Wie viele Sklaven halten Sie?

Spiegel-Bestseller
Über Globalisierung und Moral

***

(Autor)

Buch | Softcover
224 Seiten
2016
Campus (Verlag)
978-3-593-50543-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wie viele Sklaven halten Sie? - Evi Hartmann
20,00 inkl. MwSt
Moral lässt sich nicht outsourcen!

Wenn Sie Kleidung tragen, Nahrung zu sich nehmen, ein Auto fahren oder ein Smartphone haben, arbeiten derzeit ungefähr 60 Sklaven für Sie und mich. Ob wir wollen oder nicht. Und ohne dass wir das veranlasst hätten. Wie fühlen Sie sich damit? Dies fragt BWL-Professorin Evi Hartmann und meint es nicht rhetorisch!

Unsere Wirtschaft macht uns alle zu Sklavenhaltern - das führt uns jedes Drei-Euro-T-Shirt und jede Reportage über die Sweatshops in der Dritten Welt vor Augen. Dennoch machen wir weiter mit. Wir können die Globalisierung nicht abschaffen, auch können wir die Spielregeln nicht ändern. Doch wir können anders spielen, zeigt die Expertin für globale Netzwerke.

Evi Hartmanns Buch ...

- ... zeigt: Menschen werden ausgepresst, Preise immer stärker gedrückt. Die Fabrikarbeiterinnen in den Sweatshops verlieren Gesundheit und Leben und wir unsere moralischen Grundsätze, intakte Umwelt und Weltklima. Wir wissen das und wir machen trotzdem alle immer weiter mit - als Unternehmer, Manager, Professoren, Lehrer, Konsumenten.

- ... ist weit mehr als eine kritische Analyse.

- ... ist ein Wegweiser, wie Fairplay in der Globalisierung funktioniert - aufgezeichnet von einer BWL-Professorin und vierfachen Mutter.

- ... ist drastisch, originell und aus dem persönlichen und unternehmerischen Alltag gegriffen. Ihr Fazit: Fairplay ist möglich, jeden Tag neu!

- ....ist die persönlichste Globalisierungskritik, die Sie je gelesen haben.

- ... ist keine Aufforderung, die Globalisierung abzuschaffen.

- ... bietet eine Anleitung zum kritischen Denken und pragmatischen Handeln.
Moral lässt sich nicht outsourcen!

Wenn Sie Kleidung tragen, Nahrung zu sich nehmen, ein Auto fahren oder ein Smartphone haben, arbeiten derzeit ungefähr 60 Sklaven für Sie und mich. Ob wir wollen oder nicht. Und ohne dass wir das veranlasst hätten. Wie fühlen Sie sich damit? Dies fragt BWL-Professorin Evi Hartmann und meint es nicht rhetorisch!

Unsere Wirtschaft macht uns alle zu Sklavenhaltern - das führt uns jedes Drei-Euro-T-Shirt und jede Reportage über die Sweatshops in der Dritten Welt vor Augen. Dennoch machen wir weiter mit. Wir können die Globalisierung nicht abschaffen, auch können wir die Spielregeln nicht ändern. Doch wir können anders spielen, zeigt die Expertin für globale Netzwerke.

Evi Hartmanns Buch...

  • zeigt: Menschen werden ausgepresst, Preise immer stärker gedrückt. Die Fabrikarbeiterinnen in den Sweatshops verlieren Gesundheit und Leben und wir unsere moralischen Grundsätze, intakte Umwelt und Weltklima. Wir wissen das und wir machen trotzdem alle immer weiter mit - als Unternehmer, Manager, Professoren, Lehrer, Konsumenten.
  • ist weit mehr als eine kritische Analyse.
  • ist ein Wegweiser, wie Fairplay in der Globalisierung funktioniert - aufgezeichnet von einer BWL-Professorin und vierfachen Mutter.
  • ist drastisch, originell und aus dem persönlichen und unternehmerischen Alltag gegriffen. Ihr Fazit: Fairplay ist möglich, jeden Tag neu!
  • ist die persönlichste Globalisierungskritik, die Sie je gelesen haben.
  • ist keine Aufforderung, die Globalisierung abzuschaffen.
  • bietet eine Anleitung zum kritischen Denken und pragmatischen Handeln.

Evi Hartmann ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Supply Chain Management, an der Universität Erlangen-Nürnberg. Die Mutter von vier Kindern forscht und lehrt an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft und ist Mitglied im Netzwerk Generation CEO für Frauen in Führungspositionen. Sie schreibt den Blog "Welt bewegend".

