Die Schöne und die Kluge (eBook)

Schwestern oder Immer nur die Hälfte vom Glück
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2018 | 1. Auflage
138 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-688-11125-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Schöne und die Kluge -  Norgard Kohlhagen
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Irgend etwas stimmt nicht mehr zwischen Janne und mir. Was ist nur los mit meiner kleinen Schwester? fragt Katrin sich, sie haben sich doch früher gut verstanden. Jetzt aber ist Janne dreizehn und Katrin fünfzehn. Janne nervt es, daß alle ihr die große Schwester als Vorbild vorhalten, daß sie nicht so sein darf, wie sie ist. Und Katrin fühlt sich in der alten Rolle der Großen und Vernünftigen nicht mehr wohl, sie will nicht immer im Schatten der schöneren Schwester stehen. Irgendwann fangen die beiden an, miteinander zu reden - auch über den lieben Augustin natürlich. Wie kam es, daß sie sich ausgerechnet in denselben Jungen verliebten?

Norgard Kohlhagen wurde 1941 in Bad Lauterberg geboren. Nach dem Studium der Germanistik und Romanistik Ausbildung im «Nachwuchsstudio» des Norddeutschen Rundfunks. Bis 1978 Redakteurin bei verschiedenen Zeitschriften, seitdem freie Autorin in Hamburg.

Norgard Kohlhagen wurde 1941 in Bad Lauterberg geboren. Nach dem Studium der Germanistik und Romanistik Ausbildung im «Nachwuchsstudio» des Norddeutschen Rundfunks. Bis 1978 Redakteurin bei verschiedenen Zeitschriften, seitdem freie Autorin in Hamburg.

JANNE

Wie diese Geschichte angefangen hat, weiß ich besser als du.

KATRIN

Nein, ich, laß mich mal erzählen. Ich …

JANNE

Immer willst du die erste sein!

KATRIN

Stimmt überhaupt nicht. Alle sagen sowieso, daß du beliebter und niedlicher bist als ich.

JANNE

Niedlich – wenn ich das schon höre! Das kannst du zu einem Baby sagen, aber nicht zu mir!

KATRIN

Glaubst du etwa, ich finde es gut, daß du mir immer vorgezogen wirst, weil du eben niedlich bist – und ich bin die Große und die Vernünftige und muß auf dich aufpassen!

JANNE

Also, du übertreibst ganz schön …

KATRIN

Aber so ist es doch. Ich weiß noch genau, wie ich dich jeden Tag vom Kindergarten abholen mußte, und du hast zu Hause neben mir gestanden und Lieder vorgesungen. Alle fanden dich süß. Aber wehe, du hast geplärrt. Dann kriegte ich gleich zu hören: Paß auf die Kleine auf, sei doch mal vernünftig!

JANNE

Das ist ja nun wirklich lange genug her.

KATRIN

Findest du? Und wie war das voriges Jahr? War ich da nicht auch deine Aufpasserin?

JANNE

Nein. Das siehst du falsch. Als diese verrückte Geschichte passiert ist, wollte ich dich da gar nicht mit reinziehen.

KATRIN

Hast du aber. Weil du meine Schwester bist und weil du mich immer in alles reinziehst. Und jetzt erzähle ich mal genau, wie das war!

Katrin


Alles fing an am dreizehnten August.

Das Datum weiß ich so genau, weil ich mir an dem Morgen im Radio endlos lange Kommentare zum Thema «25 Jahre Mauer in Berlin» anhören mußte. Mußte! Denn meine Patentante Gitta saß neben mir am Frühstückstisch und dachte gar nicht daran, einen anderen Sender zu suchen. Einen mit viel Musik, so wie ich das vorhatte. Schade. Es hätte sonst ein ganz gemütlicher Morgen werden können. Aber meistens war Gitta sowieso nervös, ehe sie morgens in ihre Redaktion ging. Das kannte ich schon. Das gehört wohl mit zu ihrem Beruf.

Als ich damals bei ihr zu Besuch war, war sie gerade mit einem Thema beschäftigt, das hieß «Deutschland, deine Kinder». Da gab es so eine Meinungsumfrage, die die Illustrierte, für die Gitta schreibt, in Auftrag gegeben hatte. Jungen und Mädchen zwischen zwölf und sechzehn sollten sagen, wie sie die Zukunft sehen, welche Wünsche, Ziele, Hoffnungen und Ängste sie haben. «Eine Untersuchung über die Generation, die keiner kennt» sollte nachher auf dem Titel stehen. Das fand ich gut.

