Die Henkerstochter und der schwarze Mönch (eBook)

Teil 2 der Saga
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2010 | 1. Auflage
528 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-548-92068-9 (ISBN)

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Die Henkerstochter und der schwarze Mönch -  Oliver Pötzsch
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Schongau 1660: Der Pfarrer der Lorenzkirche wurde vergiftet. Mit letzter Kraft konnte er noch ein Zeichen geben, das zu einem uralten Templergrab in der Krypta führt. Dort entdecken der Henker Jakob Kuisl, seine Tochter Magdalena und der Medicus Simon rätselhafte Hinweise auf einen Templerschatz. Der Mörder des Pfarrers ist dem Geheimnis längst auf der Spur, aber auch eine brutale Räuberbande hat davon erfahren. Ein gnadenloser Wettlauf beginnt.

Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, arbeitete nach dem Studium zunächst als Journalist und Filmautor beim Bayerischen Rundfunk. Heute lebt er als Autor mit seiner Familie in München. Seine historischen Romane haben ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht: Die Bände der Henkerstochter-Serie sind internationale Bestseller und wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt.

Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, war jahrelang Filmautor beim Bayerischen Rundfunk und lebt heute als Autor in München. Seine historischen Romane um den Schongauer Henker Jakob Kuisl haben ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht.

1


Simon Fronwieser stapfte die Altenstadter Straße entlang durch den Schnee und verfluchte seinen Beruf. Bauern, Knechte, Zimmerleute, ja sogar Huren und Bettler blieben bei einer solch gottverdammten Kälte im Warmen. Nur er, der Schongauer Stadtmedicus, musste unbedingt einen Krankenbesuch machen!

Trotz des dicken Wollmantels über seinem Rock und der ledernen, mit Fell gefütterten Handschuhe fror er zum Gotterbarmen. Schneebrocken und Eisklumpen waren in seinen Kragen und seine Stiefel gekrochen und zerronnen dort zu kaltem Matsch. Als er an sich hinunterblickte, bemerkte er vorne an der linken Stiefelspitze ein neues Loch, durch das sein großer, rotgefrorener Zeh hinauslugte. Simon biss die Zähne zusammen. Dass ihn seine Stiefel gerade jetzt im Winter im Stich lassen mussten! Er hatte sein Erspartes bereits für eine neue Rheingrafenhose ausgegeben. Aber die war einfach nötig gewesen. Lieber sollte ihm ein Zeh abfrieren, als dass er auf die Annehmlichkeiten der neuesten französischen Mode verzichten musste. Es galt, Stil zu wahren, gerade in so einer verschlafenen bayerischen Kleinstadt wie Schongau.

Simon richtete den Blick wieder auf die Straße. Erst vor kurzem hatte es aufgehört zu schneien. Jetzt in den Vormittagsstunden hing eine schneidende Kälte über den brachliegenden Äckern und Wäldern rund um die Stadt. Die Schneekruste auf dem schmalen Trampelpfad in der Mitte der Straße brach bei jedem Schritt ein. Eiszapfen hingen an den Zweigen, die Bäume ächzten unter der Last des Schnees. Hier und dort brachen Äste oder gaben mit lautem Krachen ihre Ladung frei. Simons perfekt ausrasierter Knebelbart und das auf Schulterlänge geschnittene schwarze Haar waren mittlerweile steif gefroren. Der Medicus tastete nach seinen Augenbrauen. Auch sie fühlten sich eisig an. Zum wiederholten Mal fluchte er laut vor sich hin. Es war der verdammt kälteste Tag des Jahres, und er musste im Auftrag seines Vaters nach Altenstadt stapfen! Und das alles nur wegen eines kranken Pfaffen!

Simon konnte sich schon denken, was mit dem fetten Koppmeyer los war. Überfressen hatte er sich, wie so oft! Und nun lag er mit Bauchgrimmen im Bett und verlangte nach Lindenblütentee. Als wenn ihm den nicht auch seine Haushälterin Magda brauen könnte! Aber wahrscheinlich hatte der Herr Pfarrer mal wieder auswärts gevöllert, sich auf eine Liebelei mit einer der Dorfhuren eingelassen, und nun war Magda eingeschnappt, und Simon musste es ausbaden.