Inhalt

Vorwort: Vom Elefanten in unserem Wohnzimmer 7

1 Das Spiel, bei dem wir alle verlieren 13

2 Kinderarbeit ist unmoralisch, oder? 37

3 Wer ist schuld an der Unmoral? 63

4 Zum "Sklavenhalter" wird man nicht geboren, sondern gemacht 91

5 Wer zu faul ist für Moral, kriegt den Nudge 113

6 Das groºe Globalisierungsspiel: Wir gewinnen mit gezinkten Karten 153

7 Wie lange wollen Sie noch Sklavenhalter sein? 185

Ein Wunsch statt eines Nachworts 219

Mit Dank 223

»Hartmann setzt sich nicht nur minutiös mit den Befindlichkeiten unserer Gesellschaft auseinander, sie erarbeitet auch Lösungsmöglichkeiten hin zu einer moralischeren Welt.«, Terre des femmes, 24.05.2016»Evi Hartmann schildert locker, drastisch und ohne Umschweife das Dilemma zwischen Moral und Moneten.«, ZE!TPUNKT, 15.03.2016»Evi Hartmann geht dahin, wo es weh tut. Chancen und Gefahren der Globalisierung wurden selten besser erklärt.«, boerse.de-Aktiendaily, 19.02.2016»Ein provozierendes und lesenswertes Buch.« Renate Faerber-Husemann, Vorwärts, 01.03.2016Der Gedanke ist nicht neu, aber die Umsetzung - und das mach 'Wie viele Sklaven halten Sie?' zu einem der wertvollsten Bücher dieses Frühjahrs.« Thorsten Giersch, Handelsblatt, 30.06.2016»Das Werk von Hartmann bietet [...] eine Anleitung zum kritischen Denken und pragmatischen Handeln.«, Beschaffung aktuell, 01.08.2016»Für alle Ökonomie-Studenten eine Pflichtlektüre. Es ist zudem wünschenswert, dass in ökonomische Studiengänge das Thema Moral mehr Platz eingeräumt wird.« Carola Rinker, steuernblog.com, 10.08.2016»Die Autorin Evi Hartmann zeigt - drastisch und originell - dass Fairplay möglich ist.« Corinna Nohn, Handelsblatt, 01.07.2016»Das Buch fasst zusammen, was diejenigen, die sich schon mit fairem Handel und menschlichen Produktionsbedingungen beschäftigt haben, längst wissen: Es liegt in unserer Hand, dass Menschen in anderen Regionen der Welt nicht für unseren Konsum ausgebeutet werden.«, nordbayern.de, 17.03.2016»'Wie viele Sklaven halten Sie?' von Evi Hartmann ist ein Buch für alle, denen das Schicksal der Menschen am anderen Ende der Welt nicht am Arsch vorbei geht.« Damian Sicking, Roter Reiter, 04.03.2016»Die große Moral erwächst aus der Praxis der kleinen Schritte - dafür plädiert Evi Hartmann« Arno Widmann, Frankfurter Rundschau, 03.09.2016»Ein aufrüttelndes Buch, das die akademische Zurückhaltung wohltuend aufgibt und klar Position bezieht.«, changex.de, 22.06.2018»Die Professorin für Betriebswirtschaft zeigt, dass im Alltag verantwortungsvolles Handeln möglich ist.«, Kirche+Leben, 16.10.2016»Buch lesen und umdenken!«, BR 2 Notizbuch, 17.02.2016»[Evi Hartmanns[ Plädoyer wird deshalb zu einer Zu-Mutung, die nicht konterkariert, sondern Mut zum Andersdenken und zur Auseinandersetzung darüber macht, wie wir als Individuen und Gesellschaften human und gerecht leben wollen.« Jos Schnurer, socialnet.de, 15.12.2016»Ein lesenswertes Buch, in einer Zeit, in der Konsumenten nach der 'Geiz ist geil'-Mentalität einkaufen.« Antje Schweinfurth, Bayerische Staatszeitung, 20.01.2017

»Hartmann setzt sich nicht nur minutiös mit den Befindlichkeiten unserer Gesellschaft auseinander, sie erarbeitet auch Lösungsmöglichkeiten hin zu einer moralischeren Welt.«, Terre des femmes, 24.05.2016

»Evi Hartmann schildert locker, drastisch und ohne Umschweife das Dilemma zwischen Moral und Moneten.«, ZE!TPUNKT, 15.03.2016

»Evi Hartmann geht dahin, wo es weh tut. Chancen und Gefahren der Globalisierung wurden selten besser erklärt.«, boerse.de-Aktiendaily, 19.02.2016

»Ein provozierendes und lesenswertes Buch.« Renate Faerber-Husemann, Vorwärts, 01.03.2016

Der Gedanke ist nicht neu, aber die Umsetzung – und das mach ›Wie viele Sklaven halten Sie?‹ zu einem der wertvollsten Bücher dieses Frühjahrs.« Thorsten Giersch, Handelsblatt, 30.06.2016

»Das Werk von Hartmann bietet [...] eine Anleitung zum kritischen Denken und pragmatischen Handeln.«, Beschaffung aktuell, 01.08.2016

»Für alle Ökonomie-Studenten eine Pflichtlektüre. Es ist zudem wünschenswert, dass in ökonomische Studiengänge das Thema Moral mehr Platz eingeräumt wird.« Carola Rinker, steuernblog.com, 10.08.2016

»Die Autorin Evi Hartmann zeigt - drastisch und originell - dass Fairplay möglich ist.« Corinna Nohn, Handelsblatt, 01.07.2016

»Das Buch fasst zusammen, was diejenigen, die sich schon mit fairem Handel und menschlichen Produktionsbedingungen beschäftigt haben, längst wissen: Es liegt in unserer Hand, dass Menschen in anderen Regionen der Welt nicht für unseren Konsum ausgebeutet werden.«, nordbayern.de, 17.03.2016

»›Wie viele Sklaven halten Sie?‹ von Evi Hartmann ist ein Buch für alle, denen das Schicksal der Menschen am anderen Ende der Welt nicht am Arsch vorbei geht.« Damian Sicking, Roter Reiter, 04.03.2016

»Die große Moral erwächst aus der Praxis der kleinen Schritte – dafür plädiert Evi Hartmann« Arno Widmann, Frankfurter Rundschau, 03.09.2016

»Ein aufrüttelndes Buch, das die akademische Zurückhaltung wohltuend aufgibt und klar Position bezieht.«, changex.de, 22.06.2018

»Die Professorin für Betriebswirtschaft zeigt, dass im Alltag verantwortungsvolles Handeln möglich ist.«, Kirche+Leben, 16.10.2016

»Buch lesen und umdenken!«, BR 2 Notizbuch, 17.02.2016

»[Evi Hartmanns[ Plädoyer wird deshalb zu einer Zu-Mutung, die nicht konterkariert, sondern Mut zum Andersdenken und zur Auseinandersetzung darüber macht, wie wir als Individuen und Gesellschaften human und gerecht leben wollen.« Jos Schnurer, socialnet.de, 15.12.2016

»Ein lesenswertes Buch, in einer Zeit, in der Konsumenten nach der ›Geiz ist geil‹-Mentalität einkaufen.« Antje Schweinfurth, Bayerische Staatszeitung, 20.01.2017

