Moderne Geldtheorie (eBook)

Essays zu Modern Monetary Theory

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023
93 Seiten
De Gruyter (Verlag)
978-3-11-119618-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Moderne Geldtheorie - Warren Mosler
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Überall muss gespart werden und Geld ist sowieso knapp - darüber scheinen sich Politiker:innen und Wissenschaftler:innen sich einig zu sein. Debatten um öffentliche Finanzen, Wirtschafts- und Geldpolitik schienen dieses Mantra immer wieder zu wiederholen. Jedoch lässt sich ganz einfach und mit Logik schnell erkennen, dass das nicht stimmt. In diesem Buch wird erklärt, was Fiat-Geld eigentlich ist, wie öffentliche Finanzen funktionieren und welche Rolle Banken darin spielen. So wird deutlich, dass im einem Fiat-Geldsystem staatliche Defizite kein finanzielles Risiko darstellen, Ausgaben nach deren realen wirtschaftlichen Nutzen und Kosten bewertet werden sollten und Steuern auf Ausgaben folgen und nicht andersherum. Darüber hinaus wird dargestellt, wie das Geld- und Finanzsystem funktioniert und genutzt werden kann, um gesellschaftliche und demokratisch legitimierte Ziele zu verfolgen.



Warren Mosler ist ein amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und Theoretiker und eine der führenden Stimmen auf dem Gebiet der modernen Geldtheorie (MMT). Gegenwärtig lebt Warren Mosler auf St. Croix auf den US-Jungferninseln, wo er die Firma Valance Co, Inc. besitzt und betreibt.

Als Unternehmer und Finanzexperte hat Warren Mosler die letzten 40 Jahre damit verbracht, sich Insiderwissen über Geldgeschäfte anzueignen. Er begann seine Karriere nach seinem Abschluss an der University of Connecticut mit einem B.A. in Wirtschaftswissenschaften im Jahr 1971 und engagierte sich stark in der akademischen Gemeinschaft, hielt Vorträge auf Konferenzen in der ganzen Welt und veröffentlichte zahlreiche Artikel in Wirtschaftszeitschriften, Zeitungen und Periodika.

Ihm wird die Erfindung des Moslerschen Gesetzes zugeschrieben, das besagt, dass es keine Finanzkrise gibt, die so tief ist, dass sie nicht durch eine ausreichend große Fiskalmaßnahme bewältigt werden kann

Vorwort


Warren Mosler ist ein Phänomen. Er ist bzw. war Banker, Investor, Konstrukteur (Rennwagen und Fähren) und Ökonom, und das meiste davon gleichzeitig. Er ist in der Lage, komplexe Phänomene zu vereinfachen und dann ohne falsche Scheu die Dinge zu vereinfachen. Dies ist ein besonderes Talent. Es gibt viele Menschen, die komplexe Phänomene verstanden haben. Es gibt einige, die sie auch erklären können. Aber es gibt nur wenige, die sie anderen so erklären können, sodass diese wiederum anderen Leute die komplexen Phänomene erklären können. Das Geldsystem ist so ein komplexes Phänomen.

Warren Mosler prägte eine Begegnung in Italien, wie er gleich zu Beginn dieses Buches erzählt. Als Banker hatte er um ein Gespräch mit Mitarbeitern der italienischen Zentralbank wie auch des italienischen Finanzministeriums gebeten. Da er für eine große amerikanische Bank arbeitete, wurde ihm dieser Wunsch erfüllt. Warren, den ich seit etwa zehn Jahren persönlich kenne, hatte einige Fragen. Die Zentralbanker fragte er, ob sie ihm für zehn Prozent ein Jahr lang italienische Lire leihen würden. Dies bejahten die Zentralbanker. Die Mitarbeiter aus dem Finanzministerium fragte er, ob er mit dem geliehenen Geld italienische Staatsanleihen mit einer Verzinsung von 12 Prozent und einer Laufzeit von einem Jahr kaufen könne. Danach fragte er beide Seiten, ob ihm dadurch 2 Prozent Gewinn geschenkt werden würde. Nach einem kurzen Schweigen wurde ihm das bestätigt.

Warum „modernes“ Geld?


