Was doppelt zählt nicht ewig hält , die doppelte Buchführung als immaterielles Kulturerbe! (eBook)
194 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7693-4070-9 (ISBN)
Jahrgang 1951, Diplom-Volkswirt. Seit 1977 in München lebend. Vormals angestellter und selbstständiger Marktforscher für Medien und Verlagen sowie Lehrer an einer privaten Wirtschaftsschule
Wie die Buchführung begann
Die Geschichte der Buchführung beginnt, als die Schrift erfunden und es möglich war, die Ergebnisse des Wirtschaftens messen zu können. Die Motive von damals sind dieselben wie heute. Man wollte geschäftliche Vorgänge, die auf einer Form von Gegenseitigkeit beruhten, schriftlich festhalten. Mit diesem Mittel war es möglich, diese zu kontrollieren und später nachzuvollziehen, und man konnte mit ihr Tatbestände beweisen. Aus diesem Bedürfnis heraus, so vermuten wir heute, entstanden die ersten Aufzeichnungen. Die Darstellung von wirtschaftlichen Dingen gehört “zum Frühesten, was die Menschen der schriftlichen Aufzeichnung für wert befanden.“1
Die Archäologen konnten anhand ihrer gehobenen Fundstücke nachweisen, dass es die Buchführung seit der Einführung der Schriftlichkeit gab. Eine der ersten Aufzeichnungen, die Forscher entschlüsseln konnten, war in Keilschrift verfasst und die die Zeichen der Keilschrift waren in Tontafeln geritzt. Die Sumerer, die ca. 3500 v. Chr. in Mesopotamien lebten, hatten auf Tontafeln Abrechnungen angelegt und darin die Mengen von Gütern festgehalten, die in die Lagerstätten von Palästen und Tempeln aufgenommen (Wareneingang) und aus dem Magazin herausgenommen (Warenausgang) wurden. In diesen Aufzeichnungen waren Mengen festgehalten, die von Menschen geliefert bzw. an sie ausgegeben wurden.2 Für die Darstellung von Mengen an Gütern verwendeten die Vorfahren bereits Mengeneinheiten, wie der Liter (hat mit der heutigen Messgröße wohl nichts zu tun), Getreidemengen wurden in Liter dargestellt. Solche Listen zu erstellen, könnte man aus heutiger Sicht als Inventarisierung bezeichnen.
Zu den Anfängen der Buchführung schrieb Yuval Noah Harari in seinem Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“: „Die ältesten Texte der Menschheit enthalten leider weder tiefschürfende philosophische Erkenntnisse noch Gedichte, Legenden, Gesetze oder Heldenepen. Es handelt sich um ganz alltägliche Aufzeichnungen aus dem Geschäftsleben – Steuerzahlungen, Schuldverschreibungen und Besitzurkunden.“ Er schildert als Beleg: „Ein Tontäfelchen mit einem Verwaltungstext aus der Stadt Uruk, zirka 3400 – 3000 v.u.Z. Das Täfelchen bestätigt den Erhalt von 29.086 Maß (etwa 135 000 Liter) Gerste über einen Zeitraum von 37 Monaten durch einen gewissen Kushim.“ „Wenn „Kushim“ tatsächlich eine Person gewesen wäre, dann wäre das der erste Mensch in der Geschichte, den wir namentlich kennen…Es ist bezeichnend, dass der älteste überlieferte Name einem Buchhalter gehört, und nicht einem Propheten, Dichter oder Eroberer.“3
Aus der Obed-Zeit, die von 5500 bis 3500 v. Chr. dauerte, lagen als Funde Zählmarken und Stempelsiegel vor, die als Kontrollmittel in der Wirtschaft eingesetzt wurden. Etwas später hatten die Sumerer etwa 3500 v. Chr. in Keilschrift auf Tontafeln Abrechnungen festgehalten. „Keilschrift war vor allem im Wirtschaftssystem wichtig. Die ältesten Tontäfelchen mit Keilschriftzeichen sehen aus wie ein Formular und haben die Größe einer Kreditkarte. Verwaltungsfachkräfte ritzten darauf etwa das Zeichen für Bier (ein symbolischer Krug) oder Schafe (Kreise mit einem Kreuz darin) ein, an der Kante des Täfelchens vermerkten sie mit Kerben die Anzahl der Waren. Eines der ältesten Täfelchen zeigt: vier Bier, vier Schafe und ein Symbol für den Verwalter selbst, ein Rechteck.“4 Noch älter sind Markierungen, die die amerikanische Archäologin Denise Schmandt-Besserat als Token bezeichnet: Diese Token „waren unterschiedliche geometrische Tonkörper, darunter Kugeln, Scheiben, Zylinder, Dreiecke und Rechtecke. Die ältesten waren 10 000 Jahre alt und recht einfach, die jüngeren hatten komplexe Formen. Mit diesem Zeichensystem ließ sich etwa das Hab und Gut eines Dorfbewohners auflisten.“5 Ob man diese Ansammlung von Zeichen schon als eine Schrift bezeichnen konnte, war fraglich. Fast zeitgleich zur Keilschrift entstanden die ägyptischen Hieroglyphen.
