Herr Puntila und sein Knecht Matti (eBook)

Volksstück
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2013 | 1. Auflage
144 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-73965-5 (ISBN)

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Herr Puntila und sein Knecht Matti -  Bertolt Brecht
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'Der Gutsbesitzer Puntila ist nüchtern ein Ausbeuter und betrunken ein Menschenfreund. Nüchtern will Puntila seine Tochter mit einem Aristokraten verheiraten; er ist nicht betrunken, als er einsieht, daß der Schwächling kein Mann für das Mädchen ist; aber die Einsicht veranlaßt ihn, sich zu betrinken. Als schließlich doch der Knecht Matti zum Schwiegersohn bestimmt wird, unterzieht Matti die Tochter des Reichen einem Examen, in dem sie beweisen soll, ob sie ihn glücklich machen kann oder nicht. In einer grotesken Schlußszene werden die Motive zusammengefaßt: arm und reich können nicht zusammenkommen.'



<p>Bertolt Brecht wurde am 10. Februar 1898 in Augsburg geboren und starb am 14. August 1956 in Berlin. Von 1917 bis 1918 studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München Naturwissenschaften, Medizin und Literatur. Sein Studium musste er allerdings bereits im Jahr 1918 unterbrechen, da er in einem Augsburger Lazarett als Sanitätssoldat eingesetzt wurde. Bereits während seines Studiums begann Brecht Theaterstücke zu schreiben. Ab 1922 arbeitete er als Dramaturg an den Münchener Kammerspielen. Von 1924 bis 1926 war er Regisseur an Max Reinhardts Deutschem Theater in Berlin. 1933 verließ Brecht mit seiner Familie und Freunden Berlin und flüchtete über Prag, Wien und Zürich nach Dänemark, später nach Schweden, Finnland und in die USA. Neben Dramen schrieb Brecht auch Beiträge für mehrere Emigrantenzeitschriften in Prag, Paris und Amsterdam. 1948 kehrte er aus dem Exil nach Berlin zurück, wo er bis zu seinem Tod als Autor und Regisseur tätig war.</p>

Bertolt Brecht wurde am 10. Februar 1898 in Augsburg geboren und starb am 14. August 1956 in Berlin. Von 1917 bis 1918 studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München Naturwissenschaften, Medizin und Literatur. Sein Studium musste er allerdings bereits im Jahr 1918 unterbrechen, da er in einem Augsburger Lazarett als Sanitätssoldat eingesetzt wurde. Bereits während seines Studiums begann Brecht Theaterstücke zu schreiben. Ab 1922 arbeitete er als Dramaturg an den Münchener Kammerspielen. Von 1924 bis 1926 war er Regisseur an Max Reinhardts Deutschem Theater in Berlin. 1933 verließ Brecht mit seiner Familie und Freunden Berlin und flüchtete über Prag, Wien und Zürich nach Dänemark, später nach Schweden, Finnland und in die USA. Neben Dramen schrieb Brecht auch Beiträge für mehrere Emigrantenzeitschriften in Prag, Paris und Amsterdam. 1948 kehrte er aus dem Exil nach Berlin zurück, wo er bis zu seinem Tod als Autor und Regisseur tätig war.


Prolog


gesprochen von der Darstellerin des Kuhmädchens

Geehrtes Publikum, die Zeit ist trist.

Klug, wer besorgt, und dumm, wer sorglos ist!

Doch ist nicht überm Berg, wer nicht mehr lacht

Drum haben wir ein komisches Spiel gemacht.

Und wiegen wir den Spaß, geehrtes Haus

Nicht mit der Apothekerwaage aus.

Mehr zentnerweise, wie Kartoffeln, und zum Teil

Hantieren wir ein wenig mit dem Beil.

Wir zeigen nämlich heute abend hier

Euch ein gewisses vorzeitliches Tier

Estatium possessor, auf deutsch Gutsbesitzer genannt

Welches Tier, als sehr verfressen und ganz unnützlich bekannt

Wo es noch existiert und sich hartnäckig hält

Eine arge Landplage darstellt.

Sie sehn dies Tier, sich ungeniert bewegend

In einer würdigen und schönen Gegend.

Wenn sie aus den Kulissen nicht erwächst

Erfühlt ihr sie vielleicht aus unserm Text:

Milchkesselklirrn im finnischen Birkendom

Nachtloser Sommer über mildem Strom

Rötliche Dörfer, mit den Hähnen wach

Und früher Rauch steigt grau vom Schindeldach.

Dies alles, hoffen wir, ist bei uns da

In unserm Spiel vom Herrn auf Puntila.<Fußnote: Die dreisilbigen Eigennamen im Stück werden auf der ersten Silbe betont (Púntila, Kúrgela usw.).>

1
Puntila findet einen Menschen


Nebenstube im Parkhotel von Tavasthus. Der Gutsbesitzer Puntila, der Richter und der Ober. Der Richter fällt betrunken vom Stuhl.

