Vom Autopiloten zur Selbststeuerung (eBook)
216 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-75837-4 (ISBN)
2 Wie wir uns bewegen
2.1 Die Bewegungsorganisation
Ein bewegter Körper ist ein lebendiger Körper. Er ist ein Organismus. Bewegung findet im Inneren jeder Zelle und im Austausch zwischen den Zellen statt. Die inneren Organe und die Körperflüssigkeiten bewegen sich. Bewegung braucht Raum, im Körper und außerhalb des Körpers. Der Körper entfaltet sich im Raum, er richtet sich in der Länge auf und breitet sich in die Weite aus. Diese Ausdehnung im Raum erzeugt einen geschützten Innenraum für unsere inneren Organe. Die Bewegung des Körpers im Außenraum ermöglicht den Austausch mit der Umwelt, das Handeln und Kommunizieren.
Die Bewegungsorganisation ist die Art, wie wir uns bewegen. Sie umfasst die Körperhaltung, die Koordination der Bewegungen, die Spannung der Muskulatur sowie die Funktionsfähigkeit unserer inneren Organe.
Wenn wir von Bewegungsorganisation sprechen, so steht zwar der Körper im Vordergrund, das Fühlen und Denken ist aber immer mit eingeschlossen.
Die Art, wie wir uns bewegen, kann Beschwerden im Bewegungsapparat und Störungen der inneren Organe, aber auch emotionale Probleme und Stresssymptome verursachen. Indem wir im Alltag innehalten und unseren Körper bewusst wahrnehmen, können wir unsere Bewegungsorganisation optimieren und die Störungen zum Verschwinden bringen.
2.2 Die natürliche Bewegungsorganisation
Eine Bewegungsorganisation, die für eine der Natur entsprechende, hohe Funktionsfähigkeit des Organismus sorgt, bezeichnen wir als natürlich. Dabei arbeiten die einzelnen Teilbereiche des Körpers für sich wie auch im Verbund auf optimalem Niveau. Die Gelenke sind frei beweglich, und die inneren Organe arbeiten einwandfrei. Sie werden weder durch eine schlechte Körperhaltung noch durch unnötig angespannte Muskeln oder ineffiziente Bewegungsmuster behindert.
Die natürliche Bewegungsorganisation gibt uns ein körperliches Wohlgefühl, Kraft und Leichtigkeit, aber auch innere Ruhe und Gelassenheit.
Allerdings gibt es den perfekt funktionierenden Organismus nicht. Wir alle haben unsere Schwachstellen, Einschränkungen und Behinderungen. Vielleicht haben wir diese bereits seit unserer Geburt, vielleicht haben sie sich im Laufe der Zeit entwickelt, sind durch Krankheiten oder Verletzungen physischer oder psychischer Art entstanden. Auch in unserem zukünftigen Leben werden belastende Erlebnisse und Situationen immer wieder störend auf uns einwirken.
Deshalb ist die natürliche Bewegungsorganisation weniger ein Ziel, das es zu erreichen gilt, als vielmehr eine Orientierung, um die eigene Bewegungsorganisation immer wieder neu zu optimieren.
Die natürliche Bewegungsorganisation bei kleinen und bei großen Leuten
Wer schon einen Säugling in seinen Armen gehalten hat (s. Abb. 2–1), erinnert sich vielleicht an diesen weichen, von seiner Atembewegung belebten Körper.
Abbildung 2–1: Der entspannte, von der Atembewegung durchflossene Körper des Babys
Babys haben meist eine natürliche Bewegungsorganisation. Ihr Körper ist optimal ausgerichtet und belebt von den inneren Bewegungen. Besonders gut von außen zu beobachten ist die Atembewegung, welche sich wellenartig durch den ganzen Körper ausbreitet.
Das Ziel ihres Daseins ist es, die elementaren Bedürfnisse wie körperliche Nähe, Nahrung und Wärme zu befriedigen. Ihre Aufmerksamkeit ist stark nach innen gerichtet.
Bei Kleinkindern verbindet sich diese innere Aufmerksamkeit bereits mit dem wachen Blick nach außen. Sie wollen die Welt entdecken. Der kleine Käfer am Straßenrand wird für sie zum Erlebnis. Das Kleinkind widmet sich seinem Tun, bewahrt dabei aber die Balance zwischen innen und außen. Es ruht in sich und steht gleichzeitig in einer lebendigen Beziehung zur Umwelt (s. Abb. 2–2).
Abbildung 2–2: Kleinkinder verbinden die innere Ruhe mit der äußeren Aufmerksamkeit.
Bei Kleinkindern zeigt sich die natürliche Bewegungsorganisation in der leichten Art zu stehen, zu sitzen, wie sie in sich ruhen und mit wachen Sinnen die Welt wahrnehmen. Ihr Körper bleibt auch gut ausgerichtet, wenn sie sich bewegen, einen Stuhl tragen, sich zum Boden bücken.
Doch nicht nur Babys und Kleinkinder verfügen über eine natürliche Bewegungsorganisation. Auch Erwachsene können mit müheloser, harmonischer Körperhaltung und effizienten, geschmeidigen Bewegungen durchs Leben gehen.
Beim Beobachten anderer Menschen können wir viel über uns lernen. Sie können uns anregen, die eigene Bewegungsorganisation zu prüfen.
Was lässt die Bewegungen eines Menschen leicht und anmutig, was schwerfällig und ungelenk wirken?