Der Anthropologe David Graeber schilderte die Anfänge der Buchführung auf folgende Weise: „Das mesopotamische System ist am besten dokumentiert, noch besser als das ägyptische System aus der Pharaonenzeit (das offenbar ähnlich war), das System unter der chinesischen Shang-Dynastie (worüber wir wenig wissen) oder der Zivilisation im Indus-Tal (über die wir überhaupt nichts wissen). Zufällig wissen wir eine Menge über Mesopotamien, weil die große Mehrheit der Dokumente in Keilschrift finanzielle Angelegenheiten betrifft.“6 „In der sumerischen Wirtschaft dominierten große Tempel- und Palastanlagen.“ Dort lebten und arbeiteten viele tausend Menschen, wie Priester, Beamte, Handwerker. Bauern und Hirten bewirtschafteten große Flächen. Dort gab es eine Vielzahl unabhängiger Stadtstaaten. Um 3500 v. Chr. hatten „Tempelverwalter anscheinend schon ein einziges, einheitliches System der Buchführung entwickelt. Und es ist uns bis heute erhalten geblieben, weil wir den Sumerern bestimmte Dinge wie das Rechnen mit Dutzend und den 24-Stunden-Tag verdanken“.7
James Suzmann schilderte in seinem Buch „Sie nannten es Arbeit“ die Anfänge der Buchführung auf folgende Art. Von den Zeichen und Symbolen, die es in der neusteinzeitlichen Kultur gab, konnte die Keilschrift der Sumerer von Uruk entschlüsselt werden. „Die Entwicklung ihrer unverwechselbaren Keilschrift verlief nach wissenschaftlichen Erkenntnissen in drei Stadien. In der ersten Phase, die sich über 4500 Jahre erstreckte und vor vielleicht 10 000 Jahren begann, entwickelte sich ein System der Buchführung, bei dem Transaktionen durch Formstücke aus Ton festgehalten wurden. In der nachfolgenden Phase wurden diese dreidimensionalen Formstücke durch Piktogramme auf Tontafeln ersetzt, die nach wie vor der Buchführung dienten. Die dritte und abschließende Phase, in der die Vorstufe einer alphabetischen Schrift entwickelte, setzt vor rund 5 000 Jahren ein und beinhaltete die erstmalige Nutzung von Piktogrammen für die systematische zeichenhafte Abbildung gesprochener Sprache.“8 Daraus lässt sich schlussfolgern, dass es erste Formen der Buchführung gab, bevor eine Schrift entstanden war.
Zu den Funden aus der letzten Phase schrieb derselbe Autor: „Archäologen haben bis heute mehr als 100 000 Relikte sumerischer Keilschrift ausgegraben, darunter Briefe, Rezepte, Rechtsdokumente, geschichtliche Schilderungen, Dichtungen und Landkarten sowie viele aus dem Geschäftsleben stammende Dokumente. Darunter ist ein 5.000 Jahre alter ‚Lohnstreifen‘, der zeigt, dass die durstigen Einwohner Uruks, wie die Tagelöhner, die die ägyptischen Pyramiden bauten, damit zufrieden sein mussten, für ihre Arbeit mit Bier entlohnt zu werden; ferner 4 000 Jahre alte Quittungen, die den Kauf bzw. Verkauf von Handelsgütern wie Tierfutter, Kleider oder Stoffe dokumentierten, und der weltweit älteste bekannte Beschwerdebrief, geschrieben um 1750 Jahre vor Christus von einem wütenden Kunden an einen Händler, der minderwertige Ware geliefert hatte.“9 Warum sich in den „frühgeschichtlichen Städten wie Uruk Märkte entwickelten, hatte seinen Grund teilweise darin, dass Austauschbeziehungen, wie sie typischerweise zwischen den Bewohnern kleiner bäuerlicher Siedlungen bestanden, in Städten schlicht nicht möglich waren.“ Während in ländlichen Siedlungen hauptsächlich Produkte zwischen Bekannten und Verwandten getauscht wurden, „fanden in Städten die meisten Tauschgeschäfte zwischen Fremden statt. Das bedeutete, dass die traditionellen Normen und Regeln, wie sie für Geschäfte auf Gegenseitigkeit unter zur Lauterkeit verpflichteten Partnern galten, in der Stadt nicht griffen.“10
Es gab noch weitere Hinweise über die ersten Schritte der Buchführung. Etwa 3000 v. Chr. existierten in Ägypten und Babylonien erste Darstellungen von Soll und Haben auf Papyrusrollen. Eine Loseblattbuchführung auf präparierten Palmblättern wurde in Indien gefunden, diese stammt aus der Zeit um 200 n. Chr.
Parallel zur Entwicklung im späten Mesopotamien wurde in Griechenland über den verpachteten Grund und Boden Buch geführt. „Überhaupt spielte Grundpacht (in Griechenland) eine größere Rolle, wobei der verpachtete Boden letztlich in der Verfügungsgewalt des Palastes verblieb, wo ein genaues Kataster geführt wurde. Akribisch Buch geführt wurde auch über die (Tier-)Herden: Texte vermerken den Bestand an Schafen, die von einem namentlich genannten Hirten gehütet wurden, und eventuelle Fehlzahlen; außerdem das Geschlecht der Tiere und den erwarteten Ertrag an Wolle.“ 11 Aus der Zeit des 5. Jahrhunderts v. Chr. lagen aus Griechenland Aufzeichnungen vor über die Schlussabrechnungen der Kassenbuchhalter des Attischen Seebundes, die den „Zehnten“ für die Göttin Athena...
Erscheint lt. Verlag | 30.10.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Rechnungswesen / Bilanzen |
Schlagworte | Buchführung • Buchführung heute • Entstehungsgeschichte • Grundsätze der Buchführung • Rechnungswesen |
ISBN-10 | 3-7693-4070-1 / 3769340701 |
ISBN-13 | 978-3-7693-4070-9 / 9783769340709 |
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