Wirtschafts- und Unternehmensethik -  Peter Michael Bak

Wirtschafts- und Unternehmensethik (eBook)

Eine Einführung
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
125 Seiten
Schäffer-Poeschel Verlag
978-3-7910-6095-8 (ISBN)
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Ist die Wirtschaft ein System mit eigenen Gesetzen? Lässt sich wirtschaftliches Handeln und moralisch gutes Handeln überhaupt in Einklang bringen oder ist es ein Widerspruch in sich? Welche Methoden und Konzepte eignen sich zur Umsetzung moralischen Handelns und Entscheidens? In seiner Einführung erläutert der Autor die wichtigsten ethischen Grundbegriffe, stellt Methoden der moralischen Entscheidungsfindung vor und untersucht die Verantwortung von Konsumenten, Produzenten und Investoren. Er beleuchtet, welche ethischen Problemstellungen sich innerhalb des unternehmerischen Handelns ergeben und betrachtet die wirtschaftsethischen Rahmenbedingungen. Ein Kapitel über den Einfluss der Medien rundet das Werk ab.

Diplom-Psychologe Prof. Dr. Peter Michael Bak lehrt an der Hochschule Fresenius in Köln und anderen nationalen wie internationalen Hochschulen. Er ist als Berater für Unternehmer sowie als Coach für Fach- und Führungskräfte tätig.

2 Ethische Perspektiven


Ethische Fragestellungen tauchen vor allem dann auf, wenn wir uns in unserer Entscheidung unsicher sind, wenn wir nicht wissen, wie wir zu entscheiden haben, wenn wir uns vor die Frage gestellt sehen, welche der Handlungsalternativen die gute, richtige Alternative ist, zu welcher Entscheidung wir also stehen können. Kein Kriterienkatalog, kein Kodex, keine Religion vermag es nun, uns für jede Situation die richtige Antwort auf diese Fragen zu geben. Wir müssen demnach mit einem hohen Grad an Unsicherheit entscheiden, wie wir handeln wollen. Darüber hinaus kann es Situationen geben, die uns vor ein moralisches Dilemma stellen. Was macht beispielsweise ein Arzt, der die Entscheidung treffen muss, zwischen dem Leben des ungeborenen Kindes oder dem der Mutter? Was ist hier die richtige und gute Entscheidung? Oder was macht ein Unternehmer, der zwar fair produzieren möchte, dadurch aber seine Wettbewerbsmöglichkeiten verschlechtert? Wonach können wir uns bei unserer Entscheidung richten? Wie können wir argumentieren? Gibt es Orientierungspunkte? Im Folgenden werden wir vier verschiedene Perspektiven kennenlernen, die ethische Fragestellungen mit ganz unterschiedlichen Herangehensweisen zu lösen versuchen: die Gesinnungsethik, Pflichtenethik, Folgenethik sowie den Utilitarismus.

