Bunker Diary (eBook)

Roman

(Autor)

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2014 | 2. Auflage
300 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-42214-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bunker Diary -  Kevin Brooks
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Erstmals im Taschenbuch Sechs Personen in einem Bunker, festgehalten von einem namenlosen Entführer, dessen Identität ebenso unklar ist wie sein Motiv. Der sechzehnjährige Linus ist der Erste. Die neunjährige Jenny sowie vier Erwachsene folgen. Der Willkür des unbekannten Täters ausgesetzt, suchen Linus und seine Mitgefangenen nach einem Weg, in dieser gnadenlosen Situation das zwangsweise Miteinander erträglich zu machen. Doch als der Entführer beginnt, sie aufeinander loszuhetzen, eskaliert die Situation. Einer der meistdiskutierten Romane der letzten Jahre, ausgezeichnet mit der Carnegie Medal 2014.

Kevin Brooks, geboren 1959, wuchs in einem kleinen Ort namens Pinhoe in Südengland auf. Nach seinem Studium verdiente er sein Geld mit Gelegenheitsjobs. Seit dem überwältigenden Erfolg seines Debütromans >Martyn Pig< widmet er sich ganz dem Schreiben. Für seine Arbeiten wurde er mit renommierten Preisen ausgezeichnet, u.a. mehrfach mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis sowie der Carnegie Medal für >Bunker Diary<. Er schreibt auch Thriller für Erwachsene.

Kevin Brooks, geboren 1959, wuchs in einem kleinen Ort namens Pinhoe in Südengland auf. Nach seinem Studium verdiente er sein Geld mit Gelegenheitsjobs. Seit dem überwältigenden Erfolg seines Debütromans ›Martyn Pig‹ widmet er sich ganz dem Schreiben. Für seine Arbeiten wurde er mit renommierten Preisen ausgezeichnet, u.a. mehrfach mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis sowie der Carnegie Medal für ›Bunker Diary‹. Er schreibt auch Thriller für Erwachsene.

Montag, 30. Januar


10.00 Uhr.

Das ist alles, was ich weiß. Ich befinde mich in einem rechteckigen Bau mit niedriger Decke. Er besteht aus weiß getünchtem Beton, ist circa zwölf Meter breit und achtzehn Meter lang. In der Mitte gibt es einen Flur, von dem ungefähr auf halbem Weg ein etwas kürzerer Flur zu einem Aufzugschacht abgeht. An dem Hauptflur liegen sechs kleine Zimmer, drei auf jeder Seite. Alle gleich groß, dreieinhalb mal fünf Meter, jedes mit einem Stahlrohrbett, einem ungepolsterten Stuhl und einem Nachttisch. Am einen Ende des Flurs ist ein Badezimmer, am andern eine Küche. Gegenüber der Küche befindet sich ein offener Bereich, mit einem rechteckigen Holztisch und sechs Holzstühlen in der Mitte. An jeder Ecke hat der Bereich eine L-förmige Sitzbank. Es gibt keine Fenster. Auch keine Türen. Der Aufzug ist der einzige Weg rein oder raus.

Das Ganze sieht etwa so aus:

Im Bad gibt es eine Stahlwanne, ein Waschbecken aus Stahl und eine Toilette. Keinen Spiegel, keine Schränke, keine Ablagen oder sonst was. In der Küche befinden sich eine Spüle, ein Tisch, ein paar Stühle, ein Elektroherd, ein kleiner Kühlschrank und ein Wandschrank. Im Schrank stehen eine Plastikschüssel zum Abwaschen, sechs Plastikteller, sechs Plastikgläser, sechs Plastikbecher, sechs Plastikbesteck-Sets.

Wieso sechs?

Keine Ahnung.

Ich bin der Einzige hier.

Es fühlt sich hier drinnen an wie unter der Erde. Die Luft ist schwer und feucht. Sie ist nicht wirklich feucht, fühlt sich aber so an. Und es riecht alt hier und doch neu. Es wirkt, als gäbe es den Bau schon lange, aber anscheinend wurde er nie benutzt.

Es gibt nirgendwo Lichtschalter.

An der Flurwand hängt eine Uhr.

Das Licht geht morgens um acht Uhr an und um Mitternacht aus.

Tief in den Wänden hört man einen leisen Brummton.

12.15 Uhr.

Nichts passiert.

Die Zeit vergeht zäh.

Ich dachte, er wäre blind. So hat er mich erwischt. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich auf den Trick reingefallen bin. Ich gehe es in Gedanken wieder und wieder durch und hoffe, dass irgendwas anders läuft, doch es kommt immer das Gleiche heraus.

Es ist am Sonntag passiert, frühmorgens. Gestern Morgen. Ich tat nichts Besonderes, hing bloß in der Halle der Liverpool Street Station rum, versuchte, halbwegs warm zu bleiben, und schaute nach irgendwelchen Überresten von Samstagnacht. Ich hielt die Hände in den Taschen, hatte die Gitarre auf dem Rücken und die Augen zu Boden gerichtet.