Doch Gitta war enttäuscht über die Ergebnisse der Umfrage, die sie auf dem Tisch hatte. Weil dabei rauskam, daß kaum jemand zwischen zwölf und sechzehn sich für Politik interessiert.

«Bist du auch so, Katta?» fragte sie mich. «Schwebt dir das auch vor: Schick sein, reich sein, cool sein – und sonst nichts?»

Natürlich habe ich darauf nicht geantwortet. Sollte ich zugeben, daß ich am liebsten auch so aussehen würde wie das Mädchen, das sie als «Aufmacher» für die Geschichte ausgesucht hatten? Eine ganz lässige schöne Blonde.

Eine wie Janne.

Der ist es egal, ob sie in Geschichte eine Vier oder eine Fünf hat.

Meine Schwester Janne hat keine Ahnung, wie oft ich während meiner Zeit in Hamburg an sie dachte. Immer wieder hatte ich das Gefühl: Mensch, das muß ich nachher Janne erzählen!

Eine Woche bei meiner Patentante Gitta in Hamburg – für mich war das der Höhepunkt der Sommerferien. Tagsüber, wenn Gitta in der Redaktion war, konnte ich in der Stadt unternehmen, was ich wollte. Zuerst fühlte ich mich ein bißchen unsicher, weil ich mit der U-Bahn nicht richtig zurechtkam. Zwei- oder dreimal fuhr ich in die falsche Richtung. Und als ich einmal mittags Gitta in der Redaktion besuchen durfte – sie wollte mit mir in der Kantine essen gehen – kam ich eine halbe Stunde zu spät. Trotz Stadtplan hatte ich mich verlaufen. Bestimmt habe ich nicht gerade toll gewirkt, als ich dann endlich neben Gitta in der Kantine saß und mir die Typen anguckte, die in Gittas Redaktion arbeiten. Alle schick und gepflegt und gestylt – und ich mit meinen Pickeln …

«Hoffentlich kippen sie mir die Geschichte nicht», sagte eine Frau zu Gitta. Dann redeten sie ausführlich darüber, was noch «aktualisiert» werden müßte und wie der «Aufmacher» aussehen sollte.

Diese Gespräche wollte ich Janne ganz genau erzählen.

Früher sagte Janne immer, wenn wir abends im Bett lagen und noch nicht einschlafen konnten: «Jetzt knipse ich das Radio an. Jetzt kommt Kinderfunk.»

Das war mein Stichwort.

Dann konnte ich loslegen.

Mit verstellten Stimmen habe ich wie in einem Hörspiel meiner kleinen Schwester in Dialogen Geschichten erzählt.

«Mach weiter, Katta», bettelte sie, wenn ich mal eine Pause machte.

Es war ein gutes Gefühl, daß jemand mir so zuhörte und so begeistert war von mir.

Jannes Lieblingsgeschichte hieß «Illi und Rixe». Ich hatte mir die Idee dazu von «Schneeweißchen und Rosenrot» geklaut: «Illi und Rixe hatten einander so lieb, daß sie sich immer an den Händen faßten, sooft sie zusammen ausgingen. Und wenn Illi sagte: ‹Wir wollen uns nicht verlassen›, antwortete Rixe: ‹Solange wir leben nicht.› Und die Mutter setzte hinzu: ‹Was das eine hat, soll’s mit dem anderen teilen.›» Ich spielte Janne den bösen Zwerg vor, und zum Schluß ließ ich einen Tiger aufmarschieren, von dem die Tigerhaut abfiel. Jetzt war er ein schöner Mann, ganz in Gold gekleidet. Und er hatte einen Bruder, der ebenso schön war. Also konnten Illi und Rixe jede einen Prinz heiraten. «Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende.»

Damals, als ich solche Geschichten erzählte, fand Janne mich noch spannend. Sie glaubte mir jedes Wort. Sie war stolz auf mich. Wenn andere Kinder sie ärgerten, schrie sie: «Das sage ich meiner großen Schwester, und dann könnt ihr was erleben!»

