Sommerflammen (eBook)
624 Seiten
Diana (Verlag)
978-3-641-09186-6 (ISBN)
Die Feuerspringerin Rowan kämpft jeden Sommer erfolgreich gegen die verheerenden Brände in den Wäldern Montanas. Doch seit ihr Kollege dabei ums Leben kam, plagen sie Schuldgefühle. Hätte sie Jim wirklich nicht retten können, wie ihr der attraktive Gull immer wieder versichert? Als kurz darauf zwei weitere Leichen auftauchen, gerät Rowan unter Mordverdacht. Gull will ihr helfen, aber kann sie ihm vertrauen? Sie muss ihre Unschuld beweisen, sonst wird sie alles verlieren ...
Nora Roberts wurde 1950 in Maryland geboren. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie 1981. Inzwischen zählt sie zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt: Ihre Bücher haben eine weltweite Gesamtauflage von über 500 Millionen Exemplaren. Auch in Deutschland erobern ihre Bücher und Hörbücher regelmäßig die Bestsellerlisten. Nora Roberts hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Ehemann in Maryland.
Unter dem Namen J. D. Robb veröffentlicht Nora Roberts seit Jahren ebenso erfolgreich Kriminalromane.
2
Gulliver Curry kroch aus seinem Schlafsack und zog Bilanz: Alles tat weh. Aber das wenigstens überall.
Es roch nach Schnee, und ein Blick aus dem Zelt zeigte ihm, dass über Nacht tatsächlich ein paar Zentimeter Neuschnee gefallen waren. Als er in seine Hose schlüpfte, bildete sein Atem dichte Wolken. Die Blasen an seinen Fingern machten das Ankleiden zu einer Herausforderung.
Doch er liebte Herausforderungen.
Am Vortag hatte er gemeinsam mit fünfundzwanzig anderen Rekruten vierzehn Stunden lang Feuergräben ausgehoben. Danach gab es einen Fünfkilometermarsch, bei dem jeder zweiundvierzig Kilo im Gepäck hatte.
Sie hatten Bäume mit Zweimannsägen gefällt, waren marschiert, hatten gegraben, das Werkzeug geschärft, gegraben, waren marschiert, auf riesige Kiefern geklettert und hatten wieder gegraben.
Ein Sommercamp für Masochisten, dachte er, doch eigentlich war es das Anfängertraining für Feuerspringer. Vier Rekruten waren bereits ausgeschieden – zwei von ihnen hatten den vorgeschalteten Fitnesstest nicht bestanden. Seine siebenjährige Erfahrung als Feuerwehrmann, davon die letzten vier als Teil eines Bodentrupps zur Waldbrandbekämpfung, verschafften Gull einen gewissen Vorsprung.
Aber das hieß nicht, dass er sich taufrisch fühlte.
Er fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht und spürte die Bartstoppeln. Kein Wunder, er hatte sich seit einer Woche nicht rasiert. Meine Güte, wie sehr er sich nach einer Dusche, einer Rasur und einem eiskalten Bier sehnte! Heute Abend, nach einem fröhlichen Marsch durch die Bitterroot Mountains mit diesmal fünfundfünfzig Kilo Marschgepäck, würde er gleich alles drei bekommen.
Und morgen begann die nächste Phase. Morgen würde er Fliegen lernen.
Feuerwehr-Bodentrupps trainieren unglaublich hart. Sie schuften wie Tiere, vor allem bei gefährlichen Flächenbränden. Aber sie springen nicht aus Flugzeugen. Das war eine ganz neue Erfahrung. Er fuhr sich durch sein dichtes, dunkles Haar und kroch dann kurz vor Tagesanbruch aus dem Zelt hinaus in die kristallklare Schneelandschaft.
Seine katzengrünen Augen wanderten nach oben, warfen einen prüfenden Blick in den Himmel. Kurz verharrte er so, groß und taff in seiner braunen Hose und dem knallgelben Hemd. Das war fast alles, was er brauchte, und bald würde er tun können, wofür er hergekommen war.
Er schätzte die Höhe der Goldkiefer zu seiner Linken. So um die dreißig Meter. Er war am Vortag hinaufgeklettert, hatte seine Haken in ihre Rinde geschlagen und aus der Höhe über den Wald hinweggesehen, mit Steigeisen gesichtert und angeseilt.
Eine Herausforderung.
