Borderless (eBook)

Thriller
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
400 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99397-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Borderless -  Veit Heinichen
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Brillant recherchiert und hochspannend erzählt Veit Heinichen von den Verstrickungen des internationalen Verbrechens mit der Politik.  Commissario Xenia Zannier will sich an den Mördern ihres Bruders rächen. Ihr Hass gilt der skrupellosen Senatorin Romana Castelli de Poltieri, deren korruptes Netzwerk sich von Grado bis nach Rom, München, Berlin, Salzburg und Rijeka erstreckt. Bald setzt ein Frachter syrische Flüchtlinge vor dem Adria-Bad ab, und ein befreundeter Investigativ-Journalist wird brutal ermordet. Die Spur führt Xenia vom BND zu Waffenschiebereien über Kroatien in den Nahen Osten. Bei der Senatorin laufen alle Fäden zusammen, und Xenia ahnt, dass diese alles tun wird, um ihre Macht zu erhalten. Ein Roman von brennender Aktualität.

Veit Heinichen, geboren 1957, lebt seit über fünfundzwanzig Jahren in Triest. Seine Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und erfolgreich verfilmt. Ausgezeichnet u.a. mit dem Radio Bremen Krimipreis und dem Premio Internazionale Trieste, gilt Veit Heinichen nicht nur als glänzender Autor, sondern auch als »großartiger Vermittler italienischer Lebensart« (FAZ).

Veit Heinichen, geboren 1957, lebt seit über zwanzig Jahren in Triest. Seine Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und erfolgreich verfilmt. Ausgezeichnet u.a. mit dem Radio Bremen Krimipreis und dem Premio Internazionale Trieste gilt Veit Heinichen nicht nur als glänzender Autor, sondern auch als "großartiger Vermittler italienischer Lebensart" (FAZ).

1


Grado Pineta, Via delle Pleiadi.


Such dir einen neuen Job, Flittchen. Ich mach dich fertig. Groß wie die Headline einer Boulevardzeitung prangt der Satz in fetten Lettern an der weißen Wand über einer Serie von Fotos der Senatorin und ihres Bruders Carletto. Zeugnisse, die einen langen Zeitraum umspannen. Romana Castelli de Poltieri von ihren politischen Anfängen als blutjunge Agitatorin gegen die Liberalisierung des Abtreibungsverbots in den Siebzigerjahren, später als Stadträtin von Triest und schließlich die Wahl in den Senat in Rom, in dem sie in der fünften Legislaturperiode sitzt.

Ein plakatgroßer Bogen Papier voller Linien, Zahlen und Zeichen zeigt das komplizierte Beziehungsgeflecht der Dame, samt Anlässen und Daten, die weiter ergänzt werden können. Schon die Wände des Büros im römischen Vorort Ostia, ihrer ersten eigenen Dienststelle, hatte Kommissarin Xenia Zannier bei komplexen Fällen so mit Fakten tapeziert, dass ihr kein Detail entgehen konnte. Zufälle, üble Überraschungen lassen sich vermeiden, wenn man sich nur genug in die Sache vertieft. Die Methodik der Kommissarin zeigte auch dank ihrer Durchsetzungsfähigkeit rasch Erfolg. Kurz nach der nächsten Beförderung schlug sie allerdings eine attraktive Stelle bei der DIA aus, den direkt dem Innenministerium angegliederten Antimafia-Spezialisten, und ließ sich zur Überraschung aller in den Nordosten zurückversetzen. Ausgerechnet in den verschlafenen Adria-Badeort Grado. Heimweh, meinten viele, die sich ihre Entscheidung nicht anders erklären konnten. Sie hatten die junge Frau bisher für eine eiskalte Karrierepolizistin gehalten: verbissen, vielsprachig, intelligent und unberechenbar.

Als müsste sie sich an das Motiv ihrer Versetzung erinnern, starrt Xenia auf die Wand in ihrem Zimmer im Erdgeschoss des kleinen Fertigbauhäuschens aus den Sechzigerjahren. Kein Laut dringt mehr von draußen herein, die Nachbarn sind längst schlafen gegangen. Um das kalte Licht der nackten Glühbirne kreisen Mücken. Auf ihrem Schreibtisch, einer Holzplatte auf zwei Böcken, sind Berge von Akten ausgebreitet, systematische Aufzeichnungen, die die Kommissarin über Jahre zusammengetragen hat. Ein Mosaik mehr oder weniger bedeutungsvoller Fakten, ein Gewebe von Indizien, gleichwohl noch keine eindeutigen Beweise. Nach denen wird sie so lange suchen, bis sie die Senatorin und ihren Bruder endlich zur Strecke bringen kann.

