Bausteine des Wandels (eBook)
204 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45958-5 (ISBN)
Astrid Schulte ist Vorstandsvorsitzende der Berendsohn AG in Hamburg. Sie steht für die nachhaltige Transformation von Unternehmen, für die Digitalisierung von Geschäftsmodellen und für einen werteorientierten Führungsstil.
Astrid Schulte ist Vorstandsvorsitzende der Berendsohn AG in Hamburg. Sie steht für die nachhaltige Transformation von Unternehmen, für die Digitalisierung von Geschäftsmodellen und für einen werteorientierten Führungsstil. Reza Razavi ist Transformationsberater und teilt seine Expertise, die er in der Praxis u. a. bei BMW sammelte, heute als Berater mit Unternehmen unterschiedlichster Branchen im Umgang mit der Transformation. 2022 erschien sein erstes Buch »Die Magie der Transformation«.
Kapitel 2
Werte schaffen – der Zweck von Unternehmen
Seit Beginn der Neuzeit und der damit einhergehenden Entwicklung von industrieller Produktion haben Organisationen entscheidend zum Fortschritt und zum Wohlstand der Menschen beigetragen. Neben der landwirtschaftlichen Erzeugung entstanden unternehmerische Produktionsstätten, die das Leben und die Arbeit neu ordneten und strukturierten. Die Arbeitseffizienz wurde gesteigert, Ressourcen besser genutzt und Innovationen gefördert.
Heute sind Unternehmen ein wichtiger Bestandteil unserer modernen Gesellschaftsstruktur und tragen wesentlich zu unserem Wohlstand bei. Sie ermöglichen die Lösung komplexer Probleme und die Durchführung großer Projekte und Vorhaben. Ohne diese Organisationsstrukturen wäre unser heutiges Leben nicht so geordnet und effizient, wie wir es kennen.
Organisationen entstehen aber nicht zufällig. Sie sind zweckgebundene Systeme, die fundamental von Arbeitsteilung abhängig sind. Unternehmen entstehen, weil sie einen Mehrwert schaffen wollen, darin liegt der Hauptgrund für ihre Existenz. Dieser Mehrwert kann verschiedene Formen annehmen, wie zum Beispiel wirtschaftlicher Gewinn, sozialer Fortschritt, wachsendes Gemeinwohl oder die Befriedigung von Kundenbedürfnissen. Um diesen Mehrwert zu schaffen und effektiv zu nutzen, setzen Organisationen verschiedene Produktionsfaktoren wie Arbeitskraft, Betriebsmittel, Kapital und technologische Ressourcen ein. Das Leistungsversprechen von Unternehmen gegenüber ihren Kunden berücksichtigt die individuellen Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden und bietet ihnen einen Nutzen, der sowohl wichtig als auch relevant ist. Ein solches Angebot zielt darauf ab, die Bedürfnisse und Probleme der Kunden zu befriedigen oder zu lösen, indem es genau die Lösungen und Vorteile bietet, nach denen diese suchen.
Um Werte zu generieren, brauchen Organisationen vor allen Dingen Menschen. Der Managementautor Reinhard K. Sprenger schreibt: »Das ist der Kern: Unternehmen sind um die Idee der Zusammenarbeit herum gebaut, sie sind auf Zusammenarbeit angelegt.«1 Unternehmen bringen also Menschen zu einem oder mehreren Zwecken zusammen, weil sie einen Wert schaffen wollen. Sie wollen den Zweck gemeinsam so lange wie möglich aufrechterhalten.
Diese Zweckgebundenheit von Unternehmen gilt insbesondere auch für Change-Prozesse oder Unternehmenstransformationen. Eine Transformation in einem Unternehmen darf niemals Selbstzweck sein. Wir verändern Systeme nicht aus Spaß an der Sache, sondern weil wir sie weiterentwickeln und am Leben erhalten wollen – zumindest solange sie Werte schaffen. Der Sinn der Entwicklung soll auf ihre Lebens- und Zukunftsfähigkeit einzahlen.
Die Gründe für Transformationen können vielfältig sein: Neue Technologien, neue Formen von Dienstleistung, disruptive Treiber in der Branche, radikal veränderte Kundenerwartungen und vieles mehr greifen den Kern, den Zweck und somit das Businessmodell an. Alle diese Gründe sind Impulse, Signale, Inputs, um ein System in Bewegung zu bringen. All diese Auslöser treten jedoch nicht plötzlich auf und verschwinden dann wieder. Sie sind in unterschiedlicher Ausprägung immer da und bewirken, dass Organisationen sich in einem fortwährenden Wandel befinden und niemals in einem Idealzustand verharren. Selbst zu einer Zeit, als die Märkte und Umfelder von Organisationen noch nicht so dynamisch waren wie heute, konnten Organisationen niemals optimal funktionieren. Jeder, der in Organisationen arbeitet oder gearbeitet hat, kennt die fortwährenden Herausforderungen.
