Todesurteil im Old Bailey (eBook)

Ein Daniel-Pitt-Roman

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
432 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-23174-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Todesurteil im Old Bailey -  Anne Perry
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London, 1910: Der junge Daniel Pitt, Sohn des berühmten Sir Thomas Pitt, nimmt seinen ersten großen Fall als junger Anwalt an. Russell Graves soll seine Ehefrau kaltblütig ermordet haben. Alle Indizien sprechen gegen ihn, die Verteidigung ist auf verlorenem Posten. Und tatsächlich wird Graves schließlich im ehrwürdigen Strafgerichtshof Old Bailey zum Tod durch den Strang verurteilt. 21 Tage Galgenfrist bleiben Daniel, um doch noch die Unschuld seines Mandanten zu beweisen. Eine Unschuld, an die er selbst kaum glaubt ...

Die Engländerin Anne Perry, 1938 in London geboren, verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Neuseeland und auf den Bahamas. Ihre historischen Kriminalromane begeistern ein Millionenpublikum und gelangten international auf die Bestsellerlisten. Anne Perry verstarb 2023 in Los Angeles.

KAPITEL 1


Sie befanden sich allein in dem kleinen Besucherraum, in dem der Anwalt mit dem Angeklagten sprechen durfte.

»Man wird mich zum Tod durch den Strang verurteilen, nicht wahr?«, fragte Roman Blackwell leise mit um Festigkeit bemühter Stimme. Doch Daniel erkannte die Angst in seinen Augen. Was sollte er dem Mann sagen? Schon den ganzen Tag hatte er sich vor diesem Moment gefürchtet. Erst seit einem knappen Jahr war er als Strafverteidiger zugelassen, der vor höheren Gerichten bei Kapitalverbrechen plädieren durfte. Da war es kein großes Wunder, dass der Prozess, in dem es für seinen Mandanten um Leben und Tod ging, ungünstig stand.

Wie aber hätte er das Mandat ablehnen können? Sein Vater, Sir Thomas Pitt, hatte den Leiter der Anwalts-Sozietät gefragt, ob er bereit sei, Daniel den Fall anzuvertrauen. Blackwell war als privater Ermittler tätig gewesen, und aufgrund seiner Abenteurernatur war es durchaus vorgekommen, dass er hier und da Aufträge übernommen hatte, die nicht ganz einwandfrei waren, wie auch der eine oder andere seiner Auftraggeber nicht unbedingt ein Unschuldsengel war.

In den Jahren, in denen Pitt Leiter der Polizeiwache in der Bow Street im Herzen Londons gewesen war, lange bevor er zum Staatsschutz gegangen war, hatte Blackwell als Polizeibeamter zu seiner Dienststelle gehört. Pitt hatte ihn wegen seines bisweilen skurrilen Humors und trotz seiner mitunter etwas fragwürdigen Moralvorstellungen gut leiden können. Mehr als einmal hatte er ihn vor den Folgen seiner Handlungsweise, bei der er sich nur selten an die Vorschriften hielt, bewahrt. Blackwell seinerseits hatte gelegentlich auch Pitt aus der Patsche geholfen. Dennoch war schließlich der Augenblick gekommen, in dem Pitt ihm nahegelegt hatte, den Polizeidienst zu quittieren, bevor er sich etwas zuschulden kommen ließ, wobei man nicht wie bisher ein Auge hätte zudrücken und anschließend wieder zur Tagesordnung hätte übergehen können. Zögernd hatte Blackwell diesen Rat befolgt.

Pitt hatte sein nahezu freundschaftliches Verhältnis zu Blackwell nie vergessen, und jetzt, da der Mann wegen eines schweren Gesetzesverstoßes vor Gericht stand, hatte er nichts Besseres für ihn tun können, als seinen Sohn Daniel darum zu bitten, dass er, wie von Blackwell gewünscht, dessen Verteidigung übernahm.

Unmöglich hätte Daniel sich dieser Bitte versagen können. Auch er konnte seinen Mandanten gut leiden, vermutlich aus denselben Gründen wie sein Vater: der Mann besaß Humor, Vorstellungskraft und war von einem durch nichts zu erschütternden Optimismus.

Wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, musste Daniel zugeben, dass ihn die Juristerei mittlerweile ziemlich anödete. Das Studium der Rechtswissenschaft hatte ihn begeistert, aber der juristische Alltag mit seinen Aktenbergen langweilte ihn. Seine anfänglichen Träume von glanzvollen Kämpfen, die es im Dienst der Gerechtigkeit auszutragen galt, waren zerplatzt wie Seifenblasen.

Seine Situation als unerfahrener Neuling bedrückte ihn.

Sein Gegenspieler war Douglas Sefton, ein ebenso fähiger wie wortgewandter Anklagevertreter, der fest entschlossen war, im fünften Anlauf endlich einen Schuldspruch gegen Roman Blackwell zu erwirken. Immerhin lautete die Anklage diesmal auf Mord.

Aufmerksam sah Blackwell Daniel an. Er wartete auf eine Antwort. Der Mann würde es sofort merken, wenn er ihn belog. Und welchen Sinn hätte es im Übrigen, ihm die Unwahrheit zu sagen? Er würde ihn damit nur gegen sich aufbringen.

»Ja«, gab Daniel ähnlich leise zurück. »Und genau deshalb müssen wir beweisen, dass nicht Sie John Hintons Mörder sind.«

»Sie wollen auf ›begründeten Zweifel‹ plädieren?«, fragte Blackwell mit einem Anflug von Hoffnung.

»Damit würden wir nicht durchkommen«, antwortete Daniel, bemüht, es ihm so schonend wie möglich beizubringen. »Das Gericht wird darauf bestehen, dass wir stichhaltige Gründe vorbringen. Außerdem müssen wir den Geschworenen einen glaubhaften Verdächtigen präsentieren, damit die nicht Sie schuldig sprechen.«

»Aber ich habe nichts damit zu tun!«, stieß Blackwell mit brüchiger Stimme hervor. Einen kurzen Augenblick lang lag unverhüllte Verzweiflung darin. »Ich habe die Waffe ja nicht mal angefasst!«

»Den Fingerabdrücken nach aber auch sonst niemand …«

»Was für Fingerabdrücke?«, fiel Blackwell ihm ins Wort. »Da waren ja gar keine!«

»Stimmt, aber jemand hat einen Schuss daraus abgegeben«, hielt Daniel dagegen.

»Vielleicht mit Handschuhen?«, fragte Blackwell mit einem plötzlichen Aufleuchten seines Gesichts. »Dann muss das jemand gewesen sein, der sich mit Fingerabdrücken auskennt und weiß, dass sie bei jedem Menschen anders sind.«

»Das ist den Chinesen seit Jahrhunderten bekannt.« Daniel schien das Phänomen als solches ausgesprochen interessant. Es war gerade einmal fünf Jahre her, dass ein britisches Gericht im Jahre 1905 erstmals zwei Mörder anhand ihrer Fingerabdrücke überführt und verurteilt hatte.

»Klar ist: Wenn nicht Sie die Tat begangen haben, muss es ein anderer gewesen sein. Denn es steht unverrückbar fest, dass Hinton erschossen wurde. Bedauerlicherweise gibt es aber keinerlei Zweifel daran, dass Sie den Mann gut kannten und mit ihm in Streit geraten sind, weil er Ihnen Geld schuldete …«

»Das waren doch nur ein paar Pfund«, sagte Blackwell aufgebracht. »Für einen so läppischen Betrag bringe ich doch niemanden um!«

»Parks Aussage nach ging es um vierhundert Pfund«, erinnerte ihn Daniel. »Das ist ein Haufen Geld.«

»Das können Sie laut sagen«, gab ihm Blackwell recht. »Und so viel soll ich einem windigen Burschen wie Hinton geliehen haben? Da hätte ich schön blöd sein müssen!«

Mit einem trübseligen Lächeln erwiderte Daniel: »Von Ihnen ist bekannt, dass Sie mitunter großzügig sind. Außerdem …«

»So großzügig nun auch wieder nicht«, hielt Blackwell dagegen und strich sich die pechschwarzen Haare aus der Stirn.

»… weiß man, dass Sie gelegentlich zu tief ins Glas schauen und dann nicht mehr wissen, was Sie getan haben«, schloss Daniel.

