Bienenkönigin (eBook)

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2018 | 1. Auflage
352 Seiten
cbj Kinder- & Jugendbücher (Verlag)
978-3-641-23090-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bienenkönigin -  Claudia Praxmayer
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Stirbt sie, stirbst auch du
»In meiner zitternden Handfläche liegt, matt in der Sonne schimmernd, eine nachtschwarze Biene.«

Doch jenes unheimliche Wesen, das Mel eines Tages vor dem Bienenstock im Garten ihrer WG findet, ist keine der samtigen Bienen, die sie so liebt. Ganz im Gegenteil: Es ist eine tödliche Miniatur-Drohne, die es offensichtlich auf ihre lebenden »Artgenossen« abgesehen hat. Nur, wer würde die ohnehin bedrohten Bienenvölker um San Francisco ausrotten wollen? Mel und ihre vier WG-Freunde sind entsetzt und beginnen nachzuforschen. Und ihre Ermittlungen führen sie unversehens mitten hinein in eine hochbrisante Verschwörung ...

Claudia Praxmayer ist gebürtige Salzburgerin und hat Biologie studiert. Sie arbeitet in München als selbstständige PR-Beraterin und Autorin. Sie hat bereits Ratgeber, Sachbücher und mittlerweile vier Romane veröffentlicht. Als aktives Mitglied des NABU Deutschland engagiert sie sich seit vielen Jahren ehrenamtlich im Bereich Artenschutz und setzt sich für bedrohte Tierarten ein.

Kapitel 1

Das zarte Gebilde dreht sich ohne Eile um sich selbst und dann, als wäre ihm langweilig geworden, ändert es seine Richtung. Ich beobachte das Lichtspiel, von der milchigen Februarsonne auf seine Seidenflügel gezaubert. Wäre der Papiervogel nicht mit einem Faden an der Decke gefangen, würde er bestimmt davonfliegen. Hinaus in die weite Welt.

Ein Stück weiter baumelt eine Libelle selbstvergessen vorwärts und rückwärts, wie die Kinder auf den Schaukeln im Park. Schwer vorstellbar, dass all diese wundersamen Geschöpfe, die unser Haus bevölkern, aus einem quadratischen Stück Papier entstanden sind. Ich beneide Ozzy um diese Fingerfertigkeit. Seit einem Dreivierteljahr bewohnt er das Eckzimmer in der alten Villa, die wir alle nur den Bienenstock, den Beehive, nennen. Unzählige Stücke Papier haben seither in seinen Fingern zu einer neuen Form gefunden: Eine Herde Nashörner grast auf den Bücherregalen im Salon, filigrane Heuschrecken setzen auf dem Beistelltisch zum Sprung an, Eichhörnchen, Fledermäuse und Krokodile teilen sich friedlich einen Lebensraum in der Küche. Neuerdings versucht Ozzy sich an Kranichen. Er hat irgendwo ein japanisches Sprichwort ausgegraben: »Wer tausend Kraniche faltet, hat einen Wunsch frei.«

Bei dem Gedanken muss ich lächeln, sehe ihn wieder vor mir am Küchentisch sitzen und auf seinem Tablet Faltmuster skizzieren und Kantenlängen berechnen. Er behauptet, das würde ihn entspannen. Als ich ihn dann gefragt habe, was er sich wünscht, wenn er tausend dieser Vögel erschaffen hat, ist er stumm geblieben. Ozzy und seine Geheimnisse. Manchmal wünsche ich mir, in sein Gehirn kriechen zu können und ihm beim Denken zuzusehen. Vermutlich müsste ich mich dort erst durch einen Dschungel aus Zahlen und Formeln kämpfen, um bis zu seinen Gefühlen vorzudringen.

Ich lümmle auf dem Sofa und warte, dass sich der Samowar aufheizt. Meine Augen wandern ziellos durch das Zimmer, bis sie an den Papierkranichen, die wie ein versprengter Schwarm auf der Fensterbank liegen, hängen bleiben.

