AnästhesieSkills (eBook)
528 Seiten
Thieme (Verlag)
978-3-13-243223-9 (ISBN)
1 Das Anästhesiegerät
Die Association of Veterinary Anaesthesists (AVA) hat vor einigen Jahren die empfohlenen Voraussetzungen definiert, die ein Tierarzt/eine Tierärztin erfüllen muss, um eine Vollnarkose bei Hund, Katze oder Pferd durchzuführen. Jeder Tierarzt/jede Tierärztin, der/die Vollnarkosen durchführt, muss in der Lage sein,
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den Atemweg des Tieres zu sichern (z.B. durch Intubation),
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Sauerstoff zu verabreichen,
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manuell kontrollierte Beatmung durchzuführen (z.B. durch Verwendung eines mobilen Beatmungsbeutels (AMBU), eines Anästhesiegeräts oder beim Pferd durch ein sog. demand valve),
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Medikamente und Infusionslösungen intravenös zu verabreichen, idealerweise über einen Venenverweilkatheter und
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kardiopulmonale Wiederbelebung (cardio-pulmonary resuscitation, CPR) durchzuführen.
Um diese 5 Voraussetzungen zu erfüllen, muss der Tierarzt/die Tierärztin einerseits die benötigten Materialien und Geräte vor Ort haben und andererseits die notwendigen Techniken (z.B. Intubation, Katheterisierung, manuelle Beatmung) beherrschen.
Mithilfe eines modernen Anästhesiegeräts können dem Patienten Inhalationsanästhetika und Sauerstoff sicher und dosiert verabreicht werden. Kohlendioxid (CO2) kann aus der Ausatemluft entfernt werden. Die meisten Anästhesiegeräte können als Atemmonitor dienen und zur manuellen Beatmung verwendet werden.
Das Anästhesiegerät besteht grundsätzlich aus dem Patiententeil und dem Geräteteil ( ▶ Abb. 1.1).
Abb. 1.1 Schema eines Anästhesiegeräts mit Patiententeil (hier beispielhaft mit einem Kreissystem dargestellt) und Geräteteil.
1.1 Patiententeil
Zum Patiententeil des Anästhesiegeräts gehören alle Teile des Atemsystems, die dem Frischgaszufluss nachgeschaltet sind, also in der Regel das Nicht-Rückatmungs-System oder das Kreissystem als Rückatmungs-System.
1.1.1 Nicht-Rückatmungs-System oder Rückatmungs-System?
Das Nicht-Rückatmungs-System (oder halb-offene System) unterscheidet sich vom Rückatmungs-System (oder halb-geschlossenen und geschlossenen System) durch die Art der CO2-Elimination. Beim halb-offenen System funktioniert das durch einen erhöhten Frischgasfluss, der das CO2 mit der Abluft ausspült. Beim halb-geschlossenen und geschlossenen System (= Kreissystem, wegen des immer wieder zirkulierenden Gasflusses) wird das CO2 durch den Absorberkalk aus dem System genommen. Halb-geschlossen wird es deshalb genannt, weil die Zufuhr an O2 und Inhalationsanästhetikum den Verbrauch des Tieres übersteigt, d.h. es entweicht kontinuierlich die Abluft über das Überdruckventil. Geschlossen wird ein System dann, wenn die Zufuhr an O2 und Inhalationsanästhetikum genau den Bedarf des Patienten deckt und (trotz geöffneten Überdruckventils) keine Abluft mehr aus dem System entweicht.
Eine Sonderstellung unter den Anästhesie-Systemen hat das offene System. Es handelt sich hier klassischerweise um die sog. Schimmelbusch-Maske mit der zu Beginn der Gasnarkose Patienten mit Äther anästhesiert wurden. Heutzutage zählt man auch Anästhesiekammern, wie sie z.B. für Anästhesie-Einleitung von kleinen Heimtieren/Labortieren oder Exoten verwendet werden ( ▶ Abb. 1.2) dazu. Eine feststehende Definition gibt es nicht, kurz gesagt: „jeder hat etwas davon, auch der Anästhesist“. Es sollte folglich nur mit ausgezeichneter Absaugung (z.B. unter einer Absaughaube) verwendet werden. Um mit einem offenen System zu arbeiten, braucht man nicht unbedingt ein Anästhesiegerät. Üblicherweise wird in der Veterinärmedizin das halb-offene (Nicht-Rückatmungs-)System und das halb-geschlossene (Rückatmungs-)System verwendet, da u.a. die Belastung von Personal und Umwelt durch das offene System zu hoch ist und die Bedingungen zur sicheren Durchführung einer Anästhesie mit dem geschlossenen System unter Praxisbedingungen zu schwer zu erfüllen sind.