"Haben Sie sich jemals gefragt, warum das Offensichtlichste am Schwersten zu erkennen und zu akzeptieren ist?" Susan Spira VORWORT VOM ELEFANTEN IN UNSEREM WOHNZIMMER Ich gestehe: Ich bin Professorin. An einer der traditionsreichsten Universitäten Europas. Ich bin also ein Mensch, der es von Berufs wegen besser wissen müsste. Ich bin auch ein Mensch, der unseren Kindern die Zukunft beibringen soll. Die Zukunft des totalen Konsums auf Knopfdruck. Genau das mache ich - lässt man die hochtrabenden akademischen Begrifflichkeiten und Anglizismen außen vor - mit meinen Studierenden Tag für Tag. Ich ergründe mit ihnen zusammen, warum zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ein Mausklick genügt, damit ein Kurier postwendend die erlesensten Güter direkt vor die Haustür bringt. Ich lebe den Faust'schen Traum. Ich lehre und erforsche, was unsere moderne Welt im Innersten zusammenhält: Supply Chain Management. Jene Disziplin, die früher Logistik hieß (und auf der operativen Ebene noch immer so heißt) und heute in enthusiastischen Leitartikeln als "Motor der Globalisierung" gefeiert wird; das schlagende, lebende, atmende Herz unserer konsumfreudigen Gesellschaft. Würden morgen sämtliche Supply Chain Manager und operativen Logistiker in den Streik treten, wäre die Menschheit nur wenige Tage später immobil (ohne Benzin, ohne Ersatzteile), Wochen später in bürgerkriegsähnlichem Zustand, zwischendrin in Lumpen gehüllt und letztendlich weitgehend verhungert. Was moderne Menschen auch zum Leben brauchen: Wir bringen's ihnen! Eigentlich sollte ich stolz sein. Doch wenn ich im Hörsaal vor jenen jungen Menschen stehe, die schon bald die Welt durch Konsum, Produktion, Beschaffung oder eben Versorgung regieren werden, plagt mich zunehmend das Gewissen. Ich erzähle 500 Studierenden etwas über die Agilität der Wertschöpfungskette und Supply Chain Risk Management - und in Bangladesch sterben tausend Näherinnen beim Einsturz ihres Endes der Versorgungskette. Im Seminar diskutieren wir die ausgeklügelten technischen Voraussetzungen für den im E-Commerce inzwischen üblichen 24-Stunden-Lieferservice - aber wir reden nicht über die Wälder, die sterben, weil für diesen 24-Stunden-Service eine apokalyptische Flutwelle aus täglich Zehntausenden Kurierflitzern das Land und die Umwelt überschwemmen. Vielleicht reden wir sogar darüber, dass viele Studierende die Segnungen der Globalisierung am eigenen Leib erfahren: in Form von Jeans für 15 und T-Shirts für 3 Euro, die dank einer ans Wunderbare grenzenden Wertschöpfungskette direkt aus einem fernen asiatischen Land kommen. Und nur wenn wir Glück haben, jenseits jeder inhaltlichen Vorgabe eines Curriculums, wird von einem mutigen Studierenden per Zwischenruf vermeldet: "Ich trage keine Jeans, mit der asiatische Arbeiter ausgebeutet werden!" Dann frage ich mich: Warum wird diese im Sinne des Wortes weltbewegende Meinungsäußerung in Form eines Zwischenrufs selbst im Hörsaal von einem Großteil der angeblich so aufgeklärten Jugend sofort gedanklich ins Abseits geschoben und wieder zur Tagesordnung übergegangen? Warum wird dieser junge Kommilitone als "Rebell" wahrgenommen? Weil er auf das deutet, was (fast) alle Manager, Politiker, Wissenschaftler, Konsumenten, Medientreibenden und Wähler mit geradezu neurotischer Verkrampfung täglich auszublenden versuchen: Er sieht den Elefanten im Wohnzimmer, um den jeder schweigend schlechten Gewissens herumschleicht, als sei es, na, eben ein unerklärliches, verängstigtes und beängstigendes Rüsseltier im Allerheiligen einer hektischen Konsumzivilisation. Nebenbei bemerkt: Wenn das bloße Erkennen eines Elefanten schon zum Rebellen stigmatisiert, dann, bitte schön, möchte ich auch einer sein. Und wenn Sie jetzt schon oder spätestens nach der Lektüre dieses Büchleins auch zu diesem erlesenen Kreis gehören, würde ich mich freuen und Sie herzlich begrüßen wollen - im Namen der Kinder dieser Welt, denen wir in allerbester Absicht einen Scherbenhaufen hinterlassen. Im Namen jener Lohnsklaven in den Schwellenländern, die nachts in Ställe gepfercht wie Vieh das Nahen eines weiteren Knochenjobtages in überhitzten, brandgefährlichen Sweatshops erwarten: unsere Sklaven, Ihre und meine. Im Namen der Bäume, des Klimas und - falls es das gibt - im Namen eines wohlwollenden Universums. Das ist keineswegs zu hoch gegriffen, sondern exakt der Grund, warum wir als aufgeklärte und an den Rand des Abgrunds zivilisierte Gesellschaft momentan knietief im moralischen Morast stecken: Wir greifen zu tief. Jedes Mal, wenn wir als Konsumenten die günstigere Ware unten aus dem Supermarktregal holen, und jedes Mal, wenn wir als Manager in Schwellen- und Entwicklungsländern mit offensichtlich schlechten Arbeitsbedingungen ordern. Wir vergessen dabei etwas. Wir vergessen "das große Ganze", eben weil es wie der Elefant im Wohnzimmer ein so selbstverständlich ignoriertes Phänomen geworden ist, dass Sie in Trainings zum Management Development nur die Worte "ganzheitlich" oder "vernetztes Denken" fallen lassen müssen, damit der Auftraggeber Sie schief von der Seite anschaut. Er möchte genauso wenig wie wir daran erinnert werden, dass wir etwas Monumentales vergessen haben. Wenn wir als Manager das T-Shirt für 3 Euro im Osten beschaffen oder als Käufer im Westen überstreifen, denken wir - natürlich - ans Hemd, an den Morgenkaffee und den kommenden Arbeitstag. Den Rest des Universums vergessen wir - der selektiven Wahrnehmung sei Dank. Ignorieren wir für einen Augenblick, dass sich die Welt inzwischen zu rächen beginnt - mit Klimakatastrophen und Flüchtlingsströmen, mit Umweltzerstörung und sozialen Konflikten in der Größenordnung von Bürgerkriegen. Konzentrieren wir uns ganz nach wissenschaftlicher Vorgehensweise ceteris paribus nur auf den einen Parameter: unsere Vergesslichkeit. Was vergessen wir, wenn wir mit einem T-Shirt handeln oder es konsumieren? Wir vergessen die Kehrseite des T-Shirts. Nun gibt es Vergessen und Vergessen. Wir vergessen täglich einiges: Wo die Brille liegt oder der Autoschlüssel. Wir verträumen den Abgabetermin für ein amtliches Formular oder verschwitzen, das Kind vom Fußballtraining abzuholen. Wenn wir diese Akte des Vergessens als Lappalien bezeichnen wollen, dann ist das vergessliche Beschaffen und Überstreifen von in Sweatshops von Lohnsklaven gefertigter Kleidung ein Akt der Grausamkeit. Diese Art des Vergessens ist sträflich, unsozial und fatal für die Menschen am anderen Ende der Versorgungskette. Dieses Vergessen ist unmoralisch, geradezu barbarisch, und - nach meiner Meinung - die schlimmste derzeit ausgeübte Unmoral der Welt. Es geht nicht um die Globalisierung an sich. Sondern um deren Gebrauch. Damit keine Missverständnisse entstehen: Die Globalisierung ist ein Segen für beide Enden und alle Elemente der Wertschöpfungskette. Im Namen der Globalisierung jedoch geschieht ein Verbrechen an der Menschheit. Und damit meine ich nicht nur jenen Teil der Menschheit, der für unseren Konsum im Sinne des Wortes mit seinem Leben bezahlt (Motto: "Nähen, bis