Durch den Schnee- und Kiefernduft lief er zum Verpflegungszelt, während das Lager langsam zu neuem Leben erwachte. Und trotz seiner Schmerzen und Blasen freute er sich auf das, was vor ihm lag.
Kurz nach Mittag sah Gull zu, wie die Drehkiefer umfiel. Er schob seinen Helm so weit zurück, dass er sich den Schweiß von der Stirn wischen konnte, und nickte seinem Partner an der Ziehsäge zu.
»Wieder eine, die ins Gras beißt.«
Dobie Karstain brachte gerade so die geforderte Mindestgröße von einem Meter siebenundsechzig zusammen. Mit dem Bart und seinem braunen Haar sah er aus wie ein Waldschrat. Die Sicherheitsbrille ließ seine funkelnden Augen noch größer wirken.
Dobie fuchtelte mit der Kettensäge. »Komm, lass uns Kleinholz aus ihr machen.«
Sie arbeiteten im Gleichklang. Gull hatte Dobie für einen Wackelkandidaten gehalten, aber der Bursche aus Kentucky war kräftiger und zäher als gedacht. Er mochte ihn, obwohl der eine ziemlich rustikale und konservative Weltanschauung hatte, und bemühte sich um ein freundschaftliches Verhältnis.
Wenn Dobie das Aufnahmetraining bestand, war es nicht unwahrscheinlich, dass sie in Zukunft wieder gemeinsam mit Säge und Schaufel arbeiten würden. Und zwar nicht an einem klaren, strahlenden Frühlingsmorgen, sondern inmitten eines Feuers, wo Vertrauen und Teamwork genauso unverzichtbar sind wie eine scharfe Pulaski – ein Werkzeug, Axt und Querbeil in einem.
»An die würde ich mich gern heranmachen, bevor sie uns zusammenklappt.«
Gull sah zu einer der Rekrutinnen hinüber. »Wie kommst du darauf, dass sie zusammenklappt?«
»Frauen sind für so eine Arbeit nicht geschaffen, Kumpel.«
Gull zog das Sägeblatt durch die Kiefer. »Die sind nur fürs Kinderkriegen da, meinst du?«
Dobie grinste in seinen Bart hinein. »Ich habe das nicht erfunden. Ich reite sie nur gern.«
»Du bist ein Arschloch, Dobie.«
»Mit dieser Meinung bist du nicht der Einzige«, gab Dobie gut gelaunt zu.
Gull musterte die Frau, eine kecke Blondine, vielleicht zwei, drei Zentimeter kleiner als Dobie. Aus seiner Sicht hatte sie sich genauso wacker geschlagen wie alle anderen. Libby, Skilehrerin aus Colorado, fiel ihm wieder ein. Er hatte gesehen, wie sie am Morgen ihre Blasen verarztete.
»Ich wette zwanzig Dollar mit dir, dass sie durchhält.«
Dobie lachte, während ein weiteres Stück Stamm davonrollte. »Ich nehme die Wette an, Kumpel.«
Nachdem ihr Job erledigt war, verarztete Gull seine eigenen Blasen. Als die Ausbilder gerade nicht hinsahen, kümmerte er sich auch noch um die von Dobie.
Sie liefen durchs Lager zu ihrem Marschgepäck. Noch ein Fünfkilometermarsch, dachte Gull, und dann würde er diesen schönen Tag mit einer Rasur, einer Dusche und einem kalten Bier abrunden.
Er setzte sich, schnallte sein Marschgepäck um, zog eine Packung Kaugummi hervor und bot Dobie davon an.
»Danke, gern.«
Gemeinsam gingen sie auf alle viere und erhoben sich anschließend.
»Stell dir einfach vor, du würdest ein hübsches Mädel tragen«, riet ihm Dobie und schielte zu Libby hinüber.
»Bei diesem Gewicht wäre sie mir etwas zu zierlich.«
»Wenn wir den Marsch erst hinter uns haben, wird sie dir schwerer vorkommen.«
Das mit Sicherheit, dachte Gull, während der Ausbilder auf dem felsigen, steilen Weg ein alles andere als gemütliches Tempo anschlug.
Sie feuerten sich gegenseitig an, das gehörte dazu. Sie nahmen sich gegenseitig auf den Arm, machten sich Mut, beleidigten sich, um die Gruppe noch einen Schritt, den entscheidenden Meter weiterzubringen. Bis zum ersten Ernstfall waren es nur noch ein paar Wochen. Und bei einem Waldbrand muss sich jeder auf den anderen verlassen können, ihr aller Leben hing davon ab.
