Der Medicus von Heidelberg (eBook)

Roman

(Autor)

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2014 | 1. Auflage
672 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-42309-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Medicus von Heidelberg -  Wolf Serno
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In seinem SPIEGEL-Bestseller 'Der Medicus von Heidelberg' verbindet Erfolgsautor Wolf Serno detailgenaues Wissen um die Geburtsmedizin des 16. Jahrhunderts, eine anrührende Liebes- und eine fesselnde Lebensgeschichte zwischen Basel und Erfurt, Heidelberg und Oppenheim zu einem packenden historischen Lesevergnügen. Wie schon in seinen zahlreichen Romanerfolgen, unter anderem 'Der Wanderchirurg', 'Der Balsamträger', 'Der Puppenkönig' oder 'Die Hexenkammer', fasziniert Wolf Serno auch diesmal durch eine packende Mischung von genau recherchierten historischen Fakten, enormer Spannung und hoher Lebendigkeit in der Darstellung historischer Realität.. Kanton Thurgau, anno 1500. Niemals zuvor hat es jemand gewagt, eine Schwangere bei lebendigem Leib aufzuschneiden, um das Kind herauszuholen. Zu groß ist die Gefahr, zu streng das Verbot der Kirche. Als der Schweinekastrator Jacob Nufer dennoch die Operation an seiner Frau durchführt und mit Gottes Hilfe glücklich beendet, kennt sein Sohn Lukas nur ein Ziel: Er will ein Medicus werden. Für Lukas beginnt ein langer Weg, gesäumt von Gewalt, Gefahren und großen Gefühlen ... 'Meisterhaft verbindet der Erfolgsautor historische Zusammenhänge und Details über die Medizin jener Zeit mit der Erzählhandlung.' Ärzteblatt Baden-Württemberg

Wolf Serno arbeitete 30 Jahre als Texter und Creative Director in der Werbung. Mit seinem Debüt-Roman 'Der Wanderchirurg' - dem ersten der fesselnden Saga um Vitus von Campodios - gelang ihm auf Anhieb ein Bestseller, dem viele weitere folgten, unter anderem: 'Der Balsamträger', 'Hexenkammer', 'Der Puppenkönig' sowie 'Das Spiel des Puppenkönigs', 'Die Medica von Bologna', 'Das Lied der Klagefrau' und 'Der Medicus von Heidelberg'.Wolf Serno, der zu seinen Hobbys 'viel lesen, weit reisen, gut essen' zählt, lebt mit seiner Frau und seinen Hunden in Hamburg.

Wolf Serno arbeitete 30 Jahre als Texter und Creative Director in der Werbung. Mit seinem Debüt-Roman "Der Wanderchirurg" - dem ersten der fesselnden Saga um Vitus von Campodios - gelang ihm auf Anhieb ein Bestseller, dem viele weitere folgten, unter anderem: "Der Balsamträger", "Hexenkammer", "Der Puppenkönig" sowie "Das Spiel des Puppenkönigs", "Die Medica von Bologna", "Das Lied der Klagefrau" und "Der Medicus von Heidelberg". Wolf Serno, der zu seinen Hobbys "viel lesen, weit reisen, gut essen" zählt, lebt mit seiner Frau und seinen Hunden in Hamburg.

Teil 1
Der Magister


Kapitel 1


Siegershausen, Kanton Thurgau,
24. März bis 3. April 1500

Nach drei Tagen und Nächten verstummten die Schreie meiner Stiefmutter. Das Kind in ihrem Leib, das allem Pressen zum Trotz nicht kommen wollte, hatte sie an den Rand des Todes gebracht. Weiß wie die Wand war sie, ihr Atem so flach wie ihr Puls. Mein Vater rannte vor ihrem Bett auf und ab und fluchte gotteslästerlich. Im Allgemeinen war er ein ruhiger, besonnener Mann, aber die Angst um seine Frau hatte ihn völlig außer Fassung gebracht. »Tut endlich was und steht nicht da wie die Ölgötzen!«, schrie er uns an. »Holt mir das Kind heraus!«

»Wo nichts zu machen ist, ist nichts zu machen, Nufer«, sagte der Mann neben mir. Es war Gotthard Iwein, der Bader aus Alterswilen, einem Nachbardorf.

