Die Königinnen der Würstchen (eBook)

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2017 | 1. Auflage
288 Seiten
Carlsen Verlag Gmbh
978-3-646-92936-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Königinnen der Würstchen -  Clémentine Beauvais
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Mireille, Astrid und Hakima sind auf Facebook von ihren Mitschülern zur Wurst des Jahres in Gold, Silber und Bronze gewählt worden - der Preis für die hässlichsten Mädchen. Doch die drei beschließen sich nicht unterkriegen zu lassen. Zusammen planen sie einen Road-Trip per Fahrrad nach Paris. Ziel: die große Party im Elysée-Palast am Nationalfeiertag. Finanzierung: Unterwegsverkauf von Würstchen. Ein chaotische, lustige und herzzerreißende Reise beginnt. Und auf der Party hat jede der drei ein ganz eigenes Anliegen ... Ausgezeichnet mit dem LUCHS und nominiert für den Buxtehuder Bullen und den Prix des lycéens allemands 2017

Clémentine Beauvais wurde 1989 in Paris geboren und hat in Cambridge über Kinderliteratur promoviert. Sie schreibt vielfach preisgekrönte Kinder- und Jugendbücher auf Französisch und Englisch.

Clémentine Beauvais wurde 1989 in Paris geboren und hat in Cambridge über Kinderliteratur promoviert. Sie schreibt vielfach preisgekrönte Kinder- und Jugendbücher auf Französisch und Englisch.

1

Es ist so weit, die Ergebnisse sind auf Facebook erschienen: Ich bin die Bronze-Wurst des Jahres.

Ich bin fassungslos. Nachdem ich zwei Jahre hintereinander zur Wurst des Jahres in Gold gewählt worden bin, hielt ich mich für unschlagbar, aber das war ein Irrtum.

Ich habe nachgesehen, wer Gold bekommen hat. Eine Neue aus der Zehnten, ich kenne sie nicht. Sie heißt Astrid Blomvall, hat blonde Haare, viele Pickel und schielt dermaßen, dass ihre linke Iris nur zur Hälfte zu sehen ist, der Rest hat sich dauerhaft hinter ihrem Augenlid versteckt. Die Entscheidung der Jury ist absolut nachvollziehbar.

Die Silberne Wurst wurde einer Kleinen aus der Siebten verliehen, Hakima Idriss. Auch sie ist in der Tat ziemlich hässlich, mit ihrem schwarzen Schnurrbart und dem Dreifachkinn, sie hat was von einem Hecht.

Unser lieber Freund Malo hat jedes Foto der achtzehn am Wettbewerb beteiligten Mädchen kommentiert. Mich hat er besonders gewürdigt:

»Die Konkurrenz war hart, aber für mich ist und bleibt Mireille Laplanche die unangefochtene Wurstkönigin. Ihr fetter Schwabbelhintern, ihre Hängebrüste, ihr Kartoffelkinn und die winzigen Schweinsäuglein haben sich für alle Zeiten in unser Gedächtnis eingegraben.«

Es gab schon ziemlich viele Gefällt mir (78).

Ich habe meines hinzugefügt (79).

Dann bin ich ins Esszimmer runtergegangen und habe meiner Mutter verkündet: »Dieses Jahr bin ich die Bronze-Wurst!«

»Aha. Und, soll ich dir jetzt etwa gratulieren?«

»Tja, keine Ahnung. Wäre es dir lieber, ich hätte meinen Titel als Goldene Wurst behalten?«

»Am liebsten wäre es mir, man hätte dich überhaupt nie zur Wurst des Jahres ernannt.«

»Warum bist du dann mit so einem hässlichen Typen ins Bett gestiegen?«

»Sprich nicht schlecht über deinen Vater.«

»Wer weiß, vielleicht wäre er sogar stolz auf mich!«

»Wäre er nicht.«

»Ich schreibe ihm einen Brief.«

»Schreib ihm keinen Brief.«

»Allerliebster Papa, zum Abschluss dieses reizenden Schuljahrs wurde deine heiß geliebte Tochter am Marie-Darrieussecq-Gymnasium in Bourg-en-Bresse zur Bronze-Wurst des Jahres gewählt. Glück im Unglück, denn bisher bekam sie immer Gold.«

»Du gehst mir auf die Nerven, Mireille.« Meine Mutter schaut an die Decke und sagt zu der Lampe von Habitat: »Ich hasse pubertierende Jugendliche.«

Mein Vater ist Deutsch-Franzose. Nennen wir ihn, um seine Anonymität zu wahren, einfach Klaus von Strudel. Er ist Professor an der Pariser Sorbonne-Universität und schreibt philosophische Bücher. Zudem hat er die Doktorarbeit meiner Mutter betreut, und das offenbar so intensiv, dass sie am Ende mit meiner Wenigkeit schwanger war. Aber ach, ihre Beziehung musste im Verborgenen bleiben! Denn Klaus war damals – und ist es, nebenbei bemerkt, noch heute – mit einer Person von außerordentlichem Potenzial verheiratet. Zum Beweis dafür ist sie seit zwei Jahren die Präsidentin unserer schönen französischen Republik. Nennen wir sie der Einfachheit halber Barack Obamette.

Barack Obamette und Klaus von Strudel haben drei gemeinsame Söhne, die mithin meine Halbbrüder sind und alle drei völlig bescheuerte Namen irgendwelcher griechischen Helden tragen, aber um sie besser auseinanderzuhalten, gebe ich ihnen lieber die Decknamen Joël, Noël und Citroën.

Aus Gründen, die sich meiner Kenntnis entziehen, hat meine Mutter Paris sofort verlassen, als sie von ihrer Schwangerschaft erfuhr, und sich entschieden Philosophielehrerin am Gymansium in Bourg-en-Bresse zu werden, der Hauptstadt des Department Ain (das mit der Nummer 01). Sie hat einen Herrn Philippe Dumont geheiratet, der genauso normal ist wie sein Name.

Alle drei wohnen wir in einem schmucken Einfamilienhaus mit Garten, zusammen mit dem Hund Mieze und dem Kater Babybel.

Habe ich Kontakt zu Klaus von Strudel? Nein, denn er hat nie auf einen meiner Briefe geantwortet. Statt seiner heimlichen Tochter zu antworten, gibt er Interviews im Philosophie Magazin und schreibt ungefähr alle drei Jahre eine Abhandlung über Metaphysik, die meine Mutter dann kauft und liest. Ich auch. Sie sagt immer, Das verstehst du doch gar nicht, Mireille, das ist sehr kompliziert, aber ich lese sie trotzdem und manches verstehe ich.

Klaus schreibt solche Sachen wie:

»Der spekulative Realismus war das Gleitmittel für den Übergang zu einer Metaphysik ohne Kant.«

»Das Denken eines Quentin Meillassou stellt die zeitgenössische Metaphysik auf den Kopf und versetzt ihr lustvolle Stöße …«

»Ich weigere mich jedoch eine Philosophie anzuerkennen, die von Platon und Descartes kastriert worden ist …«

Ich: »Dieser Klaus ist ja ganz schön versaut.«

Meine Mutter: »Hör jetzt endlich damit auf! Erstens heißt er nicht Klaus und zweitens verstehst du das gar nicht, sein Denken ist revolutionär, aber das verstehst du nicht, das kannst du auch gar nicht verstehen.«

»Mama, der vergleicht Platon und Descartes mit einem Paar Hoden.«

»Fünfzehn!«, stößt meine Mutter hervor. »Fünfzehn ist wirklich das dämlichste Alter der Welt!«

»Fünfzehneinhalb, wenn ich bitten darf.«

Mit acht Jahren habe ich Klaus zum ersten Mal einen Brief geschrieben:

Hallo, Herr [von Strudel],

meine Mutter (Patricia Laplanche) hat mir gesagt, dass Sie mein Vater sind. Ich würde Sie gern mal in Paris besuchen und [Joël und Noël]* kennenlernen. Ich gehe in die Grundschule, habe gute Noten und konnte mit vier schon lesen.

Auf Wiedersehen,

Mireille Laplanche

* (Damals war [Citroën] noch nicht auf der Welt.)

Den zweiten dann mit zwölf Jahren:

Lieber Herr [von Strudel],

Sie haben mir auf meinen ersten Brief nicht geantwortet. Dabei wäre das ziemlich nett gewesen. Ich bin in der siebten Klasse des Marie-Darrieussecq-Gymnasiums. Ich bin die Beste in der Klasse. Ich würde Sie immer noch gern mal besuchen, in Paris oder anderswo. Meine Handynummer lautet […].

Viele Grüße,

Mireille

Den dritten habe ich dann vor drei Monaten geschrieben.