Warren zog sich zurück und schrieb ein kleines Büchlein, welches Sie jetzt in den Händen halten. Es blieb aber nicht dabei. Er veröffentlichte weitere Ideen und suchte im Januar 1996 über ein message board den Kontakt zu Akademiker:innen. So traf er Randall Wray und Bill Mitchell, später andere Ökonom:innen und auch mich. Nach und nach entstand Modern Money Theory, oder auch Modern Monetary Theory (MMT). Eigentlich war beabsichtigt, Modern Money Theory zu nutzen, was auf den englischen Ökonomen John Maynard Keynes zurückgeht. Dieser schrieb im Jahr 1930 ein Buch mit dem Titel „Vom Gelde“, in welchem es auf S. 4 heißt (meine Hervorhebung):

Der Staat tritt demnach in erster Linie als die gesetzliche Gewalt auf, die die Zahlung des Gegenstandes erzwingt, der dem Namen oder der Beschreibung in dem Kontrakt entspricht. Er tritt aber mit einer doppelten Kompetenz auf, wenn er außerdem das Recht in Anspruch nimmt, zu entscheiden und zu erklären, welcher Gegenstand dem Namen entspricht und seine Erklärung von Zeit zu Zeit zu ändern, das heißt, wenn er das Recht in Anspruch nimmt, den Sprachgebrauch zu ändern. Dieses Recht wird von allen modernen Staaten in Anspruch genommen und ist zum mindesten während der letzten viertausend Jahre in Anspruch genommen worden. In diesem Stadium der Entwicklungsgeschichte des Geldes ist Knapps Chartalismus, die Lehre, dass das Geld vornehmlich eine Schöpfung des Staates ist, völlig verwirklicht.

MMT basiert auf der Einsicht, dass der Staat als „gesetzliche Gewalt“ auftritt. Er „erzwingt“ die Zahlung, indem er seine eigene Währung für Steuerzahlungen und andere Zahlungen an den Staat verlangt. Dabei hat er das Recht, „den Sprachgebrauch zu ändern“ – er darf also den Namen der Währung verändern. So darf die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland beschließen, die Deutsche Mark durch den Euro zu ersetzen zu einem Zwangskurs. Sämtliche Steuerzahlungen werden dann von DM auf € umgestellt. Keynes erkannte, dass dieses Recht von allen modernen Staaten seit der letzten 4.000 Jahre in Anspruch genommen werden wurde. Er stellt fest, dass der Chartalismus von Georg Friedrich Knapp „völlig verwirklicht“ ist.

Was ist Chartalismus?


Im Jahr 1905 veröffentlichte der deutsche Ökonom, der bereits eine Koryphäe war, Georg Friedrich Knapp ein Buch mit dem Titel „Die staatliche Theorie des Geldes“. Anlass war das österreichische Geldsystem aus dem späten 19. Jahrhundert. Die K und K Monarchie hatte einen Krieg zu viel verloren und war nicht mehr im Besitz von signifikanten Goldreserven. Nichtsdestotrotz funktionierte die österreichische Papiergeldwährung wunderbar. Nach der damals herrschenden Theorie des Metallismus sollte das aber nicht sein – schließlich hatte Geld einen „intrinsischen“ Wert. Nur die Golddeckung würde dazu führen, dass die Knappheit im Hintergrund dem Geld eine „Wert“ verleihen würde. Mit Wert war meistens die Kaufkraft gemeint, wobei diese nicht genauer spezifiziert wurde.

Ohne Gold, so der Metallismus, würde eine Geldzirkulation nicht zu bewerkstelligen sein. Papiergeld wäre „wertlos“. Knapp suchte nach einer Erklärung, um das Funktionieren der österreichischen Währung zu beschreiben. Der erste Satz seines Buches (Knapp 1905, S. 1) lautete dann:

Das Geld ist ein Geschöpf der Rechtsordnung; es ist im Laufe der Geschichte in den verschiedensten Formen aufgetreten: eine Theorie des Geldes kann daher nur rechtsgeschichtlich sein.

Dieser Satz ist ein Quantensprung. Jahrhundertelang wurde Geld aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht betrachtet. Knapp aber wählt eine rechtswissenschaftliche Sicht! Damit erzeugt er eine ganz neue Perspektive. Die Wirtschaftswissenschaft sieht Geld aus der Sicht der Nutzerinnen und Nutzer. Unternehmen benutzen Geld, um ihre Ausgaben zu tätigen: sie bezahlen Lieferanten von Energie, Rohstoffen und Vorprodukten, zahlen Löhne und Mieten sowie Zinsen und Dividenden. Das Geld muss erwirtschaftet werden. Haushalte brauchen Geld, um Konsumgüter und Kapitalgüter (Immobilien, etc.) kaufen zu können. Auch sie benutzen Geld für ihre Ziele. Das Geld zirkuliert in einem Wirtschaftskreislauf, an dem Unternehmen und Haushalte teilhaben. Allerdings werden zwei Fragen nicht befriedigend beantwortet:

