Hope (eBook)

Es gibt kein zurück. Du kommst an. Oder du stirbst.

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
544 Seiten
Dressler Verlag GmbH
978-3-86272-111-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hope -  Peer Martin
Systemvoraussetzungen
12,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Du hast nichts zu verlieren, wenn dir alles genommen wurde! Der 19-jährige Kanadier Mathis begleitet Hope, einen elf Jahre alten Somali, auf dessen abenteuerlicher Flucht quer durch Südamerika. Kaum gestartet, heften sich zwei zwielichtige Typen an ihre Fersen. Nicht die einzige Bedrohung, der sich Hope und Mathis unterwegs stellen müssen. Auf ihrem atemberaubenden Trip über den Amazonas, die Panamericana und auf dem Dach eines rasenden Güterzugs lauert der Tod überall. Mehr als einmal können sie ihm nur knapp entkommen. Werden die beiden es in die Freiheit schaffen?

Peer Anders Martin wurde 1968 in Hannover geboren. Nach einem Studium der Sozialpädagogik arbeitete er mehrere Jahre mit Jugendlichen in Berlin, Brandenburg und Vorpommern, zuletzt auf der Insel Rügen. Diese Erfahrungen und die Gespräche mit einem syrischen Freund brachten ihn schließlich dazu, seinen ersten Roman niederzuschreiben, der auf vielen langen Spaziergängen an den Stränden der Ostseeküste entstand, wo er die Geschichte zuerst der geduldigen Hündin Lola erzählte. Inzwischen lebt er mit seiner Frau, drei Kindern und Lola in Quebec. Nils Andersen, geb. 1985, studierte Medienkunst in Weimar. Im Mai 2015 gründete er mit einer Kommilitonin das Kollektiv KIM&HIM und ist als freischaffender Motion Designer und Illustrator tätig.

Peer Anders Martin wurde 1968 in Hannover geboren. Nach einem Studium der Sozialpädagogik arbeitete er mehrere Jahre mit Jugendlichen in Berlin, Brandenburg und Vorpommern, zuletzt auf der Insel Rügen. Diese Erfahrungen und die Gespräche mit einem syrischen Freund brachten ihn schließlich dazu, seinen ersten Roman niederzuschreiben, der auf vielen langen Spaziergängen an den Stränden der Ostseeküste entstand, wo er die Geschichte zuerst der geduldigen Hündin Lola erzählte. Inzwischen lebt er mit seiner Frau, drei Kindern und Lola in Quebec. Nils Andersen, geb. 1985, studierte Medienkunst in Weimar. Im Mai 2015 gründete er mit einer Kommilitonin das Kollektiv KIM&HIM und ist als freischaffender Motion Designer und Illustrator tätig.

1

o homem


der Mensch

Bildersuche Internet:

Regenwald von oben

Sojaplantagen Brasilien

Theater Manaus

Slum Manaus

Amazonas Boot

Ich werde nie vergessen.

Ich werde nie vergessen, wie ich in diesem Büro saß, im dritten Stock eines Vororts von Johannesburg. Papiere stapelten sich auf dem Schreibtisch, der Kommode, dem Fensterbrett, den Stühlen.

»Setzen Sie sich«, sagte der Mann hinter dem Schreibtisch. Er hatte eine kleine Sammlung von Smartphones vor sich liegen und war damit beschäftigt, bei einem von ihnen ein Teil mit einem Brillenschraubenzieher auszuwechseln.

Ich nahm einen Papierstapel von einem Stuhl und setzte mich.

»Ich brauche Papiere«, sagte ich, was sehr dumm klang, da ich ja einen ganzen Stapel Papiere in der Hand hielt. Ich legte ihn auf den Boden. »Ich … brauche Papiere für einen elfjährigen Jungen aus Somalia, der mit mir nach Brasilien reisen wird. Jemand hat mir gesagt, Sie könnten …«

Und wenn er die Polizei rief?

Als Tadalesh mir die Adresse genannt hatte, war ich davon ausgegangen, einen dunklen, zwielichtigen Schuppen in einem Hinterhof zu finden, nicht dieses helle Büro. Vielleicht streute jemand absichtlich Falschinformationen.

Der Mann hinter dem Schreibtisch, ein ordentlich gekleideter, untersetzter Mann mit fast kahl geschorenem Schädel, legte den Schraubenzieher hin und musterte mich eine Weile. In seinen Augen standen die Worte: männlich, weiß, Geld, jung, zerzaust.

»Brasilien«, sagte er schließlich. »Ein Junge.«

»Ja. Seine Familie wartet dort, sie wollen in die Staaten, sie sind geflohen, und ich …«

Er wischte meine Erklärung mit einer Handbewegung weg. »Adoption?«, fragte er knapp.

»Wie?«

Er seufzte. »Holen Sie das Kind für jemanden in Amerika ab, der ein Kind adoptieren will?«

Ich schüttelte verblüfft den Kopf.