Sonntagmorgen ist eine gute Zeit, um etwas zu finden. Am Samstagabend betrinken sich die Leute. Danach rennen sie zum letzten Zug, der nach Hause fährt. Lassen Sachen fallen: Bargeld, Kreditkarten, Mützen, Handschuhe, Zigaretten. Die meisten guten Sachen erwischen die Reinigungsleute, aber manchmal übersehen sie was. Einmal habe ich eine gefälschte Rolex gefunden. Hab einen Zehner dafür kassiert. Deshalb lohnt es sich immer zu schauen. Doch gestern Morgen habe ich nur einen kaputten Regenschirm und eine halb leere Schachtel Marlboro gefunden. Den Schirm habe ich weggeworfen, aber die Zigaretten behalten. Ich rauche zwar nicht, aber Zigaretten kann man immer gebrauchen.

Da war ich also, hing bloß so rum und beschäftigte mich mit meinen eigenen Gedanken, als plötzlich zwei Bahnhofswachleute aus einer Seitentür traten und auf mich zukamen. Einer von ihnen gehörte zum Stammpersonal, ein junger Schwarzer, der Buddy heißt und normalerweise ganz okay ist, aber den anderen kannte ich nicht. Mir gefiel nicht, wie er aussah. Er war ein schwerer Typ mit Schirmmütze und Stahlkappen vorn an den Schuhen. Und er wirkte, als ob er Streit suchte. Vielleicht stimmte das gar nicht, vielleicht hätten sie gar nichts von mir gewollt, aber es ist immer besser, auf Nummer sicher zu gehen. Also senkte ich den Kopf, zog die Kapuze über und verschwand Richtung Taxistand.

Und da sah ich ihn. Den Blinden. Regenmantel, Hut, dunkle Brille, weißer Stock. Er stand am Heck von einem dunklen Lieferwagen. Einem Transit, glaube ich. Die Hecktüren waren offen, davor stand ein schwer aussehender Koffer. Der Blinde quälte sich, den Koffer hinten in den Lieferwagen zu kriegen. Es gelang ihm nicht. Irgendwas stimmte mit seinem Arm nicht, er steckte in einer Schlinge.

Es war immer noch ziemlich früh und der Bahnhof verlassen. Ich hörte, wie die beiden Wachleute mit ihrem Schlüsselbund klimperten und über irgendwas lachten. Am Klack-klack von den Schritten des Stämmigen erkannte ich, dass sie sich entfernten, Richtung Rolltreppe, die zu McDonald’s hochführt. Ich wartete ein bisschen, nur um sicher zu sein, dass sie nicht zurückkamen, dann schaute ich wieder zu dem Blinden. Bis auf den Ford Transit war der Taxistand leer. Keine schwarzen Cabs, kein Mensch, der wartete. Es gab nur mich und den Blinden. Einen Blinden, dessen einer Arm in einer Schlinge lag.

Ich überlegte.

Wenn du willst, kannst du einfach verschwinden, sagte ich mir. Du musst ihm nicht helfen. Du kannst dich einfach still und leise verdrücken. Er ist blind, er würde es bestimmt nicht mal merken.

Aber ich verschwand nicht.

Ich bin ja ein netter Junge.

Ich hustete, um ihm zu signalisieren, dass ich da war, dann ging ich hin und fragte, ob ich ihm helfen könne. Er sah mich nicht an. Er hielt den Kopf gesenkt. Und ich fand das ein bisschen merkwürdig. Aber dann sagte ich mir, vielleicht machen das Blinde so. Ich meine, wozu jemanden angucken, wenn du den andern doch nicht sehen kannst?

»Ist wegen dem Arm«, murmelte er und deutete auf die Schlinge. »Ich kann den Koffer nicht richtig greifen.«

Ich beugte mich hinab und hob den Koffer an. Er war nicht so schwer, wie er aussah.

»Wo wollen Sie ihn hinhaben?«, fragte ich.

»Hinten rein«, sagte er. »Danke.«

Es gab niemanden sonst in dem Lieferwagen und auch niemanden auf dem Fahrersitz. Was ein bisschen überraschend war. Auch die Ladefläche des Ford Transit war so gut wie leer, bis auf ein Seil, ein paar Plastiktüten und eine verstaubte alte Decke.

Der Blinde sagte: »Macht es dir etwas aus, mir den Koffer ganz nach vorn hinter die Sitze zu stellen? Dann kriege ich ihn später leichter wieder heraus.«

Mir wurde jetzt ein bisschen mulmig. Irgendwas war nicht in Ordnung. Was machte der Typ hier? Wo wollte er hin? Wo kam er her? Wieso war er völlig allein? Verdammte Scheiße, wie konnte er Auto fahren? Ein Blinder mit gebrochenem Arm?

