Prolog zur 2. Auflage

»Ein friedvoller Geist ist nicht gleichbedeutend mit einem

Geist ohne Gedanken, Wahrnehmungen und Empfindungen.

Ein friedvoller Geist ist kein abwesender Geist.«

Thich Nhat Hanh

Gedanken zur 2. Auflage

Derzeit verändert sich alles rasend schnell. Es kommt mir vor, als hätte das Tempo noch einmal angezogen. Die erste Auflage dieses Buches ist fast zeitgleich mit dem ersten Lockdown 2020 erschienen. Die Ereignisse überschlagen sich seitdem und jeden Tag geschieht etwas Neues, Unerwartetes. Die Coronapandemie bringt täglich zusätzliche Unsicherheiten und Veränderungen, die unser persönliches Leben sowie die Unternehmenswelt noch mehr auf den Kopf stellen. Nun haben wir auch noch den verheerenden Krieg in der Ukraine, der zu großer globaler Angst und noch mehr Verunsicherung führt. Die Komplexität der Geschehnisse verhindert, dass ein »Durchblick«, also Klarheit überhaupt noch möglich ist. Das bedeutet VUKA in seiner wohl ausgeprägtesten Form.

Ein Zeitlang habe ich überlegt, ob ich ergänzend ein Kapitel zum Thema »Gesunde Führung in Coronazeiten« schreiben soll – mit den aus der Pandemie resultierenden Veränderungen wie Homeoffice, Führung auf Distanz, digitale gesunde Führung, Learnings daraus und was das für eine gesunde Führung in Unternehmen bedeutet. Doch nachdem ich mein eigenes Buch noch einmal intensiv studiert hatte, merkte ich, dass all das, was in diesem Buch steht, weiterhin kompatibel mit den heutigen Veränderungen ist. Es ist rund, stimmig und sogar aktueller denn je. Ich habe daher lediglich – neben einem komplett neuen Kapitel über ein weiteres wichtiges Thema – einige kleine Passagen eingeflochten, die mir aufgrund meiner in den letzten zwei Jahren gemachten Erfahrungen und erlangten Erkenntnisse sinnvoll erschienen.

Vor allem die Grundlagen – die Voraussetzungen für eine gelungene gesunde Führung in der VUKA-Welt, die Salutogenese, die menschlichen Grundbedürfnisse (siehe Kapitel 3) und auch das systemische Denken und Handeln (Kapitel 4) und die Erkenntnisse der Neurowissenschaften als Fundament der gesunden Führung – sind so wichtig in der heutigen Zeit, dass sie als Basis und Grundfeste weiterhin unerlässlich und äußerst hilfreich sind. Sich damit zu befassen ist noch wichtiger geworden, als es eh schon war.

Zudem trägt Kapitel 5 mit all seinen Ausführungen zur (Selbst-)Wertschätzung bedeutend dazu bei, jede:n einzelne:n Leser:in zu stärken und ihr:ihm eindeutig bewusst zu machen, dass die gesunde Selbstführung und damit das körperliche und psychische Wohl(be)finden vor allem in den Händen eines jeden Menschen selbst liegt. Selbstverantwortung und damit auch die Selbstgestaltung gehen Hand in Hand. Der »Kern« sind wir: Wir konstruieren uns unsere Lebenswirklichkeit, auch in extrem schwierigen Situationen und Zeiten. Der von mir formulierte Satz: »Es gibt keine gesunde Mitarbeitendenführung, sondern nur eine gesunde Selbstführung und deren Wechselwirkung« trifft auf alle in Unternehmen agierenden Führungskräfte zu – und das ist es, was gerade jetzt, im Jahr 2022, und in der Zukunft noch viel wichtiger wird als je zuvor. Diese Verantwortung darf gesehen, übernommen und täglich gelebt werden.

Ich kann den oben zitierten Satz auch an alle Mitarbeitenden richten. Etwa so: »Es gibt nur eine gesunde Selbstführung, die in jedem Fall auf alle und alles, was geschieht, eine Auswirkung hat – ob Führungskraft oder nicht.« Jeder Mensch, ausgehend von sich selbst als Ursprung des Geschehens, ist immer auch am Wohlergehen anderer beteiligt – das ist eine Tatsache und dem kann sich niemand entziehen.

Die Verbindung zu mir selbst schaffen

Die akute mentale und körperliche Erschöpfung zahlreicher Menschen hat schwerwiegende Konsequenzen und wirkt sich seit dem ersten Lockdown 2020 in allen Lebensbereichen, d. h. nicht nur im organisationellen Kontext, deutlich stärker aus.

Laut der NAKO Gesundheitsstudie (ehemals Nationale Kohorte), Deutschlands größter Kohortenstudie, bei der seit Oktober 2014 200.000 Menschen zwischen 20 und 69 Jahren medizinisch untersucht und zu ihren Lebensbedingungen befragt werden, hat sich durch einen Zusatzfragebogen (114.000 Befragte, von Ende April bis Ende Mai 2020), der den Fokus auf den Gesundheitszustand, die Sozialkontakte und die möglichen psychosozialen Auswirkungen der verhängten Einschränkungen legte, ergeben, dass die Menschen häufiger unter Symptomen von Angst, Stress und Depressionen litten (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2020). Die Anzahl der psychischen und auch körperlichen Erkrankungen ist seitdem weiter gestiegen, vor allem auch bei jungen Menschen. Es ist wichtig, dieses Thema aufzugreifen und hinzuschauen bzw. dort anzusetzen.

Hilfreiche Erkenntnisse und ganzheitliche Lösungsansätze bietet dazu u. a. Dr. Michael Nehls in seinem in diesem Jahr erschienenen Buch »Das erschöpfte Gehirn. Der Ursprung unserer mentalen Energie – und warum sie schwindet«. Er schreibt über die Bedeutung dessen, was geschieht, wenn unser »Akku leer« ist. Für dieses allgemein bekannte Phänomen gibt es sogar einen wissenschaftlichen Begriff, nämlich »Ego-Depletion« (Nehls, 2022, S. 25). Es ist wichtig zu erkennen, dass uns täglich nur eine begrenzte und daher sich erschöpfende Menge an mentaler Energie zur Verfügung steht, und darauf zu reagieren. Ist diese Energie aufgebraucht, kommt es zu einem akuten Verlust der Geisteskraft und zur Erschöpfung auf allen Ebenen, auch der körperlichen.

Die Verbindung zu uns selbst und unseren Bedürfnissen und die damit verbundene eigene Stärkung erzeugt eine Wechselwirkung in uns selbst und bei jedem einzelnen Menschen, der mit uns in Kontakt tritt. Dies wird durch unsere Haltung und unser Wirken im Außen erlebbar, also auch sicht- und fühlbar.

Diese Themenbereiche sind es, die mich aktuell mehr denn je bewegen und umtreiben. Es gibt Jahr für Jahr eine ansteigende Zahl an wissenschaftlichen Studien aus den verschiedensten Fachbereichen, die bestätigen, dass wir endlich anfangen müssen, den Fokus auf unsere Gesundheit und unser Wohl(be)finden zu legen, um damit auch in unserem Umfeld bestmöglich wirken zu können. Viele davon habe ich hier in diesem Buch, in der 1. Auflage, schon erwähnt, und es gibt weitere »alte« und »neue« Erkenntnisse, die meine Ausführungen dazu untermauern.

Friederike Fabritius zum Beispiel schreibt in ihrem 2021 erschienenen Buch »Neurohacks. Gehirngerecht und glücklicher arbeiten« dazu:

Meditation erhöht Ihr Energielevel

Diese gerade genannten Erkenntnisse und zahlreiche weitere wichtige Zusammenhänge, die ich weiter unten in Kapitel 5.4 »Gesunde Führung in der VUKA-Welt« beschreibe, sind immer und vor allem jetzt, in diesen Zeiten, extrem beachtenswert. Unser Energielevel ist entscheidend dafür, ob wir unsere wahre Persönlichkeit bzw. unser Potenzial »er-leben« können und körperlich wie geistig gesund bleiben. Deshalb möchte ich in der 2. Auflage meines Buches – im Verlauf von Kapitel 5.4.5 – meine Aufmerksamkeit in besonderem Maße der Meditation widmen, die es uns u. a. ermöglichen kann, (wieder) in eine gesunde Verbindung zu uns selbst zu kommen und unser Energielevel zu erhöhen. Es ist u. a. möglich, dass wir in stressigen Zeiten durch eine regelmäßige Meditationspraxis besser mit unseren (negativen) Emotionen umgehen können.

Als Folge von all dem vorher Genannten und vielen weiteren positiven Aspekten der Meditation erzeugen wir zudem hilfreiche Wechselwirkungen, die uns in allen Lebenslagen unterstützen – sowohl als Führungskraft als auch in weiteren beruflichen und persönlichen Kontexten –, sodass wir ein glückliches und gesundes Leben führen können.

Dem Thema Meditation wird vor allem in Unternehmenskontexten immer noch nicht die Aufmerksamkeit zuteil, die es verdient hat und die es meines Erachtens haben sollte. Das ist erstaunlich,...