»Es geht mich nichts an«, sagte er. »Aber eins sag ich Ihnen: Wenn ein einziger Somali gegen die Adoption dieses Jungen ist, haben Sie den ganzen Clan am Hals. Und Somalis sind überall. Es wird immer jemand vom Clan in der Nähe sein. Ich weiß nicht, ob das Risiko den Preis wert ist, den die Adoptiveltern Ihnen zahlen. Name?«

Ich merkte, wie ich lächelte. »Das heißt, Sie stellen die Papiere aus?«

»Selbstverständlich«, sagte er steif. »Pass und Visum. Es kostet natürlich. Geld regiert die Welt.« Es klang traurig. Er holte einen kleinen Taschenrechner aus einer Schublade, tippte und schob ihn mir über das Chaos auf dem Schreibtisch hin. 2125, sagte das Display.

»Das ist … eine Jahreszahl?«

»Das ist der Preis in Dollar. Mit Bearbeitungsgebühr und Papierkosten.«

Beinahe hätte ich gelacht.

Ich hatte ein Budget für das Projekt, ich hatte Geld, mühsam verdient in einem Nebenjob in einer Keksfabrik in den letzten Schulferien meines Lebens. Ich sah noch vor mir, wie meine Mutter den Kopf geschüttelt hatte, wenn ich nach der Schule hingefahren war. Meine Mutter in ihrem leisen Kleid aus Besorgnis, mit den hübschen Fältchen um die Augen, meine Mutter, die Mathematikerin, die alles ständig berechnete, Atemzüge, Herzschläge, das Volumen von Schneeflocken, die wir zusammen am Fenster beobachtet hatten, als ich klein gewesen war. Sie hatte mir gesagt, wie viele Stunden, wie viele Minuten, wie viele Sekunden sie damit zugebracht hatte, mich in die Welt zu bringen und großzuziehen – ich hatte die abnorm hohe Zahl wieder vergessen –, und wie wenig Zeit ich benötigen würde, um dieses Leben auf einer so irrsinnigen Reise zu zerstören.

Wenn sie gewusst hätte, dass ich jetzt hier saß, vor einer feindlichen Zahl, bei deren Überwindung sie mir nicht helfen konnte!

Wenn ich mein ganzes Budget zu Anfang ausgab, blieb zu wenig für die Weiterreise.

Aber dann war es, als fühlte ich wieder die kleine, magere Kinderhand in meiner. Und hörte wieder die ernsthafte, kleine Stimme.

»Okay. Tausend«, sagte ich. Der Mann lachte.

»Wir sind hier nicht auf dem Basar. Und ich brauche ein Bild des Jungen und seinen vollen Namen, wir lassen den ersten Namen weg, falls die Person unter diesem Namen als vermisst gemeldet ist. Sie erhalten von uns Visum, Flugticket und ein Schreiben der Eltern des Jungen, das Sie bevollmächtigt, mit ihm zu fliegen.« Er seufzte, ein wenig wie mein alter Spanischlehrer, der mich im Kurs immer lange angesehen und dann auf diese Weise geseufzt hatte, wenn ich wieder träumte und nicht zuhörte.

»Express wären noch mal fünfzig Dollar. Dann fliegen Sie schon diese Woche. Ohne Express dauert es durchschnittlich zwei Monate.«

Ich kniff die Augen zusammen und wünschte meinem Gegenüber die Pest an den Hals.

»Express«, knurrte ich und schob ihm den Zettel hin, den Tadalesh mir gegeben hatte, einen kleinen, schmierigen Zettel mit einem Namen, lang wie ein Roman. Und ein Bild, das ich mit meiner Kamera gemacht hatte, ausgedruckt am Farbdrucker eines Copyshops: das erste Bild, das ich von ihm hatte, das allererste.

Er sah ernst in die Kamera, die aufgesprungene Lippe war deutlich zu erkennen, und um seinen Hals lag eine zerfaserte Schnur mit einem Anhänger, der verborgen unter dem zu großen, verwaschenen gelben T-Shirt hing. Man sah seine Ohren nicht, das verfilzte Haar war zu lang. Der Mann nahm das Bild nur und nickte.

»Morgen bringen Sie mir das Geld vorbei. Sie bekommen eine Bescheinigung. Ihr Handy.«

Er streckte die Hand aus.

»Wozu brauchen Sie mein Handy?«

»Um die Bilder zu löschen, die Sie hier gemacht haben«, sagte er.

»Ich habe keine Bilder gemacht!«

Der Mann wartete mit ausgestreckter Hand und ich seufzte, entsperrte das Telefon und händigte es ihm aus. Er hatte die Macht, ich hatte nichts.

Das Handy war neu. Die einzigen Bilder darauf waren die von diesem Gebäude: der Treppe, der Tür des Büros. Der Mann löschte sie. Dann gab er mir das Telefon zurück und ließ mich gehen.