»In Geldangelegenheiten bin ich nicht vergesslich«, begehrte Blackwell auf. »Schon gar nicht, wenn es um so hohe Beträge geht!«

»Nicht mal dann, wenn Sie …«, sagte Daniel und zögerte kurz, »… sturzbetrunken sind?«

»Das könnte ich nicht mal vergessen, wenn ich es wollte.« Blackwell schüttelte den Kopf. »So viel hatte ich damals übrigens gar nicht intus, und ich hatte auch nicht so viel Geld.«

»Können Sie das beweisen?« Daniel wusste, dass der Mann dazu nie und nimmer imstande wäre.

»Ich hab es nicht getan«, wiederholte Blackwell mit einer Stimme, in der Verzweiflung über diese absurde Anschuldigung lag. »Warum hätte ich einem Nichtsnutz wie Hinton überhaupt so viel Geld leihen sollen? Das ergibt doch gar keinen Sinn.«

»Man wird sagen, dass Sie zur Tatzeit betrunken waren«, gab Daniel kühl zurück. »Sie müssen einsehen, dass es unsinnig wäre, etwas zu behaupten, wofür wir keinen Beweis liefern können.« Er beugte sich leicht über den Tisch vor, der zwischen ihnen stand. »Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, die Geschworenen zu einem Sinneswandel zu bewegen: Wir müssen erreichen, dass sie einen ernsthaften Verdacht gegen einen anderen hegen. Sofern Hinton nicht so harmlos war, wie ihn die Anklage hinstellt, hatte er vermutlich andere Feinde. Überlegen Sie gründlich. Wer könnte das sein, und was für Motive könnten sie haben? Nennen Sie mir Namen – Leute, die er betrogen, belogen, verleumdet oder in Schwierigkeiten gebracht hat. Leute, gegen die er vor Gericht als Zeuge aufgetreten sein könnte.«

Blackwell dachte angestrengt nach. Er war nicht besonders groß, aber breitschultrig und kräftig gebaut. In den letzten Minuten schien er auf seinem harten Holzstuhl geschrumpft zu sein.

Daniel überlegte, womit er ihn ermutigen könnte. Sein Motiv dafür war keineswegs reine Menschenfreundlichkeit, sondern Blackwell war für ihn der Einzige, durch den er an Informationen gelangen konnte, die es ihm vielleicht ermöglichen würden, andere mit dem Mord in Verbindung zu bringen oder zumindest eine andere Taktik anzuwenden.

Mit einem Ausdruck der Hoffnungslosigkeit hob Blackwell den Blick.

Oscar Park war der Hauptzeuge gegen ihn, und es war Daniel bisher nicht gelungen, einen Schwachpunkt in dessen Aussagen zu entdecken. Nun kam es ihm so vor, als klammerte er sich an Strohhalme. »Um zu erreichen, dass die Geschworenen Parks Aussage anzweifeln, müssen wir etwas über ihn herausbekommen – aber was? Ein toter Hinton hätte Ihnen jedenfalls nichts genutzt, denn er hat Ihnen Geld geschuldet.«

»Als er noch lebte, hat er auch keinem genützt«, gab Blackwell mit einem sarkastischen Lächeln zurück. »Glauben Sie, dass das für das Gericht eine Rolle spielt?«

Daniel fühlte sich angesichts der Aussichtslosigkeit der Sache so verzweifelt, dass er das Lächeln nicht erwidern konnte.

»Was könnte das Motiv dafür sein, dass Park im Zeugenstand lügt? Immerhin geht er damit ein hohes Risiko ein, denn er steht unter Eid. Offenkundig hat er einen Grund dafür. Den müssen wir...

Erscheint lt. Verlag 11.3.2019
Reihe/Serie Daniel-Pitt-Serie
Übersetzer K. Schatzhauser
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel 21 Days (Daniel Pitt 1)
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Bestsellerautorin • eBooks • Historische Kriminalromane • Historische Romane • historisches London • Justizkrimi • kleine geschenke für frauen • Krimi • Kriminalromane • Krimis • London • Old Bailey • Staatsschutz • Thomas Pitt • Todesstrafe • Wettlauf gegen die Zeit
ISBN-10 3-641-23174-4 / 3641231744
ISBN-13 978-3-641-23174-3 / 9783641231743
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