Finanzstabilität (eBook)

Einführung in die makroprudenzielle Politik?
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
178 Seiten
Schäffer-Poeschel Verlag
978-3-7910-4130-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Finanzstabilität -  Tobias Körner,  Oliver Kruse
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Das Buch bietet eine kompakte Einführung in das Themengebiet Finanzstabilität. Dabei werden volkswirtschaftliche, institutionelle und regulatorische Gesichtspunkte berücksichtigt. Die aufeinander aufbauenden Kapitel geben im ersten Teil zunächst einen Überblick über das makroprudenzielle Mandat, d.h. den Auftrag das gesamte Finanzsystem zu überwachen, und gehen auf die Bedeutung der Stabilität des Finanzsystems ein. Der zweite Teil behandelt die Grundlagen makroprudenzieller Überwachung und geht auf Risikoarten und die Beurteilung von Risiken ein. Schwerpunkt des dritten Teils ist der Themenkomplex makroprudenzielle Politik, in welchem die Akteure und Institutionen sowie die ihnen zur Stärkung der Finanzstabilität zur Verfügung stehenden Instrumente thematisiert werden. Das Buch richtet sich an Fachleute in Aufsichtsbehörden, Geschäftsbanken und Zentralbanken, Studierende in Bachelor- und Masterstudiengängen mit volkswirtschaftlichem oder aufsichtsrechtlichem Bezug sowie Interessierte, die ein solides Verständnis für die Sicherheit und Stabilität des Finanzsystems erlangen möchten.    Die Autorinnen und Autoren sind in verschiedenen Positionen bei der Deutschen Bundesbank und der Hochschule der Deutschen Bundesbank tätig: Sebastian Breuer, Abteilungsleiter im Zentralbereich Finanzstabilität Dr. Niklas Gadatsch, Senior Financial Stability Expert und Forschungskoordinator Dr. Katharina Knoll, Senior Financial Stability Expert Prof. Dr. Tobias Körner (Hrsg.), Hochschullehrer, Volkswirtschaftslehre und Finanzstabilität Prof. Dr. Oliver Kruse (Hrsg.), Hochschullehrer, Bank- und Wertpapiermanagement, Mittelstandsfinanzierung Dr. Jens Reich, Leiter der Repräsentanz der Bundesbank für Nord-Amerika Uwe Schollmeyer, Hochschullehrer, Zahlungsverkehr, Geldpolitik und Zentralbankwesen Dr. Benjamin Weigert, Leiter des Zentralbereichs Finanzstabilität

Tobias Körner Prof. Dr. Tobias Körner ist Hochschullehrer an der Hochschule der Deutschen Bundesbank mit den Lehrschwerpunkten Volkswirtschaftslehre und Finanzstabilität. Oliver Kruse Prof. Dr. Oliver Kruse ist Hochschullehrer an der Hochschule der Deutschen Bundesbank mit den Lehrschwerpunkten Bank-, Wertpapier- und Versicherungsmanagement.

Oliver Kruse Prof. Dr Oliver Kruse ist Stellv. Rektor an der Hochschule der Deutschen Bundesbank. Seine Lehrgebiete sind Bank-, Wertpapier- und Versicherungsmanagement. Tobias Körner Prof. Dr. Tobias Körner ist Dozent der Hochschule der Deutschen Bundesbank für Volkswirtschaftslehre und Finanzstabilität.

1.1 Episoden finanzieller Instabilität und Krisen


Das Finanzsystem erfüllt wichtige Funktionen in einer Volkswirtschaft. Ein stabiles Finanzsystem ermöglicht die Koordination von Ersparnissen und Investitionen, die Umverteilung von Risiken sowie, dass Zahlungen, Wertpapier- und Derivategeschäfte zügig und sicher durchgeführt werden können. In einem Finanzsystem vermitteln Finanzintermediäre zwischen den Anbietern und Nachfragern finanzieller Mittel. Das Finanzsystem umfasst die Finanzmärkte, die Finanzintermediäre – z. B. Banken, Versicherer und Investmentfonds – und die finanzielle Infrastruktur, wie etwa Systeme für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs oder des Wertpapierhandels (siehe Abb. 1.1).

In der Vergangenheit gab es jedoch immer wieder Episoden, in denen das Finanzsystem einige dieser Funktionen nicht umfänglich erfüllen konnte. Die auffälligste Form solcher Episoden finanzieller Instabilität sind Finanzkrisen.

Finanzstabilität

Der Begriff Finanzstabilität, wie er in diesem Fachbuch verwendet wird, beschreibt einen Zustand, in dem das Finanzsystem volkswirtschaftlich bedeutende Funktionen erfüllt und die Marktteilnehmer sich stetig an sich verändernde Rahmenbedingungen anpassen können. Ein stabiles Finanzsystem kann sowohl idiosynkratische als auch makroökonomische Schocks absorbieren, federt Verluste aus unerwarteten Entwicklungen ab und verringert Ansteckungs- oder Rückkopplungseffekte (siehe Kap. 1.3). Ein Schock bezeichnet hierbei abrupte, unerwartete Entwicklungen einzel- oder gesamtwirtschaftlicher Natur, die zu Störungen und/oder zum Ausfall eines Teils des Finanzsystems führen können (siehe Kap. 1.3).

