Die Templerin (eBook)

Templerin 1
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
384 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-19814-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Templerin -  Wolfgang Hohlbein
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Friesland im 12. Jahrhundert: Robin ist noch ein junges Mädchen, als Fremde ihr Dorf überfallen und ihre Mutter töten. Man verdächtigt die Tempelritter, doch Robin kennt die Wahrheit. Sie sucht Zuflucht vor den wirklichen Mördern bei den Templern und beginnt ihr eigenes, geheimnisvolles Schicksal zu begreifen.

Wolfgang Hohlbein wurde 1953 in Weimar geboren. Seit er 1982 gemeinsam mit seiner Frau Heike den Roman »Märchenmond« veröffentlichte, arbeitet er hauptberuflich als Schriftsteller. Mit seinen Romanen aus den verschiedensten Genres - Thriller, Horror, Science-Fiction und historischer Roman - hat er mittlerweile eine große Fangemeinde erobert und ist einer der erfolgreichsten deutschen Autoren überhaupt. Er lebt mit seiner Familie in der Nähe von Düsseldorf.

KAPITEL 1


Robins Welt war klein. Ausgehend von dem Dorf, in dem sie geboren und aufgewachsen war, maß sie weniger als einen Tagesmarsch in jede Richtung und im Norden sogar noch sehr viel weniger, denn dort hörte die Welt gewissermaßen auf. Wenn man zwei Stunden in scharfem Tempo in diese Richtung marschierte, erreichte man die Dünen, niedrig, unregelmäßig und von kärglichen Flecken borstigen Grüns bewachsen, und wenn man sie überquerte und sich dem Wind stellte, der selbst im Sommer manchmal eisig war, dann sah man das Meer: eine unendliche, manchmal blaue, zumeist aber schmutzig graue Ödnis, die nirgendwo anfing und nirgendwo endete.

Im Westen führte der Weg schon weiter. Brach man um die Osterzeit bei Sonnenaufgang auf, so erreichte man am späten Nachmittag den Fluss. Er war nicht sehr breit, aber tief und reißend. Die Bewohner des Dorfes auf der anderen Uferseite lagen mit denen aus Robins Dorf im Streit, was in gewisser Weise ungemein praktisch war: So kam niemand in Versuchung, den Fluss zu überqueren und dabei das Risiko einzugehen, in null Komma nichts zu ertrinken. Im Süden und Osten schließlich erhoben sich dicht bewaldete Hügel, durch die nur eine einzige, schmale und meist verschlammte Straße führte. Gerüchten zufolge wurden sie mitunter von Wegelagerern und wilden Tieren heimgesucht, aber Robin vermutete, dass diese Gräuelmärchen maßlos übertrieben waren. Überprüfen konnte sie das allerdings nicht: Niemand aus ihrem Dorf hatte diese Straße je benutzt; jedenfalls nicht, solange sie sich zurückerinnern konnte.

Robin verdankte ihren etwas ungewöhnlichen Namen ihrem Vater. Er war Engländer – vielleicht auch Schotte, so genau hatte sie diesen Unterschied nie begriffen – und hatte nur einen einzigen Winter in ihrem Dorf verbracht. Zusammen mit einer Hand voll Kameraden war er eines Morgens vor fünfzehn Jahren plötzlich aus dem Wald getorkelt. Dem halben Dutzend zerlumpter, blutüberströmter, aber auch schwer bewaffneter Gestalten erging es ganz offensichtlich nicht viel besser als ein paar Hasen bei einer Treibjagd: Sie waren vollkommen am Ende ihrer Kräfte und sahen so gehetzt aus, als ob sie schon das Hufgetrappel der Verfolgermeute hören würden.

Nachdem sich die erste Aufregung gelegt und die Dorfbewohner begriffen hatten, dass ihnen von den fremden Soldaten zumindest keine unmittelbare Gefahr drohte, hatten es sich die Fremden unter der großen Linde auf dem Dorfplatz einigermaßen gemütlich gemacht, ihre Wunden versorgt, etwas getrunken und gegessen und währenddessen begonnen, ihre Geschichte zu erzählen. Sie gehörten zu einem Heer, das sich auf dem Weg ins Heilige Land befand und nicht weit vom Dorf entfernt vorbeigezogen war. Während eines plötzlichen Schneesturms – so erzählten sie wenigstens – waren sie vom Haupttross getrennt worden, und kaum hatte sich das Wetter gebessert, da waren sie in einen Hinterhalt geraten, dem sie nur mit knapper Mühe entkommen konnten. Nun war ihr Heer fort und sie hatten keine andere Wahl, als auf das Frühjahr zu warten, um sich dann auf eigene Faust auf den Weg ins Land des Heilands zu machen.