Bereits in aller Frühe hatte Abraham Gedler, der Mesner der Altenstadter Lorenzkirche, an die Tür des Fronwieserhauses gehämmert. Merkwürdig blass und einsilbig war er gewesen, hatte nur gesagt, der Pfarrer sei krank und der Herr Doktor solle schleunigst kommen. Dann war er ohne einen weiteren Kommentar wieder zurück nach Altenstadt durch den Schnee gelaufen.

Simon hatte wie üblich um diese Zeit noch im Bett gelegen, den Kopf schwer vom gestrigen Tokajer im Gasthaus »Zum Goldenen Stern«. Doch sein Vater hatte ihn unter wüsten Flüchen herausgezerrt und ohne Frühstück auf den Weg geschickt.

Zum wiederholten Mal brach Simon bis zur Hüfte ein und musste sich mühsam frei kämpfen. Trotz der trockenen Kälte stand ihm der Schweiß im Gesicht. Er grinste grimmig, während er das rechte Bein aus der Wehe zog und dabei fast seinen Stiefel einbüßte. Wenn er nicht aufpasste, mußte er sich demnächst selbst kurieren! Simon schüttelte den Kopf. Es war ein Wahnsinn, bei diesem Wetter nach Altenstadt zu gehen, doch was blieb ihm übrig? Sein Vater, der Stadtmedicus Bonifaz Fronwieser, weilte bei einem steinreichen, gichtkranken Ratsherren, der Bader lag mit Nervenfieber zu Bett; und bevor der alte Fronwieser den Henker nach Altenstadt schickte, würde er sich lieber einen Finger abbeißen. So schickte er eben seinen missratenen Sohn …

Der dürre Mesner erwartete Simon bereits am Eingang der kleinen Kirche, die etwas außerhalb des Dorfs auf einer Anhöhe lag. Gedlers Gesicht war so weiß wie der Schnee um ihn herum. Er hatte Ringe um die Augen und zitterte am ganzen Leib. Kurz fragte Simon sich, ob vielleicht Gedler und nicht der Pfarrer eine Behandlung nötig hatte. Der Mesner machte einen Eindruck, als hätte er mehrere Nächte nicht geschlafen.

»Nun, Gedler«, begann Simon aufmunternd. »Was hat er denn, der Herr Pfarrer? Darmverschlingungen? Verstopfung? Ein Einlauf wird Wunder wirken. Du solltest auch einen versuchen.«

Schnurstracks ging er auf das Pfarrhäuschen zu, doch der Mesner hielt ihn zurück und deutete schweigend auf die Kirche.

»Dort drinnen ist er?«, fragte Simon erstaunt. »Bei dieser Kälte? Er soll froh sein, wenn er sich nicht den Tod holt.«

Er wandte sich zur Kirche, als er hinter sich ein Räuspern hörte. Kurz vor dem Portal drehte Simon sich um.

»Was ist, Gedler?«

»Der Herr Pfarrer, er ist …«

Dem Mesner versagte die Stimme. Er blickte stumm zu Boden.

Von einer plötzlichen Ahnung getrieben, drückte Simon die schweren Flügel auf. Ein eisiger Wind wehte ihm entgegen, noch ein paar Grad kälter als die Luft draußen; irgendwo schlug ein Fenster zu.

Der Medicus sah sich um. Baugerüste ragten an der linken und rechten Innenmauer empor bis hinauf zur morschen Galerie. Eine Balkenkonstruktion oben an der Decke ließ vermuten, dass hier in naher Zukunft eine neue Holzdecke eingezogen werden sollte. Die Fensteröffnungen an der Rückfront waren teilweise aufgemeißelt, so dass ein stetiger eiskalter Zug durch das Kirchenschiff fegte. Simon spürte, wie sein Atem wie feiner Nebel sein Gesicht streifte.

Pfarrer Andreas Koppmeyer befand sich im hinteren Drittel des Kirchenraums, nur wenige Schritte von der Apsis entfernt. Er sah aus wie eine aus Eis gehauene Statue, ein gefällter weißer Riese, niedergestreckt vom Zorn Gottes. Sein ganzer Körper war von einer feinen Eisschicht überzogen. Simon näherte sich ihm vorsichtig und berührte die weißglitzernde Soutane. Sie war hart wie ein Brett. Selbst über die im Todeskampf weit aufgerissenen Augen hatten sich Eiskristalle gelegt, was dem Gesicht des Pfarrers etwas Überirdisches gab.