der Tod kommt!"). Das ist das Schreckliche und zugleich paradox Irrsinnige an der derzeit praktizierten Globalisierung: Wir zahlen alle drauf! Die da unten ebenso wie wir hier oben. Sie bezahlen mit ihrer körperlichen und wir mit unserer moralischen Gesundheit. Denn so umfänglich wir auch die technischen Abläufe der Globalisierung verstanden haben, eines haben wir nicht verstanden: Produktion kann ausgelagert werden, Moral nicht. Und eine persönliche Moral ist ebenso wenig an "die Politik" oder ans Internet delegierbar. Exakt dies versuchen wir jedoch seit über 30 Jahren mit einer Vehemenz, die früher nur in Weltkriegen an den Tag gelegt wurde. Wir versuchen, zusammen mit den outgesourcten Kosten-, Umwelt- und Sozialeffekten auch unsere moralische Verantwortung den Lieferanten und Herstellern in fernen Ländern an den Hals zu hängen. Aber genau das funktioniert nicht. An exakt diesem Punkt scheitert die Globalisierung moralisch und mit ihr die moderne Wirtschaft, die angeblich zivilisierte Gesellschaft, unser Bildungssystem und die zunehmend hilflos-hektisch agierende Politik mit einer Wucht kindlicher Naivität, die in ihren Folgen für unser moralisches Verständnis einer Bankrotterklärung unserer Intelligenz, der völligen Entwertung unserer ethisch-moralischen Grundsätze und der Auslöschung unserer geistig-seelischen Existenz gleichkommt. Wir produzieren und konsumieren uns um Kopf und Kragen: Wirtschaften und konsumieren wir noch zehn Jahre so weiter wie bisher, ungebremst und unmoralisch, werden wir schließlich einen Grad gesellschaftlicher Degeneration und seelischer Verwahrlosung erreichen, gegen die Dantes Inferno wie ein Kindergeburtstag mit lustigen Hüten anmutet. Das kann keiner wollen. Daher: Verbieten wir die Globalisierung mit sofortiger Wirkung! Stellen wir sie unter Strafe! Boykottieren wir sie! Treten wir in den Konsumstreik - zur Not hilft auch Auswandern. Nieder mit der Globalisierung! Und dann? "The hardest thing to explain is the glaringly evident which everybody has decided not to see." Ayn Rand, The Fountainhead "Schon im 14. Jahrhundert stöhnten die Scholastiker, es sei einfacher, die Trinität zu beweisen, als den Kaufleuten auf die Schliche zu kommen." Prof. Horst Albach, BWL-Grandseigneur 1 DAS SPIEL, BEI DEM WIR ALLE VERLIEREN Nieder mit der Globalisierung! Ich schlage vor, das dümmste Spiel aller Zeiten abzuschaffen. Im Ernst? Das wäre nur logisch: Wenn wir alle dabei verlieren, dann ist die Beendigung der Globalisierung geradezu zwingend geboten. Ist die Globalisierung ein "Spiel", bei dem die Lohnsklaven Freiheit, physische Gesundheit und ihr nacktes Leben verlieren und wir unsere geistige Gesundheit, soziale Bindung und moralische Integrität, dann gehört so ein Spiel doch einfach abgeschafft. Rundheraus. Kategorisch. Ich beglückwünsche jede(n) Studierende(n), der oder die im ersten Semester mit dieser spontanen Wortmeldung herausrückt. Im zweiten Semester höre ich diesen Appell zur Abschaffung des "dümmsten Spiels des Jahrhunderts" schon deutlich seltener. Nicht weil die Studierenden - wie wir alle - von den bösen Herren des Spiels zur stumpfsinnigen Lethargie gleichgeschaltet worden wären. Sondern weil sich erste Zweifel an der Machbarkeit der Globalabschaltung regen. Zweifel wie: Gesetze kann man abschaffen, Parlamente auflösen, Regierungen abwählen - aber die Globalisierung? Wie denn? Zum Beispiel per Konsumstreik? Ich glaube nicht, dass sämtliche 14-Jährigen auf Kommando diese süßen Glitter-Oberteile in den Farben der Saison oder das nächste coole Smartphone im Laden liegen lassen, bloß weil sie das Spiel, das sie damit versorgt, als "blöd" erkannt haben. Oder wie wäre es alternativ mit einem Boykott der Globalisierung, also einer Rückbesinnung auf regionale Produktion und Versorgung? Dafür müsste man schon Dieselkraftstoff, Benzin und Kerosin verbieten. Dann würde der Gütertransport zusammenbrechen. Ebenfalls ein ziemlich unwahrscheinlicher Spielausgang. Aber solche Gedanken kommen uns, sobald die komplex verzwickte Konstellation des Globalisierungsspiels klarer wird. Wann immer in fernen Landen eine Fabrik brennt, einstürzt oder ihre Arbeiter in Umständen hält, die dem Sklavenelend im alten Rom bedrückend nahe kommen, geistert in unseren Hinterköpfen herum: Das kann doch nicht! Das darf nicht! Das muss man abstellen! Tote Fabrikarbeiter sind eine schlimme Sache, und wie bei allen solchen schlimmen Dingen glauben viele, dass man das schlimme Ding einfach abstellen könne. Stehlen die Leute im ersten Warenhaus der Geschichte, kann man Diebstahl verbieten und hat gute Chancen, dass das Verbot eine deliktabwehrende Wirkung hat: triviales Problem - triviale Lösung. Leider ist die Globalisierung alles andere als trivial. Sie ist so ziemlich das Komplexeste, was derzeit für Geld zu haben ist. Selbst der Begriff der Komplexität ist zu einfach dafür. Die Globalisierung ist nicht komplex, sondern, wie das neueste Modewort aus dem Tempel der Ökonomen es beschreibt: dynax. Also dynamisch und komplex; mit Betonung auf der zweiten Silbe. "Kapitalismus ist eine wunderbare Sache. (?) Aber Kapitalismus interessiert sich sicher nicht für die Belange der Ärmsten." Bill Gates Als Marken-Metapher für die Globalisierung passt noch besser als der Diebstahl im Warenhaus die Büchse der Pandora. Ist der Deckel erst mal ab, gibt es kein Zurück mehr. Und nichts führt diesseits des globalisierungsbeendenden Zusammenbruchs der westlichen Produktionssysteme, des Versiegens der Ölreserven, von Pandemien und der globalen Verarmung zurück in den Stand der globalisierungslosen Lauterkeit. Oder wie Kleist es in seinem Aufsatz über das Marionettentheater sagte: Nach dem Sündenfall gibt es keine Rückkehr zur Unschuld. Wir werden die Globalisierung so schnell nicht los. Sie klebt uns an den Sohlen wie Kaugummi. Die Frage ist nicht, wie wir Pandoras Büchse wieder schließen können. Sondern: Was fangen wir mit dem an, was ihr entkam? Wie viel in China hergestelltes Spielzeug dürfen wir guten Gewissens unseren Kindern schenken? Gehen Sandalen aus Bangladesch? Kann man heutzutage überhaupt noch irgendetwas beschaffen oder konsumieren, ohne sich eines kapitalen Moralverbrechens schuldig zu machen? Das sind Fragen, die der aufgeklärte Zeitgenosse stellen könnte, Fragen, mithilfe deren wir etwas intelligentere Resultate aus einem dummen Spiel herausholen könnten. Wir stellen sie mehrheitlich nicht, weil wir meinen, dass sich die Umstände doch inzwischen bessern. "Immerhin sterben heute weniger Billiglohnarbeiter als früher", erklärte mir jüngst ein freundlicher Zeitgenosse zum Stand des Wohlergehens "seiner" Produktionssklaven in den Schwellenländern. Zum einen: Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, da muss man "reingetreten" sein, wie Tucholsky sagte: Es sterben weniger Menschen für unseren Konsum? Als ob ein Toter doppelt so gut wäre wie zwei Tote. Was ist das für eine buchhalterische Verirrung, so mit Menschenleben umzugehen? Und zum anderen: Warum zeitigen die Bemühungen der Hersteller, Lieferanten