Das war jedenfalls die Geschichte gewesen, die sie erzählten. Niemand im Dorf hatte sie wirklich geglaubt. Wahrscheinlicher war wohl, dass es das Heer, von dem sie gesprochen hatten, zwar gab, sie selbst aber nichts anderes als Deserteure waren. Aber welcher der einfachen Bauern und Fischer hätte schon den Mut gehabt, das einem halben Dutzend schwer bewaffneter Soldaten ins Gesicht zu sagen?

Dabei hätten sie es vermutlich ohne große Gefahr gekonnt. Die Leute im Dorf sprachen selten über den Winter, in dem die englischen Soldaten da gewesen waren. Aber wenn sie es taten, dann war in ihren Stimmen keine Bitterkeit oder gar Zorn, sondern vielmehr ein Ton, als spräche man über liebe alte Freunde, die man gerne einmal wiedersehen würde. Robin hatte nicht erfahren, was sich in jenem Winter vor fünfzehn Jahren wirklich zugetragen hatte, aber als die Schneeschmelze einsetzte und die Soldaten wieder abzogen, waren sie und viele Dorfbewohner Freunde gewesen.

Vier Monate später war Robin geboren worden.

Niemand im Dorf hatte Robins Mutter diesen Fehltritt wirklich übel genommen. Sie war damals schon seit zehn Jahren Witwe und führte ein einfaches, aber gottesfürchtiges Leben und Robin vermutete, dass der englische Soldat – ihre Mutter nannte niemals seinen Namen, wenn sie über ihn sprach, so nannte sie ihn stets nur den Soldaten –, dass dieser namenlose englische Soldat also ihrer Mutter etwas gegeben hatte, worauf sie zu lange hatte verzichten müssen.

Robin dachte an nichts von alledem, als sie sich an jenem Abend der leer stehenden Kapelle am Ortsrand näherte. Es war der vierzehnte Juli, aber obwohl es der Tag war, der Robins Leben in so vollkommen andere Bahnen lenkte, dass sie kurz darauf ein völlig neuer Mensch zu werden schien, wusste sie nicht einmal das Datum. Niemand im Dorf zählte das Verstreichen der Zeit anhand von Kalendertagen, und wozu auch? Das Leben im Dorf wurde von den Jahreszeiten bestimmt – Frühling, Sommer, Herbst, Winter – und vom sonntäglichen Kirchgang, nicht von Jahreszahlen.

Außerdem war Robin aufgeregt. Sehr aufgeregt. Sie war unterwegs, um ihren neuen Freund zu treffen, den sie vor vier Wochen kennen gelernt hatte; Jan, den Knappen, der im Dienst eines richtigen Ritters stand und stets spannende und aufregende Geschichten zu erzählen hatte.

Es war purer Zufall gewesen, dass sie sich getroffen hatten – oder, um genau zu sein, eine Kombination aus Zufall und Robins übergroßer Neugier, die ihr schon mehr als einmal gehörigen Ärger eingebracht hatte. Die alte Kapelle lag ein gutes Stück außerhalb des Dorfes, gerade weit genug, um den Weg lästig werden zu lassen, und niemand wusste mehr genau, warum man sie ausgerechnet dort errichtet hatte, und als sei damit alles gesagt, brachte man ihr auch nicht unbedingt den Respekt entgegen, den sie als ein Gotteshaus zweifellos verdiente. Ganz im Gegenteil: Düstere Geschichten rankten sich um die aufgelassene Kapelle. Es hieß, dass dort heidnische Riten abgehalten worden seien, und einige der Alten behaupteten sogar, dass der Teufel selbst dort nachts sein Unwesen treibe. Darüber hinaus war es ein offenes Geheimnis, dass die Kapelle den Liebespaaren aus dem Ort als verschwiegener Treffpunkt diente. Robin hatte sich oft gefragt, was sie dort eigentlich taten, und sie hatte diese Frage sogar einmal ihrer Mutter gestellt, aber eine so rüde Abfuhr erhalten, dass sie es fortan nicht mehr gewagt hatte, das Thema anzusprechen.

