New Work Dystopia (eBook)
216 Seiten
Haufe Verlag
978-3-648-16964-3 (ISBN)
Prof. Dr. Carsten C. Schermuly (habil.) ist Diplom-Psychologe, Professor für Wirtschaftspsychologie und geschäftsführender Direktor des Instituts for New Work and Coaching (INWOC) an der SRH Berlin University of Applied Sciences. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Themen Empowerment, New Work und Coaching. Er ist weiterhin als Organisationsberater und Speaker tätig. 2021 und 2023 wurde Carsten C. Schermuly vom Personalmagazin in die Gruppe der 40 führenden HR-Köpfe gewählt. Für seine Forschung wurde er mit Preisen der Henley Business School, Harvard Medical School oder dem European Journal of Work and Organizational Psychology ausgezeichnet.
Carsten C. Schermuly Prof. Dr. Carsten C. Schermuly (habil.) ist Diplom-Psychologe, Professor für Wirtschaftspsychologie und geschäftsführender Direktor des Instituts for New Work and Coaching (INWOC) an der SRH Berlin University of Applied Sciences. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Themen Empowerment, New Work und Coaching. Er ist weiterhin als Organisationsberater und Speaker tätig. 2021 und 2023 wurde Carsten C. Schermuly vom Personalmagazin in die Gruppe der 40 führenden HR-Köpfe gewählt. Für seine Forschung wurde er mit Preisen der Henley Business School, Harvard Medical School oder dem European Journal of Work and Organizational Psychology ausgezeichnet.
Vorwort: Warum die New-Work-Utopia einen teuflischen Zwilling braucht
Kürzlich fuhr ich in einem Bremerhavener Hotel mit einem Personaler im Aufzug. Wir kamen gerade von einer Tagung mit dem Titel »New Work – Unternehmen im Wandel«. Als wir in den Aufzug stiegen, bemerkte der Kollege auf einem in den Spiegel eingelassenen Bildschirm Werbung für die Hotelbar. »Krass«, sagte der Kollege vollkommen ernsthaft, »hier heißt sogar die Bar ›New Work‹«. Ich schaute auf den Bildschirm, doch da war die Werbung schon auf das Restaurant umgesprungen. Gespannte Stille im Aufzug, während ich mich fragte, ob das Hotel oder der Kollege verrückt geworden waren. Es folgte Werbung für den Spa-Bereich: »Ganzkörpermassage 60 Minuten für 79 €«, »Entwachsen Oberlippe für 9 €« und »Entwachsen Unterschenkel für 29 €«. »Anscheinend wird in dem Hotel das Entwachsen pro Quadratzentimeter abgerechnet«, dachte ich. Dann endlich, kurz vor dem Ausstieg, der erlösende Cut zur Werbung für die Hotelbar: »NEW YORK BAR – Cocktails und Drinks mit Bremerhavens bestem Blick auf den Hafen.« Das Hotel war kerngesund. Für den armen Personaler war es in letzter Zeit einfach ein bisschen zu viel New Work gewesen.
Seit über 15 Jahren beschäftige ich mich wissenschaftlich und praktisch mit den Themen »New Work« und »Empowerment«. Ich habe zu diesen Themen habilitiert und viele Unternehmen dabei begleitet, New Work und Empowerment in ihren Unternehmen zu implementieren. In den 2000ern war das Thema »New Work« ein Nischenthema. Es gab eine engagierte Szene, die sich mit den Gedanken von Frithjof Bergmann beschäftigte, aber sie war klein. Forschung wurde kaum betrieben. Doch die Welt wurde immer volatiler, komplexer und unvorhersehbarer. 2016 fasste ich meine Forschung erstmals praxisnah in meinem Buch »New Work – Gute Arbeit gestalten: Psychologisches Empowerment von Mitarbeitern« zusammen. Das Interesse an New Work stieg und Beratungen entdeckten das Thema als Goldgrube. Doch niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass ein Virus, das 500-mal kleiner als ein Haar ist, den Begriff »New Work« in den Google-Rankings und den Gehirnen von Personaler*innen so präsent machen könnte. Im November 2022 schaffte es der Begriff dann auf die Titelseite der Apothekenumschau und auf die Homepage der Tagesschau. New Work war im Mainstream angekommen.