»Fürwahr, er hat recht«, bekräftigte Alphons Wyss, der Wundarzt. »Willst du, dass wir dein Weib bei lebendigem Leibe aufschneiden? Abgesehen davon, dass es verboten ist und wir in Teufels Küche kämen, wenn wir’s täten, würde sie eines elendigen Todes sterben.«

»Ich will, dass das Ganze ein Ende hat!«

»Nun hör mal zu, Jacob Nufer.« Eine der herumstehenden Wehmütter stemmte die Hände in die Hüften. »Das Kind hat eine Steißlage, ich hab’s dir schon gesagt. Wir haben mindestens ein Dutzend Mal versucht, es zu drehen, damit der Kopf nach unten zeigt, wie sich’s gehört. Aber es geht nicht. Das Becken ist zu eng. Es ist, als wär’s da drinnen eingemauert. Da hilft alles Fluchen nichts, nur Warten und Gottvertrauen.«

Die anderen Wehmütter und ein paar Nachbarinnen nickten einträchtig.

Vater war stehen geblieben. »Das ist mir zu wenig«, knurrte er. Er stieß den nutzlos gewordenen Gebärstuhl beiseite und trat an das Bett meiner Stiefmutter. Seine Hand strich über ihre schweißnasse Stirn. Sie zeigte keine Regung. Nur ihre geschlossenen Lider flatterten leicht. »Elisabeth«, flüsterte er heiser, »ich schwöre beim Heiland, dass ich dir helfen werde, und wenn’s das Letzte ist, was ich auf dieser Welt tue.« Dann stürmte er aus der Stube.

Wir anderen schauten ihm betreten nach. Er tat uns leid in seinem Schmerz. Fast so leid wie Elisabeth Alespachin, seine zweite Frau, meine Stiefmutter. Er hatte keine Kosten und Mühen gescheut, damit sie ihr erstes Kind ohne Komplikationen gebären könnte, hatte nicht weniger als dreizehn kundige Köpfe um sie herum versammelt und musste trotzdem mit ansehen, wie ihr Lebensfunke mehr und mehr erlosch.

Ich hatte so etwas schon einmal erlebt. Drei Jahre zuvor, anno 1497. Hier, in derselben Stube. Nur dass damals nicht Elisabeth Alespachin in dem Bett gelegen hatte, sondern meine leibliche Mutter. Sie war an einem Kopffieber erkrankt. Einem Leiden, so tückisch wie der Teufel selbst. Und genau wie heute war Alphons Wyss, der Wundarzt, aus Hugelshofen gerufen worden. Er hatte die Krankheit als Hirnwut bezeichnet und von einer inflammatio gesprochen. Hatte weitere lateinische Ausdrücke vor sich hin gemurmelt. Hatte kalte Umschläge und aufgekochte Weidenrinde verordnet und eine Reihe anderer Arzneien empfohlen. Aber genützt hatte das alles nichts. Meine Mutter war heißer und immer heißer geworden. Und noch am selben Tag verglüht.

Wartete ein ähnlich armseliger Tod auf meine Stiefmutter? Ich hatte große Angst davor, denn obwohl Elisabeth, wie ich sie nannte, mich nicht großgezogen hatte, stand sie mir doch nahe. Sie war eine Frau der Berge, von natürlichem Wesen und ansteckender Fröhlichkeit. Vor zwei Jahren bei einem Dorffest war es gewesen, als sie mit ihrer gewinnenden Art das Herz meines Vaters eroberte – und meines gleich dazu. Ein halbes Jahr später wurde Hochzeit gefeiert. Und nun sollte Elisabeth, die starke, fröhliche Elisabeth, schon bei der Niederkunft ihres ersten Kindes sterben? Ich konnte, ich wollte es nicht glauben.