2.3 Merkmale einer natürlichen Bewegungsorganisation
Das Hauptmerkmal der natürlichen Bewegungsorganisation ist die Ausrichtung des Körpers im Raum (s. Abb. 2–3).
Abbildung 2–3: Die Ausrichtung des Körpers im Raum, in die Länge und Weite
In der natürlichen Bewegungsorganisation ist der Körper in die Länge und Weite ausgerichtet.
Ist der Körper gut im Raum ausgerichtet, hat er den Raum, den er braucht, damit der Organismus sowohl im Ruhezustand wie auch in der Bewegung gut funktionieren kann.
Bei Pflanzen lässt sich dieses Ausrichten im Raum sehr schön beobachten. Blätter und Blüten entfalten sich und erlangen so ihre volle Größe (s. Abb. 2–4).
Abbildung 2–4: Die Blumenblüte entfaltet sich im Raum.
Der Mittelteil und die Bewegungsorgane
Schauen wir uns die räumliche Ausrichtung des menschlichen Körpers genauer an, erkennen wir als zentrale Struktur die Wirbelsäule mit ihren Endpolen, dem Becken und dem Schädel. Im Inneren des Schädels und der Wirbelsäule befindet sich das zentrale Nervensystem mit dem Gehirn und dem Rückenmark. Um die Wirbelsäule herum sind die inneren Organe wie das Herz-Kreislauf-System, die Atem-, die Verdauungs- und Geschlechtsorgane angeordnet. Becken, Wirbelsäule, Rippen und Schädel stützen und schützen die lebenswichtigen Organe, geben ihnen den Raum, damit sie optimal funktionieren können (s. Abb. 2–5a). Zusammen mit den inneren Organen und der umgebenden Muskulatur bildet diese Knochenstruktur den Mittelteil unseres Körpers.
Der Mittelteil umfasst die lebenswichtigen Organe. Becken, Wirbelsäule, Rippen und Schädel stützen und schützen sie. Die Bewegungsorgane Beine, Arme und Unterkiefer fügen sich von der Seite an den Mittelteil an.
Arme, Hände, Beine, Füße und Unterkiefer unterscheiden sich in ihrer Funktion vom Mittelteil. Sie sind unsere Bewegungsorgane. Die Beine und Füße dienen der Fortbewegung und Positionierung des Körpers im Raum, die Arme und Hände handeln, greifen, gestalten. Bewegt sich der Unterkiefer, entstehen Worte, oder er kaut Nahrung.
Schiebt man die beiden Hälften des Unterkiefers auseinander, erkennt man die anatomische Ähnlichkeit mit den Armen und Beinen. Auch sie kommen von der Seite an den Mittelteil (Abb. 2–5b).
Abbildung 2–5a und b: Der ganze Körper mit den inneren Organen (a), Mittelteil und Bewegungsorgane getrennt (b)
Die Unterscheidung von Mittelteil und Bewegungsorganen heißt aber nicht, dass der Mittelteil nicht auch beweglich wäre, im Gegenteil. Die Wirbelsäule im Zentrum des Mittelteils vereint in beeindruckender Weise die Stützfunktion mit der Beweglichkeit.
Diese Sichtweise auf den Körper bringt Klarheit in die Bewegungsorganisation, indem sie den beiden Bereichen ihre Aufgaben zuteilt, d.h. vor allem den Mittelteil von unnötigen Bewegungsaufgaben entlastet. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen: Beim Aufheben eines Gegenstandes vom Boden, ist es die Aufgabe der Fuß-, Knie- und Hüftgelenke, sich zu beugen; der Mittelteil neigt sich zwar nach vorne, behält aber seine räumliche Ausrichtung in die Länge und Weite bei. Die Arme bewegen die Hände zum Gegenstand hin, die Hände ergreifen ihn. Häufig lässt sich jedoch ein anderes Bewegungsmuster beobachten. Die Beine bleiben gestreckt, der Mittelteil krümmt sich nach vorne und unten und verliert damit seine Ausrichtung. Der Rücken wird unnötig belastet.
Beim Sprechen öffnet und schließt sich der Mund, indem sich der Unterkiefer in den Gelenken bewegt. Der Schädel, welcher zum Mittelteil gehört, bleibt ruhig, in seiner Ausrichtung ungestört. Erfolgt die Trennung zwischen Schädel und Unterkiefer nicht so klar, öffnet sich der Mund nicht nur mit der Bewegung des Unterkiefers, sondern auch mit einem Nach-hinten-Kippen des Schädels. Dabei verengen sich die Atemwege, und das Sprechen ist beeinträchtigt.
Das Verhältnis von Hals und Schädel
F.M. Alexander entdeckte die zentrale Bedeutung der Körperausrichtung für das optimale Funktionieren seines...
Erscheint lt. Verlag | 16.4.2018 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Gesundheitsfachberufe |
Schlagworte | Achtsamkeit • Aktivierung • Alexander-Technik • Bewegung • Ergo-, Gartentherapie, Aktivierung, Green Care • Ergotherapie • Gartentherapie • Green Care • Haltung • Komplementär-Medizin • Körperhaltung • Körpertherapien • Neuropsychologie • Pädagogische Methode • Physikalische Therapie • Physiotherapie • Physiotherapie – Physikalische Therapie • Praxisbuch • Selbstbeobachtung • Selbstexperiment • Selbstorganisation • Selbstregulation • Selbststeuerung |
ISBN-10 | 3-456-75837-5 / 3456758375 |
ISBN-13 | 978-3-456-75837-4 / 9783456758374 |
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