrich Pollock nicht vorbei.«
Michael Hesse, Kölner Stadt-Anzeiger

»... so [zeigt Pollocks Biographie], dass Werk und Person sich nicht nur auf eine Fußnote ... im Leben der populären Kritischen TheoretikerInnen reduzieren lässt. Die Lektüre macht deutlich, dass es sich lohnt, über Pollock zu lesen - aber genau so sehr Pollock zu lesen.«
Felix Brandner, Nilpferdkönige

»Gespickt mit vielen Details ist das Buch eine klare Bereicherung in der Geschichtsschreibung zur Kritischen Theorie. Wer sich zukünftig mit Friedrich Pollock und dessen Beitrag zur Kritischen Theorie auseinandersetzen möchte, kommt an Lenhards Buch nicht vorbei.«
Gregor-Sönke Schneider, sehepunkte 4/2020

Einleitung


1964 veröffentlichte Max Horkheimer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung anlässlich des siebzigsten Geburtstages seines engsten Mitstreiters und lebenslangen Freundes Friedrich Pollock eine kleine Würdigung. Darin heißt es: »Daß Friedrich Pollock […] ausschließlich als Gelehrter bekannt ist, läßt einzig durch seine tiefe Bescheidenheit sich erklären. Wie sehr seine wissenschaftlichen Leistungen der Beurteilung entscheidender wirtschaftlich-gesellschaftlicher Phänomene dienen mögen, seine praktische Wirksamkeit bei der Entstehung, Entfaltung und Erneuerung der Sozialwissenschaften in Deutschland, nicht zuletzt bei der Rettung einzelner ihrer Vertreter zur Zeit der Verfolgung, bildet ein bedeutsames Kapitel in der Geschichte des lange vernachlässigten Forschungszweiges. Sein der Pflicht unendlich viel mehr als dem eigenen Wohl gewidmetes Leben, die produktive Solidarität mit theoretischen Bestrebungen und Institutionen im einzelnen darzustellen, wäre ein Beitrag zum Verständnis der intellektuellen Situation des letzten halben Jahrhunderts.«1

Diese zugegebenermaßen recht hagiographischen Worte, die vom tief empfundenen Respekt vor der Lebensleistung eines Freundes zeugen, könnten dem vorliegenden Buch zweifellos als Vorwort voranstehen. Doch eine Antwort auf die Frage, warum der laut Horkheimer so immens wichtige »Beitrag zum Verständnis der intellektuellen Situation« der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erst jetzt, fast ein halbes Jahrhundert nach Pollocks Tod rekonstruiert wird, erschließt sich, wenn man eine zweite, weniger überschäumende Würdigung kontrastierend hinzuzieht. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel publizierte nach dem Tod Pollocks am 16. Dezember 1970 einen Nachruf mit folgendem Wortlaut: »Der Mitbegründer des Frankfurter Instituts für Sozialforschung blieb bewußt im Schatten seines großen Freundes Max Horkheimer, dessen Helfer und Hausmeier er ein Leben lang war. Als Organisator und Finanzverwalter des Instituts hatte er Anfang der dreißiger Jahre Zweigstellen in London, Genf und Paris eingerichtet und damit die Fortführung der Arbeit im Ausland nach Hitlers Machtübernahme ermöglicht. […] Als Nationalökonom erwarb sich Pollock durch seine Veröffentlichungen den Ruf eines Kenners der marxistischen Ökonomie. Der Emeritus lebte im Nachbarhaus Horkheimers in Montagnola bei Lugano. Dort starb er am Mittwoch vorletzter Woche.«2

Auch der Spiegel erwähnt Pollocks wissenschaftliches Werk, mit dem er sich, so heißt es vage, einen »Ruf« als »Kenner der marxistischen Ökonomie« erworben habe – ob zu Recht oder zu Unrecht bleibt offen –, doch die Figur des »Gelehrten«, als die Pollock doch laut Horkheimer einzig bekannt geworden sei, bleibt im Spiegel nur eine blasse Randgestalt. Stattdessen wird er als »Finanzverwalter«, »Helfer«, »Nachbar«, ja »Hausmeier« Horkheimers dargestellt, der bewusst im Schatten der Öffentlichkeit geblieben sei. Es ist vornehmlich dieses Bild, das sich in der Rezeption der Geschichte der Frankfurter Schule etabliert hat. Horkheimers Würdigung musste vor diesem Hintergrund als Freundschaftsdienst, als Lobhudelei unter Kompagnons verstanden werden. Dass Pollock tatsächlich mehr war als nur ein »Hausmeier«, dass sein wissenschaftliches Werk, aber auch sein Lebensweg von überragender Bedeutung für das intellektuelle Profil des Instituts für Sozialforschung gewesen ist und zugleich Dutzende deutsch-jüdischer Intellektueller ihm ganz praktisch überlebensnotwendige Hilfe im Exil verdanken, wird in diesem Buch dargestellt.