und Logistiker tatsächlich in den letzten Monaten messbare Verbesserungen? Warum sterben "weniger" Menschen für das, was wir täglich anziehen? Weil sich nun doch wider Erwarten die Menschlichkeit in der Globalisierung durchsetzt? Weil das dumme Spiel intelligenter wird? Mitnichten. Es liegt nicht an der Intelligenz, es liegt am Druck. Die Savar-Katastrophe illustriert das Spielprinzip "Druck statt Moral" auf traurige Weise. Bevor in der Stadt in Bangladesch mehr als 1?100 Arbeiterinnen und Arbeiter ums Leben kamen, hatten von den großen Modelabels lediglich Tommy Hilfiger, Calvin Klein und Tchibo ein qualifiziertes Abkommen für Gebäudesicherheit und Brandschutz unterschrieben, das bei der Umsetzung dann leider teilweise von den lokalen Lieferanten unterlaufen worden war. "Die anderen spielten auf Zeit - bis ihnen die Arme der Toten aus den Trümmern der Fabriken entgegenragten", kommentierte Karin Steinberger in der Süddeutschen Zeitung. "Plötzlich war es sehr schlecht fürs Geschäft, nicht zu unterschreiben." Also unterzeichneten auch andere westliche Textiler ähnliche Vereinbarungen. Wir dürfen vermuten: Seither sterben weniger Menschen pro rundgestrickter Unterhose. Warum? Weil sich endlich die Moral durchgesetzt hat? Leider ist dies höchstens dann der Fall, wenn man Druck und Angst als Instrumente der Moral interpretiert. Steinberger: "Es war der Druck der Öffentlichkeit, die Wut der eigenen Kunden, die Angst vor Gewinnverlust, die Macht der Käufer. Nicht etwa Einsicht oder Mitgefühl." Das ist der springende Punkt, das beherrschende Prinzip des Spiels: Es geht nicht um Moral, sondern höchstens um moralische Empörung und damit doch wieder nur um blanken Druck. Die Globalisierung braucht keine Moral. Sie arbeitet mit dem Gegenteil: Druck. Die Hersteller ordern unter dem Preisdruck des Marktes bei den Sweatshops statt bei einheimischen Textilfabriken. Die Arbeiter in den Sweatshops arbeiten unter dem Druck ihrer schrecklichen Armut. Die Konsumenten als "Opfer" des allgegenwärtigen Konsumdrucks protestieren unter dem Druck der Bilder von zertrümmerten Fabriken. Die Hersteller reagieren auf diesen Druck der Öffentlichkeit, den die Medien unter dem Druck schrumpfender Auflagen sensationsbewusst schüren. Wenn die Logistik der Motor der Globalisierung ist, ist Druck der Motor der globalen Wirtschaft. Druck regiert und reguliert die Globalisierung. Nicht Politik, Einsicht, Vernunft und nicht: Moral, Menschlichkeit, Fairness, Nachhaltigkeit oder - Gott bewahre! - der gesunde Menschenverstand. Ich habe Hunderte Berichte über die Zustände entlang moderner Liefer- und Versorgungsketten gelesen. Moral? Nicht einmal das Wort taucht auf. Medien berichten über Massenmord und Kinderschänder und empören sich moralisch. Über eine gefestigte moralische Haltung oder dezidierte moralische Grundsätze, die dieser Empörung eigentlich Anlass geben sollten, liest man eher selten. Das letzte Tabu Warum kennt die Globalisierung keine Moral? "Was weiß ich?", entgegnete mir ein Vorstandsmitglied jüngst eher hilflos als unwirsch: "Ich bin auch kein Moralphilosoph!" Ein interessanter Hinweis. Hat die Wirtschaft quasi hinter dem Rücken der Wirtschaftsprofessoren klammheimlich die Moral an die zuständigen Lehrstühle für Philosophie outgesourct? Gewiss: Auch mir ist bewusst, dass es fähige Kolleginnen und Kollegen unter den Moralphilosophen und -theologen gibt. Diese Experten mögen mir meine Kühnheit verzeihen, in ihrem angestammten Revier zu wildern. Aber dass das Thema "Ethik & Moral" bis heute nicht wirklich großflächig in die real praktizierte Wirtschaft vorgedrungen ist, lässt es zumindest verzeihlich erscheinen, wenn sich zur Abwechslung jemand aus der Ökonomie mit diesem Thema beschäftigt. Viel mehr Schaden als bereits vorhanden kann ich wohl kaum anrichten. Das ist der Punkt: Der Schaden ist da, aber es werden nur Symptome diskutiert. Die Ursachen des Schadens unterliegen der Tabuisierung. Die Fabrik ist abgebrannt, die Fassade rußschwarz, Menschen und Maschinen verbrannt - wie schlimm! Wie katastrophal! Wie mitleidheischend! Aber warum hat die Fabrik gebrannt? Sendepause in der Diskussion. Natürlich: Brandschutz und Arbeitsbedingungen! Unmenschlich, entwürdigend! Aber keiner fragt danach, welcher Antrieb hinter dieser Unmenschlichkeit steckt. Oder danach, was im Kopf eines Einkäufers vorgehen muss, der durch ein Heer von Lohnsklaven watet und dann am andern Ende des Saals im gut klimatisierten Büro des Fabrikanten die Order für 50?000 Pressteile unterschreibt. Welches Gen fehlt ihm? Warum spielt er das Spiel so, wie er es spielt? Und auf der Seite der Konsumenten: Was muss ein Mensch denken oder besser: wie viel verdrängen, der morgens von hundert toten Näherinnen hört und nachmittags beim Klamottendiscounter den Pulli aus Bangladesch kauft? Macht es der BWLer als "Spielprofi" denn besser als der Konsument als Laienspieler? Auch das ist nicht der Fall. Fragen Sie einen BWL-Absolventen einmal nach, nein, nicht nach seiner, sondern nach der Moral. Er wird Sie groß anschauen. Er weiß das nämlich auch nicht besser als Sie, der Sie in Ihrer Funktion als Konsument das Spiel sozusagen mit Amateurstatus spielen. Natürlich: Es gibt Ausnahmen - aber häufig eben leider aus persönlichen und nicht aus curricularen Gründen. In der Betriebswirtschaftslehre lernt schon das Erstsemester den entscheidenden Unterschied: Es gibt ökonomische und es gibt "außer-ökonomische" Kriterien. Die Ökonomie beschäftigt sich, daher der Name, mit den ökonomischen. Raten Sie, zu welcher Kategorie Moral und Anstand gehören. Polemisch ausgedrückt: Der voll ausgebildete Betriebswirtschaftler kommt mit seinem Bachelor oder Master in der Tasche von der Uni, angelt sich den ersten Job, arbeitet sich nach oben, managt seine Supply Chain und ist eines unschönen Tages perplex, wenn eine Fabrik in Malaysia einstürzt. Er kann diese eingestürzte Fabrik agil und flexibel durch eine Second Source ersetzen, wie das in der Fachsprache heißt: Er beherrscht das Spiel perfekt. Aber er schläft nachts schlecht - und weiß nicht, warum. Medien, Politiker, Internet und seine 14-jährige Tochter nennen ihn einen "Ausbeuter" - und er fühlt sich unschuldig verfolgt. Er weiß, dass er ohne eigenes Zutun plötzlich in der Moral-Arena gelandet ist - aber von Moral hat er keine Ahnung. Niemand hat sie ihm beigebracht! Kein Professor hat einen Ethik-Schein von ihm verlangt. Ja, klar, in Wirtschaftsgeschichte haben sie mal die "Tugenden des ehrbaren Kaufmanns" durchgenommen. Oder der legendäre Moral-Aufsatz von Horst Albach stand auf der Literaturliste vom Proseminar - aber hey! Das war Wirtschaftsgeschichte, und kein Studi liest die Literaturliste bis unten durch! Moral? Nie gehört, nie gelesen, nie wirklich drüber nachgedacht. Und wohl auch nicht im Elternhaus diskutiert, geschweige denn gelebt. Das war bislang nicht weiter schlimm? Weil erst die Globalisierung die peinliche Morallücke unserer Wirtschaftslenker und Massenkonsumenten offenbarte? Das wäre schön. Im Namen der Grausamkeit Das