Henriette und der Traumdieb -  Akram El-Bahay

Henriette und der Traumdieb (eBook)

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2017 | 1. Auflage
400 Seiten
Verlag Carl Ueberreuter
978-3-7641-9156-6 (ISBN)
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Wenn Träume verschwinden ... Keiner träumt wie Henriette. Jeden Morgen erinnert sie sich klar und deutlich an die Abenteuer der vergangenen Nacht - sogar herbeiwünschen kann sie ihre Träume. Doch eines Tages schlägt ein Traumdieb zu. Jede Spur von dem letzten Traum ist wie ausradiert. Obwohl der alte Buchhändler Anobium sie warnt, beschließt Henriette, den Dieb zu suchen und zur Rede zu stellen. Ihr Weg führt sie durch schöne und böse Träume, in die heiße Wüste, in den finsteren Wald der Alben und zu einer Tür, hinter der etwas Schreckliches lauert ...

Akram El-Bahay hat als Schüler vier Wochen lang in einer Buchhandlung gejobbt und dann festgestellt, dass ihm das Schreiben viel mehr Spaß macht als das Verkaufen. Er hat anschließend viele Jahre als Journalist gearbeitet und schreibt nun mit Vorliebe Bücher, die ebenso märchenhaft wie fantastisch sind. Nicht selten finden sich in ihnen orientalische Motive - ganz so, wie es sich für Geschichten eines Halbägypters gehört. Er lebt mit Frau und drei Kindern in einem kleinen Haus mit großem Garten am Niederrhein.

Akram El-Bahay hat als Schüler vier Wochen lang in einer Buchhandlung gejobbt und dann festgestellt, dass ihm das Schreiben viel mehr Spaß macht als das Verkaufen. Er hat anschließend viele Jahre als Journalist gearbeitet und schreibt nun mit Vorliebe Bücher, die ebenso märchenhaft wie fantastisch sind. Nicht selten finden sich in ihnen orientalische Motive - ganz so, wie es sich für Geschichten eines Halbägypters gehört. Er lebt mit Frau und drei Kindern in einem kleinen Haus mit großem Garten am Niederrhein.

EIN GESTOHLENER TRAUM


Die Aufregung war groß in dem kleinen Haus am Ende der Straße. Herr Punktatum, einer der beiden Besitzer der Buchhandlung Anobium & Punktatum, war tot. Sein Tod war ganz plötzlich gekommen. Und ebenso plötzlich war es laut geworden. Fremde Menschen liefen polternd durchs Treppenhaus. Tiefe Stimmen hallten darin umher. Echos gesprochener Worte jagten einander die steinernen Wände entlang und die hölzernen Treppenstufen ächzten mitleiderregend unter schweren Schritten.

Im ersten Stock drückten sich zwei Kinder die Nasen am Wohnzimmerfenster platt, um zu beobachten, was sich unten auf der Straße abspielte. Henriette Ende hatte einen besseren Platz ergattert als ihr Bruder Nick und einen guten Blick auf die nasse Straße. Zwei Männer schlossen gerade die Flügeltüren eines dunklen Wagens, der unter einer Kastanie parkte. Der Baum hatte längst alle Blätter verloren. Der Winter stand vor der Tür und es war nur eine Frage von Tagen, ehe aus dem Regen, der unermüdlich vom Himmel fiel, Schnee werden würde. Dicke Tropfen schlängelten sich an der Fensterscheibe entlang wie kleine Flüsse. Der Himmel war grau. Es war einer dieser typischen, verregneten Novembertage, die nasse Socken und die Aussicht auf eine Erkältung mit sich brachten.

Henriette konnte es noch immer kaum glauben, dass der alte Buchhändler vergangene Nacht im Schlaf gestorben war. Erst gestern Abend hatte sie ihn noch gesehen. Gerade als sie und ihr Zwillingsbruder in das Haus der Großmutter gestürmt waren, die sie wie jedes Jahr kurz vor Weihnachten besuchten. Herr Punktatum hatte ihnen die Tür aufgehalten und hinterhergerufen, sie sollten vorsichtig sein und sich auf den alten Treppenstufen nicht den Hals brechen. Und nun war er selbst tot. Woran mochte er wohl gestorben sein?

Henriette fragte ihren Bruder Nick, der jedoch nicht antwortete. Die beiden Männer stiegen soeben in das Auto und Nick bemühte sich vergebens, den Kopf so zu drehen, dass er in das Innere des dunklen Wagens spähen konnte. Als Henriette die Frage wiederholte, gab er es auf und sah sie nachdenklich an.

»Tja, wer weiß?«, überlegte er. »Vielleicht ein Herzinfarkt. Ich meine, er war uralt. Oder vielleicht war ein Einbrecher schuld, der es auf seinen Schmuck abgesehen hatte? Womöglich ist er erschossen worden.«

»Was für ein Unsinn!«, meinte Henriette entschieden und sah ihren Bruder missbilligend an. Sie hatte eigentlich damit rechnen müssen, dass Nick hinter dem Tod von Herrn Punktatum ein Verbrechen vermutete. Für ihn konnte das Leben gar nicht abenteuerlich genug sein. Ein Einbrecher! Typisch Nick! »Überhaupt hat Herr Punktatum wohl kaum Schmuck besessen«, ergänzte sie und strich sich energisch eine ihrer dunkelblonden Locken aus dem Gesicht. »Er hat doch alleine gelebt.«

»Na ja, stimmt«, gab Nick widerwillig zu. »Ich habe ihn auch nie mit Kette und Ohrringen gesehen.«

Er kicherte und Henriette schüttelte den Kopf. Wie konnten sie und Nick eigentlich Zwillinge sein? Es gab Momente, und dies war so einer, in denen sie sich fragte, ob er nicht im Krankenhaus vertauscht worden war. Bis auf die blonden Haare, die bei Nick allerdings völlig glatt waren, sahen sie sich nicht einmal besonders ähnlich, vom Verhalten einmal ganz zu schweigen. Nun, Henriette war immerhin auch einen Tag älter. Sie war in der Nacht des 14. August geboren, ihr Bruder kurz nach Mitternacht am folgenden Tag.

Ehe Nick weiterüberlegen konnte, kam ihre Großmutter in das Zimmer und scheuchte sie von der Fensterbank. »Runter da! Ein Toter ist nun wirklich nichts für Kinder«, rief sie und schickte die beiden kurzerhand in ihre Zimmer zum Auspacken der Koffer. Noch immer lagen diese dort geöffnet auf dem Boden, gefüllt mit dicken Pullovern, warmen Socken und tausend anderen Dingen. Gestern Abend hatten sie keine Lust gehabt, ihre Sachen einzuräumen. Und heute waren sie den ganzen Tag über mit ihrer Oma, Mathilda Ende, unterwegs gewesen, bis der Regen eingesetzt hatte. Erst bei ihrer Rückkehr hatten sie erfahren, was dem alten Buchhändler widerfahren war.

»Es ist entsetzlich«, meinte Oma Mathilda, während sie Henriette beim Auspacken half. »Ich habe ihm gestern Vormittag noch das Paket gebracht, das ich angenommen hatte«, erzählte sie, während sie Henriettes Hosen in eine große Kommode legte. »Und da war er wie immer. Freundlich und höflich. Sicher war in dem Paket eines dieser alten Kochbücher, die er so liebte. Es ist ihm immer so schwergefallen, sie wieder zu verkaufen. Ich höre noch seine sanfte Stimme, wie er sagt: ›Kein Büchernarr sollte Buchhändler werden.‹«

»Und dann?«, fragte Nick, der seinen Kopf zur Tür hereinsteckte.

Oma Mathilda sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Und dann hat er es noch im Hausflur geöffnet und hineingesehen. Bestimmt war es ein wertvolles Buch. Vor lauter Aufregung konnte er kein Wort mehr sagen. Das war das letzte Mal, dass ich Herrn Punktatum gesehen habe. Tja«, seufzte sie, »irgendwann muss man eben damit beginnen, sich für jeden Tag zu bedanken.«

Immer wieder kehrten Henriettes Gedanken zu Herrn Punktatum zurück. Und kaum hatte sie all ihre Sachen in der großen Kommode verstaut, gab es für sie kein Halten mehr. Sie beschloss, dem kleinen Buchladen im Erdgeschoss einen Besuch abzustatten.

Der Laden war ganz sicher kein Geschäft für Kinder. Zumindest keines, in dem es Wände voller bunter Bilderbücher gab. Solche mit Einbänden, von denen Piraten zähnefletschend herabfunkelten. In diesem Buchgeschäft fand man auch keine Detektivgeschichten, in denen Kinder Kriminalfälle lösten, an denen selbst erfahrene Polizisten verzweifelten. Und es gab erst recht keine Bücher über Prinzessinnen in rosa Kleidern. Allenfalls eine alte Ausgabe von Grimms »Kinder- und Hausmärchen«. Ohne Bilder, versteht sich. Henriette aber störte das wenig.

Der kleine Buchladen war etwas Besonderes. Schon alleine sein Duft war zauberhaft. Dort roch es nach altem Papier, verstaubt und von der Sonne verblichen, und nach dicken Ledereinbänden, die die Geschichten in ihrem Inneren vor der Zeit schützten wie eine Rüstung einen Ritter. Der Fußboden bestand aus alten Holzdielen, die bei jedem Schritt knarrten, als wollten sie den Besuchern zuflüstern, in welchem Teil des Ladens sie das richtige Buch finden würden. Am Eingang stand ein Tresen mit einer altmodischen, messingfarbenen Registrierkasse, die laut klingelte, wenn die Schublade geöffnet wurde. Die Bücher waren ausnahmslos alt und ihr seit heute einziger Verkäufer war es auch. Er war auch der Grund, warum Henriette unbedingt in den Buchladen wollte. Sein Name war Konradin Anobium.

Mit Herrn Anobium konnte Henriette sprechen. Richtig sprechen. Er hatte gewissermaßen die richtige Stimme dazu. Keine, die nur vernünftige Dinge sagte. Herr Anobium steckte so voller Unvernunft, dass er begriff, was Henriette fühlte und beschäftigte. Manchmal sogar, bevor sie es selbst richtig wusste. Und im Gegensatz zu Nick machte er sich nie über etwas lustig.

Henriette fühlte sich noch immer ganz durcheinander. Wie es Herrn Anobium da wohl erst gehen musste? Sie konnte sich nicht ausmalen, was der Tod seines besten Freundes für ihn bedeutete. Aber auch sie war eine Freundin von Herrn Anobium und es war die Pflicht von Freunden, füreinander da zu sein. Henriette schlich leise die Stufen herunter.

Durch die hohen Fenster, die auf jeder Zwischenetage hinaus zum Hof blickten, drang graues und müdes Abendlicht hinein. Der Regen trommelte mit nassen Fingern gegen die Scheiben.

Unten angekommen lief Henriette hinüber zu der Tür, die vom Treppenhaus in den Buchladen führte. Abgeschlossen. Das machte nichts. Herr Anobium blieb immer lange im Geschäft und sichtete neue alte Bücher oder las in denen, die bereits seit Jahren in den Regalen geduldig auf neue Besitzer warteten. Sie klopfte. Das Geräusch hing für einen Moment flüchtig in der Luft. Doch die Tür blieb verschlossen.

Sie klopfte noch einmal.

»Hallo, Herr Anobium? Ich bin es, Henriette.«

Nichts geschah.

Henriette runzelte die Stirn. Es gab noch eine Tür, an der sie es versuchen konnte. Henriette ging hinaus und starrte missmutig in den Regen. Es schien, als wollte er die Welt fortspülen. Am Himmel zuckte ein Blitz und wenige Sekunden später donnerte es. Unwillkürlich musste sie an Jules Vernes Buch »20 000 Meilen unter dem Meer« denken. Als einmal keine Kunden im Laden gewesen waren, hatte Herr Anobium den Roman aus einem Regal gezogen.

»Warst du schon einmal in einem Unterseeboot und hast die Wunder gesehen, die unter dem Meeresspiegel auf neugierige Augen warten?«, hatte er sie damals gefragt und angefangen, ihr vorzulesen. Es war ein ganz ähnlicher Tag wie heute gewesen. Grau und regnerisch. Und die Stimme von Herrn Anobium hatte...

Erscheint lt. Verlag 17.2.2017
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte 20000 Meilen unter dem meer • Abenteuer • Albtraum • Antiquariat • Beduine • Buchhändler • Buchhandlung • Hexe • Jules Verne • Kamel • Nachtschatten • Orient • Riese • Ritter • Traumbuch • Träume • Wüste
ISBN-10 3-7641-9156-2 / 3764191562
ISBN-13 978-3-7641-9156-6 / 9783764191566
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