Lucas (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
448 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43548-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Lucas -  Kevin Brooks
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Deutscher Jugendliteraturpreis 2006 Eine Geschichte über Liebe und Hass - und alles, was dazwischen liegt. Im Rückblick schreibt Caitlin die Geschichte des letzten Sommers auf - des Sommers, in dem Lucas auf ihre Insel kam und in dem die Welt ihrer Kindheit zerbrach. Während sie selbst vom ersten Moment an fasziniert ist von jenem Fremden, der schön ist und geheimnisvoll, von nirgendwoher zu kommen scheint und sich jeder Einordnung entzieht, reagieren die meisten Inselbewohner misstrauisch und vorurteilsvoll. Caitlin freundet sich mit Lucas an und beginnt sich sogar in ihn zu verlieben. Zugleich muss sie miterleben, wie ihm die Erwachsenen alle krummen Dinger in die Schuhe schieben wollen, die in der Gegend passieren, und wie die tonangebende Jugendclique ihn verspottet und verfolgt. Auch Caitlin selbst zieht nun Hass auf sich und gerät in Gefahr. Und es kommt immer schlimmer: Eben noch galt Lucas schlicht als unerwünschter Herumtreiber, dann unterstellt man ihm, er habe ein kleines Mädchen belästigt, das er in Wirklichkeit vorm Ertrinken gerettet hat. Als auf der Insel eine junge Frau ermordet in den Dünen gefunden wird, ist für Caitlin erschütternd klar, was passieren wird. Hat sie eine Chance, Lucas vor der gnadenlosen Hetzjagd zu schützen, die nun beginnt? Ausgezeichnet mit dem Buxtehuder Bullen Ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2006 (Jugendjury) Nominiert für den Gustav-Heinemann-Friedenspreis Auf der Empfehlungsliste der Besten 7 (Deutschlandfunk/Focus) im Juni 2005 Eule des Monats Juli 2005, verliehen vom Bulletin für Kinder- und Jugendliteratur 

Kevin Brooks, geboren 1959, wuchs in einem kleinen Ort namens Pinhoe in Südengland auf. Nach seinem Studium verdiente er sein Geld mit Gelegenheitsjobs. Seit dem überwältigenden Erfolg seines Debütromans >Martyn Pig< widmet er sich ganz dem Schreiben. Für seine Arbeiten wurde er mit renommierten Preisen ausgezeichnet, u.a. mehrfach mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis sowie der Carnegie Medal für >Bunker Diary<. Er schreibt auch Thriller für Erwachsene.

Kevin Brooks, geboren 1959, wuchs in einem kleinen Ort namens Pinhoe in Südengland auf. Nach seinem Studium verdiente er sein Geld mit Gelegenheitsjobs. Seit dem überwältigenden Erfolg seines Debütromans ›Martyn Pig‹ widmet er sich ganz dem Schreiben. Für seine Arbeiten wurde er mit renommierten Preisen ausgezeichnet, u.a. mehrfach mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis sowie der Carnegie Medal für ›Bunker Diary‹. Er schreibt auch Thriller für Erwachsene.

Eins


Ich sah Lucas zum ersten Mal letzten Sommer an einem sonnigen Nachmittag Ende Juli. Natürlich wusste ich da noch nicht, wer er war … das heißt, wenn ich es mir genau überlege, wusste ich nicht einmal, was er war. Das Einzige, was ich vom Rücksitz des Wagens aus erkennen konnte, war eine grün gekleidete Gestalt, die im flimmernden Dunst der Hitze den Damm entlangtrottete; eine schmächtige, zerlumpte Person mit einem Wuschelkopf aus strohblondem Haar und einer Art zu gehen – ich muss immer noch lächeln, wenn ich dran denke –, einer Art zu gehen, als würde er der Luft Geheimnisse zuflüstern.

Wir waren auf dem Weg vom Festland zurück.

Dominic, mein Bruder, war bei Freunden in Norfolk gewesen, nachdem er einen Monat zuvor sein erstes Jahr an der Uni beendet hatte. Am Morgen hatte er angerufen, er sei auf dem Weg nach Hause. Sein Zug sollte um fünf ankommen und er hatte gefragt, ob wir ihn am Bahnhof abholen würden. Eigentlich hasst es Dad, gestört zu werden, wenn er schreibt (was er fast immer tut), und genauso hasst er es, irgendwohin zu müssen, aber wenn man mal vom üblichen Seufzen und Stöhnen absah – Warum kann der Junge kein Taxi nehmen? Was hat er gegen den verdammten Bus? –, dann konnte ich am Blitzen in seinen Augen erkennen, dass er sich ehrlich darauf freute, Dominic wiederzusehen.

Nicht dass Dad unglücklich war, die ganze Zeit mit mir zu verbringen, aber seit Dom an der Uni war, hatte er, glaube ich, das Gefühl, als fehle etwas in seinem Leben. Ich bin sechzehn (damals war ich fünfzehn) und Dad ist irgendwas über vierzig. Schwierige Alter – für uns beide. Erwachsen werden, erwachsen sein müssen, Mädchensachen, Männersachen, mit Gefühlen klarkommen, die keiner von uns versteht … das ist nicht leicht. Wir können einander nicht immer geben, was wir brauchen, egal wie sehr wir uns bemühen. Manchmal hilft es einfach, jemanden dazwischen zu haben, jemanden, an den man sich wenden kann, wenn einem die Dinge über den Kopf wachsen. Wenn sonst nichts, so war Dominic doch zumindest immer ein guter Vermittler gewesen.