»Wenn es dir nichts ausmacht«, sagte er.

Vielleicht ist er ja nicht vollständig blind, überlegte ich. Vielleicht sieht er ja noch genug zum Fahren. Oder vielleicht ist er einer von denen, die nur so tun, als ob sie behindert sind, damit sie eine Sonderplakette zum Parken bekommen.

»Bitte«, sagte er. »Ich habe es eilig.«

Ich zuckte die Zweifel fort und stieg in den Lieferwagen. Was ging es mich an, ob er blind war oder nicht? Trag ihm einfach den Koffer in den Wagen und dann ist gut. Such dir ein warmes Plätzchen. Gedulde dich, bis der Tag in die Gänge kommt. Schau, wen du triffst – Lugless, Pretty Bob, Windsor-Jack. Warte ab, was passiert.

Ich bewegte mich gerade auf die Sitze zu, als ich spürte, wie plötzlich die Federn des Lieferwagens nachgaben, und ich wusste, dass der Blinde hinter mir eingestiegen war.

»Ich zeig dir, wohin«, sagte er.

In dem Moment wusste ich, dass ich gelinkt worden war, doch es war schon zu spät, und als ich mich umdrehte, um ihn anzusehen, packte er meinen Kopf und drückte mir ein feuchtes Tuch aufs Gesicht. Ich begann zu würgen. Ich sog Chemikalien ein – Chloroform, Äther, keine Ahnung, was. Ich konnte nicht atmen. Es war keine Luft da. Meine Lunge brannte. Ich dachte, ich müsste sterben. Ich wehrte mich, stieß mit Ellenbogen und Beinen um mich, trat, stampfte, warf den Kopf herum wie ein Idiot, doch es half nichts. Er war stark, viel stärker, als er aussah. Seine Hände packten meinen Schädel wie in einen Schraubstock. Nach ein paar Sekunden wurde mir schwindelig, und dann …

Nichts mehr.

Ich muss ohnmächtig geworden sein.

Das Nächste, was ich mitbekam, war, dass ich in einem Rollstuhl in einer großen Stahlkiste saß. Mein Kopf fühlte sich ganz zermatscht an und ich war auch nur halb wach. Für einen kurzen Moment dachte ich wirklich, ich wäre tot. Vor mir sah ich nur einen nach hinten laufenden Tunnel aus kaltweißem Licht. Ich hielt ihn für den Tunnel des Todes. Ich dachte, ich läge in einem Stahlsarg begraben.

Als mir schließlich dämmerte, dass ich nicht tot war, dass es kein Sarg war, dass die große Stahlkiste in Wahrheit einfach ein Aufzug war, dass die Lifttür offen stand und der Tunnel nichts anderes war als ein nackter weißer Flur, fühlte ich mich so erleichtert, dass ich einen Moment lang fast lachen musste.

Das Gefühl hielt nicht lange an.

Was passiert ist, nachdem ich aus dem Rollstuhl aufgestanden und in den Flur getaumelt war, weiß ich nicht genau. Vielleicht habe ich wieder das Bewusstsein verloren, keine Ahnung. Ich erinnere mich nur noch, wie sich die Aufzugtür schloss und der Lift nach oben fuhr.

Ich glaube nicht, dass er sehr weit fuhr.

Ich hörte, wie er anhielt – g-dong, g-donk.

Inzwischen war es neun Uhr abends. Mir war immer noch schlecht und ich fühlte mich benommen. Immer wieder würgte ich einen grässlichen...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2014
Übersetzer Uwe-Michael Gutzschhahn
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Albtraum • Bunker • Deutschunterricht • eBook • Entführung • Experiment • Extremsituation • Freiheit • Gefangenschaft • Gewalt • Hilfsbereitschaft • Intensiv • Jugendbuch • Jugendthriller • Junior • Kampf ums Überleben • Klassenlektüre • kulturpass • Leseförderung • Literaturunterricht • Macht • Menschlichkeit • Moral • Mord • Mut • Opfer • Roman für Schüler • Schreckensszenario • Schule • Schullektüre • Schullektüre 10. Klasse • Schullektüre 11. Klasse • Schullektüre 12. Klasse • Schullektüre 9. Klasse • Schullektüre Deutsch Klasse 9 bis 10 • Schullektüre mit Unterrichtsmaterial • Selbstbehauptung • Selbsterfahrung • Selbsttötung • Sinn des Lebens • Solidarität • Spannung • Suizid • Tagebuchroman • Tod • Totschlag • Unterrichtslektüre • Unterrichtsmaterial • Unterrichtsmodelle • Versuchsanordnung • Willkür • Zwangssituation
ISBN-10 3-423-42214-9 / 3423422149
ISBN-13 978-3-423-42214-7 / 9783423422147
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