2.1 Gesinnungsethik


Moralisch ist, das Gute zu wollen.
Edle Gesinnung vs. Gesinnungstäter

Unter Gesinnung versteht man das subjektive Wollen des Individuums, die intrinsische Motivation oder innere Disposition, aus der heraus gehandelt wird. Die Betonung der Gesinnung entspricht in vielen Fällen auch unserem Alltagsempfinden. So wird es manchmal als Entschuldigung empfunden, wenn man »in bester Absicht« etwas Falsches getan hat (»Ich hab‘s doch nicht böse gemeint!«). Auch in der Rechtsprechung ist die Absicht in vielen Fällen entscheidend. Denken wir an die juristische Differenzierung zwischen Mord, Totschlag und Tötung aus Versehen. Bei Mord liegt eine Tötungsabsicht vor, beim Totschlag dagegen unterstellt man eine affektiv gesteuerte Tat, also keine geplante, absichtsvolle Handlung. Die »Tötung aus Versehen« wird als fahrlässige Tötung bewertet, ebenfalls also als ein Tatbestand, der nicht absichtsvoll und geplant erfolgte. Und andererseits, die rechte Gesinnung, das Herz an der richtigen Stelle, das sind die Eigenschaften, die wir gerne unseren Helden zuschreiben. Ist es nicht gerade die edle Gesinnung, die sich – wenn es sein muss – gegen das herrschende Gesetz stellen muss, um gegen Ungerechtigkeit ins Feld zu ziehen? So berühmte Figuren wie Robin Hood beziehen ihre moralische Überlegenheit ja gerade durch ihren Widerstand gegen geltende Gesetze. Lässt sich daraus etwas Allgemeingültiges ableiten? Wie wollen wir vor diesem Hintergrund den Attentatsversuch Graf von Stauffenbergs gegen Hitler bewerten? Und was unterscheidet den Widerstand gegen die moralisch fragliche Obrigkeit von einer terroristischen Aktion? So einleuchtend die Berufung auf die Gesinnung im Einzelfall sein mag, so problematisch ist daran, dass mit der Gesinnung prinzipiell jede Handlung rechtfertigt werden kann, Stichwort »Gesinnungstäter«. Wer besitzt hier die Entscheidungshoheit bzw. verfügt über die entsprechenden Kriterien, um die eine Handlung als Heldentat, die andere als Terrorakt zu bewerten? Klar ist, ohne allgemein akzeptierte Regeln, die über der individuellen Gesinnung stehen, könnte sich jeder auf seine Überzeugung berufen und sich damit einer moralischen Bewertung durch andere entziehen.

Reflexion 2

Graf von Stauffenberg

Von Stauffenberg war ein Offizier der deutschen Wehrmacht und die zentrale Figur des militärischen Widerstandes gegen Hitler, der in dem misslungenen Attentatsversuch vom 20. Juli 1944 gipfelte. Von Stauffenberg wurde anschließend als Verräter hingerichtet. Vor allem die Ausweglosigkeit des Krieges gilt heute als einer der Hauptgründe, weswegen sich der ehemalige Nationalist Stauffenberg von Hitler abwendete. Im Nachkriegsdeutschland wird Graf von Stauffenberg vornehmlich als Held gefeiert und als Beleg dafür, dass nicht alle Deutschen blind den Nationalsozialisten gefolgt sind. Es ist interessant darüber nachzudenken, ob von Stauffenberg mit seinem Tötungsversuch moralisch gehandelt hat und wie man dann zum Beispiel die Terroristen der BaaderMeinhof-Gruppe bzw. die spätere Rote-Armee-Fraktion (RAF) bewerten kann? Gibt es hier Gemeinsamkeiten? Unterschiede? Worin liegen diese?

2.2 Pflichtenethik


Moralisch ist, das Gute zu tun.

Mit Pflicht wird im Sinne Kants eine Handlung beschrieben, die man aus Verbundenheit zur geltenden Moral und Norm tätigt. Die Pflichtenethik setzt also bei den Handlungen an, die geboten oder verboten sind (deontologische Ethik). Dazu gehört pflichtgemäßes Handeln sich selbst gegenüber (Selbstachtung, Verbot zu lügen, Verbot des Selbstmordes, Gebot zum gesunden Lebenswandel) genauso wie pflichtgemäßes Handeln gegen andere (Würde des anderen zu beachten, ihnen Wohltaten zu erweisen, in der Not beizustehen). Die Befolgung von Pflichten ist nach Kant jedoch nur dann Ausdruck von Moral, wenn die innere Triebfeder zum Guten für die Befolgung entscheidend ist (Ethos) und nicht etwa die Angst vor Strafe (vgl. Kant, I. 1986).

Pflicht und individuelle Verantwortung

Ein Vorteil der Pflichtenethik kann darin gesehen werden, dass das Individuum hier klare Handlungsanweisungen erhält. Was gut oder schlecht ist, obliegt nicht dem individuellen Urteil. Das Individuum wird dadurch von der individuellen Entscheidung befreit und entlastet. Darin besteht allerdings auch gleichzeitig das Problem: welche Pflichten sollen überhaupt gelten und entlässt man dann das Individuum nicht aus seiner individualethischen Verantwortung? Verliert man dadurch nicht ein wichtiges moralisches Korrektiv? Wollen wir tatsächlich ein nicht über seine Handlungen reflektierendes Subjekt als moralisch ansehen? Ganz abgesehen davon kann auch das blinde Befolgen von Pflichten zu unmoralischen Handlungen führen. Das zeigt insbesondere der Blick in die deutsche Geschichte. Nach dem Ende der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten haben sich viele Helfer und Helfershelfer der Nazis mit den Worten »ich habe stets nur meine Pflicht getan« von der individuellen Verantwortung für ihr Handeln drücken wollen (siehe Information 5). Es stellt sich also die Frage, können und sollen wir bei unserem Handeln von den Handlungsfolgen wirklich absehen?