An jenem Abend vor vier Wochen befand sie sich auf dem Rückweg ins Dorf. Sie hatte Kräuter gesammelt, aus denen ihre Mutter allerlei Salben und Tinkturen herzustellen wusste, aber auch wohlschmeckende Tees, und sie hatte nicht auf die Zeit geachtet und musste sich nun sputen, um noch vor Einbruch der Nacht nach Hause zu kommen. Ihr Korb war schwer, denn sie hatte außer den Kräutern auch noch eine große Anzahl Pilze entdeckt, die sie kurzerhand eingesammelt hatte. Obwohl sie spät dran war und ahnte, dass ihre Mutter sie schelten würde, war sie guter Dinge, denn sie wusste auch, wie sehr sich ihre Mutter über die Pilze freuen würde. Sie stellten eine willkommene Abwechslung in ihrem sonst doch recht eintönigen Speiseplan dar, der aus Haferbrei, einem gelegentlichen Stück Fladenbrot und Rüben in jeder nur erdenklichen Form der Zubereitung bestand; drei- oder viermal im Jahr auch aus einem Stück Fleisch, wenn es ihnen gelang, einen Hasen zu erlegen, oder ein Nachbar ein Schwein schlachtete und ihnen großzügiger Weise etwas abgab.

Um dem Unmut ihrer Mutter nicht mehr Nahrung als unbedingt nötig zu geben, entschloss sie sich, die Abkürzung durch den Wald zu nehmen, der auf halbem Wege zwischen dem Dorf und der alten Kapelle lag. Normalerweise mied Robin das kleine Wäldchen. Das dichte Unterholz, die finstere Kühle unter den ineinander verwobenen Baumkronen und seine düsteren Schatten machten ihr Angst. Sie glaubte zwar nicht wirklich an den Teufel und die Existenz von Dämonen, aber andererseits … man konnte nie wissen. Außerdem standen die dornenbewehrten Himbeer- und Brombeersträucher so eng, dass sie Gefahr lief, sich ihr sowieso schon mehrfach geflicktes Gewand zu zerreißen – sollte das passieren, das wusste sie aus bitterer Erfahrung nur zu gut, würde ihre Mutter sie so lange mit sorgenvollen Vorwürfen überhäufen, bis Robin vor Scham am liebsten im Boden versinken würde.

Sie hatte den Waldrand fast erreicht, als sie ein verräterisches Knacken hörte; das typische Geräusch eines brechenden Zweiges. Seiner Lautstärke nach zu urteilen musste es sich um einen ziemlich kräftigen Zweig gehandelt haben, was wiederum bedeutete, dass es sich nicht um ein Eichhörnchen oder einen Hasen gehandelt haben konnte, und Robin erstarrte für die Dauer eines Herzschlags. Gleichzeitig sah sie sich erschrocken und sehr hastig nach einem Versteck um – nach einem Baum, auf den sie klettern konnte. Zwar hatten sich seit langer Zeit keine Wölfe, Bären oder andere gefährliche Raubtiere in die unmittelbare Umgebung verirrt, aber erst im vergangenen Jahr war ein Mann aus dem Dorf von einem Wildschwein angegriffen und schwer verletzt worden.

Sie hatte gerade einen Baum entdeckt, der ihr geeignet schien, als sich das Knacken – näher diesmal – wiederholte, und praktisch gleichzeitig sah sie einen Schatten. Nicht sehr weit entfernt, links von ihr war ganz eindeutig der Umriss eines Menschen. Robin atmete erleichtert auf und wollte sich...

Erscheint lt. Verlag 3.5.2016
Reihe/Serie Templerin-Serie
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 12.Jahrhundert • Abenteuer • Abenteuerroman • eBooks • Frau • Friesland • HeiligesLand • Historische Romane • HistorischerRoman • Israel • Jerusalem • Kreuzfahrer • Kreuzzug • Mittelalter Romane • Reihe • Roman • Tempelritter • Templerin • Überfall • Verkleidung
ISBN-10 3-641-19814-3 / 3641198143
ISBN-13 978-3-641-19814-5 / 9783641198145
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 3,3 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die Geschichte eines Weltzentrums der Medizin von 1710 bis zur …

von Gerhard Jaeckel; Günter Grau

eBook Download (2021)
Lehmanns (Verlag)
14,99
Historischer Roman

von Ken Follett

eBook Download (2023)
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
24,99