mag viele angesichts der auflaufenden Globalisierungskritik erstaunen, aber: Das grausame Spiel ist viel älter. Wer die Globalisierung unserer Zeit für die Mutter der Amoral hält, hat noch nie von Mobbing gehört. Oder von Squeezing. So heißt der Fachbegriff für eine Praxis, die lange vor der Globalisierung direkt vor unserer Nase praktiziert wurde - und wird. Wörtlich übersetzt: Squeezing ist, den Lieferanten so lange und heftig im Preis zu drücken, bis er wie eine ausgepresste Zitrone nicht mehr kann, schließlich in die Insolvenz geschickt und durch einen neuen ersetzt wird. Es gibt Unternehmen, die beherrschen das Auspressen ihrer Zulieferer perfekt. Lieferanten-Squeezing gab es schon immer, und es passiert heute noch jeden Tag, auch bei Ihnen und mir vor der Haustür. Auch das war schon ein grausames Spiel. Der einzige Unterschied zur Globalisierung: Sie "spielt" dieses Leitmotiv nun auf der globalen Weltbühne. Doch schon vor der Globalisierung trugen wir Socken und benutzten Haushaltsgeräte, für deren Herstellung irgendein armer einheimischer Lieferant jahrelang systematisch in den Ruin getrieben wurde. Besuchen Sie auf der Schwäbischen Alb doch gelegentlich die vielen Hundert Fabrikruinen der Textilindustrie. Das weiß in den betreffenden und betroffenen Unternehmen auch jeder. Das sagt bloß keiner laut, denn das ist ein Tabu. Oder haben Sie den Ausdruck "Lieferanten-Squeezing" jemals in Ihrer Tageszeitung gelesen? Oder von Ihrem Kreis- oder Landtagsabgeordneten gehört? Warum wohl nicht? Gehen Sie ins nächste Industriegebiet, werfen Sie einen Ziegelstein, und Sie treffen drei Lieferanten, deren Arbeitsplätze am seidenen Faden des durch Squeezing ultimativ optimierten Preisdrucks hängen. Wenn diese ausgepressten Firmen dann bei der nächsten Konjunkturdelle "plötzlich" insolvent werden, munkelt man üblicherweise von "Missmanagement" oder "Marktbereinigung". Keiner erkennt oder sagt die Wahrheit: Das war ein astreiner, jahrelanger, preisbedingter Wind-down, eine inoffizielle, aber höchst wirksame Stilllegung des Unternehmens samt seiner Arbeitsplätze. Und niemand redet darüber, ob und wie das mit dem Terminus "Soziale Marktwirtschaft" vereinbar ist. Oft wissen nicht einmal die Mitarbeiter der eliminierten Firmen, warum der Chef ihr Gehalt nicht mehr bezahlen kann. Platzt dem ruinierten Unternehmer irgendwann der Kragen und er klagt jene an, die ihn ruiniert haben, hört er regelmäßig was? Richtig: "Aber wir stehen doch selbst unter immensem Preisdruck!" In Spielbegriffen formuliert: "Wir spielen doch alle dieses Spiel! Also beschwer dich nicht, wenn du verlierst!" Das stimmt. Dass wir alle unter Preis-, Kosten- oder Budgetdruck "spielen", ist absolut richtig - aber seit wann befreit Preisdruck von Moral? Bloß weil das Spiel das so gebietet? Man kann sich doch nicht bloß dann moralisch verhalten, wenn die Kasse gut gefüllt ist. Es ist eher umgekehrt: Erst wenn die Kasse leer ist, zeigt sich die Moral. Aber sie zeigt sich im wirklichen Leben eben nicht. Es zeigt sich etwas ganz anderes. Der Vater der Globalisierung ? Wer beim Einkauf vor gefüllten Supermarktregalen oder E-Commerce-Warenkörben steht/sitzt, bekommt unterschwellig den Eindruck: Die Globalisierung ist das El Dorado des Konsumenten! Das ist ohne Frage ein Zusammenhang, aber kein ursächlicher. Nicht Konsumwut war der Vater der Globalisierung. Nicht sie hat das Spiel ins Rollen gebracht. Schon Adam Smith hat das erkannt, als er gesagt haben soll, dass der Bäcker uns nicht die leckeren Brötchen backt, weil er uns so lieb hat, sondern weil seine Frau ein neues Auto braucht (in heutigen Konsumäquivalenten ausgedrückt). Es gibt eben keinen gütigen Vater, der irgendwann sagte: "Lasset uns die Schätze der Welt dem braven Konsumenten erschließen! Lasset das große Globalisierungsspiel beginnen und möge der Bessere gewinnen!" Die Globalisierung ist kein Kind des Konsums. Sie ist der Sprössling eines Sklavenhalters. Ich weiß: Die Entstehung der Globalisierung hat nicht nur eine Ursache. Jedes Elend hat viele Väter. Konzentrieren wir uns daher ceteris paribus, unter gleichen Umständen, auf einen: Squeezing. Zugespitzt formuliert: Nicht die Mehrung der Konsumfülle war der Auslöser für die Globalisierung, sondern das Elend der Lieferanten und der Squeezing-Koller der Preisdrücker. Die immer schlimmer ausgepressten westeuropäischen Lieferanten sagten sich in ihrer Not irgendwann: "Bevor wir uns an der heißen Preiskartoffel die Finger vollends verbrennen, geben wir sie weiter - nach Asien!" Während die Squeezer auf der anderen Seite des Marktes dasselbe aus anderen Beweggründen sagten: "Europäische Lieferanten? Ausgepresst! Wie Flasche leer! Wegwerfen und auf zu neuen Ufern!" Es ist so einfach: Die Squeezer-Karawane zieht weiter! Das ist so augenfällig, aber keiner will es sehen: Globalisierung ist die Fortsetzung des einheimischen Lieferanten-Squeezing, in fremden Ländern. Globalisierung ist exportiertes Squeezing. Imperialismus via Preismechanismus. Früher musste man noch mit Panzern ein Land erobern, heute muss man lediglich das Spiel exportieren. In der Betriebswirtschaftslehre oft verschämt verschwiegen, ist der fatale Zusammenhang in der Volkswirtschaftslehre bekannt. Dort heißt diese Strategie der Globalisierung jedweder externer Effekte im weitesten Sinne schlicht: Beggar thy neighbour. … und ihr Schutzpatron Passenderweise lässt sich deshalb der heilige St. Florian als Schutzpatron der Globalisierung benennen. Das ist zwar polemisch, entspricht aber dem geläufigen Sprichwort: Heiliger St. Florian, verschon' mein Haus, zünd' andere an! Denn das derzeit herrschende Prinzip globalen Wirtschaftshandelns ist ja: Wem die Preislast im Westen zu schwer wird, der hängt sie einfach seinem nichts ahnenden Nachbarn in Asien in Form von Orders, Outsourcing oder Offshoring an den Hals - und bringt ihn damit an den Bettelstab. Eine moderne, andere Form der Beggar-thy-Neighbour-Politik: angestrebtes Wirtschaftswachstum auf Kosten anderer. Wer hierzulande und auch in ganz Westeuropa keinen mehr findet, der sich squeezen lässt, zieht weitere Kreise, bis er endlich auch den Schwellenländern die Segnungen des irrsten Spiels des Jahrhunderts bringen kann. Das ganze schöne Schneeballsystem der Druckweitergabe lässt sich dann euphemistisch unter "Globalisierung" zusammenfassen. Ich möchte den kennenlernen, der diese beschönigende Beschreibung erfunden hat - ein wahres Marketing-Genie. Das verhält sich in ungefähr so, als würde man die neueste Grippe-Epidemie als "modernen neuen Freizeitspaß" bezeichnen. Kein Mensch würde hinter einem Begriff wie "Globalisierung" doch das exportierte Elend vermuten: Es geht uns wenigen hierzulande nur deshalb so gut, weil es ganz vielen woanders so schlecht geht. Das ist unmoralisch? Nein, das ist direktes Resultat des obersten Spielprinzips: Druck. Über den Daumen gerechnet eineinhalb Milliarden privilegierter Menschen im Westen konsumieren rund 80 Prozent aller Güter dieser Welt. 80 Prozent der Menschheit kriegen nur den kümmerlichen Rest