Die Popularität des Begriffs nahm durch die Pandemie zu, doch gleichzeitig kam es zu einer Verschiebung, die ich zunächst ungläubig beobachtete. Zeitungen wie die FAZ luden zu Konferenzen ein, die behaupteten, dass New Work nun im Alltag der Deutschen angekommen sei, denn diese könnten von zu Hause aus arbeiten. Die Bitkom titelte in einer Pressemitteilung: »New Work: Die Hälfte der Deutschen arbeitet im Homeoffice«1. Das Magazin Möbelkultur schrieb: »Home und Office verschmelzen, New Work und Lifestyletrends wachsen weiter zusammen«.2 Immer mehr Architekt*innen waren bei LinkedIn auf einmal New-Work-Expert*innen. Jährlich erheben wir in unserem Institute for New Work and Coaching zusammen mit dem Personalmagazin, dem Bundesverband der Personalmanager und HRpepper Management Consultants Daten für das New-Work-Barometer. Schon 2021 verstanden fast zwei Drittel der Unternehmensvertreter*innen unter »New Work« Homeoffice. Frithjof Bergmann, der Begründer des Begriffs »New Work«, starb am 23. Mai 2021 im Alter von 90 Jahren. Er hat das hoffentlich nicht mehr registriert. Doch es kam noch schlimmer.
Der Begriff »New Work« wurde mit steigender Popularität zum »Buzzword«. Ich spreche hier gern auch von einem Containerbegriff. Container haben die Eigenheit, dass jede*r hineinwerfen und herausholen darf, was er*sie möchte. Genau das geschieht heute beim Thema »New Work«. Verhandelt der Betriebsrat mit der Geschäftsführung über eine Betriebsvereinbarung zur mobilen Arbeit, dann wird das »New Work« genannt. Möchte ein Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin Open-Space-Büros einführen, um Mietfläche zu sparen, dann nennt er oder sie das »New Work«. Will eine Trainerin Achtsamkeitskurse oder eine Unternehmensberatung agile Projektarbeit an ihre Kund*innen verkaufen, dann ist das auch New Work. Dadurch wird New Work zunehmend mikropolitisch instrumentalisiert.3 New Work ist dann das, was den eigenen Interessen nützt. Solche Container haben die Eigenschaft, dass sie nach einiger Zeit zu riechen beginnen. Dann hält man lieber Abstand. Auch der Begriff »New Work« scheint erste unangenehme Aromen zu entwickeln.
An dieser Stelle erfahren Sie deshalb, was ich unter »New Work« verstehe. Mein Verständnis ist abgeleitet aus den Gedanken von Bergmann und ich kombiniere sie mit dem psychologischen Empowermentansatz von Gretchen Spreitzer. Ich verstehe
»New Work« als Praktiken in Organisationen, die das Ziel haben, das psychologische Empowerment der Mitarbeitenden zu steigern. Psychologisches Empowerment setzt sich aus vier Wahrnehmungen der Arbeitsrolle zusammen: Bedeutsamkeit, Kompetenz, Selbstbestimmung und Einfluss.4 Menschen mit hohem Bedeutsamkeitserleben spüren Sinn in ihren täglichen Tätigkeiten. Zwischen den eigenen Werten und den Werten, die für die Arbeit notwendig sind, besteht Übereinstimmung. »Kompetenz« bezieht sich auf das Erleben von Selbstwirksamkeit bei der Arbeit. Menschen trauen sich die Fähigkeiten zu, die für ihre Arbeitstätigkeiten notwendig sind. »Selbstbestimmung« bedeutet, dass empowerte Menschen das Gefühl haben, mitentscheiden zu können, wie, wann und wo sie arbeiten. »Einfluss« bezieht sich auf das Machterleben während der Arbeit. Menschen mit hohem Einflusserleben sind überzeugt davon, dass sie etwas in ihrem Arbeitsumfeld bewirken können.5
Psychologisches Empowerment hat viele positive Konsequenzen für Arbeitgeber und Mitarbeitende, die in zahlreichen Studien belegt werden konnten.6 So steigen z. B. die Leistung und das Innovationsverhalten7 der Mitarbeitenden. Fluktuationsabsichten, Stress, Burn-out und Depressionsneigung8 sinken und gleichzeitig wachsen die Arbeitszufriedenheit, das Flow-Erleben9, die Bindung an das Unternehmen sowie die Attraktivität des Arbeitgebers10. Sogar der Renteneinstieg wird erst für einen späteren Zeitpunkt geplant, wenn Menschen sich psychologisch empowert fühlen.11 In Abbildung 2 sehen Sie, wie wir in unserem Institute for New Work and Coaching die Felder »New Work« und »Empowerment« erforschen und auf welcher Grundlage wir mit Unternehmen zusammen arbeiten.
Abb. 2: Rahmenmodell zur Erforschung und Praktizierung von New Work in Unternehmen (Schermuly, 2020)
New-Work-Praktiken führen nicht automatisch zu den gewünschten Ergebnissen wie z. B. mehr Innovationsverhalten oder weniger Stress. Sie werden psychologisch interpretiert und nur, wenn sie das psychologische Empowerment stimulieren, kommt es zu positiven Konsequenzen. Doch New-Work-Praktiken stimulieren nicht immer das Empowermenterleben. Dafür verantwortlich sind die beiden Faktoren (= Pfeile), die in der Grafik von »unten« und »oben« auf die Wirkung der New-Work-Praktiken Einfluss nehmen. Organisationsfaktoren wie z. B. die Organisationskultur verstärken oder vermindern die Wirkung. Wir konnten beispielsweise in unseren Untersuchungen zeigen, dass eine Kultur für psychologisches Empowerment hilft, dass sich Maßnahmen positiv auswirken. Doch auch Persönlichkeitsfaktoren haben laut unserer Forschung einen Einfluss. Zum Beispiel scheinen manche New-Work-Praktiken vor allem Menschen zu gefallen, die eine hohe Ausprägung von »Sensation Seeking« besitzen. Sensation Seeker sind Menschen, die viel Abwechslung und Stimulation in ihrem Leben benötigen und denen schnell langweilig wird.12
Auf der Basis dieses Modells und der Forschung in unserem Institut habe ich 2022 »New Work Utopia« veröffentlicht.13 Das Buch sollte eine Zukunftsvision einer Organisation in einer besseren Arbeitswelt sein. Eine Utopie ist ein Möglichkeitsraum und ein Gedankenexperiment, das einen Zustand beschreibt, der den gegenwärtigen Verhältnissen positiv widerspricht.14 Ich habe das fiktive Unternehmen Stärkande skizziert und dessen langen Weg zu New Work beschrieben. Die Stärkander*innen haben das Ziel, das psychologische Empowerment der Mitarbeitenden zu steigern und...
Erscheint lt. Verlag | 30.3.2023 |
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Reihe/Serie | Haufe Fachbuch |
Haufe Fachbuch | |
Verlagsort | Freiburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management |
Schlagworte | Arbeit 4.0 • Arbeitswelt • Beratung • Coaching • Dark:New Work • Digitalisierung • Dystopia • Empowerment • Fiktion • Führung • Hierarchie • Kaltenburg • Kultur • Mission • Organisation • Organisationsentwicklung • Schattenseite • Scheitern • Unternehmen • Vision • Wandek • Wandel • Wertschätzung • Zukunft |
ISBN-10 | 3-648-16964-5 / 3648169645 |
ISBN-13 | 978-3-648-16964-3 / 9783648169643 |
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Größe: 21,5 MB
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