»Und was machst du so in Kentucky?«, wollte Gull von Dobie wissen, während ein Habicht über ihnen schrie und sich Männerschweiß mit Kiefernduft mischte.
»Mal dies, mal jenes. In den letzten drei Sommern habe ich Waldbrände im Nationalpark bekämpft. Nachdem wir eines Nachts ein Feuer gelöscht hatten, habe ich mir einen eingemützt und gewettet, dass ich mich zum Feuerspringer ausbilden lasse. Also habe ich mich beworben, und hier bin ich.«
»Du machst das nur wegen einer Wette?« Allein der Gedanke erschien ihm lächerlich.
»Es ging um hundert Dollar, Kumpel. Und meine Ehre ist mir viel wert. Bist du jemals aus einem Flugzeug gesprungen ?«
»Ja.«
»Dazu muss man ziemlich verrückt sein.«
»Allerdings.«
»Und wie fühlt er sich an, der freie Fall?«
»So wie scharfer fantastischer Sex mit einer schönen Frau.«
»Genau so etwas habe ich mir erhofft.« Dobie rückte sein Marschgepäck zurecht und zuckte zusammen. »Denn dieses beschissene Training sollte es schon wert sein.«
»Libby hält durch.«
»Wer?«
Gull hob das Kinn. »Deine letzte Wette.«
Dobie biss die Zähne zusammen, während sie eine weitere Steigung nahmen. »Der Tag ist noch lange nicht vorbei.«
Doch am Ende bekam Gull seine Dusche und seine Rasur. Er schaffte es sogar noch, ein Bier zu trinken, bevor er wie ein Stein in sein Stockbett fiel.
Michael Little Bear passte Rowan auf dem Weg in den Kraftraum ab. »Ich brauche deine Hilfe beim Anfängertraining. Eigentlich sollte das Cards machen, aber der kotzt sich gerade die Seele aus dem Leib.«
»Kater?«
»Nein. Magen-Darm-Grippe oder so. Du musst mit ihnen laufen, geht das?«
»Klar. Ich trainiere mit Yangtree am Landesimulator. Da scheuche ich gern mal einen Tag lang die Anfänger vor mir her. Wie viele sind es?«
»Fünfundzwanzig, und die machen einen ziemlich guten Eindruck. Einer hat unseren Rekord beim Zweikilometermarsch gebrochen. Er hat ihn in sechs Minuten und neununddreißig Sekunden geschafft.«
»Ein echter Speedy Gonzalez! Mal sehen, wie er sich heute anstellt.«
Sie strich eine halbe Stunde von den geplanten anderthalb Stunden im Kraftraum. Wenn sie gemeinsam mit den Rekruten den Hindernisparcours absolvierte, wäre das genug Ausgleich. Außerdem konnte sie sich so davor drücken, Namensetiketten auf die Fallschirmtaschen zu nähen.
Ein echt guter Deal, dachte Rowan, als sie ihre Stiefel anzog. Sie griff nach den Unterlagen, einem Klemmbrett, einer Wasserflasche, setzte eine blaue Baseballkappe auf und lief nach draußen.
Über Nacht hatte sich der Himmel bewölkt, die Wolken sorgten dafür, dass es angenehm warm blieb. Auf dem Fliegerhorst herrschte reges Treiben, Läufer trainierten auf der Tartanbahn oder auf den Wegen, Laster lieferten Vorräte, Männer und Frauen eilten zwischen den Gebäuden hin und her. Ein Flugzeug startete und nahm eine Gruppe zu einem Übungssprung mit.
Lange bevor es den ersten Feueralarm gab, musste man sich auf seine Arbeit konzentrieren. Man musste nähen, Ausrüstung sortieren, Sprunggurtzeug auseinandernehmen, trainieren, Fallschirme packen.
Sie lief zum Trainingsgelände und blieb kurz stehen, als sie Matt...
Erscheint lt. Verlag | 29.6.2012 |
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Übersetzer | Christiane Burkhardt |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Chasing Fire |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | eBooks • Frauenromane • kleine geschenke für frauen • Liebesromane • Montana, USA • Romane für Frauen • romantische Spannung • Thriller • Waldbrand • Weltbestseller |
ISBN-10 | 3-641-09186-1 / 3641091861 |
ISBN-13 | 978-3-641-09186-6 / 9783641091866 |
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