Information 5

Rudolf Hess sagt vor dem Nürnberger Gericht aus

In Nürnberg standen zwischen 1945 und 1949 die Hauptkriegsverbrecher des zweiten Weltkriegs vor Gericht. Unter ihnen auch Rudolf Hess, der Stellvertreter Adolf Hitlers, der wegen Planung eines Angriffskrieges und Verschwörung gegen den Weltfrieden zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Nach der Konfrontation mit den Gräueltaten des NS-Regimes äußert er in seinem Schlusswort folgende Worte: »Ich verteidige mich nicht gegen Ankläger, denen ich das Recht abspreche, gegen mich und meine Volksgenossen Anklage zu erheben. Ich setze mich nicht mit Vorwürfen auseinander, die sich mit Dingen befassen, die innerdeutsche Angelegenheiten sind und daher Ausländer nichts angehen. Ich erhebe keinen Einspruch gegen Äußerungen, die darauf abzielen, mich oder das ganze deutsche Volk in der Ehre zu treffen. Ich betrachte solche Anwürfe von Gegnern als Ehrenerweisung. Es war mir vergönnt, viele Jahre meines Lebens unter dem größten Sohne zu wirken, den mein Volk in seiner tausendjährigen Geschichte hervorgebracht hat. Selbst wenn ich es könnte, wollte ich diese Zeit nicht auslöschen aus meinem Dasein. Ich bin glücklich, zu wissen, daß ich meine Pflicht getan habe meinem Volk gegenüber, meine Pflicht als Deutscher, als Nationalsozialist, als treuer Gefolgsmann meines Führers. Ich bereue nichts.« (www.zeno.org; Hervorhebung durch den Autor)

2.3 Folgenethik


Moralisch ist, das Gute zu erreichen bzw. so zu handeln, dass die Konsequenzen maximal gut sind.
Können wir alle Folgen beachten?

Die Folgenethik (konsequentialistischer Ansatz) macht die Bewertung einer Handlung bzw. einer Handlungsregel von deren Folgen abhängig. Auch diese Perspektive wird unserem moralischem Empfinden in vielen Fällen gerecht. So werten wir z. B. eine Tat, wenn sie letztlich doch zu keinen negativen Folgen führte, als weniger schlimm oder sehen gar großzügig über sie hinweg. Auf der anderen Seite widerstrebt es aber unserem Alltagsempfinden, eine Handlung als moralisch gut zu bewerten, die zwar zu einem guten Ergebnis geführt hat, aber mit schlechter Absicht begangen wurde. Es macht für uns schon einen Unterschied, was der Handelnde eigentlich bezweckte.

Information 6

Schwarzfahrer- bzw. Trittbrettfahrerproblem

Das Schwarzfahrer- bzw. Trittbrettfahrerproblem taucht vor allem bei der Nutzung von Gemeingütern auf und beschreibt allgemein den Umstand, dass man ohne Gegenleistung in den Genuss von Leistungen kommen kann bzw. umgekehrt, dass man trotz Leistung keine Belohnung bekommt, weil die Konsequenzen auch vom Verhalten der anderen abhängen. Oder allgemein formuliert: Wenn alle einer bestimmten guten Regel folgen, dann hat es keine negativen Auswirkungen, wenn ein einzelner sich nicht daran hält. Auf der anderen Seite nutzt die Regelbefolgung eines einzelnen praktisch niemandem, wenn er allein sich an die Regeln hält. Hinsichtlich der Folgen kann es also unerheblich sein, ob sich jemand an die Regeln hält oder nicht.

Information...

Erscheint lt. Verlag 5.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management Unternehmensführung / Management
ISBN-10 3-7910-6095-3 / 3791060953
ISBN-13 978-3-7910-6095-8 / 9783791060958
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