Methodenfragen der Wirtschaftsgeschichtsschreibung -  Michael Weischede

Methodenfragen der Wirtschaftsgeschichtsschreibung (eBook)

Werner Sombart und Douglass C. North
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
120 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7431-6057-6 (ISBN)
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Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um die überarbeitete Fassung der Ende der Neunzigerjahre an der Ruhruniversität Bochum eingereichten Magisterarbeit "Sombart und North - Methodenfragen der Wirtschaftsgeschichtsschreibung zwischen neuer und alter Wirtschaftsgeschichte". Die Analyse ihrer wirtschaftstheoretischen Modelle zeigt, dass diese selbst erst ein Ergebnis der funktionalen Differenzierung der Gesellschaft in der Moderne darstellen. Angewandt auf die alteuropäische Wirklichkeit mit ihrer unlösbaren Verschränkung ökonomischer, sozialer und politischer Momente führen sie zu verzerrenden Ergebnissen oder zu Tautologien. Ungeachtet dessen beinhalten ihre Arbeiten etliche anregende Gedanken, die eine Beschäftigung mit ihnen auch heute noch lohnend machen.

Der Autor Michael Weischede ist studierter Historiker und arbeitet zurzeit als freier Redakteur und Schriftsteller in Dortmund.

WERNER SOMBART


Eine kurze Einführung


Werner Sombart wurde am 19. Januar 1863 in Ermsleben als dritter Sohn des Ehepaars Clementine, geborene Liebelt, und Anton Ludwig Sombart geboren. Er erhielt bis 1875 Privatunterricht, danach besuchte er das Wilhelmgymnasium in Berlin und später das Gymnasium in Schleusingen, an dem er 1882 das Reifezeugnis erlangte.184 Nach dem Abitur begann er das Studium der Jurisprudenz in Pisa, welches er nach zwei Semestern in Berlin fortsetzte, wo er 1885 das erste juristische Staatsexamen ablegte. Daneben studierte er in Berlin und Rom Staats- und Wirtschaftswissenschaften, Geschichte und Philosophie.185 Während seiner Studienzeit belegte er unter anderem Seminare bei Adolph Wagner und Gustav Schmoller, bei dem er 1888 auch promovierte.186

Von 1888 bis 1890 war Sombart Syndikus der Handelskammer in Bremen, von 1890 bis 1906 hatte er ein außerordentliches Ordinariat der staatswissenschaftlichen Fakultät an der Universität in Breslau inne, von 1906 bis 1917 war er Professor an der Handelshochschule in Berlin und von 1917 bis 1931 Professor an der Universität Berlin.187

Sombart verfolgte außerdem eine Reihe von publizistischen, öffentlichen und gesellschaftlichen Tätigkeiten. Seit 1892 war er Vorstand im Verein für Sozialpolitik; 1896 wurde er in das Breslauer Stadtparlament gewählt; 1901 wurde er Vorsitzender im Verein für soziale Reform;188 1904 gründete er zusammen mit Edgar Jaffé und Max Weber das Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik;189 er war Mitbegründer des 1905 gegründeten „Bund für Mutterschutz“; seit 1907 war er Herausgeber des „Morgen“, Wochenzeitschrift für deutsche Kultur;190 er gehörte zum Rat der 1909 von ihm mitbegründeten Deutschen Gesellschaft für Soziologie; seit 1932 war er Vorsitzender des Vereins für Sozialpolitik und seit 1933 auch Mitglied der preußischen Akademie der Wissenschaften.191 Am 18. Mai 1941 starb Werner Sombart im Alter von 78 Jahren in Berlin.192

Sombart gehörte zu den sozial und intellektuell zentralen Figuren der frühen deutschen Soziologie,193 zu deren Gründungsvätern er neben Max Weber, Ferdinand Tönnies, Robert Michels und Georg Simmel gezählt wird.194 Obwohl er selbst der Meinung war, dass seine Arbeiten missverstanden und unbeachtet geblieben sind195 – am Ende seines Lebens sah er seine wissenschaftlichen Bemühungen als gescheitert an196 – hatten Sombarts Hauptwerke doch eine große Resonanz, was deren Auflagenzahlen bestätigen.197 In Italien wurden die Werke Sombarts sehr intensiv besprochen198 und auch in Amerika wurden sie von namhaften Wissenschaftlern rezensiert.199 M. J. Plotnik verfasste sogar ein eigenständiges Werk, um dem englisch sprechenden Publikum die Ideen der Sombartschen Nationalökonomie näherzubringen,200 welche dort aber aufgrund seiner idealistischen deutsch-konservativen Haltung und seiner Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut zumeist auf Ablehnung stießen.201

Richtig ist allerdings, dass sich sein Gesamtwerk trotz Anerkennung in der Fachwelt wissenschaftlich nicht hat durchsetzen können. 202 Letztlich blieb er Einzelgänger, wahrscheinlich nicht zuletzt wegen seiner Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich.203 Eine eigene wissenschaftliche Schule konnte er nicht gründen.204 Er unterstützte Max Weber im Werturteilsstreit, 205 bot dann in Einzelfragen aber Problemlösungen an, die dem Weberschen Ideal der „wissenschaftlichen Objektivität“ in keinster Weise entsprachen.206

Schon seit seiner Kindheit hatte Sombart starke künstlerisch-ästhetische Neigungen, welche in seinen Werken auch immer zum Ausdruck kamen.207 Seine dadurch geprägte Arbeitsweise – lockerer Umgang mit den Quellen, das Ignorieren von Unstimmigkeiten, skizzieren anstelle zu analysieren – wurde zumeist verurteilt;208 sein Bemühen ästhetisch zu sein und seine l`art-pour-l`art-Auffassung fanden nur wenig Resonanz.209 Mit zunehmendem Alter fand Sombart Gefallen daran, dem Neuen den Vorzug vor der Wahrheit zu geben,210 oder in seinen eigenen Worten:

„Und es kommt gar nicht so sehr darauf an, dass diese Theorien ‚richtig’ sind. Ich zweifle nicht, dass die Feststellungen v. Belows alle viel ‚richtiger’ sind als die Bücherschen. Aber mit der bloßen ‚Richtigkeit’ lockt man keinen Hund vom Ofen. Neu müssen Ideen sein oder wenigstens als solche erscheinen.“211

Nachdem sich Sombart in den Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts als eine der wenigen Ausnahmen unter den bürgerlichen Intellektuellen212 mit den Werken von Marx beschäftigt hatte,213 wurde er von konservativer Seite schon früh als Sozialdemokrat betrachtet.214 Sein im ersten Weltkrieg erschienenes Werk „Händler und Helden“ 215 gilt dagegen als Paradebeispiel für die von den deutschen Gelehrten betriebene Kriegsagitation im ersten Weltkrieg.216 Und auch sein 1924 aufgelegter „Proletarischer Sozialismus“217, das Standardwerk aller Gegner des Marxismus und des liberalen Kapitalismus,218 zeigt, dass Sombart seit dem ersten Weltkrieg eine deutsch-nationale und anti-westliche Gesinnung vertrat.219

Dieser Gesinnungswechsel Sombarts muss meines Erachtens im Zusammenhang mit der Ideologie des deutschen Sonderwegs verstanden werden, welche die deutschen Historiker im anti-liberalen und antiwestlichen Konsens vereinte.220 Seine nationalistische Glorifizierung des Heldentums und der Gemeinschaft führte ihn schließlich sogar in die Nähe des Nationalsozialismus.221 Nicht wenige Kritiker meinen deshalb, dass er wie viele andere Konservative Hitler den Weg geebnet habe.222

Letztlich könne Sombart als Paradebeispiel für diejenigen deutschen Soziologen gelten, welche aufgrund ihres Herkunftsmilieus und ihrer akademischen Sozialisation unfähig waren, die kulturellen, politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungsprozesse in Deutschland zu begreifen und so dem zur Herrschaft kommenden Nationalsozialismus hilflos bis anfällig gegenüberstanden.223

Der Aufbau von „Der moderne Kapitalismus“


Die erste Auflage des „Modernen Kapitalismus“, der wichtigsten und umfangreichsten Arbeit von Werner Sombart, bestand in ihrem Erscheinungsjahr 1902 aus zwei Bänden mit jeweils fast siebenhundert Seiten. Vierzehn Jahre später, 1916, erschien dann die völlig überarbeitete224 zweite Auflage des „Modernen Kapitalismus“, unterteilt in zwei Bände mit jeweils zwei Halbbänden. 1927 folgte ein dritter Band, auch wieder in zwei Halbbänden herausgegeben.225 Jeder dieser drei Bände umfasst ungefähr eintausend Seiten. Die ungeheure Fülle des verarbeiteten Stoffes ist mehr als eindrucksvoll. Ich will an dieser Stelle deshalb gar nicht erst versuchen, sie inhaltlich zusammenzufassen. Wahrscheinlich wäre es leichter, alle Themen aufzuführen, die Sombart nicht untersucht hat. Stimmen wir also einfach Edgar Salin zu, wenn er schreibt:

„Gäben der Reichtum des verarbeiteten Stoffes und die Fülle funkelnder Gedanken allein den Ausschlag für die Beurteilung eines solchen Werkes, so könnte kein Zweifel sein, dass Sombarts Leistung zu den gigantischsten aller Zeiten gerechnet werden müsste.“226

Im Folgenden sollen deshalb nur diejenigen Gesichtspunkte seiner Werke untersucht werden, die einen Beitrag hinsichtlich der Methodenfragen in der Wirtschaftsgeschichte leisten.

Wirtschaft


Sombart versteht unter dem Begriff Wirtschaft den Bereich der menschlichen Tätigkeiten und Einrichtungen, der sich auf die Unterhaltsfürsorge erstreckt.227 Als Theorie sei sie für ihn Wirtschaftssoziologie und damit Teil der Nationalökonomie. Drei Arten von Ideen würden dabei das System der Wirtschaftssoziologie begründen: die Grundidee, die Gestaltidee und die Arbeitsidee.228

Die Grundidee bestimme und begrenze die jeweiligen Sphären der Kultur. Für die Wirtschaftssoziologie sei die inhaltsbestimmende und abgrenzende Idee die der Wirtschaft in dem oben bestimmten Sinne. Sie umfasse drei Bestandteile:

  • Die Wirtschaftsgesinnung, also Zwecksetzungen, Beweggründe und Verhaltensregeln von Menschen.
  • Geordnetheit, das heißt die Form des Wirtschaftslebens, ihre Institutionen.
  • Die Technik, den Stoff des wirtschaftlichen Handelns.229

Eine Grundidee reiche aber nicht aus, um eine Wissenschaft zu begründen, sondern es sei auch notwendig, ihr ein System zu geben.

„Die Idee der Wirtschaft ist ein raum- und zeitloser Vernunftbegriff: sie erfasst ungestalteten Geist. Nun...

Erscheint lt. Verlag 27.3.2017
Sprache deutsch
Themenwelt Wirtschaft
ISBN-10 3-7431-6057-9 / 3743160579
ISBN-13 978-3-7431-6057-6 / 9783743160576
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