auf den Teller. Das ist ungerecht? Im Grunde bestätigt das nur das Pareto-Prinzip. Und Pareto regiert unser Leben. Zählen Sie selber nach. Mit 20 Prozent Ihrer Bekannt- und Verwandtschaft verbringen Sie 80 Prozent Ihrer Zeit. Die mehrheitlichen 80 Prozent Ihrer Verwandtschaft sehen Sie nur beim Geburtstag vom Erbonkel, bei Taufen und Beerdigungen. Das wissen wir. Wenn es um Verwandtschaft geht. Wenn es um die Globalisierung geht, vergessen wir den guten Pareto recht schnell und dass im Prinzip 20 Prozent der Menschheit - wir - 80 Prozent des Wohlstands annektiert haben, sodass 80 Prozent der Menschheit - die anderen - mit nur 20 Prozent der Güter der Welt in die Röhre schauen. Leidet der westliche Manager darunter oder der Konsument? Selbst profitgierige Manager leiden Ich rede gern mit Managern über Moral. Gewiss: Es gibt die harten Hunde, die nicht nur keinerlei Gewissensbisse verspüren, wenn sie irgendeinen armen asiatischen Schlucker bis auf die Knochen auspressen, sondern die außerdem noch ein Fass aufmachen: "Das spart uns wieder 20?000 auf den kompletten Auftrag! Der Bonus ist sicher!" Es mag sich uns "Normalen" der Magen dabei umdrehen - aber solange Bewerbergespräche ohne Ethik-Screening geführt werden und solange der CPO, der oberste Einkäufer einer Firma, meist mit Vorstandsrang, dem Preisdrücker seinen Bonus mit Handschlag aushändigt, gleicht die Wirtschaft dem Halter eines scharf gemachten Dobermanns, der die Aufregung der Leute nicht versteht, wenn sein Hundchen Joggern an die Wade geht. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Wer den Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen. Es gibt einen ganzen Duden dieser Floskeln, mit denen die Scharfmacher im Management ihre Unmoral bemänteln. Auch wenn die Öffentlichkeit von der veröffentlichten Meinung gerne eines anderen indoktriniert wird: das sind die Ausnahmen, die schwarzen Schafe - auch wenn die schwarzen Schafe auffällig oft prominent sind. Die Mehrheit der Manager ist sich im Gegensatz zur Mehrheit der Konsumenten durchaus täglich bewusst, welche Gräuel im Namen der Globalisierung begangen werden. Was nutzt ihnen dieses aufgeklärte Bewusstsein? Was fangen sie damit an? Sie denken sich den Schiller (Wallenstein): "Leicht beieinander wohnen die Gedanken, Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen." Ein Manager kann in Gedanken an der Unmoral der Globalisierung leiden, doch in seinem Verhalten weiter an der geübten Unmoral festhalten. Eben weil er in dem Dilemma feststeckt, das Schiller beschreibt. Betrachten wir den typischen Manager. Das wegdefinierte Dilemma Ein Manager, 43, verheiratet, zwei Kinder, in seinem Unternehmen zuständig für Asien-Pazifik, zeigt Moral: "Ich würde ja gerne unserem Lieferanten in Bangladesch eine funktionierende Sprinkleranlage bezahlen - aber von welchem Geld? Der Vorstand erwürgt mich!" Moral vs. Moneten. Ein Dilemma. Die grob vereinfachende öffentliche und leider oft auch mediale Meinung tendiert zur Annahme, ach was, zum Grundsatz, dass sich "Der typische Manager" angesichts dieses Dilemmas flugs für Moneten und gegen Moral entscheide. Weil er geldgeil und gewinnsüchtig sei. Weil er an seiner Uni so erzogen wurde. Eben: weil er böse sei. Das klingt mir aber dann doch ein wenig zu banal. Es stellt sich die Frage, welchen Unterschied es macht, ob die Moral dummdreist oder ausgeklügelt ausgehebelt wird - aber stellen wir diese Frage kurz hintan und betrachten wir zuerst die hohe Kunst und die Eleganz des betrieblichen Moral-Entledigungsmechanismus: die Dilemma-Dekonstruktion. Im Prinzip sind Dilemmata nichts Neues für Manager. Sie scheinen geradezu für sie gemacht. Manager haben wie jede gute Hausfrau ausreichend Erfahrung darin, das Unvereinbare irgendwie doch zu vereinbaren. Paradebeispiel aus dem Lehrbuch ist das Effizienzprinzip, die tragende Säule des Wirtschaftens und im Grunde nichts anderes als eine Maxime zur Bewältigung der Zwickmühle, in der sich Manager täglich befinden: aus wenigem so viel wie möglich machen. Dieses Prinzip wird auf so viele Ressourcen und Ziele angewandt, dass ich mich seit Langem frage: Warum wenden wir das Effizienzprinzip nicht auch auf die Moral an? Warum fragen Manager nicht oder selten: "Wie können wir auch ohne großes Budget und eventuell ohne Vorstandsbeschluss die Arbeitsbedingungen entlang unserer Lieferkette verbessern und die moralische Integration unserer Supply Chain vorantreiben?" Ich kenne Manager, die sich diese Frage tatsächlich stellen - und entsprechend handelnd tätig werden. Sie sind in der Minderheit. Die Mehrheit bewältigt diese Schieflage eben nicht mit einer moralischen "Trotzdem-Optimierung", sondern tut etwas ganz und gar fürs Management Untypisches: Sie verweigert sich. Oft ziehen sich Manager aus der Affäre, indem sie das Dilemma dekonstruieren, sozusagen wegdefinieren: "Ich würde ja gerne meine Lieferanten gut behandeln - aber es ist kein Geld dafür da!" Man stelle sich vor, auf diese Weise würde jemand bei wirtschaftlichen Zusammenhängen argumentieren: "Ich würde ja schon gerne dieses Marktsegment erobern - aber es ist kein Geld für TV-Spots da!" Der Vertriebschef würde ihm was husten! Er würde sagen: "Wozu brauchen Sie sündhaft teure TV-Werbung? Sie nehmen jetzt ruck, zuck Ihren Polo und klappern Ihre Adressliste ab, sonst setze ich Ihnen den Stuhl vor die Tür!" Und weil das jede(r) sowieso weiß, muss kein Vorgesetzter das sagen. Verhält sich unsere Wirtschaft an entscheidenden Stellen so unmoralisch, weil sie auf den von Leitartiklern postulierten Widerspruch zwischen Moral und Markt hereingefallen ist? Würden wir uns alle viel moralischer verhalten, wenn Moral als wirtschaftlicher und nicht als "außer-ökonomischer" Parameter behandelt würde? Angenommen, Moral würde nach dem Effizienzprinzip gemanagt - das sähe dann so aus: Wir müssten und bestenfalls wollten mit knappen Ressourcen (Geld, Zeit, guter Wille) ein Optimum an Moral erreichen. Bis dieses Optimum tatsächlich großflächig von Wirtschaftsprofessoren und CEOs angestrebt wird, steht es dem einzelnen Manager frei, individual-rational zu handeln und Dilemmata, für die er keine Zeit und auf die er keine Lust hat, schnell mal eben wegzudefinieren: Kein Geld da - Moral erledigt! Aber wo bleibt das Korrektiv? Über ihm in der Hierarchie? Die amoralische Organisation Obwohl Manager sich gerne als Macher und Solisten darstellen lassen, ist die in die Hierarchie eingebettete Führungskraft in vielen Belangen eher Lemming als Löwe: weitgehend ein Konsenstier. Wobei es auch hier grandiose Ausnahmen gibt. Abseits der Ausnahmen werden jedoch nur ganz oben einsame Entscheidungen getroffen. In der Mitte traut sich kaum eine(r), auch nur für einen Packen Kopierpapier ohne sechs Unterschriften das Büromateriallager zu betreten. Wie gesagt: abzüglich Ausnahmen. Das funktioniert beim Kopierpapier. Bei der Moral bricht die Aufsplitterung der Entscheidungsgewalt zusammen: Fürs Kopierpapier kriegt jeder Manager seine sechs Unterschriften. Für die Moral kriegt er nicht mal zwei.