Ich kann es immer noch nicht glauben, aber ich bin endlich angekommen, hier im Beehive, in diesem Haus, das seit fast einem Jahr mein Zuhause ist. Die Magie dieses Ortes hatte mich damals vor zehn Monaten sofort gefangengenommen, als ich die ersten Schritte auf den knarzenden Dielen machte. Oder vielleicht den Bruchteil einer Sekunde später, als die Sonne das verblassende Hellgrün der Flurwand wie einen Wald im Frühling zum Leuchten brachte. Ich erinnere mich nicht mehr an alles, was Josh mir bei der ersten Besichtigung über die Villa erzählt hat. Aber woran ich mich deutlich erinnere, ist jener Moment, als ich den Samowar zum ersten Mal sah. Wie ein dicker König thronte er auf dem Tischchen, Patina hatte sein Silber in ein Mosaik verwandelt. Er schien zu atmen, mir in einer fremden Sprache leise etwas zuzugurgeln.

»Muss das alte Ding mal reparieren lassen«, hatte Josh genuschelt und mir Tee angeboten. Genau genommen sagte er: »Darf ich dir eine Tasse Tee im Salon anbieten?«

Jetzt, im Nachhinein, könnte ich nicht mehr sagen, was mich mehr irritiert hat: Joshs altmodische Sprache oder die Tatsache, dass er das Wort »Salon« für ein abgelebtes Wohnzimmer, vollgestopft mit Büchern, benutzte. Und obwohl Josh irgendwie kauzig wirkte, mochte ich ihn sofort. Die Art, wie er gestikulierte, seine Schläfen, die aussahen, als ob eine Spinne Fäden hineingewoben hätte, die Lachfalten.

Ich weiß noch, wie er beim Tee die Geschichte seiner Tante Louise vor mir ausbreitete. Tante Louise, eine exaltierte ältere Dame, die im Salon ihrer Villa regelmäßig Gesellschaften gegeben hatte. Literaten, Philosophen und andere schlaue Köpfe aus San Francisco hatten sich regelmäßig um den Samowar versammelt, um neue Ideen zu diskutieren, Klatsch auszutauschen oder sich zu streiten.

»Tante Louise parliert jetzt allerdings mit Dostojewski und Puschkin im Jenseits und hat deshalb mir, ihrem einzigen noch lebenden Verwandten, diese Villa vermacht. Samt Samowar. Und Schulden. Und mit der Auflage, dass ich sie zehn Jahre lang nicht verkaufen darf.«

Später fand ich heraus, dass Josh als freier Mitarbeiter für eine Feuilleton-Redaktion schreibt. Beim Examiner, einer der letzten Tageszeitungen, die sich zur Online-Ausgabe noch einen Print-Titel in kleiner Auflage leistet. Ich vermute, aus reiner Nostalgie, denn wirtschaftlich betrachtet ergibt so etwas heutzutage kaum mehr Sinn. Schließlich lesen und leben wir online. Die meisten zumindest. Aber ich schätze, Josh ist dort ganz gut aufgehoben, kann seiner Liebe zur Sprache und seiner Abneigung gegen das Netz frönen. Dass ihn sein bescheidenes Gehalt dazu zwingt, vier Zimmer in der Villa zu vermieten, nimmt er billigend in Kauf. Und für mich war und ist es ein Glücksfall.

Die Villa, diese Zeitkapsel aus der Vergangenheit, war genau das, was ich damals brauchte. Balsam auf die Seele meiner inneren Alice, die endlich durch ihr Kaninchenloch gefallen war. Ich war angekommen! Gerade als ich mich so verloren fühlte wie nie zuvor in meinem Leben. Mein ödes Studium am Community College lag hinter mir, die Zukunft in einem dichten Nebel vor mir.

Ich weiß nicht, wie oder warum es passiert ist, aber kaum eingezogen in dieses altmodische Haus, war ich plötzlich zuversichtlich, dass sich hier meine Zukunft entfalten würde. Schon in der ersten Nacht, als ich auf dem Bett saß und den hohlen Baum vor dem Fenster meines neuen Zuhauses betrachtete. Das Mondlicht ließ ihn wie eine Skulptur erscheinen – seine dürren Äste den Wolken entgegengereckt. Ich weiß noch, wie ruhig und friedlich es in der Villa war. Außer einem gelegentlichen Quietschen der Dielen über mir und dem trägen Summen einer Fliege am Fenster war nichts zu hören. Eine solche Stille hatte ich noch an keinem anderen Ort in San Francisco erlebt.