PUNTILA Ober, wie lange sind wir hier?

DER OBER Zwei Tage, Herr Puntila.

PUNTILA vorwurfsvoll zum Richter: Zwei Täglein, hörst du! Und schon läßt du nach und täuschst Müdigkeit vor! Wenn ich mit dir bei einem Aquavit ein bissel über mich reden will und wie ich mich verlassen fühl und wie ich über den Reichstag denk! Aber so fallt ihr einem alle zusammen bei der geringsten Anstrengung, denn der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Wo ist der Doktor, der gestern die Welt herausgefordert hat, daß sie sich mit ihm mißt? Der Stationsvorsteher hat ihn noch hinaustragen sehn, er muß selber gegen sieben Uhr untergegangen sein, nach einem heldenhaften Kampf, wie er gelallt hat, da ist der Apotheker noch gestanden, wo ist er jetzt hin? Das nennt sich die führenden Persönlichkeiten der Gegend, man wird ihnen enttäuscht den Rücken kehrn und zum schlafenden Richter was das für ein schlechtes Beispiel gibt für das tavastländische Volk, wenn ein Richter nicht einmal mehr Einkehren in einem Gasthof am Weg aushält, das denkst du nicht. Einen Knecht, der beim Pflügen so faul wär wie du beim Trinken, tät ich auf der Stell entlassen. Hund, würd ich ihm sagen, ich lehr dir’s, deine Pflicht auf die leichte Achsel zu nehmen! Kannst du nicht dran denken, Fredrik, was von dir erwartet wird, als einem Gebildeten, auf den man schaut, daß er ein Vorbild gibt und was aushält und ein Verantwortungsgefühl zeigt. Warum kannst du dich nicht zusammennehmen und mit mir aufsitzen und reden, schwacher Mensch? Zum Ober: Was für ein Tag ist heut?

DER OBER Samstag, Herr Puntila.

PUNTILA Das erstaunt mich. Es soll Freitag sein.

DER OBER Entschuldigens, aber es ist Samstag.

PUNTILA Du widersprichst ja. Du bist mir ein schöner Ober. Willst deine Gäst hinausärgern und wirst grob zu ihnen. Ober, ich bestell einen weiteren Aquavit, hör gut zu, daß du nicht wieder alles verwechselst, einen Aquavit und einen Freitag. Hast du mich verstanden?

DER OBER Jawohl, Herr Puntila. Er läuft weg.

PUNTILA zum Richter: Wach auf, Schwächling! Laß mich nicht so allein! Vor ein paar Flaschen Aquavit kapitulieren! Warum, du hast kaum hingerochen. Ins Boot hast du dich verkrochen, wenn ich dich übern Aquavit hingerudert hab, nicht hinaus hast du dich schaun trauen übern Bootsrand, schäm dich. Schau, ich steig hinaus auf die Flüssigkeit er spielt es vor und wandle auf dem Aquavit und geh ich unter? Er sieht Matti, seinen Chauffeur, der seit einiger Zeit unter der Tür steht. Wer bist du?

MATTI Ich bin Ihr Chauffeur, Herr Puntila.

PUNTILA mißtrauisch: Was bist du? Sag’s noch einmal.

MATTI Ich bin Ihr Chauffeur.

PUNTILA Das kann jeder sagen. Ich kenn dich nicht.

MATTI Vielleicht haben Sie mich nie richtig angesehn, ich bin erst fünf Wochen bei Ihnen.

PUNTILA Und wo kommst du jetzt her?

MATTI Von draußen. Ich wart seit zwei Tagen im Wagen.

PUNTILA In welchem Wagen?

MATTI In Ihrem. In dem Studebaker.

PUNTILA Das kommt mir komisch vor. Kannst du’s beweisen?

MATTI Und ich hab nicht vor, länger auf Sie draußen zu warten, daß Sie’s wissen. Ich hab’s bis hierher. So könnens einen Menschen nicht behandeln.

PUNTILA Was heißt: einen Menschen? Bist du ein Mensch? Vorhin hast du gesagt, du bist ein Chauffeur. Gelt, jetzt hab ich dich auf einem Widerspruch ertappt! Gib’s zu!

MATTI Das werdens gleich merken, daß ich ein Mensch bin, Herr Puntila. Indem ich mich nicht behandeln lass wie ein Stück Vieh und auf der Straß auf Sie wart, ob Sie so gnädig sind, herauszukommen.

PUNTILA Vorhin hast du behauptet, daß du dir’s nicht gefallen laßt.

MATTI Sehr richtig. Zahlens mich aus, 175 Mark, und das Zeugnis hol ich mir auf Puntila.