Abb. 1.1: Das Finanzsystem (Quelle: Eigene Darstellung)

1.1.1 Arten von Finanzkrisen: systemische Bankenkrisen, Schuldenkrisen und Währungskrisen


Der Begriff Finanzkrise beschreibt eine spezielle Form der Wirtschaftskrise, in die das Finanzsystem in besonderem Maße involviert ist. Das Auftreten solcher Krisen lässt sich über Jahrhunderte zurückverfolgen – von der Südseeblase in Großbritannien und der gleichzeitigen Mississippi-Blase in Frankreich im 18. Jahrhundert über die Baringkrise im 19. Jahrhundert zur Weltwirtschaftskrise (auch: Große Depression) im 20. Jahrhundert und der globalen Finanzkrise zu Beginn des 21. Jahrhunderts (Brunnermeier/Oehmke 2013; Kindleberger 2000; Reinhart/Rogoff 2013). Neben teils noch früheren Narrativen über ähnliche krisenhafte Episoden existiert quantitative Evidenz für alle Zeiten, für die auch entsprechende Daten existieren. Finanzkrisen sind dabei an den Finanzmärkten in allen Entwicklungsstadien zu beobachten, das heißt in Indus­trienationen ebenso wie in Schwellen- und Entwicklungsländern (Kindleberger 2000).

In der Regel werden drei verschiedene Arten finanzieller Instabilität unter dem Überbegriff Finanzkrise beschrieben: systemische Bankenkrisen, staatliche Schuldenkrisen und Währungskrisen (Reinhart/Rogoff 2009b; Bordo et al. 2001; Bordo/Meissner 2016; Laeven/Valencia 2020a). Währungskrisen sind ein eher seltenes Phänomen unter Industrienationen, nicht zuletzt aufgrund des Status der Währungen einiger dieser Länder als Reservewährungen. Zentrales Merkmal einer Währungskrise ist ein substanzieller Verfall des Wechselkurses, gelegentlich begleitet von Einbrüchen in der Zahlungsbilanz des betroffenen Staates sowie in den Kapitalströmen [Sudden Stop]. Unter Umständen finden in der Folge Währungsumstellungen statt. Der Begriff Staatsschuldenkrise oder staatliche Schuldenkrise hingegen bezeichnet eine Wirtschaftskrise, die verbunden ist mit einer Überschuldung eines Landes gegenüber dem Ausland. Solche Episoden sind insbesondere gekennzeichnet durch den Aufschub von Zahlungen der betroffenen Staaten an ihre Gläubiger bis hin zu Zahlungsausfällen sowie die Umstrukturierung staatlicher Anleihen und Kredite. Auslöser der krisenhaften Ereignisse können sowohl internationale als auch nationale Schocks sein (Mitchener/Trebesch 2023). Die meisten Definitionen von systemischen Bankenkrisen betonen »Stress« im Bankensektor als zentrales Kriterium. Das heißt, es kam im Zuge dieser Episode zum Beispiel zu Bankenstürmen, zu substanziellen Kreditausfällen und Verlusten an Kapital. Die Folge der Verwerfungen im Bankensystem sind eine auffällig hohe Zahl an Bankrotten von Finanzinstituten, Zwangsfusionen sowie staatliche Interventionen in Form von Garantien, Liquiditätshilfen, Kapitalspritzen und/oder Verstaatlichungen. Bankenkrisen waren in der Vergangenheit häufig globale oder regionale Ereignisse, da die betroffenen Länder durch feste Wechselkurse, Kapitalströme oder andere Kanäle eng miteinander verbunden waren.