Abb. 1.2 Offenes System zur Anästhesie-Einleitung bei kleinen Heimtieren und Exoten.
1.1.2 Nicht-Rückatmungs-System
Es gibt viele verschiedene Nicht-Rückatmungs-Systeme, die alle geringgradig unterschiedlich aufgebaut sind. Das bei uns am häufigsten verwendete System ist das sog. Bain-System ( ▶ Abb. 1.3), das auch Mapleson D-System genannt wird. Es kann als koaxiales System aufgebaut sein, d.h. der inspiratorische Schlauch liegt im exspiratorischen Schlauch, was vorteilhaft sein kann.
Abb. 1.3 Beispiel für ein Nicht-Rückatmungs-System (Bain- oder Mapleson D-System).
Abb. 1.3a Normales System.
Abb. 1.3b koaxiales System (Schlauch im Schlauch).
Bei Nicht-Rückatmungs-Systemen wird das gesamte ausgeatmete Gasgemisch vollständig mit der Abluft aus dem System abgeleitet. Aus diesem Grund muss der Frischgasfluss mindestens so groß sein wie das Atemminutenvolumen, nämlich ca. 200–250ml/kg/min.
Definition
Atemminutenvolumen
Das Atemminutenvolumen errechnet sich aus Atemzugvolumen (10–15ml/kg) mal Atemfrequenz (je nach Tierart, bei Kleintieren ca. 8–12/min, bei kleinen Heimtieren bis 20/min). Das Atemzugvolumen ist einer der wenigen Parameter, der bei fast allen Tierarten konstant ist. Die Normwerte für die Atemfrequenz sind auch in ( ▶ Tab. 2.1 ) aufgelistet.
Aufgrund der Vorteile des Bain-Systems ( ▶ Tab. 1.1 ) wird dessen Verwendung für kleine Heimtiere, Katzen und Hunde unter 5–8kg empfohlen. Man kann es auch bei größeren Tieren problemlos verwenden, allerdings steigen dann der Verbrauch und damit die Kosten unverhältnismäßig an.
Tab. 1.1 Vor- und Nachteile des Nicht-Rückatmungs-Systems (z.B. Bain) Vorteile | Nachteile |
Niedriges Totraumvolumen | Hoher Frischgasfluss (große Mengen), Inhalationsanästhetikum und Sauerstoff werden „verschwendet“, also unbenutzt verworfen = teurer und schlecht für die Umwelt |
Wenig Atemwiderstand | Wärme- und Feuchtigkeitsverlust beim Patienten |
Schnelle Konzentrationsänderungen (Inhalationsanästhetikum, Sauerstoff) sind möglich, das System ist sehr „direkt“ | Koaxiale Systeme sind schwer zu reinigen und es kann zur unerkannten Diskonnektion des inneren Schlauches kommen |
Verschiedene Größen erhältlich, auch koaxiale Systeme, bei denen theoretisch die Ausatemluft die inspiratorischen Gase erwärmt | Barotrauma kann schneller passieren, wenn vergessen wird, das Überdruckventil zu öffnen |
Wenig Gewicht am Patienten (Schläuche und Adapter sind leicht) | Bei schlechter/ungenügender Absaugung evtl. Verunreinigung der Umgebung mit Abluftgasen |
1.1.3 Rückatmungs- oder Kreissystem
Das Kreissystem kann je nach Menge des Frischgasflusses als halb-geschlossen oder geschlossen bezeichnet werden. Wie oben bereits erwähnt, übersteigt beim halb-geschlossenen System die Zufuhr an O2 und Inhalationsanästhetikum den Verbrauch des Tieres. Es muss folglich kontinuierlich ein Teil der Abluft durch das Überdruckventil aus dem System entweichen (deshalb „halb-geschlossen“). Verwendet man das...
Erscheint lt. Verlag | 10.6.2020 |
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Reihe/Serie | MemoVet | MemoVet |
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Veterinärmedizin |
Schlagworte | Anästhesieprotokolle • Anästhesie /Veterinärmedizin • Großtiere • Heimtiere • Kleintiere • MemoVet • Monitoring • Narkosemanagement • Narkoseprotokoll • Narkosezwischenfall • Nutztiere • Postoperatives Management • Präoperatives Management • Schmerzmanagement • Tiermedizin • Veterinäranästhetika |
ISBN-10 | 3-13-243223-7 / 3132432237 |
ISBN-13 | 978-3-13-243223-9 / 9783132432239 |
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