Und fast gleichzeitig wurde mir bewusst, dass dieser Zustand nicht von Dauer sein würde, dass ich bald Küche, Bad und Salon mit anderen teilen würde. Knirschende Treppen, Türenschlagen, ein ständiges Kommen und Gehen – wie in einem Bienenstock. Aber zu meinem eigenen Erstaunen machte mir das keine Angst. Ganz im Gegenteil. Ein Vibrieren breitete sich in meinem Bauch aus, kroch durch meine Brust nach oben und erreichte mein Gehirn. Wie in einem Bienenstock – der Gedanke hallte nach, wurde lauter, wirbelte durch meinen Kopf und ließ mich vom Bett aufspringen.

Wie in einem Bienenstock! Warum nicht?

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mit alternativen Wohnprojekten nichts am Hut. Ich wusste zwar, dass es in San Francisco einige Communitys gab – meist irgendwelche Techies und Start-up-Gründer – aber weder hatte ich mich dafür interessiert noch Ahnung, ob das Konzept tatsächlich funktionierte. Aber was wäre, wenn? Wenn Menschen zusammenlebten, die alle die gleichen Werte und Ideale teilten? Die nach dem Konsensprinzip gemeinsam Entscheidungen fällten? Statt Joghurts in mein und dein einzuteilen, den Kühlschrank aus einer Haushaltskasse füllten?

Wenn ich mich heute an diesen Moment zurückerinnere, kann ich noch immer das Kribbeln und Herzflattern spüren, das dieses imaginäre Leben bei mir auslöste. Rückblickend glaube ich, dass meine Sehnsucht nach einer greifbaren Welt in der Zeit meiner Orientierungslosigkeit so groß war, dass virtuelle Freundschaften und Social Networks sie nicht mehr stillen konnten. Ich wollte etwas, das mir Halt gab, das in meiner realen Welt und nicht auf einem Bildschirm stattfand.

Ich war in jener Nacht damals so mit Energie aufgeladen, als hätte ich einen Blitz berührt. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Stattdessen beobachtete ich meinen alten Wecker dabei, wie er die Stunden langsam herunterzählte. Tick, tick, tick. Dieses Ungetüm, das ich vor vielen Jahren von Nana bekommen hatte, damit ich die Uhr lesen lernte. Dessen Zeiger sich zitternd in die Kurve legten und unter größter Anstrengung die nächste Minute ansteuerten.

Als das zarte Rosa der ersten Sonnenstrahlen endlich durch mein Fenster schimmerte, sprang ich auf und schlich mich auf Zehenspitzen nach unten in diese wunderbare Küche.

Zwar sind die Schränke abgenutzt und die Arbeitsplatte zerkratzt, aber sie ist fast so geräumig wie die Restaurantküche meines Vaters. Nur viel heller, weil durch die Glastür zum Garten das Sonnenlicht flutet. In der Mitte des Raumes ein Esstisch aus Holz – alt und groß wie ein Kontinent.

An diesem Morgen meines ersten Tages in der Villa wühlte ich mich durch die Schränke, bis ich die Dose mit Kaffee fand. Fremde Schränke, fremder Kaffee. Es fühlte sich trotzdem fast selbstverständlich an. Nur der Kühlschrank dämpfte meine Euphorie etwas: drei Eier, die traurig in einer Ecke rumkugelten, ein Karton mit Milch, verschrumpelter Käse, nachlässig in Folie eingewickelt. Nicht viel, um ein ordentliches Frühstück auf den Tisch zu zaubern, aber genug, um Pfannkuchen zu fabrizieren.

Allerdings war ich noch immer so aufgekratzt, dass ich kaum etwas hinunterbrachte und nach dem ersten Pfannkuchen kapitulierte. Also stellte ich den Rest warm, setzte mich auf einen der Stühle und wartete.

Ich glaube, seit diesem Morgen kenne ich sämtliche Schrammen und Kratzer, die das Leben auf der Oberfläche der Tischplatte eingraviert hat. Es grenzte an ein Wunder, dass ich Josh, als er verschlafen den Kopf zur Tür hereinsteckte, nicht sofort mit meiner Idee überfiel. Stattdessen goss ich zwei Tassen Kaffee ein, stellte den Teller mit den Pfannkuchen auf den...

Erscheint lt. Verlag 1.8.2018
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte ab 14 • Bienensterben • Die Geschichte der Bienen • eBooks • Imker • Jugendbuch • Liebesgeschichte • Liebesromane • Mädchen • Maja Lunde • Marc Elsberg • Monika Feth • Ökologie • San Francisco • Thriller • Weihnachtsgeschenk • Young Adult
ISBN-10 3-641-23090-X / 364123090X
ISBN-13 978-3-641-23090-6 / 9783641230906
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