PUNTILA Deine Stimm kenn ich. Er geht um ihn herum, ihn wie ein fremdes Tier betrachtend. Deine Stimm klingt ganz menschlich. Setz dich und nimm einen Aquavit, wir müssen uns kennenlernen.

DER OBER herein mit einer Flasche: Ihr Aquavit, Herr Puntila, und heut ist Freitag.

PUNTILA Es ist recht. Auf Matti zeigend. Das ist ein Freund von mir.

DER OBER Ja, Ihr Chauffeur, Herr Puntila.

PUNTILA So, du bist Chauffeur? Ich hab immer gesagt, auf der Reis trifft man die interessantesten Menschen. Schenk ein!

MATTI Ich möcht wissen, was Sie jetzt wieder vorhaben. Ich weiß nicht, ob ich Ihren Aquavit trinke.

PUNTILA Du bist ein mißtrauischer Mensch, seh ich. Das versteh ich. Mit fremden Leuten soll man sich nicht an einen Tisch setzen. Warum, wenn man dann einschläft, möchtens einen ausrauben. Ich bin der Gutsbesitzer Puntila aus Lammi und ein ehrlicher Mensch, ich hab 90 Kühe. Mit mir kannst du ruhig trinken, Bruder.

MATTI Schön. Ich bin der Matti Altonen und freu mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Er trinkt ihm zu.

PUNTILA Ich hab ein gutes Herz, da bin ich froh drüber. Ich hab einmal einen Hirschkäfer von der Straß auf die Seit in den Wald getragen, daß er nicht überfahren wird, das ist ja schon übertrieben bei mir. Ich hab ihn auf einen Stecken aufkriechen lassen. Du hast auch ein so gutes Herz, das seh ich dir an. Ich kann nicht leiden, wenn einer »ich« mit einem großen I schreibt. Das soll man mit einem Ochsenziemer austreiben. Es gibt schon solche Großbauern, die dem Gesinde das Essen vom Maul abzwacken. Ich möcht am liebsten meinen Leuten nur Braten geben. Es sind auch Menschen und wollen ein gutes Stückel essen, genau wie ich, sollen sie! Das meinst du doch auch?

MATTI Unbedingt.

PUNTILA Hab ich dich wirklich draußen sitzen lassen? Das ist mir nicht recht, das nehm ich mir sehr übel, und ich bitt dich, wenn ich das noch einmal mach, nimm den Schraubenschlüssel und gib mir eine über den Deetz! Matti, bist du mein Freund?

MATTI Nein.

PUNTILA Ich dank dir. Ich wußt es. Matti, sieh mich an! Was siehst du?

MATTI Ich möcht sagen: einen dicken Kloben, stinkbesoffen.

PUNTILA Da sieht man, wie das Aussehen täuschen kann. Ich bin ganz anders. Matti, ich bin ein kranker Mann.

MATTI Ein sehr kranker.

PUNTILA Das freut mich. Das sieht nicht jeder. Wenn du mich so siehst, könntest du’s nicht ahnen. Düster, Matti scharf anblickend. Ich hab Anfälle.

MATTI Das sagen Sie nicht.

PUNTILA Du, das ist nichts zum Lachen. Es kommt über mich mindestens einmal im Quartal. Ich wach auf und bin plötzlich sternhagelnüchtern. Was sagst du dazu?

MATTI Bekommen Sie diese Anfälle von Nüchternheit regelmäßig?

PUNTILA Regelmäßig. Es ist so: die ganze andere Zeit bin ich vollkommen normal, so wie du mich jetzt siehst. Ich bin im vollen Besitz meiner Geisteskräfte, ich bin Herr meiner Sinne. Dann kommt der Anfall. Es beginnt damit, daß mit meinen Augen irgend etwas nicht mehr stimmt. Anstatt zwei Gabeln er hebt eine Gabel hoch sehe ich nur noch eine.

MATTI entsetzt: Da sind Sie also halbblind?

PUNTILA Ich seh nur die Hälfte von der ganzen Welt. Aber es kommt noch böser, indem ich während dieser Anfälle von totaler, sinnloser Nüchternheit einfach zum Tier herabsinke. Ich habe dann überhaupt keine Hemmungen mehr. Was ich in diesem Zustand tue, Bruder, das kann man mir überhaupt nicht...

Erscheint lt. Verlag 9.12.2013
Mitarbeit Sonstige Mitarbeit: Hella Wuolijoki
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte 20. Jahrhundert • Bertolt Brecht • Brecht • Bühne • Deutschland • Drama • Dramatiker • edition suhrkamp 105 • ES 105 • ES105 • Klassiker • Knecht • Matti • Puntila • Schauspiel • Theater • Volksstück
ISBN-10 3-518-73965-4 / 3518739654
ISBN-13 978-3-518-73965-5 / 9783518739655
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