Wenn wir Mitglieder egal welcher Organisation fragen, wie die Dinge in ihrem Unternehmen laufen und wie das Unternehmen dasteht, erhalten wir immer Antworten wie:
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»Wir sind zu langsam, die Konkurrenz überholt uns.«
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»Der Vertrieb macht Stress und will ständig neue Produkte, ohne eine Ahnung zu haben, was das alles bedeutet.«
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»Die Produktion ist viel zu sehr auf Sicherheit bedacht. Wenn die liefern würden, könnten wir das Doppelte verkaufen.«
Wie die individuellen Herausforderungen eines Unternehmens auch gelagert sind, feststeht: Die Vorstellung von einer perfekten Organisation ist eine Illusion und entspringt im besten Fall einem Wunschdenken. Wir müssen uns davon verabschieden, ein Unternehmen als immer gut geölte Maschine zu betrachten, bei der alles wie am Schnürchen läuft. Diesen Idealzustand kann keine Organisation erreichen. Sie wird immer mit Unschärfen, Konflikten, Zielproblemen und unterschiedlichen Interessen leben müssen. Dies gilt es zunächst zu akzeptieren und kontinuierlich zu regulieren. Das bedeutet, dass man ständig am System arbeiten muss.
Nun wird zusätzlich zu den organisatorischen Herausforderungen auch die Umwelt, in der Unternehmen sich bewegen, immer dynamischer und komplexer und das Zusammenspiel und die Interdependenz zwischen beiden ist schwer zu durchschauen. Alles ist intransparenter, vielschichtiger und viel schneller geworden. Wie der Soziologe und Politikwissenschaftler Hartmut Rosa sagt: »Wir leben in einer Beschleunigungsfalle.«2 Das zentrale Problem dabei ist, dass wir auf diese Beschleunigung beziehungsweise kontinuierliche Steigerung angewiesen sind. Allein um den Status quo zu erhalten, müssen Unternehmen wachsen und ihr Tempo beschleunigen.
Betrachtet man alle Aspekte, die auf moderne Unternehmen einwirken, zusammengenommen, wird schnell klar, dass Wandlungs- und Adaptionsfähigkeit der kritische Faktor schlechthin sind. Unternehmen müssen mit unterschiedlichen internen Interessen, Konflikten, Zielproblemen in einer unüberschaubaren, eigendynamischen und unvorhersehbaren Umwelt zurechtkommen. Sie müssen sich immer wieder optimieren und neu erfinden, damit sie überleben können. Sie müssen in der Lage sein, mit Komplexität, Wandel, Unvorhersehbarkeit, Multiperspektivität, Konflikten, Mehrdeutigkeit und Ambiguität umzugehen. Wandel, Change oder Transformation dürfen nicht als isoliertes Projekt gesehen werden. Damit bekämpfen wir nur Symptome. Moderne Organisationen müssen vielmehr darauf ausgerichtet sein, sich kontinuierlich zu verändern beziehungsweise zu entwickeln.
Immer mehr Menschen in Organisationen fühlen sich heute oft an ihren Grenzen und sind kaum noch in der Lage, flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Sie haben das Gefühl, den Anforderungen nicht mehr gewachsen zu sein. Dies betrifft nicht nur den Einzelnen, sondern die gesamte Organisation befindet sich in einem Hamsterrad. In solchen Situationen liegt die Lösung nicht in einzelnen Ansätzen wie Stressbewältigung oder Zeitmanagement, sondern erfordert eine ganzheitliche Betrachtung des Systems.3
Bei allen Überlegungen sollte allerdings der Hauptgrund für die Existenz von Organisationen im Mittelpunkt stehen: die Schaffung von Mehrwert.
Beispiel
Beispiel
Als Hans das Unternehmen in der Druckbranche als CEO übernahm, war das Unternehmen nicht mehr rentabel – und das seit vielen Jahren. Die Prozesse und Strukturen, vor allem die IT-Struktur, waren auf das Ursprungsgeschäft von selbst designten Druckartikeln ausgerichtet, die das Unternehmen auf Lager hatte und individuell für kleine Unternehmen in kleinen Mengen veredelte. Im Laufe der Jahre hatte sich der Markt jedoch fast unbemerkt und lautlos verändert. Die Kundenbedürfnisse änderten sich, die Kunden wollten beispielsweise auch Basic-Artikel, nicht nur selbst designte, und sie wollten ebenfalls Markenprodukte einkaufen. Zudem gab es immer wieder größere Kunden, die ganz andere Bedürfnisse hatten als kleine Unternehmen. Auch die Kundenansprache hatte sich seit den letzten 20 Jahren nicht geändert, die Verkaufsberater konnten mit größeren Kunden gar nicht sprechen, weil sie ausschließlich Handwerker und andere Kleinunternehmen in ihrem Kundenstamm hatten.
Zwar wurden alle Bereiche der Wertschöpfungskette im Laufe der Jahre immer wieder ergänzt, immer wieder wurden neue Anforderungen des einen oder anderen Vorgängers von Hans umgesetzt. Das Ergebnis jedoch war ein viel zu komplexes System, fehlende Schnelligkeit und Agilität. Insgesamt...
Erscheint lt. Verlag | 9.10.2024 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management |
Schlagworte | Business Culture Design • Change • Kultur • new work • Organisation • Organisationsentwicklung • Organisationskultur • Simon Sagmeister |
ISBN-10 | 3-593-45958-2 / 3593459582 |
ISBN-13 | 978-3-593-45958-5 / 9783593459585 |
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