In meine Gedanken hinein öffnete sich die Tür. Vater stand auf der Schwelle. Er trug Reisemantel und Reitstiefel. »Komm, Lukas«, befahl er, »wir reiten nach Frauenfeld.«

 

Nach langem, scharfem Ritt kamen wir glücklich in Frauenfeld an. »Unserer lieben Frauen Feld« hatte man das der Muttergottes geweihte Fleckchen Erde einst genannt und eine Kirche daraufgesetzt. Die Kirche stand noch, wenn auch vom Zahn der Zeit verwittert. Sie befand sich in der Mitte des Ortes und war von ein paar Dutzend Häusern und Höfen umgeben. Es waren stabile Gebäude, sämtlich aus dem Holz der nahegelegenen Wälder gezimmert. Das einzige Haus mit steinernen Grundmauern und gläsernen Fenstern war das Haus des alten Prälaten Konrad Bindschedler. Zu ihm wollte mein Vater.

Der Küster, der die Knechtkammer des Hauses bewohnte, ließ uns ein. Bindschedler saß in der großen Stube am Ofen, las in der Heiligen Schrift und wärmte sich die Füße in einem Sack aus Lammfell. Man schrieb bereits den vierundzwanzigsten März, aber die Tage waren noch immer kalt.

Vater entbot die Tageszeit, senkte den Kopf und schlug das Kreuz. Mechanisch tat ich es ihm nach.

»Was führt euch zu mir?« Bindschedlers Stimme klang, als käme sie aus dem Sumpf. Auch sein Gesicht glich in Form und Farbe dem einer Kröte. Doch abgesehen von seinem wenig ansprechenden Äußeren, galt er als glaubensstarker Gottesmann. Streng im Wort, aber gütig im Herzen. Ich musste es wissen, denn ich hatte in den vergangenen sechs Jahren die Frauenfelder Lateinschule besucht, deren Leiter er war.

Vater bat um Entschuldigung, dass er so unverhofft hereinplatze, aber ein dringlicher Grund führe ihn hierher. Seine Frau läge seit mehreren Tagen in den Wehen, doch das Kind wolle nicht kommen. Der Kreißenden drohe der baldige Tod.

Bindschedler riss die Augen auf. »Das ist, bei Gott, eine Hiobsbotschaft! Bist du sicher, dass es zu Ende geht?«

»Ja, Euer Gnaden.«

»Nun, nun. Wir alle müssen uns dem unerfindlichen Ratschluss des Herrn beugen. In guten wie in schlechten Tagen. Willst du, dass ich dich nach Siegershausen begleite und deiner Frau die Sterbesakramente erteile?«

»Nein, Euer Gnaden.«

»Was willst du dann? Steht es ähnlich schlimm um das Kind? Muss Taufwasser in den Geburtskanal der Mutter gespritzt werden, damit es vor seinem Tod noch den Bund mit Gott eingehen kann?«

»Nein.« Vater suchte nach Worten. »Ich möchte mich nur Gottes Beistand versichern, wenn ich den Leib meiner Frau öffne und das Kind heraushole.«

»Eine Schnittentbindung? Bist du von Sinnen?«

»Nein, Euer Gnaden, ich habe es mir genau überlegt. Ihr wisst, dass ich mein Brot als Schweinekastrator verdiene. Bei dieser Arbeit habe ich die Anatomie des Viehs genau kennengelernt. Ich traue mir zu …«

»Willst du den Körper deiner Frau mit einer Sau vergleichen?«

Vater fiel auf die Knie. Während ich hastig seinem Beispiel folgte, hörte ich ihn sagen: »Bitte, vergebt mir, aber meine Kenntnisse der Anatomie rühren nicht allein von meiner Arbeit als Kaponenmacher her. Ich habe im letzten Jahr auch als Feldscher gedient. Es war im Schwabenkrieg gegen den deutschen König Maximilian I.«

Bindschedler schlug die Bibel zu und legte sie beiseite.

