Mädchen versenken (eBook)

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2018 | 1. Auflage
288 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-5703-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mädchen versenken -  Mel Wallis de Vries
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Als Lara ihre Augen öffnet, ist alles um sie herum schwarz. Träumt sie? Ist sie tot? Und was hat es mit den Stimmen auf sich, die sie aus dem Dunkeln hört? Ihr wird klar: Offenbar hat es jemand auf ihre beste Freundin Maud abgesehen. Aber wie soll sie Maud warnen, wenn niemand sie hört?

Maud macht sich schreckliche Vorwürfe. Warum hat sie Lara an dem verhängnisvollen Abend, als das Unglück passierte, nicht nach Hause begleitet? Die Ärzte halten Lara für hirntot und wollen die lebenserhaltenden Maschinen abstellen. Doch Maud kann ihre Freundin nicht einfach aufgeben - sie muss um Laras Leben kämpfen! Denn Maud glaubt nicht an einen Unfall und will herausfinden, was in jener Nacht wirklich geschah. Dabei ahnt sie nicht, dass sie schon längst selbst in Gefahr schwebt ...



Mel Wallis de Vries (Jahrgang 1973) ist DIE Queen of Crime in den Niederlanden. Ihre Bücher finden sich regelmäßig in den Bestsellerlisten wieder und werden von Jugendlichen wie Erwachsenen gerne gelesen. Auch bei uns hat sich die Autorin mit ihren beiden bei ONE erschienenen Titeln als Jugendthrillerautorin einen Namen gemacht.

Mel Wallis de Vries (Jahrgang 1973) ist DIE Queen of Crime in den Niederlanden. Ihre Bücher finden sich regelmäßig in den Bestsellerlisten wieder und werden von Jugendlichen wie Erwachsenen gerne gelesen. Auch bei uns hat sich die Autorin mit ihren beiden bei ONE erschienenen Titeln als Jugendthrillerautorin einen Namen gemacht.

Kapitel 2


Maud


Klick. Das Schwarz hinter meinen Augen verschwindet und wird rot. Jemand hat eine Lampe eingeschaltet.

»Wach werden, Mau-haud«, höre ich meinen kleinen Bruder sagen.

Ich kneife die Augen fest zusammen. Schwarze Flecken tanzen durch das Rot. Stocksteif bleibe ich liegen. Ich bin erst gegen vier eingeschlafen. Wieder dieser Traum, wieder bin ich in Panik aufgewacht und gegen halb sieben endlich in einen tiefen, traumlosen Schlaf gesunken. Und jetzt steht mein Bruder schon vor meinem Bett.

»Du bist wach, ich sehe es doch«, sagt er mit einem klagenden Tonfall in der Stimme.

Warum hält er nicht den Mund? Ich höre auf zu atmen. Vielleicht glaubt er dann, ich wäre tot.

Ich bekomme einen Knuff in die Rippen und schnappe nach Luft. Durch die Wimpern sehe ich, dass mein Bruder wie ein Boxer vor meinem Bett steht, mit erhobenen Fäusten. Hat er mich geschlagen? Was denkt der sich eigentlich?

»Geh weg!«, zische ich.

»Nein.«

Meine Decke wird weggezogen.

»Gib sie her, David.«

»Nein.«

Meine Körperwärme, die sich unter ihr angestaut hat, verfliegt. Zitternd winkele ich die Knie an. Ich habe große Lust, meinen Daumen in den Mund zu stecken, so wie früher. Und dann spüre ich etwas Nasses unter meinen Füßen. Mit einem Schrei sitze ich aufrecht im Bett. Das Gesicht meines Bruders grinst mich an.

»Was …?«, stammele ich.

David hält einen nassen Waschlappen in den Händen. So ein gemeiner Kerl!

»Nicht witzig?«, fragt er.

»Nicht witzig«, schnauze ich. Am liebsten würde ich ihm mit dem Waschlappen den scheinheiligen Ausdruck vom Gesicht wischen. Aber in dem Moment ruft meine Mutter von unten: »Ist sie schon wach?«

»Ja«, brüllt mein Bruder zurück. »Sie ist wach!«

»Sag ihr, sie soll sich beeilen.«

Sie? Sie? Warum nennt Mama mich nicht einfach Maud?

Den Namen hat sie sich schließlich mit meinem Vater ausgedacht, als ich vor sechzehn Jahren und neun Monaten geboren wurde.

»Du sollst dich beeilen«, sagt David zu mir.

»Ich bin nicht taub.« Seufzend stehe ich auf. »Verschwinde.«

Er bleibt stehen.

»David, ich meine es ernst. Ich gehe duschen, verzieh dich.«

»Bist du wieder dicker geworden?«, fragt er plötzlich.

