Das Spanische Jahrhundert (eBook)

1492-1659
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2016 | 1. Auflage
148 Seiten
wbg Academic in der Verlag Herder GmbH
978-3-534-71391-2 (ISBN)
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Dem ?Siglo de Oro?, dem Goldenen Zeitalter Spaniens, widmet sich Mariano Delgados Buch, das einen umfassenden Überblick über Politik, Wirtschaft und Religion gibt. Gleichzeitig betrachtet es die kulturelle Hochblüte der Zeit mit großen Namen wie Velázquez, El Greco, Calderón oder Cervantes. Doch was zeichnet diese Epoche aus? Von etwa 1550 - 1680 erlebt die europäische Hegemonialmacht Spanien den Höhepunkt ihrer Zeit als Kolonialmacht. Diese Phase ist nicht nur durch eine offensive katholische Reaktionspolitik gekennzeichnet, sondern auch durch die Unterdrückung politischer Freiheiten. Hochgespannte politische Ambitionen werden mit Hilfe der Inquisition brutal durchgesetzt. Wirtschaftlich droht aufgrund der ständig überspannten Mittel - trotz der reichen Goldeinkünfte - fortwährend der Staatsbankrott. Neben innenpolitischen Entwicklungen betrachtet der Titel fundiert das spanische Weltreich in Übersee mit seinen kolonialen Auswirkungen und Problemen.

Mariano Delgado, geb. 1955 in Berrueces (Valladolid), ist seit 1997 Professor für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg (CH). Zahlreiche Publikationen zur Kirchen- und Missionsgeschichte, zur Politischen Theologie in der Frühen Neuzeit und zum spanischen Weltreich.

Mariano Delgado, geb. 1955 in Berrueces (Valladolid), ist seit 1997 Professor für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg (CH). Zahlreiche Publikationen zur Kirchen- und Missionsgeschichte, zur Politischen Theologie in der Frühen Neuzeit und zum spanischen Weltreich.

»...sei allen ans Herz gelegt, die sich überblicksartig und gleichzeitig umfassend über die wichtigsten zeitgenössischen Diskurse im frühneuzeitlichen Spanien bis 1659 informieren möchten.« sehepunkte.de

I. Sendungsbewusstsein


Man hat Italiener, Franzosen und Deutsche die drei Hauptvölker des mittelalterlichen Abendlands genannt. Denn sie teilten sich das Papsttum, die Wissenschaft und das Kaisertum (sacerdotium, studium, imperium). Im Sinne der Ost-West-Wanderungstheorie des Otto von Freising, wonach die Religion, die Wissenschaft und die politische Führung von Osten nach Westen gewandert seien, bis sie in Europa den Höhepunkt erreichten und das Ende der Geschichte damit eingeleitet war, lag es nahe, dass gerade in diesen Völkern das Sendungsbewusstsein groß war. Zu Beginn der Neuzeit aber fand das Land, das an der südwestlichen Peripherie des christlichen Europas dieses gegen die Muslime verteidigte, seine historische Stunde.

Das spanische „Sendungsbewusstsein“ speiste sich aus verschiedenen Quellen:

Bibel und Nationalgeschichte

(1) Die Bibel hat in allen christlichen Ländern ein Verständnis der Nationalgeschichte anhand der Kategorien „Erwählung-Bund-Gericht“ hervorgerufen. Alle Völker der Christenheit fühlen sich analog zum jüdischen Volk „erwählt“, verstehen ihren Eintritt in die Kirche als eine Art „Bund“ mit ihrem neuen Gott und deuten ihre historischen Niederlagen und Katastrophen als Gericht Gottes ob ihrer Untreue gegenüber ihrer Erwählung und Bundesverpflichtung. In Spanien markiert die Bekehrung des Westgotenkönigs Rekared vom Arianismus zum katholischen Glauben beim III. Konzil von Toledo 589 die entscheidende Wende. In der Geschichte der Goten des Isidor von Sevilla († 636) finden wir ein überschwängliches Lob Spaniens als „die heilige und immer glückliche Mutter von Fürsten und Völkern, das schönste aller Länder, die sich vom Westen bis Indien ausdehnen“, als die „Ehre und die Zierde des Erdkreises und der erhabenste Teil der Welt“. Diese Sicht ist in die Nationalchronik eingegangen, die im 13. Jahrhundert am Hof des kastilischen Königs Alfons X., genannt der Weise, (1252–1284) redigiert wurde. Darin wird Spanien als „Paradies Gottes“ bezeichnet, als „das scharfsinnigste, kühnste und tapferste aller Länder, wo alles im Überfluss zu finden sei“, es überrage „alle anderen Länder“ und werde „mehr als sie wegen seiner Treue“ geschätzt.