 

»Du bist doch nicht anders, Xenia, nur weil du blond bist. Du hast halt die Haare deines Papas …« Floriano saß neben seiner kleinen Schwester zwischen den Rebreihen auf dem Monte Calvario im hohen Gras, wo sie Schinken und Käse aßen.

»Was meinst du damit, Flori?« Sie zog ihn neckisch an einer Locke. »Papa hat doch schwarze Haare wie du, du Esel«, lachte die Achtjährige, die ihren großen Bruder immer gerne zur Arbeit im Weinberg begleitete.

Zu spät, um sich auf die Zunge zu beißen. Floriano blickte auf die Tiefebene zwischen dem Meer und dem hügeligen Weinland hinunter. Arglos hatte er das Familiengeheimnis ausgeplaudert, trotz der Ermahnung seiner Eltern, doch eines Tages hätte die Kleine es ohnehin entdeckt.

»Ach, Xixi.« Floriano legte seinen Arm um die strohblonde Xenia und drückte sie zärtlich an sich. »Das Leben zeichnet Wege, die wir nicht immer gleich verstehen können. Dass du blonde Haare hast und ich schwarze, spielt doch überhaupt keine Rolle, solange wir uns mögen. Und ich werde dich immer mögen, Teufelchen. Du mich doch auch, oder?«

»Ja, schon, aber irgendwie auch nicht. Ich bin nicht wie ihr. Oder hast du etwa Angst, wenn alle Fenster geschlossen sind oder wenn die ganze Klasse dich umzingelt und sie sich daran freut, dass du das nicht aushältst? Dann sperren sie mich in den Schrank oder in die Besenkammer und lachen wie die Idioten.«

»Was tun die? Das hast du mir nie erzählt.«

Floriano war immer in Sorge, dass ihr etwas passieren könnte, und stellte sich schützend vor sie. Selbst wenn sie zu Hause etwas angestellt hatte, nahm er das oft auf seine Kappe, ließ die Strafpredigten gleichmütig über sich ergehen und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.

»Na ja, bis ich dann so tobe, dass entweder der Schrank kaputtgeht oder ein Lehrer kommt, der mich befreit. Aber die Schuldige bin immer ich, Flori.«

»Ich werde dafür sorgen, dass sie das nicht mehr tun. In Zukunft sagst du es mir gleich, Xixi. Versprochen?« Floriano atmete auf, offensichtlich hatte sie das eigentliche Thema schon vergessen.

»Ich gebe es denen schon selber, Flori.« Xenia sprang auf und zeigte ihre kleinen Muskeln. »Bring mir ein paar Tricks bei, die du immer im Training machst.«

»Das sind keine Tricks, das sind Techniken. Das heißt Wing Tsun Kung Fu. Wenn du willst, dann nehme ich dich morgen mit, und du schaust uns zu.«

»Flori, ist es ein Zufall, dass mein Geburtsort Gemona und nicht Gorizia ist, wie bei dir und Mama und Papa?«

Xenia setzte sich wieder neben ihn und umklammerte den kräftigen Arm ihres großen Bruders, während er ihren blonden Schopf streichelte und zaghaft nach den richtigen Worten suchte. Es gab jetzt keinen Ausweg mehr.

»Zufälle gibt es nicht, Xixi. Wir sagen das nur, wenn wir uns die Dinge nicht erklären können oder wollen.«

 

Die frische Nachtluft, die durch die sperrangelweit geöffneten Fenster ihres hell erleuchteten Arbeitszimmers strömt, riecht nach Frühling. Xenia sitzt vornübergebeugt auf einem dreibeinigen Holzschemel, Tränen laufen ihr unaufhaltsam über die Wangen, doch sie schluchzt nicht. Ihr Blick ist starr auf ein mit schwarzem Rand eingefasstes Porträt in einem silbernen Bilderahmen gerichtet. Das Gesicht eines fröhlichen jungen Mannes. Floriano Benes 31. 1. 1966 – 9. 6. 1990 steht darunter. Xenia hat es von der Wand genommen und ist in Erinnerungen versunken. Arne war irgendwann hereingekommen, ihr Freund, nachdem er zuvor lange in der Tür gestanden hatte, ohne dass sie ihn bemerkte. Er umarmte sie und versuchte, ihr zuzureden, nach vorne zu sehen.

»Ein Teil der Zukunft liegt in der Vergangenheit«, hatte sie tonlos gesagt, »das verstehst du nicht. Geh schlafen.«

Sie schüttelte ihn steif ab, und ihm blieb nichts übrig, als ihr einen Kuss auf die Stirn zu drücken und sie zu mahnen, nicht die ganze Nacht in Hader zu versinken.