Erscheinungsdatum
Verlagsort Frankfurt / Main
Sprache deutsch
Maße 135 x 215 mm
Gewicht 324 g
Einbandart kartoniert
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Wirtschaft
Schlagworte ABWL • Allgemeine Betriebswirtschaftslehre • Auslandskritik • Betriebswirtschaft • betriebswirtschaftliche Theorie • Betriebswirtschaftslehre • Betriebswirtschaftstheorie • Business administration • business economics • BWL • consumption • Criticism • Einkaufsverhalten • Globalisation • Globalisierung • Globalisierungsforschung • Globalization • Internationalisation • Internationalisierung • Internationalization • Konsum • Kritik • Managerial Economics • Nudge • Personal development • Persönlichkeitsentwicklung • Persönlichkeitsentwicklung • Räumliches Einkaufsverhalten • Sachbuch Wirtschaft & Gesellschaft • Sachbuch Wirtschaft & Gesellschaft • shopping behaviour • Sklaverei • Spatial shopping behaviour • Spezielle Betriebswirtschaftslehre • Transnationalisierung • Transnationalization • Verbrauch • Wirtschaftsethik / Ethische Ökonomie
ISBN-10 3-593-50543-6 / 3593505436
ISBN-13 978-3-593-50543-5 / 9783593505435
Zustand Neuware
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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