Als das Reich der Westgoten nach der muslimischen Invasion 711 abrupt zugrunde ging, war dies erklärungsbedürftig. Die erwähnte Nationalchronik weiß es als Ausgießung des göttlichen Zornes ob der Sünden in den letzten Jahren der Westgotenherrschaft (Spaltungen, Verrat, wieder aufkeimender Arianismus) biblisch zu interpretieren. Daher entzog Gott den Westgoten seinen Schutz „und entfernte von ihnen seine Gnade“. Dazu wird der bereits im Alten Testament geschichtstheologisch konnotierte Begriff „Zerstörung“ verwendet, eine Zerstörung, die schlimmer sei als die Zerstörung Babels durch die Perser, die Roms durch Goten und Vandalen oder die Jerusalems und Karthagos durch die Römer: „Die Säuglinge wurden gegen die Mauer geschleudert, die Knaben von Wunden zerfetzt, die Erwachsenen durch das Schwert getötet, die Alten starben auf dem Schlachtfeld, und alle verendeten im Krieg […]. In den Kirchen und Türmen, wo man früher Gott zu loben pflegte, bekannte man sich und rief man nun nach Muhammad.“

Endzeitkaiser/König

(2) Die joachimitische Tradition eines messianischen Endzeitkaisers ist spätestens seit den Schriften des Arnaldo de Vilanova um 1300 auch in Spanien präsent. Dieser prophezeite die Ankunft eines eschatologischen Königs, der den Antichrist besiegen, die Muslime aus Spanien vertreiben, Nordafrika und Jerusalem zurückerobern und die Universalmonarchie führen werde. Vilanovas Voraussagen wurden 1316 in Tarragona verurteilt, aber die Erwartung des genannten Königs war nicht aus der Welt zu schaffen, zumal die vielen zwangsbekehrten Juden im 15. Jahrhundert die Sehnsüchte ihres Messianismus auf die Könige von Kastilien und Aragón übertrugen.

Translationslehre

(3) Dazu kommt die Rezeption politischer Leitbegriffe der mittelalterlichen Christenheit wie „Translations-/Weltreichelehre“ und „Universalmonarchie“. Beide haben antike Wurzeln, sind aber auch biblisch geprägt. Gemäß der Translationslehre ist Gott derjenige, der „den Wechsel der Zeiten und Fristen“ bestimmt: „er setzt Könige ab und setzt Könige ein“ (Dan 2,21) und er lässt die Herrschaft von einem Volk zum anderen „wegen Gewalttat und Übermut“ (Sir 10,8) wandern. Diese Translationslehre wurde verbunden mit der Weltreichelehre aus dem Danielbuch (u.a. Dan 2,1–49), die eine Ost-West-Wanderung der Universalherrschaft nahelegt sowie die Ankunft eines fünften Weltreiches ankündigt, das nicht mehr untergehen werde. Der Stein, der im Traum Nebukadnezzars „ohne Zutun von Menschenhand“ (Dan 2,34) sich von einem Berg löste und das Standbild aus Gold, Silber, Bronze, Eisen und Ton (die vier Weltreiche) zermalmte und das fünfte Reich einleitete, wird mit der Hand Gottes identifziert. Das Römische Reich und seine christlichen Rechtsnachfolger im östlichen und westlichen Kaisertum galten als das vierte Reich, während das fünfte Reich, das Reich Gottes oder des Messias, das mit Jesus Christus angefangen habe, eigentlich ein jenseitiges sei, wenn auch bereits hier in der Kirche versinnbildlicht werde. Die Vollendung werde aber erst nach Erscheinen des Antichrists und dessen Depotenzierung eintreffen.