Natürlich war das nicht der einzige Grund, warum Dad sich freute ihn wiederzusehen – Dominic war schließlich sein Sohn. Sein Junge. Er war stolz auf ihn. Er machte sich Sorgen um ihn. Er liebte ihn.

Ich auch.

Aber irgendwie war ich nicht ganz so aufgeregt ihn wiederzusehen wie Dad. Ich weiß nicht, warum. Nicht dass ich ihn nicht sehen wollte, ich wollte es ja. Es war nur … ich weiß auch nicht.

Irgendwas störte mich.

»Bist du fertig, Cait?«, hatte Dad gefragt, als es Zeit war aufzubrechen.

»Warum fährst du nicht allein?«, schlug ich vor. »Dann könnt ihr euch auf dem Rückweg mal so richtig ausquatschen zwischen Vater und Sohn.«

»Ach, komm, er will doch auch seine kleine Schwester wiedersehen.«

»Na gut, warte eine Sekunde. Ich hol eben Deefer.«

Dad hat fürchterliche Angst, allein zu fahren, seit Mum vor zehn Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Ich versuche ihn immer zu ermutigen, aber ich mag auch nicht zu sehr drängen.

Jedenfalls waren wir aufs Festland gefahren und hatten Dominic vom Bahnhof abgeholt, und da saßen wir nun alle – die ganze Familie McCann in unseren altersschwachen Fiesta gestopft, auf dem Weg zurück zur Insel. Dad und Dominic vorn, ich und Deefer auf der Rückbank. (Deefer ist übrigens unser Hund. Ein großes, schwarzes, übel riechendes Etwas mit einem weißen Streifen über dem einen Auge und einem Kopf groß wie ein Amboss. Dad behauptet immer, Deefer sei eine Mischung aus Stinktier und Esel.)

Dominic hatte, seit er seinen Rucksack in den Kofferraum geworfen und in den Wagen gestiegen war, nonstop geredet. Uni hier, Uni da, Schriftsteller, Bücher, Zeitschriften, Partys, Leute, Geld, Clubs, Konzerte … er unterbrach sich nur, wenn er eine Zigarette anzündete, was ungefähr alle zehn Minuten der Fall war. Und wenn ich sage Reden, dann meine ich nicht Sich-Unterhalten, sondern Brabbeln wie blöde. »… Ich sag dir, Dad, du würdest es verdammt nicht glauben … diese Idioten haben doch tatsächlich verlangt, dass wir EastEnders gucken, Himmel noch mal … Soll irgendwas mit Massenkultur zu tun haben, was immer das sein mag … Und noch so eine Sache, die allererste Vorlesung, ja? Ich sitze da, höre diesem schwachsinnigen alten Professor zu, der über Marxismus oder sonst irgendeinen Scheiß rumschwafelt, und denk mir meinen Teil. Plötzlich hört er auf zu reden, sieht mich an und fragt: ›Warum machen Sie sich keine Notizen?‹ Ich konnt’s nicht fassen. Warum machen Sie sich keine Notizen? Scheiße! Ich dachte, Uni hätte was mit freier Willensentscheidung zu tun, weißt du? Erziehung zur Mündigkeit und Eigenverantwortung, die Freiheit, im eigenen Tempo zu lernen …«

Und und und. In einer Tour immer so weiter.

Das gefiel mir nicht.

Die Art, wie er sprach, sein ständiges Fluchen, wie er seine Zigarette rauchte und mit den Händen herumwedelte wie ein Möchtegern-Intellektueller … es war nur peinlich. Ich fühlte mich unwohl – es war dieses Zusammenzucken vor Unbehagen darüber, dass jemand, den du gern hast und der dir nahe steht, plötzlich anfängt sich wie ein kompletter Idiot zu benehmen. Und es gefiel mir auch nicht, dass er mich so vollkommen ignorierte. Gemessen an der Aufmerksamkeit, die ich von ihm bekam, hätte ich auch gar nicht da sein können. Ich fühlte mich wie ein Fremder in unserem eigenen Auto. Erst kurz bevor wir die Insel erreichten, unterbrach sich Dominic, um Luft zu holen, drehte sich um, kraulte Deefers Kopf (»Hey, Deef«) und wandte sich an mich.