Xenia ist allein. Auch wenn sie seit fast einem Jahr mit ihm zusammenlebt. Sie erinnert sich nicht an den genauen Tag, an dem er in ihr Leben trat. Absurd genug, eine italienische Polizistin und ein arbeitsloser Jungarchäologe aus Dortmund, dessen Eltern ein Bestattungsinstitut führen. Vielleicht wird sie sich noch an ihn gewöhnen, an seine Ansprüche einer trauten Zweisamkeit. Ohne dass es ihr zu eng wird. Ohne ein weiteres Mal davonzulaufen. Ein netter Kerl, der in sie verliebt ist.

 

Erst seit jenem Nachmittag im Weinberg weiß Xenia, dass Safiria Lepore in Wahrheit die Schwester ihrer leiblichen Mutter ist und sie zusammen mit ihrem Mann Danilo zwei Tage nach ihrer Geburt adoptiert hatte.

Ihr Babyfoto war durch die europäische Presse gegangen: Hoffnung im Leid, Das Wunder von Gemona oder Das Leben aus der Nacht des Todes lauteten die pathetischen Headlines. Jordan S. Becker, ein österreichischer Journalist, lässt es sich nicht nehmen, an jedem Jahrestag über ihren Werdegang zu berichten. Mit der Zeit wurde er zu einem fernen Freund, mit dem sie sporadisch telefoniert, wenn er nicht unverhofft auf der Schwelle steht. Selbst in Ostia besuchte sie der groß gewachsene Mann mit dem grauen halblangen Haar eines Tages in ihrem Kommissariat. In diesem Jahr ist sein Besuch längst überfällig.

Schon ihre leibliche Mutter war auf den Namen Xenia getauft gewesen. Sie hatte in Gemona die städtische Bibliothek geleitet und war im siebten Monat, als sie beim großen Erdbeben im Friaul eine einstürzende Mauer ihres Wohnhauses unter sich begrub. Stunden später hatte eine erste Rettungsmannschaft ihre verzweifelten Rufe aus den Trümmern vernommen, die Siebenundzwanzigjährige befreit und zu einem eilig errichteten Militärlazarett gebracht. Um 4 Uhr 37 des 7. Mai 1976 hauchte die junge Frau nach dem Notkaiserschnitt ihr Leben aus. In der Nacht des Todes erblickte Xenia Ylenia Zannier zwei Monate zu früh das Licht der Welt. Fast tausend Menschen hatten ihr Leben verloren und über fünfundvierzigtausend das Dach über dem Kopf. Die Medien hatten sich auf das Neugeborene gestürzt wie auf ein Wunder. Gab es doch Hoffnung im Tod?

Xenia wurde als Vollwaise geboren, auch ihren Vater Gaetano Zannier hatte sie nie kennengelernt. Helfer bargen die Leiche des Gemeindepolizisten erst drei Tage später aus den Trümmern. Und ihr Onkel Danilo Benes wurde dank der unerschütterbaren Entscheidung Safirias, das Baby umgehend zu adoptieren und ihm den Namen der Mutter zu geben, zu dem Mann, den Xenia schließlich Papà nannte. Ihre Tante wurde zur Mamma. Tatsächlich war Floriano also ihr Cousin, für sie aber ihr großer Bruder. Er war schon zehn Jahre alt gewesen und hatte die Kleine von Anfang an in sein Herz geschlossen.

 

Such dir einen neuen Job, Flittchen. Kommissarin Xenia Zannier sitzt mit durchgedrücktem Rückgrat auf dem Holzhocker, fährt sich mit beiden Händen durch das streichholzkurze blonde Haar, ballt die Fäuste, dass sich die Knochen weiß auf dem Handrücken abdrücken und ihre Nägel in die Hand schneiden, bis sie den Schmerz spürt. Sie schnellt blitzartig auf, drei Schritte, ihre Faust trifft das Bild der Senatorin.

Xenia war vierzehn Jahre alt, als sie die Frau zum ersten Mal sah. Im Gerichtssaal während des...

Erscheint lt. Verlag 2.5.2019
Reihe/Serie Xenia Zannier
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Adria • Bankenkrise • BND • Buch • Bücher • Deutschland • Die Zeitungsfrau • Euro-Thriller • Geheimdienst • Grado • Italien • Komplott • Neuerscheinung 2019 • Neuer Thriller 2019 • Politik • Rache • Scherbengericht • Schmuggel • Syrien • Syrien-Konflikt • Thriller • Triest • Venetien • Waffenhandel
ISBN-10 3-492-99397-4 / 3492993974
ISBN-13 978-3-492-99397-5 / 9783492993975
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