Universalmonarchie

Ähnlich verhält es sich mit der „Universalmonarchie“. Dieser Begriff, der biblisch auf die Zwei-Schwerter-Theorie zurückgeht, ist vor allem im Schatten der Auseinandersetzungen zwischen Papsttum und Kaisertum als Universalmächte entstanden. Kuriale Theologen und Juristen haben im 13., 14. und 15. Jahrhundert den päpstlichen Führungsanspruch begründet, während die auf der kaiserlichen Seite anders dachten; am Hof mächtiger, selbstbewusster Könige außerhalb des Reiches (Frankreich, Kastilien und England) entstand der Gedanke, dass der König ein Kaiser in seinem Reich sei, zumindest im Zeitlichen also keiner Universalmacht unterstellt sei.

Das „Spanische Jahrhundert“ konvergiert mit dem Höhepunkt und der Krise der genannten Leitbegriffe und der politischen Rezeption des Danielbuches. Es ist eine Zeit der Bestreitung von universalen Führungsansprüchen und der Suche nach einem Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Nationen und Königreichen der Christenheit. Letzteres wird sich beim Westfälischen Frieden (1648) durchsetzen.

Spanien, das spätestens seit den Katholischen Königen angefangen hatte, seine Ziele mit denen der Christenheit zu identifizieren, wird dies unter Karl V. und seinen Nachfolgern aus dem Hause Habsburg noch selbstbewusster tun. Im Deckenfresko, das Luca Giordano 1692 für das große Treppenhaus in El Escorial fertigstellte und das eine Apotheose (Gloria) der Habsburger darstellt, ist dieses Selbstverständnis plastisch ausgedrückt: Im offenen Himmel auf einer Wolke vor der Dreifaltigkeit kniend bietet Karl V. dieser in der linken Hand die Kaiserkrone und in der rechten die spanische Königskrone als Zeichen seiner Universalmonarchie dar, während sein Sohn Philipp II. (1527–1598), der keine Kaiserkrone mehr hatte, der Trinität einen katholisch gewordenen „Globus“ als Zeichen seiner weltweit missionierenden Monarchia Hispanica darbietet.

Translatio imperii unter den Katholischen Königen


Wie Bernard Vincent betont hat, haben die Katholischen Könige das Thema des Kreuzzugs, das seit der Eroberung Konstantinopels 1453 überall im Okzident präsent war, aber niemand ernsthaft aufgriff, „zu ihrem eigenen Ruhm genützt“, d.h. ihrem Staatskonzept unterstellt. Sie verstanden die Vorteile, die sie innen- wie außenpolitisch aus ihrer Rolle als „Vorreiter der Christenheit“ ziehen konnten. Ihr Unternehmen visierte nicht nur die Eroberung Granadas, sondern auch die Einnahme Jerusalems an – jedenfalls in der Reichspropaganda. Die Massenbekehrung von Juden trug dazu bei, dass um 1500 der Gedanke eines messianischen Charakters der spanischen Könige sowie die Ausdehnung der Geistesfreiheit eines Christenmenschen auf den politischen und sozialen Bereich „das zentrale Motiv des spanischen Lebens“ war, vor allem in Kastilien. Das spanische Lebensgefühl dieser Zeit kennzeichnet Américo Castro folglich als eine „messianische Spannung“ oder ein „latentes Warten auf irgendeinen Messias“. Erst dies erklärt für ihn „das wunderbare Ereignis eines Weltreiches wie des spanischen“.

Das Jahr 1492

Die schicksalhafte Entdeckung der Neuen Welt im Jahre 1492, das mit der Eroberung Granadas angefangen hatte, verstärkte das spanische Gefühl, das auserwählte Volk der Renaissance zu sein. Es ist kein Zufall, dass Christoph Kolumbus seine Entdeckung mit der Bestimmung der spanischen Könige zur messianischen Aufgabe der Rückeroberung Jerusalems in Verbindung brachte. Der Bezug zur Weltreichelehre aus dem Danielbuch ist auch vorhanden: Im Jahre 1499 schrieb z.B. Antonio de Lebrija, auch Nebrija genannt,...

Erscheint lt. Verlag 2.5.2016
Verlagsort Darmstadt
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Neuzeit (bis 1918)
Schlagworte Geschichte • Kolonialismus • Kolonialmacht • Kultur • Politik • Religion • Spanien • Weltreich • Wirtschaft
ISBN-10 3-534-71391-5 / 3534713915
ISBN-13 978-3-534-71391-2 / 9783534713912
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