Handbuch Solvabilität (eBook)
403 Seiten
Schäffer-Poeschel Verlag
978-3-7910-4967-0 (ISBN)
Thorsten Gendrisch ist Geschäftsführender Partner der 1 PLUS i GmbH und tätig als Berater uns Seminartrainer für Kreditinstitute in den Bereichen Risikomanagement, Marktpreisrisikomessung und Aufsichtsrecht.
Thorsten Gendrisch Thorsten Gendrisch ist Geschäftsführender Partner der 1 PLUS i GmbH und tätig als Berater uns Seminartrainer für Kreditinstitute in den Bereichen Risikomanagement, Marktpreisrisikomessung und Aufsichtsrecht. Ronny Hahn Ronny Hahn ist Geschäftsführender Partner der 1 PLUS i GmbH und tätig als Berater und Seminartrainer für Kreditinstitute in den Bereichen Risikomanagement, Kreditrisikomessung und Aufsichtsrecht. Jochen Klement Jochen Klement ist geschäftsführender Partner der 1 PLUS i GmbH und tätig als Berater und Seminartrainer für Kreditinstitute und größerer Corporates in den Bereichen Risikomanagement, Kreditrisikomessung und Aufsichtsrecht.
1 Aufsichtliche Konsolidierung nach CRR und KWG
Von Francesco Capasso
1.1 Einleitung
Nachdem die Beaufsichtigung von Kreditinstituten in Deutschland über viele Jahrzehnte auf Ebene der Einzelinstitute stattfand, wurden durch die Umsetzung der 3. KWG-Novelle im Jahr 1984 erstmalig Regelungen zur Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis eingeführt. Hierdurch sollte insbesondere verhindert werden, dass die Institute die durch die Mindesteigenmittelanforderungen bestehende Limitierung der Kreditvergabe durch die Gründung von Tochtergesellschaften und den Aufbau von sog. Kreditpyramiden1 umgehen konnten.2
Die Regelungen zur aufsichtlichen Konsolidierung wurden in der Folge immer wieder angepasst und weiterentwickelt, um den Spielraum zur aufsichtlichen Arbitrage zu reduzieren und die Regelungen für europäische Institute zu vereinheitlichen. Durch die Aufnahme der Regelungen zur aufsichtlichen Konsolidierung in die CRR3, die seit 2014 für alle Institute in der EU unmittelbar anwendbar ist, wurden die grundlegenden Anforderungen an die Konsolidierung erstmals für alle Institute EU-weit einheitlich geregelt. Im Rahmen der Umsetzung der im Juni 2019 in Kraft getretenen CRR II4 erfahren die Regelungen zur aufsichtlichen Konsolidierung weitere wesentliche Anpassungen.
Der vorliegende Artikel soll dazu dienen, einen Überblick über die bestehende Rechtslage in Bezug auf die wesentlichen Regelungen der aufsichtlichen Konsolidierung zu geben und die wesentlichen Neuerungen durch die Einführung der CRR II darzustellen.
Hierzu wird in Abschnitt 1.2 zunächst erörtert, welche Anforderungen die Institute auf Einzelinstituts- bzw. konsolidierter Ebene zu erfüllen haben. In Abschnitt 1.3 erfolgt eine Darstellung der nach derzeitiger Rechtslage wesentlichen Regelungen, Begrifflichkeiten und Verfahren der aufsichtlichen Konsolidierung. Der darauffolgende Abschnitt 1.4 befasst sich mit den wesentlichen Neuerungen der CRR II.
1.2 Anwendungsebenen der CRR
Grundsätzlich haben Institute5 gem. Art. 6 (1) CRR die Anforderungen der Teile 2 (Eigenmittel), 3 (Eigenmittelanforderungen) und 4 (Großkredite) sowie 8 (Offenlegung) CRR auf Einzelinstitutsebene einzuhalten.6 Darüber hinaus gilt für Kreditinstitute sowie bestimmte Wertpapierfirmen, dass sie die Anforderungen der Teile 6 (Liquidität) und 7 (Verschuldung) CRR ebenfalls auf Einzelebene zu erfüllen haben.7 Allerdings können die Institute unter bestimmten Voraussetzungen und nach Genehmigung durch die zuständigen Aufsichtsbehörden (teilweise) von der Anwendung auf Einzelinstitutsebene ausgenommen werden (sog. »Waiver«). Grundvoraussetzung für die Gewährung eines Waivers ist die Beaufsichtigung auf konsolidierter Ebene.8 Institute, die Teil einer Instituts- oder Finanzholdinggruppe sind, sind gem. Art. 6 (3) CRR grundsätzlich von der Anwendung der Offenlegungsanforderungen auf Einzelinstitutsebene befreit. Somit hat die Offenlegung gem. Art. 13 (1) CRR grundsätzlich auf konsolidierter Ebene zu erfolgen, wobei große Tochterunternehmen bestimmte Informationen auch auf Einzelinstitutsebene darzulegen haben.
Zusätzlich zu den Anforderungen auf Einzelinstitutsebene haben Mutterinstitute bzw. Institute, die von einer Mutterfinanzholdinggesellschaft kontrolliert werden, gem. Art. 11 (1) bzw. (2) CRR die Anforderungen der Teile 2 bis 4 sowie 7 darüber hinaus auf »Basis der konsolidierten Lage« zu erfüllen. Eine vergleichbare Regelung ergibt sich gem. Art. 11 (3) CRR hinsichtlich der gruppenweiten Einhaltung der Liquiditätsanforderungen des Teils 6 CRR. Dies bildet die Grundlage für die Verpflichtung zur aufsichtsrechtlichen Konsolidierung, auf die im nachfolgenden Abschnitt näher eingegangen wird.
1.3 Methoden, Verfahren und Begrifflichkeiten der aufsichtlichen Konsolidierung
1.3.1 Allgemein
Während Art. 11 CRR festlegt, dass Institute und Finanzholdinggruppen bestimmte Regelungen der CRR zusätzlich zur Einhaltung auf Einzelinstitutsebene auch auf »Basis der konsolidierten Lage« zu erfüllen haben, verweist der Artikel bzgl. »des vorgesehenen Umfangs« und der »vorgesehenen Weise« der konsolidierten Lage auf die Regelungen des Art. 18 CRR. Dieser bildet die wesentliche Grundlage für die Festlegung der in die Konsolidierung einzubeziehenden Unternehmen sowie die in verschiedenen Konstellationen von Kapitalbeziehungen und anderen Verflechtungen vorgegebenen Methoden der Konsolidierung. Art. 18 CRR enthält jedoch keine konkreten Regelungen bezüglich der anzuwendenden Konsolidierungsverfahren und delegiert für einige Konstellationen die Festlegung der Konsolidierungsmethoden an die zuständigen Behörden. Vor diesem Hintergrund werden die europarechtlichen Regelungen für deutsche Institute durch § 10a KWG ergänzt und konkretisiert.
Der vorliegende Abschnitt des Artikels soll dazu dienen, das Zusammenspiel von CRR und KWG zu erläutern, einen Überblick über die im Rahmen der aufsichtlichen Konsolidierung in Deutschland relevantesten Begrifflichkeiten zu geben und die für deutsche Institute relevanten Konsolidierungsmethoden9, -verfahren10 und -sachverhalte11 darzustellen.
1.3.2 Aufsichtlicher Konsolidierungskreis
Anders als im Rahmen der Konsolidierung für Zwecke der Konzernrechnungslegung sind für die Bestimmung, ob ein Unternehmen für aufsichtliche Zwecke zu konsolidieren ist, nicht allein die Beteiligungs- oder Stimmrechtsverhältnisse bzw. die Möglichkeit der Ausübung von Kontrolle von Bedeutung, sondern zusätzlich auch die ausgeübte Tätigkeit der Unternehmen. Somit unterscheidet sich der sog. »aufsichtliche Konsolidierungskreis«12 konzeptionell vom handelsrechtlichen Konsolidierungskreis, da nur bestimmte Unternehmen einer Gruppe im Rahmen der aufsichtlichen Konsolidierung zu berücksichtigen sind. Die maßgebliche Regelung zur Bestimmung der Unternehmen des aufsichtlichen Konsolidierungskreises ist Art. 18 CRR. Die verschiedenen dort
genannten Konsolidierungssachverhalte betreffen grundsätzlich nur Institute, Finanzinstitute13, Anbieter von Nebendienstleistungen14 sowie Vermögensverwaltungsgesellschaften (nachfolgend als »Unternehmen des Bankensektors«15 bezeichnet). Unternehmen, die nicht Unternehmen des Bankensektors sind (auch als »sonstige Unternehmen« bezeichnet), sind nach derzeitiger Rechtslage – unabhängig von der Beteiligungshöhe – aufsichtlich nicht zu konsolidieren.16
Wie eingangs erwähnt werden die Regelungen der CRR zur aufsichtlichen Konsolidierung in Deutschland durch § 10a KWG ergänzt und konkretisiert. Dabei werden in Fortführung der Vorgängerregelungen des KWG eigene Begrifflichkeiten in Bezug auf die Konsolidierung geprägt, die im Nachfolgenden kurz dargestellt werden sollen.
Der Begriff der Gruppe umfasst gem. § 10a (1) S. 1 KWG Institutsgruppen, Finanzholdinggruppen sowie gemischte Finanzholdinggruppen. Eine Gruppe besteht demgemäß jeweils aus einem übergeordneten und einem oder mehreren nachgeordneten Unternehmen.17
Übergeordnete Unternehmen sind gem. § 10a (1) S. 3 KWG CRR-Institute18, die gem. Art. 11 CRR bzw. § 1a KWG19 i. V. m. Art. 11 die Konsolidierung vorzunehmen haben. In § 10a (2) KWG wird geregelt, welches Institut als übergeordnetes Unternehmen einer (gemischten) Finanzholdinggruppe gilt, wenn einer (gemischten) Finanzholdinggesellschaft mehr als ein inländisches Institut nachgeordnet ist. In der Regel ist dies das Institut mit der höchsten Bilanzsumme, wobei die BaFin auf Antrag ein anderes Institut oder die Finanzholdinggesellschaft selbst als übergeordnetes Unternehmen bestimmen kann.
Nachgeordnete Unternehmen sind gem. § 10a (1) S. 3 KWG »Unternehmen, die nach Art. 18 CRR zu konsolidieren sind oder freiwillig konsolidiert20 werden«. Dies umfasst somit Unternehmen des Bankensektors, die aufgrund eines in Art. 18 CRR genannten Sachverhalts aufsichtlich zu konsolidieren sind.
1.3.3 Konsolidierungsmethoden und -verfahren
Dieser Abschnitt gibt zunächst einen Überblick über die im...
Erscheint lt. Verlag | 29.6.2020 |
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Verlagsort | Freiburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft |
Schlagworte | Bankaufsicht • Banken • Bankenaufsicht • Bankenregulierung • Basel III • Capital Requirements Regulation • Capital Requirements Regulation II • CRD IV • Credit Requirements Directive • Derivate • Eigenkapital • Eigenkapitalunterlegung • Eigenmittel • Fin Techs • Großkredite • Kapitalanforderungen • Kontrahentenrisiken • Kreditderivate • Kreditinstitute • Kreditrisiko • Kreditrisikominderung • Leverage • Liquidität • Liquiditätsrisiko • Liquiditätsrisikomanagement • Marktrisiko • Risikomanagement • Ronny Hahn • Solvabilität • SolvabilitätsV • Solvabilitätsverordnung • Thorsten Gendrisch • Verbriefung • Walter Gruber |
ISBN-10 | 3-7910-4967-4 / 3791049674 |
ISBN-13 | 978-3-7910-4967-0 / 9783791049670 |
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