Empowerment durch Mikrokredite als Wundermittel gegen Armut? - Ines Höckner

Empowerment durch Mikrokredite als Wundermittel gegen Armut?

Foucault und die Subprimekrise in Indien

(Autor)

Buch | Softcover
60 Seiten
2014 | 1. Aufl.
Bachelor + Master Publishing (Verlag)
978-3-95684-211-5 (ISBN)
24,99 inkl. MwSt
Frauen machen 50 Prozent der Weltbevölkerung aus, sind am formellen globalen Arbeitsmarkt aber unterrepräsentiert. Die Weltbank sieht in dieser Kluft ein großes ökonomisches Potential um Jobs zu kreieren, die Wirtschaft anzukurbeln und sogar Krisen zu überwinden. Die ökonomische Ermächtigung der Frau wurde also ins Zentrum des Entwicklungsdiskurses gerückt. Das Modell der Mikrofinanzierung (MF) kam diesem Ziel nicht nur entgegen, sondern wurde explizit als die Strategie für Empowerment und Armutsbekämpfung beworben: Mikrofinanzierung soll Frauen ökonomisch unabhängig machen, indem sie Zugang zu Kapital und finanziellen Ressourcen erhalten.
Begleitet wurde diese vermeintliche Erfolgsgeschichte von mehreren Selbstmordwellen unter indischen Bauern aufgrund von Überschuldung und mündete 2010 in einer Krise, die Parallelen zur Subprime-Krise in den USA hat.
Die Autorin geht in diesem Buch der Frage nach, ob Mikrokredite Ursachen von Armut und Verteilung des gesellschaftlichen Wohlstands ändern können oder diese Ziele durch marktstrategische Interessen in den Schatten gestellt werden. Dabei sollen die nicht offenkundigen Entwicklungen und Machtverhältnisse freilegelegt und kritische analysiert werden.

Textprobe:
Kapitel 3, Frauen-Empowerment durch Mikrokredite:
3.1, Die Geschichte des (Mikro)-Kredits:
Die Geschichte des (Mikro)-Kredits ist eine lange, und nicht jüngste Erfindung des Nobelpreisträgers (2006) Muhammad Yunus, der mit seinem Grameen-Bank-Projekt 1976, welches 1983 eine Finanzinstitution wurde, als Vater des Mikrokredits gilt - welchen er als Menschenrecht sieht beziehungsweise den Zugang zu Kredit an sich (vgl. Wichterich, 2012).
Klas (2011) geht auf das alte Griechenland zurück, wo schon Kredite vergeben wurden. In vorkapitalistischen Gesellschaften waren sie meist Folge einer Notlage. Zinsen standen allerdings in einem negativen Licht, da sie, wie Klas Platon u.a. zitiert, die Not der SchuldnerInnen verschärfen, und die Zahl der Armen im Staat nur vermehren würden. Auch Aristoteles äußert sich ablehnend gegenüber dem Wucher, der aus dem Geld selbst den Erwerb zieht und nicht aus dem, wofür das Geld da ist. Denn das Geld ist um des Tausches Willen erfunden wurden. (Aristoteles zit. nach Klas, 2011: 17) Wirkliche Verbreitung erfuhren Geldkredite aber erst im 18. Jahrhundert mit den großen Handelsgesellschaften und den ersten kapitalistischen Manufakturen. England, das einstige Finanzzentrum der modernen Welt, hatte den Diskontsatz der Bank of England auf maximal fünf Prozent begrenzt, was den Maßstab für den Höchstzins aller anderen Banken darstellte. Vor allem werden Kredite aber in Verwandtschaftskreisen gegeben. Ein weiteres Beispiel sind die Swift schen Mikrokredite, welche als Vorbild des Grameen-Modells gelten. Der Autor von Gullivers Reisen, Jonathan Swift, vergab zu Beginn des 18. Jahrhunderts erstmals Mikrokredite an KleinunternehmerInnen, mit Bürgschaften aber ohne Sicherheiten, welche wöchentlich rückzahlbar waren. Sein Modell erwies sich als äußerst erfolgreich und verdient deshalb Erwähnung, weil zinslose Kredite heute in Verruf gekommen sind, da sie angeblich die Rückzahlungsmoral der SchuldnerInnen beschneiden, womit Zinsen ein fester Bestandteil im Mikrokredit-Geschäft geworden sind. Ebenso liegt die damalige Kappungsgrenze von fünf Prozent weit unter der Realität der heutigen Zinsen. Weitere Vorläufer der gegenwärtigen Mikrokredite, welche Klas nennt, sind die ersten deutschen Genossenschaftsbanken benannt nach dem Gründer Friedrich Wilhelm Raiffeisen in der Mitte des 19. Jahrhunderts (vgl. Klas, 2011.: 17 ff).
In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts haben Teile der Frauenbewegung und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) die Vergabe von Mikrokrediten gefördert. Zum Beispiel wurde in Form von Selbsthilfegruppen (SHGs) Geld angespart, um es dann einzelnen Frauen aus der Gruppe zu borgen, beruhend auf dem Prinzip der gegenseitigen Hilfe, jedoch ohne Unterstützung der staatlichen Entwicklungspolitik. In den 1970ern begann Muhammad Yunus in Bangladesch Mikrokredite gegen Zinsen an Frauengruppen zu vergeben, wobei die Rückzahlungsquote laut Yunus bei 97 Prozent lag (vgl. ebd.). Die Geschichte der Mikrokredite und ihre wachsende Popularität sowie der daraus resultierende Boom auf den ich später genauer eingehen werde, liefen parallel zu einem entwicklungspolitischen und ökonomischen Wandel und sind in eine zunehmende Liberalisierung der Finanzmärkte und eine Ausweitung kapitalistischer Produktionsprozesse eingebettet.
Graeber (2011) meint, dass die Geschichte vom Ursprung des Kapitalismus nicht auf einer Zerstörung traditioneller Gemeinschaften durch die Macht des Staats beruhe, sondern darauf, wie eine auf dem Kredit beruhende Wirtschaftsordnung in eine auf Zinsen beruhende Wirtschaftsordnung verwandelt wurde (vgl. Graeber, 2011: 350). Aus dem Versprechen, Geliehenes zurückzugeben, wurden unpersönliche finanzielle Prinzipien, also Schulden, die auch an andere weitergegeben werden können. Des Weiteren seien Schulden viel mehr als Ökonomie, da sie im Kern einem moralischen Prinzip folgen und eine moralische Waffe sind, die jedoch unhinterfragt blieb

Erscheint lt. Verlag 11.2.2014
Reihe/Serie Bachelorarbeit
Zusatzinfo m. Abb.
Sprache deutsch
Maße 143 x 210 mm
Gewicht 116 g
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Politische Theorie
Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management
Schlagworte Frau; Wirtschaft • Indien • Indien; Wirtschaft • Mikrokredit • Subprime-Krise • Subprime-Krise / Immobilienkrise (US)
ISBN-10 3-95684-211-1 / 3956842111
ISBN-13 978-3-95684-211-5 / 9783956842115
Zustand Neuware
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