Die unterschiedlichen Krisenarten treten nicht selten in Kombination auf, als sogenannte Zwillingskrisen (Twin Crises). Das ist keineswegs ein Zufall. Banken- und staatliche Schuldenkrisen können gleichzeitig ausbrechen, wenn ein Schock das gesamte Wirtschaftssystem eines Landes trifft und zu Verwerfungen sowohl im Banken- als auch im öffentlichen Sektor eines Landes führt (Kaminsky/Reinhart 1999). Sie können aber auch aufgrund des Staaten-Banken-Nexus, das heißt durch Wechselwirkungen zwischen Entwicklungen in den beiden Sektoren, miteinander verknüpft sein und sich gegenseitig verstärken. Haben Banken eine überproportionale Präferenz für das Halten heimischer Staatsanleihen in ihrem Staatsanleihenportfolio, einen sogenannten Home Bias, erleiden sie im Falle einer Verschuldungskrise des Heimatlandes hohe Verluste und können letztlich selbst in Solvenzprobleme geraten (Dell’Ariccia et al. 2018). Gleichermaßen können umfangreiche staatliche Rettungsmaßnahmen von Finanzinstituten die Staatsfinanzen derart stark belasten, dass eine Bankenkrise letztlich zur Entstehung staatlicher Verschuldungskrisen beiträgt. Zudem strapazieren die realwirtschaftlichen Wachstumseinbußen und sinkende Steuereinnahmen im Nachgang von Bankenkrisen Staatshaushalte in der Regel nicht nur substanziell, sondern auch lang anhaltend (siehe Kap. 1.2) (Brunnermeier et al. 2018). Ähnliche Wechselwirkungen können auch ein zeitliches Zusammentreffen von Banken- und Währungskrisen begründen (Kaminsky/Reinhart 1999). Aus stark fallenden Wechselkursen können sich Kapitalverluste im Finanzsystem ergeben, wenn Banken selbst oder ihre Kreditnehmer in höherem Umfang offene Fremdwährungspositionen halten. Gleichermaßen können Abzüge von Einlagen in ausländische Vermögenswerte während Bankenkrisen die heimische Währung unter Abwertungsdruck setzen. Studien, die die Ursachen und den zeitlichen Ablauf solcher Zwillingskrisen untersuchen, zeigen, dass Bankenkrisen typischerweise entweder gleichzeitig oder mit etwas zeitlichem Vorlauf zu Währungs- und staatlichen Verschuldungskrisen auftreten (Kaminsky/Reinhart 1999; Gourinchas/Obstfeld 2012; Reinhart/Rogoff 2011; Fratzscher et al. 2011).

Das vorliegende Fachbuch betrachtet vorrangig die Ursachen und Folgen von Finanzkrisen im Bankensystem, also systemische Bankenkrisen. Dieser Fokus begründet sich damit, dass systemische Bankenkrisen sowohl in Industrie- als auch Schwellen- oder Entwicklungsländern nach wie vor immer wieder zu beobachten sind. Dagegen ist die Häufigkeit isolierter Währungs- und Staatsschuldenkrisen in Industrieländern deutlich geringer als in Schwellen- oder Entwicklungsländern. Systemische Bankenkrisen stellen in diesem Sinne eine »equal opportunity menace« dar (Reinhart/Rogoff 2013). Der Fokus des Fachbuches begründet sich auch mit der Dominanz bankbasierter Finanzsysteme in Kontinentaleuropa sowie anderen Industrienationen, und die Analysen und spezifischen Aspekte der makroprudenziellen Politik, die in diesem Fachbuch aufgezeigt und erläutert werden, basieren in der Regel auf Beobachtungen für die Länder der EU-27, ergänzt durch drei große Industrienationen: USA, Großbritannien und Japan.

1.1.2 Häufigkeit von Finanzkrisen aus historischer Perspektive


Systemische Bankenkrisen sind keine seltenen Ereignisse. In einer Stichprobe großer Industrienationen ging seit dem späten 19. Jahrhundert etwa eine von vier Rezessionen mit einer systemischen Bankenkrise einher (Sufi/Taylor 2022). Abbildung 1.2 zeigt die Jahre, in denen eine Finanzkrise begann, für die Länder der EU-27 sowie USA, Großbritannien und Japan zusammengestellt aus den Informationen aus vier historischen Datenbanken (Baron et al. 2021; Jordà et al. 2017, Reinhart/Rogoff 2009b; Laeven/Valencia 2020b; ESRB 2023). Diese und ähnliche etablierte Datenbanken mit Datierungen systemischer Bankenkrisen basieren auf einer Kombination von quantitativer und narrativer Evidenz, decken die meisten der letzten Jahrzehnte für die gesamte Welt ab und reichen für ein umfangreiches Panel gar bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück. Aufgrund der gelegentlich subjektiven Einschätzungen oder unterschiedlicher Methodik weichen die Datierungen gelegentlich voneinander ab. Die Überschneidungen sind dennoch erheblich. Binäre Klassifikationen, wie sie in der Mehrheit der Datenbanken zu finden sind, abstrahieren jedoch von der unterschiedlichen Schwere der dokumentierten systemischen Bankenkrisen.

Abb. 1.2: Die Häufigkeit systemischer Bankenkrisen (Quelle: Eigene Darstellung)

Vor dem 2. Weltkrieg traten systemische Bankenkrisen im historischen Vergleich recht...

Erscheint lt. Verlag 30.4.2024
Reihe/Serie Keine Reihe
Verlagsort Freiburg
Sprache deutsch
Themenwelt Wirtschaft
Schlagworte Bankenregulierung • Bankensystem • Finanzkrisen • Finanzstabilität • Geldpolitik • Oliver Kruse • Tobias Körner
ISBN-10 3-7910-4130-4 / 3791041304
ISBN-13 978-3-7910-4130-8 / 9783791041308
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