Einen Moment lang bin ich sprachlos. David schafft es immer, haargenau die Dinge zu sagen, die mich wahnsinnig verletzen. Jetzt fühle ich mich wie ein Elefant mit einem viel zu kurzen T-Shirt. Unbeholfen ziehe ich am Saum.

»Oh, sorry, hab ich was Falsches gesagt? Du machst auf einmal so ein komisches Gesicht.« Er lächelt. »Weißt du, so dick bist du nun auch wieder nicht. Sara aus deiner Klasse – die ist erst richtig dick! Ihre Beine sind wie Baumstämme. Dagegen hast du nur Stämmchen.«

Mit Daumen und Zeigefinger macht er einen Kreis und zeigt, wie dünn meine Beine seiner Ansicht nach sind. Die Art, wie er es sagt, mit diesem triezenden Unterton, und die viel zu großen, unschuldigen blauen Augen sagen mir, dass er nichts davon wirklich meint. Gott, wie ich ihn hasse! Ich werfe mein Kopfkissen in seine Richtung. Es trifft die Wand.

»Ich geh ja schon, ich geh ja schon!«, sagt er grinsend und schlägt die Zimmertür mit einem Knall hinter sich zu.

Wütend drehe ich mich um. Ich hoffe, er fällt die Treppe runter. Ich hoffe, dass er an seinem Frühstück erstickt. Ich hoffe, dass ich ihn nie wiedersehe. Ich gehe zum Fenster. Die Innenseiten meiner Oberschenkel reiben gegeneinander. David hat leider recht – ich habe zugenommen. Die Tüten mit Chips, Twix, KitKat und M&M’s, die ich seit den Sommerferien gegessen habe, habe ich schon lange aufgehört zu zählen.

Plötzlich fühle ich mich so schmutzig. Breitbeinig stelle ich mich vor das Fenster und ziehe den Vorhang auf. Über dem Garten hängt eine seltsame Stille. Nichts bewegt sich, nicht mal ein Zweig. Zwischen den kahlen Bäumen hat sich grauer Nebel verfangen. Alles wirkt tot. Der Nebel wabert durch das geöffnete Fenster hinein, und über meine nackten Arme zieht sich eine Gänsehaut. Auch in meinem Kopf wird es kalt und neblig. Ich trete einen Schritt zurück. Und noch einen.

»Maud!« Die Stimme meiner Mutter klingt jetzt verärgert. »Es ist halb acht. In einer Dreiviertelstunde fängt die erste Stunde an.«

Der Nebel hebt sich und zieht wieder hinaus. »Jahaaa«, rufe ich heiser und laufe ins Badezimmer.

Sieben Minuten und zwanzig Sekunden später betrete ich die Küche. Ein neuer Rekord.

»Guten Morgen, Schatz«, sagt mein Vater. Er zwinkert mir über den Zeitungsrand zu.

»Hi Paps.« Ich schiebe einen Stuhl zurück und setze mich an den Küchentisch.

»Da bist du ja endlich«, sagt meine Mutter. Auf dem Weg zur Anrichte klackern ihre Absätze auf dem Parkett. Sie trägt einen Rock, in den nicht mal ein Bein von mir passt. Es ist mehr als deutlich, dass ich Papas Gene geerbt habe. Und David die von Mama.

Meine Mutter stellt mir sofort einen Teller vor die Nase, zwei Scheiben dunkles Brot mit Wurst. Auf einmal habe ich keinen Hunger mehr. Unauffällig schiebe ich den Teller von mir.

»Hast du heute Nacht ein wenig schlafen können?«, fragt mein Vater.

»Na ja, nicht so gut, ich …«

»Kannst du David heute mit dem Auto in die Schule bringen?«, unterbricht meine Mutter unser Gespräch. Sie steht mit dem Rücken zur Anrichte und starrt meinen Vater an.

Er runzelt die Stirn. »Entschuldige, was sagtest du?«

»Ob du David heute in die Schule bringen kannst«, wiederholt sie gereizt.

Das Stirnrunzeln wird tiefer. Die Enden von Papas Augenbrauen berühren sich, und er sieht aus wie ein Comic-Schurke. Ob er noch weiß, dass er gerade mit mir gesprochen hat? Offenbar nicht, denn er sagt zu meiner Mutter: »Ich muss um neun im Büro sein, wir haben eine Besprechung wegen eines neuen Kunden in China.«

»David hat in der ersten Stunde eine wichtige Klassenarbeit. Mir wäre lieber, dass er nicht den ganzen Weg in die Schule mit dem Rad fährt.« Sie verschränkt die Arme vor der Brust und sieht ihn eindringlich an.