Manchmal, wenn wir abends im Bett lagen, nannten wir uns «Illi» und «Rixe». Das war wie eine Geheimsprache. Außer uns beiden wußte niemand, daß wir noch andere Namen hatten.

Vielleicht, dachte ich, würde mich Janne heutzutage auch noch einmal ganz spannend finden, wenn ich mit meinen Hamburger Erlebnissen zurückkam.

Obwohl …

Irgend etwas zwischen Janne und mir stimmte nicht mehr. Das war ganz deutlich zu merken. Manchmal wußte ich nicht mehr, was mit meiner kleinen Schwester los war.

«Janne wird eine kleine Schönheit», hörte ich einmal meine Mutter sagen. «Katrin ist mehr der herbe Typ, dafür sehr intelligent.»

Ich weiß, das war nicht für meine Ohren bestimmt.

Behalten habe ich es trotzdem.

Auch an dem Morgen bei Gitta hatte ich diesen Satz im Kopf. Gitta wollte mich mit in den ersten Frauenzirkus der Welt nehmen, für den sie Pressekarten bekommen hatte. Das sagte sie mir beim Frühstück. Kaum hatte sie die Wohnung verlassen, fing ich an, vor dem großen Spiegel im Flur Gittas Schminke und eine neue Frisur auszuprobieren.

Ich stand sehr lange vorm Spiegel, bis mir endlich die Idee kam: «Gruftie.» Eines der Mädchen, die für den Bericht in Gittas Zeitschrift fotografiert worden waren, hatte sich als «Gruftie» verkleidet. Totenbleich geschminkt. Schwarze lange Haare, streng aus dem Gesicht gekämmt. Immer traurig und voll Depressionen.

«Ich stehe zu meinen Depressionen und versuche, sie besonders intensiv zu empfinden», sagte sie im Interview. Siebzehn war sie, zwei Jahre älter als ich. Und genau mein Typ. Keine von den Blonden, die lachen und schön sind und schick sind.

Ich beschloß, als «Gruftie» mit Gitta in den Frauenzirkus zu gehen.

Da klingelte das Telefon.

Gittas Stimme. Gitta noch nervöser als vorhin beim Frühstück: «Katta, deine Mutter hat in der Redaktion angerufen. Es ist irgendwas mit deiner Schwester. Ich konnte nicht lange mit ihr reden. Wir haben gleich Heftkritik. Mir steht der Kopf jetzt weiß Gott woanders. Katta, ruf bei euch zu Hause an. Du kannst mich gegen Mittag wieder erreichen. Oder sag im Sekretariat Bescheid.»

Ende des Gesprächs. Aufgelegt.

«Schwarze Königin der Nacht» wollte ich mich nennen. Noch war ich nicht fertig mit Schminken. Und schon war es wieder die liebe Familie, die mich störte und mir alles kaputt machte.

«Es ist irgendwas mit deiner Schwester!»

… wie ich das kenne! Janne fällt hin, und ich tröste sie, weil sie am Knie blutet. Janne lernt radfahren, und ich halte im Laufen das Rad fest, bis sie nicht mehr umkippt. Janne schreibt eine Fünf, und ich muß mit ihr Mathe üben. Janne kriegt im Weihnachtsmärchen die Hauptrolle, und ich muß auch noch klatschen, weil sie alles «so süß» gemacht hat.

Und jetzt das! Jetzt verdirbt sie mir meine Ferien in Hamburg, weil sie wahrscheinlich was Dummes angestellt hat. Hoffentlich ist nicht tatsächlich etwas Schlimmes mit ihr passiert. Ein Ferngespräch mitten am Tag, das macht Mutti normalerweise nicht …

Solche Gedanken liefen in meinem Kopf durcheinander. Von dem, was meine Mutter mir dann am Telefon sagte, verstand ich anfangs nur die Hälfte. Die Verbindung war schlecht.

«Janne muß Tabletten genommen haben», hörte ich durchs Telefon, «mir ist völlig unerklärlich, wie …»

Rauschen im...

Erscheint lt. Verlag 22.6.2018
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Geschwister • Konflikte • Konkurrenz • Liebe • Probleme
ISBN-10 3-688-11125-7 / 3688111257
ISBN-13 978-3-688-11125-1 / 9783688111251
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