»Alles klar, Kleine? Wie läuft’s denn so?«

»Hallo, Dominic.«

»Was ist los? Du siehst anders aus. Verdammt, was hast du mit deinen Haaren gemacht?«

»Dasselbe wollte ich dich fragen.«

Er grinste und fuhr sich mit der Hand über den blond gefärbten Kurzhaarschnitt. »Gefällt’s dir?«

»Sehr schick. Surfermäßig. Sehen alle so aus in Liverpool?«

»Na ja, sie sehen jedenfalls nicht so aus«, sagte er und strich mir übers Haar. »Hübsch. Wie nennt sich der Stil – Igel?«

»Igel haben Stacheln«, erwiderte ich und richtete ein Haargummi gerade. »Das sind Puschel.«

»Puschel? Na klar.« Er paffte seine Zigarette. »Wie findest du es denn, Dad?«

»Ich finde, es steht ihr«, sagte Dad. »Und abgesehen davon hab ich lieber einen Igel in der Familie als einen Neonazi-Surfer.«

Dominic lächelte, während er weiter auf meine Haare schaute.

»Und was hält dein Liebster davon?«, fragte er.

»Wie bitte?«

»Simon«, sagte er. »Was meint Simon dazu?«

»Keine Ahnung.«

»Ihr habt euch doch nicht etwa getrennt, oder?«

»Oh, sei doch nicht so kindisch, Dominic. Simon ist bloß ein Freund –«

»In dem Glauben möchte er dich gern lassen.«

Ich stöhnte. »Mann, ich dachte, du würdest erwachsen, wenn du zur Uni gehst?«

»Ich doch nicht«, antwortete er und zog ein Gesicht. »Ich entwickle mich rückwärts.«

All die schlechten Erinnerungen an Dominic kamen langsam wieder hoch. Das Sticheln, die höhnischen Bemerkungen, dass er mich ständig auf den Arm nahm und wie ein dummes kleines Mädchen behandelte … Ich glaube, das war einer der Gründe, warum ich ein bisschen verhalten war über seine Rückkehr – ich wollte nicht mehr wie ein dummes kleines Mädchen behandelt werden, schon gar nicht von jemandem, der sich selbst nicht dem eigenen Alter entsprechend aufführte. Und die Tatsache, dass ich ein Jahr zugebracht hatte, ohne ständig wie ein Trottel behandelt zu werden, machte das Ganze noch schlimmer. Ich war es nicht mehr gewöhnt. Und wenn man etwas nicht gewöhnt ist, ist es noch schwerer, damit klarzukommen. Deshalb wurde ich langsam sauer.

Aber dann, gerade als ich dabei war, ernstlich wütend zu werden, reichte Dominic nach hinten und berührte ganz leicht meine Wange.

»Schön, dich zu sehen, Cait«, sagte er sanft.

Einen Moment war er wieder der Dominic, den ich kannte, bevor er volljährig wurde, der wahre Dominic, der, der auf mich aufpasste, wenn es nötig war, dass jemand auf mich aufpasste – mein großer Bruder. Aber fast im selben Augenblick zuckte er die Schultern und wandte sich ab, als wäre er sich selbst unangenehm, und das alte Großmaul Dom war wieder da.

»Hey Dad«, donnerte er los, »verdammt, wann besorgst du dir endlich ein neues Auto?«

»Und wozu brauche ich ein neues Auto?«

»Weil das hier ein verfluchter Schrotthaufen ist.«

Sehr freundlich.

Der Inselhimmel hat sein eigenes unverkennbares Licht, einen schillernden Glanz, der sich mit den Stimmungen der See verändert. Es ist nie gleich und doch immer gleich. Wenn ich es sehe, weiß ich jedes Mal, dass ich gleich zu Hause bin.

Zu Hause, das ist eine kleine Insel mit Namen Hale. Sie hat eine Länge von ungefähr vier Kilometern und bringt es an der breitesten Stelle auf zwei Kilometer. Mit dem Festland ist sie durch eine schmale Straße verbunden, die auf einem kurzen Damm das Mündungsgebiet des Flusses durchquert. Die meiste Zeit würde ein Fremder gar nicht merken, dass es ein Damm ist, und auch nicht glauben, dass Hale eine Insel ist, denn in der Regel ist die Mündung nichts als eine weite Fläche aus Reet und braunem Schlick. Aber...

Erscheint lt. Verlag 28.2.2019
Übersetzer Uwe-Michael Gutzschhahn
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Alkoholismus • Ausgrenzung • Außenseiter • Buxtehuder Bulle • Coming of Age • Deutscher Jugendliteraturpreis • Deutschunterricht • Drogen • England • englische Ferieninsel • Englische Küste • Entwicklungsroman • Erwachsenwerden • Faszination des Fremden • Fremdenfeindlichkeit • Fremdenhass • Freundschaft • Gewalt • Gruppendynamik • Hetzjagd • Insel • Jugendroman • Klassenlektüre • Leseförderung • Liebesgeschichte • Literaturunterricht • Mobbing • Mord • Psychologischer Thriller • Roman für Schüler • Rucksacktourist • Schule • Schullektüre • Schullektüre 10. Klasse • Schullektüre 8. Klasse • Schullektüre 9. Klasse • Schullektüre Deutsch Klasse 8 bis 11 • Schullektüre mit Unterrichtsmaterial • Sexuelle Gewalt • Suizid • Thriller • Unterrichtslektüre • Unterrichtsmaterial • Unterrichtsmodelle • Vorurteile
ISBN-10 3-423-43548-8 / 3423435488
ISBN-13 978-3-423-43548-2 / 9783423435482
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,1 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich