Unternehmensethik, Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility -  Frank Gogoll,  Martin Wenke

Unternehmensethik, Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility (eBook)

Instrumente zur systematischen Einführung eines Verantwortungsmanagements in Unternehmen

Horst Peters (Herausgeber)

, (Autoren)

eBook Download: EPUB
2024 | 2. Auflage
355 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-042310-7 (ISBN)
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Die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen wandelt sich mehr und mehr von einer optionalen zu einer verbindlichen Aufgabe. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der seit 2017 geltenden CSR-Berichterstattungspflicht vornehmlich für die großen 'Platzhirsche'. Für kleine und mittlere Unternehmen bildet die Beschäftigung mit dieser Thematik nach wie vor die Ausnahme, obwohl diese Berichtspflicht über die Wertschöpfungskette zukünftig verstärkt auch an KMU weitergegeben wird. Der vorliegende Band stellt Konzepte, Instrumente und Verfahren der Integration unternehmerischer Verantwortung auf dem Fundament wirtschafts- und unternehmensethischer Ansätze dar. Für die 2. Auflage wurden verhaltensethische und verhaltensökonomische Aspekte moralischer Handlungen einerseits und die klimapolitischen Vorgaben, die neuen CSR-Berichterstattungspflichten sowie die Lieferkettenverantwortung andererseits eingearbeitet.

Dr. Frank Gogoll ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der TH Köln. Prof. Dr. Martin Wenke lehrt Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Niederrhein.

Nach der Bearbeitung dieses Kapitels sind Sie in die Lage,

  • grundlegende moralische Probleme, Konflikte und Dilemmata der Unternehmensführung zu erkennen, zu analysieren und zu bewerten (Fach- und Argumentationskompetenz),

  • im Rahmen eines interdisziplinären Ansatzes menschliches Entscheiden und Handeln in moralischen Problemsituationen zu analysieren und kritisch zu beurteilen (Fach- und Argumentationskompetenz),

  • Grundbegriffe der Unternehmens- und Wirtschaftsethik sowie den Begriff der Verantwortung zu erläutern und in Zusammenhang zueinander zu setzen (Fachkompetenz),

  • die Bedeutung des Unternehmers bzw. der Unternehmen sowie des marktwirtschaftlichen Koordinierungsmechanismus für die unternehmensethischen Fragestellungen zu erläutern und einer moralischen Bewertung zu unterziehen (Fach- und Argumentationskompetenz),

  • den Einfluss des menschlichen Verhaltens auf Entscheidungen und Handlungen in moralischen Problemsituationen zu identifizieren und zu analysieren (Fachkompetenz),

  • CSR-Konzepte und Definitionen zu beschreiben und einer kritischen Analyse zu unterziehen (Fach- und Argumentationskompetenz),

  • Kooperation, Vertrauen und Nachhaltigkeit als integrale Bestandteile eines funktionsfähigen marktwirtschaftlichen Systems zu erkennen und ihre Bedeutung für die Lösung unternehmensethischer Fragestellungen zu erläutern (Fach- und Argumentationskompetenz),

  • die normativen Grundlagen der Unternehmensverantwortung zu erläutern und kritisch zu würdigen.

1.1Zum Glück gibt es Unternehmensethik und Interdisziplinarität!


Als integraler Bestandteil der Gesellschaft haben Unternehmen die zentrale und wichtige Aufgabe, die von der Gesellschaft gewünschten Güter und Dienstleistungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen und zur Steigerung gesellschaftlicher Wohlfahrt im Zuge der Wertschöpfung bereitzustellen, wobei bei der Herstellung von Produkten stets Umweltgüter wie Rohstoffe oder Flächen in Anspruch genommen und Schadstoffe in Boden, Luft und Wasser emittiert werden.

Unternehmen tragen für ihr Handeln Verantwortung – nicht nur für ihr eigenes erfolgreiches Fortbestehen, sondern auch für die Auswirkungen ihres Handelns auf ihre Stakeholder, auf die Gesellschaft und die Umwelt. Die Berücksichtigung der Interessen anderer verlangt moralisches, prosoziales Handeln, denn nur so kann man der Verantwortung gerecht werden.

Moralisches Handeln ist allerdings nicht kostenlos, sodass das Streben nach Eigennutz einerseits und die Notwendigkeit eines moralischen, prosozialen Handelns als Bedingung für erfolgreiche Kooperationen andererseits in Konflikt zueinander geraten – das gilt für Individuen, die sich auf Anfrage für den Kauf von Bioprodukten aussprechen, aber letztlich doch günstiger hergestellte Produkte kaufen; das gilt für Regierungen, die andere Staaten wegen der Verletzung von Menschenrechten kritisieren, aber gleichzeitig mit ihnen Handel betreiben und es gilt für Unternehmen, die in ihren Unternehmensleitbildern, in ihrer Unternehmensphilosophie, Werte wie Integrität und Respekt als handlungsleitend formulieren und diese Werte dann im Zuge der Gewinnerzielung missachten.

Die Unternehmen sehen sich angesichts dieses Konflikts zwischen Gewinnerzielung und moralischem Handeln häufig mit moralischen Problemen konfrontiert; häufig spricht man davon, dass Unternehmen sich zwischen Markt und Moral, Gewinn und Gewissen entscheiden müssten.

Vielfach wird dabei ein Orientierungsverlust bei den wirtschaftlichen Akteuren festgestellt, das Fehlen eines ethischen Kompasses. Unternehmen sind im Zusammenhang mit moralischen Problemen in die Schlagzeilen gerückt: Fälle wie z. B. eine mangelnde Kontrolle entlang der Lieferkette mit der Folge von Menschenrechtsverletzungen, der Einsatz von Kinderarbeit und Nichtbeachtung von Sicherheitsvorschriften in der Produktion, falsche Qualitätsangaben über verkaufte Produkte gegenüber Kunden, Mitarbeiterobservierung durch versteckte Kameras, unerlaubte klimaschädliche Emissionen, Produktionsverlagerung in Entwicklungsländer mit geringeren Umweltstandards – die Liste ließe sich beliebig verlängern. Hierdurch entsteht sowohl ein gestiegener Rechtfertigungszwang für unternehmerische Aktivitäten als auch die Forderung nach Transparenz hinsichtlich der Auswirkungen unternehmerischen Handelns.

Zudem besteht eine gewisse Erwartungshaltung der Gesellschaft bzw. einzelner Teile der Gesellschaft gegenüber Unternehmen. Kunden erwarten von einem Unternehmen mehr als preiswerte und qualitativ hochwertige und innovative Produkte. Mitarbeiter erwarten von ihren Führungskräften mehr als steigende Löhne. Die Politik erwartet die Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Die Gesellschaft erwartet innovative, umweltfreundliche Produkte und Produktionsprozesse. Inwieweit Erwartungen einzelner Interessengruppen berechtigt sind, ist zu prüfen. Letztlich geht es hier für Unternehmen um die sog. »licence to operate«, die Erlaubnis der Gesellschaft für unternehmerische Aktivitäten, die sozusagen ein verantwortungsvolles, moralisches und prosoziales Verhalten voraussetzt. Insbesondere im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Klimawandels und dem Transformationsprozess der Nutzung von fossilen zu regenerativen Energien werden hohe Erwartungen an die Unternehmen gerichtet. Der Nachhaltigkeit kommt damit eine besondere Bedeutung bei den nachfolgenden Betrachtungen zu. Die Erwartungen der Gesellschaft lösen wiederum einen Rechtfertigungsdruck bei den Unternehmen aus mit der Notwendigkeit einer erhöhten Transparenz sowie einem steigenden Erklärungsbedarf.