So viel zu meiner Reportage.

 

Tadalesh saß draußen vor dem Gebäude auf dem Bürgersteig, das gelbe T-Shirt leuchtete mir entgegen wie ein Stückchen Sonne. Er umfasste mit einer Hand den Anhänger, den er an der Schnur trug, doch als er mich sah, ließ er ihn zurück unters T-Shirt gleiten und sprang auf.

»Wie zum Teufel kommst du hierher?«, fragte ich. »Ich weiß, dass ich allein mit dem Taxi hergekommen bin. Und es ist weit.«

Er zuckte die Schultern und sah auf seine Füße. Sie waren nackt, und als er einen Fuß hob, sah ich Zehen voller Schwielen und Blasen, die Sohle mit einer dicken Schicht Hornhaut versehen. Dies waren nicht die Füße eines Kindes, es waren die Füße eines Wanderers durch Welten.

»Wir haben die Papiere«, sagte ich. »Fast.«

Er strahlte.

Glückskind.

 

Ich war mir sicher, dass ich überfallen werden würde, wenn ich mit zweitausend Dollar in der Tasche noch einmal in diese Gegend fuhr. Ich steckte das Geld in meine Socken, obwohl es zu warm für Socken war. Hier wurde ein Spiel gespielt, das ich erst lernte.

Aber niemand überfiel mich, nicht einmal der Taxifahrer.

Während wir auf die Papiere warteten, machte ich eine Woche lang Fotos von Wolkenkratzern, Slums und südafrikanischen Bierflaschen, auf denen Dinge wie CITY POISON stand. Nette, harmlose Bilder.

Und dann saßen wir in einem Taxi zum Flughafen O.R. Tambo raus, das Glückskind und die Kamera und ich. Die Kamera in ihrer großen schwarzen Tasche lag zwischen uns auf dem Rücksitz. Tadalesh legte eine Hand darauf, vorsichtig, als wäre die Kamera ein lebendiges Wesen, verletzlich und bissig zugleich.

»Und du willst einen Roman über alles schreiben«, sagte er.

»Keinen Roman. Eine Reportage. Ich schreibe es so auf, wie es passiert. Ich möchte deine Geschichte aufschreiben und die der Menschen, die wir treffen, auf dem Weg nach Norden.«

Er schüttelte den Kopf. »Aber die Leute erzählen ihre Geschichten nicht so, wie sie passiert sind.«

»Nein?«

»Leute, die fliehen, nicht«, sagte er. »Wenn sie sie so erzählen würden, wie sie passiert sind, würde niemand sie glauben. Schreib doch einen Roman, das ist besser, dann kannst du alles so machen, wie du es willst. Er hat gesagt, Bücher sind keine Lügen, sie geben der Wahrheit nur Beine, damit sie zu den Menschen kommen kann.« Er seufzte. »Ich habe immer am liebsten zwischen den Büchern geschlafen. Die Regale waren wahnsinnig hoch, er hat auch gesagt, man kann darauf in den Himmel klettern.« Tadalesh sprach jetzt sehr leise.

»Wer ist er

Tadalesh legte den Finger auf die Lippen und sah zu dem Taxifahrer hin. »Er ist nicht mehr da«, flüsterte er.

»Warum glaubst du, dass sich ein südafrikanischer Taxifahrer dafür interessiert, ob es in eurem Haus Bücher gab?«, fragte ich und lachte.

»Er ist Somali«, wisperte Tadalesh.

»Woher weißt du das?«

»Das sieht man doch«, sagte Tadalesh. Aber ich sah nichts, ich war blind, ein blinder Kanadier mit einem Kameraauge. »Vielleicht ist das überhaupt kein Zufall«, flüsterte Tadalesh. »Vielleicht wissen sie genau, wo ich bin.«

»Sie?«, fragte ich. »Wer sind sie

Aber er antwortete nicht.

 

Die Passkontrolle war nervenzerreißend.

Ich war mir sicher, dass sie uns rausziehen würden.

Was haben Sie denn mit diesem Kind vor? Der Brief der Eltern ist gefälscht, genau wie das Visum, das sieht doch jeder.

Mit jedem Vorrücken der Schlange fühlte ich, wie das Adrenalin durch meine Adern schoss. Tadalesh, vor mir, war ruhig....

Erscheint lt. Verlag 18.7.2019
Illustrationen Nils Andersen
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Abenteuer • action • aktuell • Deutscher Jugendliteraturpreis • Drogenkartell • Explosion • Flucht • Flüchtlinge • Johannisburg • Journalisten • Panamericana • Politthriller • Reportage • Somalia • Spannung • Südamerika • Thriller • Verfolgung • Verfolgungsjagd
ISBN-10 3-86272-111-6 / 3862721116
ISBN-13 978-3-86272-111-5 / 9783862721115
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 4,2 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich