Tauchgang ins Totenreich (eBook)

Archäologie unter dem Meeresspiegel
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
336 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-05071-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tauchgang ins Totenreich -  Florian Huber
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Abenteuer in der Unterwasserwelt Kaum etwas fasziniert den Menschen so sehr wie das Ungewisse, das sich in den Tiefen unserer Ozeane verbirgt, seien es jahrhundertealte Schiffswracks oder versunkene Städte - denn die Welt unterhalb des Meeresspiegels hält Überraschungen parat, die den Inhalt der Geschichtsbücher dramatisch verändern könnten. Florian Huber ist leidenschaftlicher Unterwasserarchäologe und versucht, dem Meer diese Geheimnisse zu entlocken. Er taucht seit Jahren nach Schiffen, in Höhlen, in Brunnen und Seen, immer auf der Suche nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. In seinem reich bebilderten Buch berichtet Huber von seinen spannendsten und riskantesten Forschungsexpeditionen: zum schwedischen Handelsschiff Mars, das 1564 mit 800 Mann Besatzung sank, zu den japanischen Schiffswracks im Pazifik vor Truk Lagoon und in die wassergefüllten Höhlen Yucatáns auf der Suche nach Überresten der Maya. Seine Geschichten sind wie Reisen in eine völlig fremde Welt. «Überwucherte Wracks oder jahrtausendealte Knochen der Maya: Ein Unterwasserarchäologe forscht in den Tiefen der Meere nach Unentdecktem. Ein faszinierendes Abenteuer unter Wasser!» STERN

Dr. Florian Huber, 1975 in München geboren, taucht seit mehr als 25 Jahren und studierte Archäologie, Anthropologie und Skandinavistik in München, Umeå (Schweden) und in Kiel. Bevor er sich als Unterwasserarchäologe und Forschungstaucher selbstständig machte, war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel und leitete dort die Arbeitsgruppe für maritime und limnische Archäologie. Ausgrabungen und Forschungsreisen führten ihn in über 100 Länder. Huber ist Autor zahlreicher Fachpublikationen, Zeitschriftenartikel sowie Bücher und steht regelmäßig für TV-Dokumentationen wie Terra X vor der Kamera. Sein Buch 'Tauchgang ins Totenreich' erschien 2016 bei Rowohlt.

Dr. Florian Huber, 1975 in München geboren, taucht seit mehr als 25 Jahren und studierte Archäologie, Anthropologie und Skandinavistik in München, Umeå (Schweden) und in Kiel. Bevor er sich als Unterwasserarchäologe und Forschungstaucher selbstständig machte, war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel und leitete dort die Arbeitsgruppe für maritime und limnische Archäologie. Ausgrabungen und Forschungsreisen führten ihn in über 100 Länder. Huber ist Autor zahlreicher Fachpublikationen, Zeitschriftenartikel sowie Bücher und steht regelmäßig für TV-Dokumentationen wie Terra X vor der Kamera. Sein Buch "Tauchgang ins Totenreich" erschien 2016 bei Rowohlt.

Am seidenen Faden –


Der Tiefe Brunnen von Nürnberg

«Alles in allem ein spannendes Thema. Es müsste aber mehr geforscht werden.»

Es ist Herbst 2011, und ich brüte über der Hausarbeit eines Studenten, denn die Betreuung der Nachwuchs-Wissenschaftler gehört zu meinem Aufgaben als Lehrbeauftragter der Universität Kiel. Gerade habe ich den Satz rot markiert und angemerkt, dass diese etwas naive Aussage kein angemessenes Fazit für eine akademische Arbeit ist, als mein Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung meldet sich mit energischer Stimme Professor Hans Fricke, der legendäre Meeresforscher. Er und seine Mitarbeiter hatten 1987 erstmals lebende Quastenflosser – Fische mit beinähnlich aussehenden Flossen, von denen man lange annahm, sie seien mit den Dinosauriern ausgestorben – in ihrem natürlichen Lebensraum beobachtet. In der Zeit darauf hatte er die Tiere im Indischen Ozean mit dem Tauchboot Jago ausgiebig erforscht und damit weltweit Aufmerksamkeit erregt.

Doch was könnte der berühmte Mann von mir wollen? Kurz stellt er sich vor und erzählt mir dann, was er vorhat.

«Ich suche Taucher, die die Eier haben, sich in den Nürnberger Brunnen hinabzuseilen, um ihn taucherisch zu erforschen. Und ich habe gehört, Sie könnten Interesse haben.»

«Na klar – genau unser Ding», antworte ich ihm spontan und ohne weiter darüber nachzudenken, welche Herausforderungen da auf uns zukommen könnten. «Und was suchen Sie als Meeresbiologe in einem Brunnen?»

«Ich habe jetzt im Alter mein Interesse an Geschichte und Archäologie entdeckt!», antwortet Fricke verschmitzt.

Uli und ich beim Abendessen mit dem renommierten Meeresforscher Prof. Hans Fricke, der uns ein spektakuläres Projekt vorschlägt

Wir verabreden spontan eine Zusammenarbeit und beschließen, uns ein paar Wochen später in Nürnberg zu treffen, um uns kennenzulernen und die Örtlichkeiten zu begehen.

Ich rufe meinen Teamkollegen Uli Kunz an, der völlig aus dem Häuschen ist. Er ist selbst Meeresbiologe und weiß daher natürlich weit mehr über die bahnbrechenden Arbeiten von Fricke als ich und hat sogar einige seiner Bücher gelesen. Noch ist uns nicht ganz klar, was der Erforscher der Quastenflosser in Nürnberg zu finden hofft. Für uns ist es auf jeden Fall eine großartige Chance und ein völlig neues Tauchabenteuer, denn dieses Mal wird es in einem engen Schacht aus dem Mittelalter senkrecht nach unten gehen.

Wie immer bereite ich mich vor: Ich lese einiges über die Historie des Brunnens, überlege mir, welche Ausrüstung wir benötigen, und nehme Kontakt mit den örtlichen Behörden auf, denn auch bei diesem Abenteuer werden wir viele Genehmigungen brauchen.

Dann naht der Termin, und wir steigen bei Novemberregen in Kiel ins Auto, um gen Süden zu preschen. Etwa acht Stunden später erreichen wir Nürnberg, das uns mit strahlendem Sonnenschein begrüßt. Wir müssen schmunzeln; auch Uli kommt aus südlichen Gefilden, aus Kehl am Rhein, und ist freundlicheres Wetter als in Kiel gewohnt. Wir witzeln ständig über die wettertechnische und kulinarische Diaspora im Norden. Daher gönnen wir uns, nachdem wir unser kleines Doppelzimmer in der Jugendherberge der Stadt bezogen haben, einen leckeren fränkischen Schweinsbraten, Schäufele genannt. Das mächtige, knusprige Teil wird mit Dunkelbiersoße und Knödel serviert, und mit wohlig-vollem Magen gehen wir früh schlafen.

Am nächsten Morgen treffen wir Hans Fricke unterhalb der Burganlage. Der zu diesem Zeitpunkt siebzigjährige Biologe und Tierfilmer ist uns auf Anhieb sympathisch. Er erklimmt die Burg mit einer für sein Alter erstaunlichen Geschwindigkeit und sprüht voller Ideen. Ständig erzählt er von seinen früheren Abenteuern, von der Jagd nach dem Quastenflosser oder von einem Aufenthalt auf der Yacht des Microsoft-Mitgründers Paul Allen. Oben angekommen, begrüßen uns Vertreter der Burganlage sowie der örtlichen Denkmalpflege. Dann betreten wir das steinerne Brunnenhäuschen, in dessen Mitte sich der etwa einen Meter hohe, gemauerte Brunnenrand erhebt. Er ist als Sechseck angelegt, während der Brunnenschacht selbst kreisrund ist und einen Durchmesser von rund zwei Metern hat. Die Öffnung des Schachts wird von einem schön verzierten Eisengitter bedeckt, das auf dem Rand ruht. Es soll verhindern, dass Besucher in die Tiefe stürzen, wenn sie sich zu weit hinauslehnen, um in den Brunnen zu schauen. Vorsichtig spähe ich über diesen Rand, blicke hinab in Jahrhunderte dunkler Geschichte, und dabei kommt mir in den Sinn, was ich im Vorfeld über solche Anlagen gelesen habe. Quellen und Brunnen spielen seit Jahrtausenden eine zentrale Rolle für die Menschen. Besonders in Burgen und Festungsanlagen mussten sie sich unabhängig von der Außenwelt mit Wasser versorgen können. Denn sonst drohten sie bei einer Belagerung zu verdursten und hätten schnell aufgeben müssen.

Die weltweit bekannte Kaiserburg Nürnberg zählt zu den geschichtlich bedeutendsten Wehranlagen Europas. Zwischen 1050 und 1571 hielten hier alle deutschen Kaiser und Könige des Heiligen Römischen Reichs ihre Hof-, Reichs- und Gerichtstage ab. Salische Könige errichteten bereits im 11. Jahrhundert auf dem östlichen Felsen eine Anlage, die heute als Burggrafenburg bekannt ist. Im 12. und 13. Jahrhundert erweiterten der Staufen-Kaiser Friedrich I. Barbarossa und seine Nachfolger die Anlage auf dem westlichen Felsen und erbauten dort eine der größten und prachtvollsten Burgen des Reichs – die Kaiserburg. Während diese nur während der Besuche des Staatsoberhauptes bewohnt war, lebte der ständige Verwalter des Kaisers in der Burggrafenburg auf dem östlichen Burgfelsen.

Die berühmte Nürnberger Burg bei Nacht. Hier erwartet uns ein Tauchabenteuer der ganz besonderen Art

Der «Tiefe Brunnen» liegt innerhalb der Kaiserburg und ist heute ein einzigartiges Dokument der Technikgeschichte und der frühen Ingenieurbaukunst. Um die Wasserversorgung oben auf dem Felsen zu gewährleisten, hatten Arbeiter den Stollen über Jahre hinweg mühsam durch das harte Material getrieben – 50 Meter senkrecht in die Tiefe.

Noch während ich am Brunnenrand stehe und diese Gedanken spinne, fällt mein Blick auf Uli, und ich sehe das Funkeln in seinen Augen. Wir denken beide das Gleiche. Auch wenn es schwierig wird, wir wollen da runter, und zwar am liebsten sofort! Der Forscherdrang in uns ist geweckt: Wie die Arbeiter beim Brunnenbau vorgingen, mit welchen Tricks sie gearbeitet und welche Gefahren auf sie gelauert haben – all das könnten wir mit einer Expedition in den Abgrund des Brunnens ergründen, nachvollziehen und dokumentieren. Und wer weiß, was der viele Jahrhunderte alte Schacht sonst noch für Geheimnisse zu offenbaren hat?

 

Doch so schnell geht es nicht. Für einen Tauchgang brauchen wir Genehmigungen, eine präzise Vorbereitung, die richtige Ausrüstung sowie spezielle Sicherheitsvorkehrungen. Ohnehin sind wir ja heute nur auf einem Erkundungsgang, der die eigentliche Expedition vorbereiten soll. Allerdings haben wir uns im Vorfeld gerüstet und ein paar nützliche Dinge mitgenommen, zum Beispiel eine «GoPro» – eine kleine wasserdichte Action-Kamera, die wir auf eine unserer Tauchlampen montiert haben. Diese Kombination hängen wir nun an eine Seilrolle, wie wir sie auch in Mexikos Höhlen benutzen, und lassen sie durch die Gitterstäbe der Abdeckung nach unten gleiten. Meter für Meter sinkt sie hinab und filmt den dunklen, engen Brunnenschacht. Noch wissen wir allerdings nicht, was sie dort unten aufzeichnet, denn es gibt keine Kabelverbindung nach oben. Rund 50 Meter geht es senkrecht in die Tiefe, dann bemerken wir, wie die Kamera endlich ins Wasser eintaucht. Wir lassen sie bis zum Boden sinken, warten kurz und ziehen sie anschließend wieder nach oben.

Ich hole die kleine Speicherkarte aus der Kamera, stecke sie in meinen Laptop, und dann verfolgen wir gespannt die Reise in den Abgrund. Wir sehen den Schacht, an einigen Stellen gemauerte Steine, diverse Löcher in den Wänden und schließlich die Wasseroberfläche, auf der einige abgebrannte, weiße Kerzenstummel treiben. Die Kamera taucht ein, und wir sind erleichtert – das Wasser ist glasklar, also auch bestens für Tauchgänge geeignet. Unten am Boden, in etwa fünf Meter Wassertiefe, erkennen wir große Holzbalken, Steine und Schutt. Beim Hochziehen drehen sich Kamera und Lampe, und wir sehen eine etwa zwei Meter hohe und einen Meter breite Vertiefung, die vor langer Zeit in den Fels geschlagen worden war.

Handelte es sich um das Ende eines unterirdischen Gangs? Seit vielen Jahrzehnten hält sich in Nürnberg hartnäckig die Legende, dass ein vom Rathaus ausgehender Gang von der Seite her in den «Tiefen Brunnen» der Kaiserburg einmünden soll. In einem Fachbuch hatte ich die Überlieferung so gefunden: «Gefangene sollen ihn [den Brunnen] in mehreren Jahrzehnten gebaut haben. Unten steht immer frisches Wasser mehrere Meter hoch und über der Wasserfläche sieht man von oben her rechts und links zwei dunkle Öffnungen in dem Felsen, durch die der Brunnen gemeisselt ist. Die zwei dunklen Öffnungen führten zu unterirdischen Gängen, die hinuntergingen zum Rathaus und hinunter in den Burggraben und unter dem Burggraben hindurch hinaus in den Wald …» (Werpick, 1987)

Das Bild unserer Kamera zeigt nun eindeutig, dass es sich lediglich um eine Vertiefung, um eine Nische handelt, von der jedoch kein Gang ausgeht. Damit ist die Legende eindeutig widerlegt. Weshalb sie so lange kursierte, lässt sich indes...

Erscheint lt. Verlag 25.11.2016
Co-Autor Henning Engeln
Zusatzinfo Zahlr. 4-farb. Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Höhlen • Kiel • Meer • Mexiko • Ostsee • Ozean • Tauchen • Wracks • Yucatan
ISBN-10 3-644-05071-6 / 3644050716
ISBN-13 978-3-644-05071-6 / 9783644050716
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