Entsetzt drehte Simon sich um. Der Mesner stand schuldbewusst im Portal und drehte seinen Hut in der Hand.

»Aber … er ist ja tot!«, rief der Medicus. »Warum hast du das nicht gesagt, als du mich geholt hast?«

»Wir … wir wollten keine Umständ machen, Euer Ehren«, murmelte Gedler. »Wir hab’n gedacht, wenn wir’s in der Stadt erzählen, dann weiß es gleich jedes Kind. Und dann wird getratscht, und vielleicht wird’s dann mit dem Umbau der Kirche nichts …«

»Wir?«, fragte Simon verwirrt.

Im gleichen Moment tauchte neben dem Mesner unter lautem Schluchzen die Pfarrhaushälterin Magda auf. Sie war das glatte Gegenteil von Abraham Gedler, rund wie ein Krautfass, mit dicken, wassergefüllten Beinen. Sie schnäuzte sich in ein großes, weißes Spitzentaschentuch, so dass Simon nur teilweise ihr aufgedunsenes, verheultes Gesicht zu sehen bekam.

»Eine Schand ist das, eine Schand«, jammerte sie. »Dass ein Mensch so gehen muss, noch dazu der Herr Pfarrer. Aber ich hab ihm immer gesagt, dass er nicht so viel fressen soll!«

Der Mesner nickte und knetete weiter seinen Hut. »Er hat sich mit den Schmalznudeln übernommen«, murmelte er. »Nur zwei hat er noch über lassen. Hier beim Beten hat’s ihn dann erwischt.«

»An den Schmalznudeln …« Simon runzelte die Stirn. Seine Befürchtungen waren wenigstens zum Teil eingetreten, mit dem einzigen Unterschied, dass der Pfarrer nicht krank, sondern tot war.

»Aber warum liegt er dann hier und nicht in seinem Bett?«, fragte er mehr zu sich selbst als zu den Umstehenden.

»Wie gesagt, er wollt wohl noch beten, bevor er vor den Schöpfer tritt«, murmelte Gedler.

»Bei dem Wetter?« Simon schüttelte skeptisch den Kopf. »Kann ich das Pfarrhaus einmal sehen?«

Der Mesner zuckte mit den Schultern und wandte sich nach draußen. Gemeinsam mit der immer noch schluchzenden Magd gingen sie hinüber in das benachbarte Gebäude. Magda hatte die Tür offen gelassen, so dass der Schnee nun bis in die Stube hineingeweht war und unter Simons Schritten knirschte. Auf dem Tisch vor der Ofenbank stand eine Schüssel, in der zwei fettig glänzende Schmalznudeln lagen. Sie sahen zum Anbeißen lecker aus. Braun und handtellergroß, mit einer dicken Schicht Honig bestrichen. Trotz der zurückliegenden, nicht eben appetitfördernden Begegnung mit dem Toten lief Simon das Wasser im Mund zusammen. Ihm fiel ein, dass er heute noch nichts gefrühstückt hatte. Einen Moment lang war er versucht zu probieren, dann besann er sich eines Besseren. Dies war eine Totenschau und kein Leichenschmaus.

Vom Bett des Pfarrers aus rekapitulierte der Schongauer Medicus dessen letzten Gang.

»Er muss aufgestanden und in die Küche hinübergegangen sein, um einen Schluck Wasser zu trinken. Hier ist er dann zusammengebrochen.« Er deutete auf die Scherben des Krugs und die breiigen Spuren von Erbrochenem. In dem engen Raum roch es bitter nach Magensäure und geronnener Milch.

»Aber warum, in Gottes Namen, ist...

Erscheint lt. Verlag 8.9.2010
Reihe/Serie Die Henkerstochter-Saga
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bayern • Folter • Henker • Historischer Roman • Krimi • Roman • Spannung
ISBN-10 3-548-92068-3 / 3548920683
ISBN-13 978-3-548-92068-9 / 9783548920689
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