»Auf diese Weise habe ich, bei aller Bescheidenheit, mein Scherflein zum Sieg der Eidgenossen beigetragen.«

»So, hast du das? Nun ja, das war brav.« Bindschedler schien ein wenig besänftigt.

»Niemand traut sich, den Eingriff zu wagen, Euer Gnaden. Gotthard Iwein, der Bader, nicht, Alphons Wyss, der Wundarzt, nicht, und von den Wehmüttern ganz zu schweigen. Sie sagen, das Kind hätte eine Steißlage. Man müsse den Tod der Mutter in Kauf nehmen, um wenigstens das Kind retten zu können. Doch damit will ich mich nicht abfinden. Ich liebe meine Frau.«

»Das ehrt dich.«

»Es wäre schon die zweite Frau, die ich verliere. Ihr wisst es. Ich bitte Euch inständig, mir Euren Segen für die Operation zu geben!«

»Warum sollte ich dir meinen Segen für etwas geben, das ohnehin misslingt? Noch nie hat eine Frau die Schnittentbindung überlebt.«

»Euer Gnaden …«

»Die Kirche lehrt, dass der Tod der Mutter abgewartet werden muss, um anschließend das Kind, sofern es noch lebt, herauszuschneiden. Der selige Abt Purchart von St. Gallen, der auf diese Weise auf die Welt kam, ist ein leuchtendes Beispiel dafür. In jedem Fall ist das Leben des Kindes höher zu bewerten als das der Mutter.«

»Aber bedenkt doch, Euer Gnaden, mit Gottes Hilfe kann ich beider Leben retten! Verbietet es die Kirche denn, gleichermaßen für Mutter und Kind zu beten?«

»Natürlich nicht. Welch eine Frage.«

»Dann betet für beide. Es soll mir zwölf schön gezogene Bienenwachskerzen zum Schmuck Eurer Kirche wert sein. Ich bitte Euch herzlich. Und überlasst alles andere mir.«

Bis dahin hatte das Gespräch den von mir erwarteten Verlauf genommen. Doch nun, da Vater angedeutet hatte, er würde auch ohne den Segen der Kirche zum Skalpell greifen, musste eine Wendung eintreten. Gespannt wartete ich auf Bindschedlers Reaktion. Würde er Vater scharf zurechtweisen? Ihm mit dem Fegefeuer drohen? Ihn gar exkommunizieren?

Nichts von alledem geschah. Der alte Mann blickte auf seine Füße im Lammfellsack. Eine Weile verging. Schlief er etwa? Nein, er nahm die Heilige Schrift wieder zur Hand und schlug sie auf. »Matthäus zweiundzwanzig, Vers fünfzehn bis einundzwanzig«, murmelte er. Ein Lächeln stahl sich auf sein Krötengesicht. »Welch ein Zufall. Da spricht unser Herr Jesus bei seiner Begegnung mit den Pharisäern und den Herodiern folgende Worte: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers...

Erscheint lt. Verlag 26.2.2014
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Geisteswissenschaften
Schlagworte 16. Jahrhundert • Geburt • Geburtsmedizin • Heidelberg • historische Abenteuerromane • Historische Romane • Historische Romane Deutschland • historische Romane für Männer • Historische Romane Medizin • Jacob Nufer • Kaiserschnitt • Lukas Nufer • Martin Luther • Medicus • Odilie von der Pfalz • Philipp von der Pfalz • Schnittentbindung • Schweiz • Ulrich von Hutten • Wolf Serno Bücher
ISBN-10 3-426-42309-X / 342642309X
ISBN-13 978-3-426-42309-7 / 9783426423097
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