Ich schließe die Augen und stelle mir vor, dass ich jemand ganz anderes bin. Ein Popstar oder, noch besser, eine berühmte Schauspielerin. Dass ich Zehntausende Fans habe, die allesamt ein Autogramm von mir haben wollen. Dass mir alle zuhören.

»War das nicht die Klassenarbeit in Griechisch?« Der Ton in der Stimme meines Vaters sagt mir, dass sein Widerstand bröckelt.

»Ja«, antwortet meine Mutter. »Wenn er wieder eine gute Note schreibt, darf er mit auf die Studienreise nach Athen. Nur die zehn besten Schüler aus der Unterstufe bekommen einen Platz.«

»Na, dann los«, sagt mein Vater zögernd. »Wenn ich David jetzt wegbringe und danach sofort weiterfahre, wird es schon klappen.«

Ich öffne die Augen. Es ist immer dasselbe Lied. David ist so klein. David strengt sich so an, David bekommt so gute Noten, David bekommt immer seinen Willen.

»Danke schön, Papa«, sagt David und grinst.

Zum Glück gehen David und ich nicht zur selben Schule. Er ist in der Achten auf dem Gymnasium, ich bin in der letzten Klasse der Fachoberschule. Es muss eine große Erleichterung für meine Eltern gewesen sein, dass es wenigstens einer von uns aufs Gymnasium geschafft hat.

Mein Vater steht auf. »Wir müssen los, sonst schaffe ich es nicht rechtzeitig zu meiner Besprechung.«

David springt auf. Er kann seine Zufriedenheit kaum verbergen. Wie ein junger Hund läuft er hinter meinem Vater her – fehlt nur noch die hechelnde Zunge! Sie verschwinden durch die Seitentür der Küche in die kleine Diele.

»Beeilst du dich auch, Maud?«, fragt mich meine Mutter. »Hier, vergiss dein Pausenbrot nicht.«

Ich bekomme einen Frühstücksbeutel mit zwei dunklen Brotscheiben in die Hand gedrückt. Schnell stopfe ich ihn in meine Tasche.

»Bis wann hast du Schule?«, fragt meine Mutter, während sie den Tisch abräumt.

»Bis zwei.«

»Ich bin heute den ganzen Tag zu Hause.«

Meine Mutter arbeitet als Juristin bei einer Bank. Zu Hause sein bedeutet für sie, dass sie den ganzen Tag beruflich herumtelefoniert und mailt. David und ich dürfen dann keinen Lärm machen, sonst wird sie sauer. Wenn meine Mutter zu Hause ist, bin ich lieber nicht da. Zum Glück kommt das auch nicht so oft vor.

»Tschüs, mein Schatz.« Sie gibt mir einen Kuss. Ziemlich sicher habe ich jetzt einen Abdruck ihrer roten Lippen auf meiner Wange. Schnell wische ich mit dem Handrücken darüber.

»Fahr vorsichtig mit dem Rad!«

»Ja, klar.« Ich ziehe die Tür der Diele hinter mir zu. Es ist kaum genug Platz für mich. Ich zwänge mich zwischen Papa und David durch zur Garderobe.

»Tut mir leid, dass ich dich heute nicht wegbringen kann«, sagt mein Vater.

»Macht nichts, Paps.«

Er macht ein erleichtertes Gesicht. »Nächstes Mal bringe ich dich in die Schule.« Sanft zwickt er mich in die Wange.

»Heute Nacht hatte ich wieder diesen Traum«, sage ich und verstehe nicht, weshalb ich das jetzt plötzlich sage.

Einen Moment bleibt es still. Erst nach ein paar Sekunden nickt Papa.

»Es ist gerade erst passiert, Schätzchen. Die Wunde ist noch so frisch.«

»Das weiß ich, aber …«

»Wo ist mein Schal?«, nörgelt David.

»Hier.« Mein Vater nimmt einen blauen Schal von der Garderobe.

An mich gewandt sagt er: »Wir reden heute Abend weiter, okay?«

»Ja.« Am...

Erscheint lt. Verlag 23.2.2018
Reihe/Serie deVries-Thriller
deVries-Thriller
Sprache deutsch
Original-Titel Verstrikt
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • All Age • Cornelia Funke • Dystopie • Freundschaft • Gänsehaut • Gefahr • John Greene • Jugendbuch • Jugendkrimi • Junge Belletristik • Junge Erwachsene • Koma • Krimi • Krimi für Jugendliche • mehrere Perspektiven • Mörder • New Adult • Niederlande • Romantik • Schicksal • Stephenie Meyer • Teenager • Teenies • Teens • Thriller • tribute von panem • Twilight • Verschwörung • YA • Young Adult
ISBN-10 3-7325-5703-0 / 3732557030
ISBN-13 978-3-7325-5703-5 / 9783732557035
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