[Klaus],

Du bist mein Vater. Und das weißt Du auch, schließlich hast Du ja auch schon meine ersten beiden Briefe bekommen. Ich sehe Dich immer im Fernsehen, mit [Barack Obamette], [Joël, Noël] und [Citroën], und ich finde es schlichtweg unverschämt, mir nicht zu antworten. Ich bin fünfzehn und ich bin nicht blöd. Und falls es Dich beruhigt: Meine Mutter steckt nicht »dahinter«. Ich habe alle Deine Bücher gelesen. Ruf mich an.

Mireille

Flop Nummer drei. Über diesen letzten Brief weiß meine Mutter mit Sicherheit Bescheid, zumal der Umschlag, bevor ich ihn eingeworfen habe, eine ganze Weile gut sichtbar auf dem Küchentisch lag.

[Klaus von Strudel]

Élysée-Palast

Paris

Lieber Herr Postbote, ich bitte um Eile, denn Vaterschaft hat keine Weile.

»Sehr witzig«, meinte meine Mutter, als sie das sah. »Mir kommen vor Lachen die Tränen!«

»Sollen wir wirklich zulassen, dass sie den abschickt?«, hat Philippe Dumont mit besorgter Miene (geschürzte Lippen + Gefummel an Manschettenknöpfen) gefragt.

»Wir halten uns da völlig raus, damit will sie uns doch nur provozieren«, hat meine Mutter erwidert. »Er wird ihr sowieso nicht antworten, also spielt es keine Rolle.«

Philippe Dumont war schon immer zutiefst betrübt darüber, die Lücke, die Klaus von Strudel in mein Leben gerissen hat, nicht füllen zu können. Er geht mit mir ins Kino, ins Museum und zum Bowling. Bei ihm darf ich Maronencreme direkt aus dem Glas essen. Er sagt: Betrachte mich als deinen Vater, Mireille, ich bin dein Vater! Und ich halte mir die Hände vor den Mund und mache: CHHHH CHHHHH … ich bin dein Vaaater! Dann geht er an die Decke: Das hier ist mein Haus, Mireille. Und mein Sofa! Du wohnst bei mir, wenn ich dich daran erinnern darf. Was nur zur Hälfte stimmt, denn eine Hälfte des Hauses gehört meiner Mutter, die ihren Teil des Kredits aber noch nicht abbezahlt hat (wegen ihres miserablen Lehrergehalts), während Philippe Notar und Rotarier ist, was bedeutet, dass er zum Rotary Club gehört.

»Was ist der Rotary Club, Mama?«

»Das ist ein Verein mit solchen Leuten wie Philippe, die ganz verschiedene Berufe haben und dort zusammenkommen, um über wichtige Themen zu sprechen und sich gegenseitig ihre Kinder vorzustellen.«

Philippe nimmt mich mit und versucht mich vorzustellen.

»Darf ich vorstellen: die Tochter von Patricia, Mireille.«

Die Rotarier sind hoch-er-freut Quasimodo zu Weihnachten über ein Kaviar-Schnittchen hinweg die Hand zu schütteln. Eines Tages, ich muss ungefähr neun gewesen sein, stellte jemand mit ungewöhnlichem Scharfblick fest: »Die Kleine hat verblüffende Ähnlichkeit mit diesem Philosophen, äh, wie hieß er doch gleich …?«

In diesem Moment blitzte so was wie ein Hoffnungsfunke in mir auf. Ich habe diesen glatzköpfigen, rot geäderten Mann angeschaut und im Stillen mit aller Inbrunst wiederholt:...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2017
Übersetzer Annette von der Weppen
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte All Age • Aufbruchsstimmung • beste Freundinnen • Bodyshaming • Cybermobbing • Du bist schön • Emanzipation • Emanzipiert • Embrace • Fahrrad • Fahrradtour • Feminismus • feministische Jugendbücher • Freundinnen • Geheimtipp • Humor • internetmobbing • Jugendbuch • Komik • Komödie • Körperbewusstsein • Lieblingsbuch • Mädchenfreundschaft • Mädchenpower • Mädchensolidarität • Mobbing • Nora Tschirner • Paris • Preisgekrönt • Road Trip • Schönheitskönigin • Schönheitswettbewerb • Selbstbewusstsein • Selbstwertgefühl • Solidarität • Soziale Medien • Soziale Netzwerke • Starke Mädchen • Tschirner • Übergewicht • YA
ISBN-10 3-646-92936-7 / 3646929367
ISBN-13 978-3-646-92936-2 / 9783646929362
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