  1. Wo kommt das Geld her?

  2. Warum wird es akzeptiert?

Der Chartalismus, den Warren Mosler mit seiner Theorie quasi neu erfunden hat, liefert auf diese Fragen neue Antworten. Die alten Antworten des Metallismus stellen noch immer die herrschende Meinung dar. Das Geld käme letztlich durch die Prägung von Goldmünzen in die Welt, und Papiergeld wäre immer ein Anspruch auf diese Goldmünzen mit ihrem inhärenten „Wert“. Allerdings wurde die Goldbindung des US-Dollars, an den die anderen Währungen gekoppelt waren, schon 1971 aufgelöst – das ist mehr als ein halbes Jahrhundert her. Warum sollten die Ökonomik-Lehrbücher heute von Theorien dominiert werden, die bestenfalls bis 1971 gültig waren? Nüchtern betrachtet waren sie wohl überhaupt nie gültig, denn jeder Goldstandard ist zuverlässig zusammengebrochen, sobald es zu Problemen kam. Die Goldbindung einer Währung war eine nette Option für eine Papiergeldwährung – mehr aber auch nicht.

Die damalige – und heute von der MMT widerlegte – Idee war, dass sich Staaten durch Steuern und Staatsanleihen finanzieren würden. Mit „finanzieren“ ist gemeint, dass erst Einkommen erzielt werden müssen, bevor Ausgaben getätigt werden können. Damit sind wir bei der Sicht auf das Geld aus der Perspektive von Nutzerinnen und Nutzern. Knapp aber sagt, dass das Geld vom Schöpfer des Geldes in Umlauf gebracht wird. Wenn das Geld aber ein „Geschöpf der Rechtsordnung“ ist, dann muss der Geldschöpfer der Staat sein!

Der Schöpfer des Geldes


Die Perspektive des Geldschöpfers auf das Geld ist eine völlig andere als die der Nutzerinnen und Nutzer. Haushalte brauchen Geld, weil sie konsumieren, Steuern zahlen und sparen wollen. Unternehmen wollen Gewinne machen, die sie ausschütten, zur Rückzahlung von Schulden oder Zahlung von Steuern nutzen oder in neue Investitionen stecken können. Es geht in beiden Fällen darum, zu überleben, wobei bei den Haushalten der Staat (im besten Fall) eingreift, wenn das Einkommen zu gering ist. Geld muss bei Haushalten und Unternehmen erst erwirtschaftet werden, bevor es ausgegeben werden kann. Beim Staat ist alles anders.

Der Staat ist Schöpfer des Geldes. Er braucht es also nicht zu erwirtschaften, sondern kann es einfach erzeugen. Meist macht der Staat „seine“ Zentralbank zur Schöpferin des Geldes. Sie tätigt in dessen Auftrag Zahlungen, indem sie die Guthaben von Banken erhöht. Das geschieht mithilfe des Computers – mit „Gelddrucken“ hat das in etwa so viel zu tun wie mit Goldmünzen. Geld wird also digital von der Zentralbank bzw. dem Eurosystem bereitgestellt, welches aus der Europäischen Zentralbank (EZB) und den nationalen Zentralbanken besteht. Nur diese dürfen Euros in Umlauf bringen. Geschäftsbanken hingegen erzeugen Zahlungsversprechen in Euro. Sie erzeugen ebenfalls Guthaben, welche von Unternehmen und Haushalten gehalten werden. Sie versprechen, dass sie in Höhe der Guthaben Zahlungen durchführen. Dazu sind sie allerdings auf die staatliche Infrastruktur angewiesen. (Details zur Funktionsweise des Geldsystems finden sich im Anhang dieses Buches.)

Banken brauchen Zugang zum Bargeld und auch Zugang zum deutschen Teil des Zahlungssystems TARGET2. Sie agieren also als staatliche Agenten, denn ohne staatliche Unterstützung würden wir unser Geld nicht für Zahlungen einsetzen können. Da Banken zudem stark reguliert sind und...

Erscheint lt. Verlag 21.8.2023
Co-Autor Dirk Ehnts
Übersetzer Lasse Steffens
Zusatzinfo 8 b/w ill.
Sprache deutsch
Themenwelt Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management Finanzierung
Wirtschaft Volkswirtschaftslehre
Schlagworte Geldpolitik • Jobgarantie • MMT • Modern Monetary Theory • Preisstabilität • Zentralbank
ISBN-10 3-11-119618-6 / 3111196186
ISBN-13 978-3-11-119618-3 / 9783111196183
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