Wie alle Persönlichkeiten, die so faszinierend sind, dass Historiker Biographien über sie schreiben, war freilich auch Pollock ein Mann kleiner und großer Widersprüche: Ein Fabrikantensohn, der das Privateigentum abschaffen wollte; ein Professor, der wenig publizierte; ein Ökonom, der sich an der Börse verzockte; ein Badenser, der sich nur noch im Englischen heimisch fühlte; ein Kommunist, der den Marxismus für anachronistisch hielt; ein Jude, der vom Judentum nichts wissen wollte; und schließlich: ein kritischer Intellektueller, der glaubte, das gute Leben in einer intimen, lebenslangen Freundschaft antizipieren zu können. Ihn als Individuum mit all seinen Konflikten, Stärken und Schwächen vorzustellen, die verschlungenen Wege seines Lebens nachzuzeichnen und zugleich in sein Werk einzuführen ist Zweck des vorliegenden Buches.

Weil der Einzelne einer bekannten Wendung Marx' zufolge immer auch ein »Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse« ist, in denen er lebt, gewährt die vorliegende Studie darüber hinaus Einblicke in die politische, kulturelle und intellektuelle Geschichte des 20. Jahrhunderts. Doch sosehr der zeitgeschichtliche Kontext die konkreten Entscheidungen, Handlungen und Denkweisen der historischen Persönlichkeit auch immer prägen mag, so sehr ist doch davor zu warnen, das Individuum als bloßen Knotenpunkt allmächtiger Triebkräfte wahrzunehmen. Der Begriff des Individuums, dem die vorliegende Biographie trotz oder gerade wegen seiner Gebrochenheit durch die Verheerungen der Moderne noch immer verbunden ist, kann nur dann sinnvoll verwendet werden, wenn der Einzelne nicht vollkommen mit seiner Zeit identisch ist, sondern sich auch durch seine Abweichung, durch sein Überschreiten der bestehenden Normen und seinen Widerspruch zum gesellschaftlichen Mainstream auszeichnet. Das vorliegende Buch ist somit keine Gesellschaftsbiographie, die dem Glauben verfällt, anhand eines einzigen Menschen könne sich das Jahrhundert ablesen lassen, sondern ganz bewusst eine Studie über eine fesselnde Persönlichkeit, die in einer Zeit gewaltiger Katastrophen, Konflikte und Umbrüche lebte und in ihrer eigenen, wie wir sehen werden, durchaus eigentümlichen Weise auf diese reagierte.

Wer sich mit der Geschichte der deutschen Soziologie, des westlichen Marxismus, der sogenannten »Frankfurter Schule« oder auch der deutsch-jüdischen Emigration in die USA auseinandersetzt, kommt an Pollock nicht vorbei. Sein Name taucht in der Literatur und vor allem in den Quellen immer wieder auf, und doch ist Pollock, nach einem Wort von Rolf Wiggershaus, »der letzte Unbekannte der Frankfurter Schule« geblieben.3 Als Wiggershaus seine Diagnose 1994 niederschrieb, hoffte er, damit die Aufmerksamkeit der Forschung auf ein Leben zu lenken, das innerhalb der Geschichte des Instituts für Sozialforschung eine prominente Rolle einnahm. Doch in den mehr als zwanzig Jahren, seit Wiggershaus' knappe biographische Skizze erschien, hat sich nichts Wesentliches am Bekanntheitsgrad Pollocks geändert. Noch immer fristet er ein Schattendasein hinter den Stars der Kritischen Theorie wie Theodor W. Adorno, Walter Benjamin, Max Horkheimer oder Herbert Marcuse. Nur eingefleischten Experten ist ein kleiner Ausschnitt seines Werkes bekannt und von wenigen Ausnahmen abgesehen ist Pollocks theoretische Arbeit einzig als Fußnote zu den anerkannten Denkern der Frankfurter Schule rezipiert worden. Seine immense theoriegeschichtliche Bedeutung für die Entwicklung der Kritischen Theorie ist bisher höchstens in Ansätzen erfasst.4

Dies erstaunt umso mehr, als Pollock keine Randfigur war, sondern als Mitbegründer und langjähriger (Co-)Direktor des Instituts für Sozialforschung in höchstem Maße die persönliche wie theoretische Kontinuität der Frankfurter Schule repräsentierte und deren wissenschaftlichen Weg entscheidend mitprägte. Der nun endlich vorliegende erste Band der Gesammelten Schriften, der die Frühen Schriften aus der Zeit vor 1933 enthält, mag, so ist zu hoffen, zusammen mit den fünf weiteren geplanten Bänden das Interesse für Pollocks Werk erhöhen.5 Wie nicht zuletzt an der ausgezeichneten, seit 1985 im S. Fischer Verlag erschienenen Horkheimer-Gesamtausgabe zu sehen ist, kann eine solche Veröffentlichung für die intellektuelle Auseinandersetzung mit einem bedeutenden Denker und dessen Werk äußerst fruchtbar sein. Sie lässt das Werk, trotz aller Beeinflussungen von außen, auch als immanent sich entwickelnde Gesamtheit erscheinen, die sowohl durch Kontinuitäten als auch durch Fortschritte, Revisionen und Neuentdeckungen gekennzeichnet ist. Dies hilft, Pollock nicht nur in Abhängigkeit zu anderen, bekannteren Vertretern der Kritischen Theorie zu verstehen, sondern auch als originären Denker, der seinerseits andere nachhaltig beeinflusst hat.

Ganz ähnlich verhält es sich mit Pollocks Leben: Anders als...

Erscheint lt. Verlag 11.11.2019
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Emigration • Frankfurter Schule • Instititut für Sozialforschung • Judentum • Max Horckheimer
ISBN-10 3-633-76391-0 / 3633763910
ISBN-13 978-3-633-76391-7 / 9783633763917
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