Die hier angesprochenen moralischen Aspekte unternehmerischer Aktivitäten eröffnen den Raum für die Unternehmens- und Wirtschaftsethik und die Frage nach der Reichweite der Unternehmensverantwortung. Für praktische Lösungen müssen die zu treffenden Unternehmensentscheidungen und die daraus abzuleitenden Handlungen in einem realistischen Kontext behandelt werden. Die Lösung moralischer Probleme braucht einen moralischen Kompass für die zu verfolgenden Ziele und die dabei zu beachtenden Werte, eine fundierte Analyse der Situation und Handlungsbedingungen und die Berücksichtigung von Aspekten menschlichen Entscheidens und Handelns. Dies kann nur im Rahmen eines interdisziplinären Ansatzes erfolgen, der im Kern die Erkenntnisse der Philosophie, der Ökonomik und der Psychologie nutzt und zusammenführt.

Nur so lassen sich insbesondere vor den Herausforderungen für ein nachhaltiges Wirtschaften (► Kap. 2) allgemeine Grundsätze für ein ethisches Verhalten und konkrete Aspekte einer verantwortungsvollen Unternehmensführung formulieren, dokumentieren und bewerten (► Kap. 3). Unternehmen benötigen anwendungsbezogene und praxisrelevante Bausteine für die Umsetzung einer verantwortungsvollen Unternehmensführung, eines Verantwortungsmanagements. Diese Bausteine müssen verschiedene Aspekte abdecken (► Kap. 4): die unternehmensinternen notwendigen Strukturen und Prozesse für eine Good Corporate Governance, die die Personalführungs- und Mitarbeiterverantwortung fördern, die Priorisierung verschiedener gesellschaftlicher Interessen mittels der Wirkungs- und Wesentlichkeitsanalyse, das Management in der Wertschöpfungskette und schließlich die Stakeholderkommunikation.

1.1.1Moralische Probleme, Konflikte und Dilemmata


Menschliches Handeln ist häufig mit bestimmten Schwierigkeiten in praktischen Situationen verbunden, die dann Herausforderungen für den Akteur darstellen. Diese Herausforderungen münden im Allgemeinen in Aufgaben, die zu erledigen sind. Wenn ein Akteur sich im Handeln vor Probleme gestellt sieht, die über bloße Aufgaben hinausgehen, dann hat er bestimmte Schwierigkeiten und die damit verbundenen Herausforderungen bereits so interpretiert, dass sie für ihn ein Problem darstellen. Das heißt, Probleme sind weder Tatsachen noch Handlungssituationen, sondern das Ergebnis unserer Wahrnehmung und Bewertung der Tatsachen und Werturteile. Man kann mithin sagen, dass wir Probleme nicht einfach haben, sondern: wir haben Schwierigkeiten und Herausforderungen zu Problemen gemacht, wir haben problematisiert.

Allerdings ist nicht jedes Problem zugleich auch ein moralisches Problem. Viele Probleme, vor denen wir in unserem Handeln infolge von Schwierigkeiten und Herausforderungen stehen, würden wir nicht gleich als moralische Probleme bezeichnen. Das liegt aber nicht daran, dass wir diese Handlungen nicht problematisieren können, denn im Prinzip kann jede Handlung moralisch problematisiert werden. Es bedeutet lediglich, dass sie nach vorherrschenden moralischen Normen als zulässig angesehen werden.

Was macht aber nun moralische Probleme aus? »Moralisch zu handeln« bedeutet, Handlungen auf eine bestimmte Weise zu vollziehen, nämlich so, dass sie moralisch gut bzw. moralisch einwandfrei sind – und selbstverständlich können frei entscheidende Individuen auch so handeln, dass die Handlungen als moralisch schlecht bzw. moralisch zu beanstanden beurteilt werden können.

Was genau ist mit moralischem Verhalten aber gemeint, wie wird moralisches Verhalten allgemeinverbindlich definiert? In der wissenschaftlichen Diskussion hat sich sozusagen ein Minimalkonsens ergeben: Jemand handelt unmoralisch, wenn er einem anderen absichtlich einen Schaden zufügt, wobei der Schaden in der Moralgemeinschaft als ein Unrecht angesehen wird (GERT, GERT 2020).

Was heißt es, wenn wir in der Alltagspraxis davon sprechen, ein Problem zu haben? Und...

Erscheint lt. Verlag 3.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Wirtschaft
ISBN-10 3-17-042310-X / 317042310X
ISBN-13 978-3-17-042310-7 / 9783170423107
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