Ergotherapie für Pferde (eBook)

Basissinne schulen – Koordination und Wahrnehmung verbessern
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
Thieme (Verlag)
978-3-13-242874-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ergotherapie für Pferde - Ruth Katzenberger-Schmelcher, Yvonne Katzenberger
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<p><strong>Pferde sinnvoll fördern</strong></p> <p>Eine einzigartige Hilfestellung für alle, die mit verhaltensauffälligen Pferden arbeiten oder diese zielführend trainieren möchten: Schulen Sie gezielt die fehlende Körperwahrnehmung des Pferdes - oft das Problem 'unartiger' Pferde. Absolut praxisbetont und sehr anschaulich liefern die Autorinnen individuelle Lösungen, passgenaue Methoden und konkrete Übungen, damit Pferde ausgeglichen und sicher werden.</p> <ul> <li>zahlreiche Übungen, Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Tipps und Fallbeispiele - ergänzt um anschauliche Bilderserien</li> <li>klar gegliedert, leicht verständlich und mit konkreten Handlungsempfehlungen - für eine gelungene Umsetzung und sichtbare Trainingserfolge</li> <li>plus wertvolle Hintergrundinfos, um das Warum zu verstehen - was wird wie gemacht und mit welcher Wirkung</li> </ul> <p>Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform VetCenter zur Verfügung (Zugangscode im Buch).</p>

1 Ergotherapie – wieso, weshalb, warum?


Vielen Menschen wird die Ergotherapie als Begriff geläufig sein – weil sie entweder selbst, Familienmitglieder oder Bekannte in ergotherapeutischer Behandlung waren. Den wenigsten ist aber bewusst, was Ergotherapie genau bedeutet und vor allem, warum es sinnvoll ist, Ergotherapie als Therapieform auch beim Pferd einzusetzen.

1.1 Pferdetherapie – Status quo


Die Gesundheit des Pferdes spielt sowohl für den privaten Pferdebesitzer, der sein Pferd freizeit- oder sportmäßig reitet, als auch für den Wirtschaftsfaktor Pferd eine entscheidende Rolle: kranke Pferde sind nicht in gewohntem oder gewünschtem Maße einsatzfähig. Maßnahmen, die der Heilung, Gesunderhaltung oder Steigerung des Leistungsvermögens des Pferdes dienen, sind daher von erheblicher Relevanz. Die Nachfrage nach Therapieformen und Behandlungsansätzen ist entsprechend groß und hat dazu beigetragen, die Entwicklung der Pferdetherapie stetig voran zu treiben.

Therapiemöglichkeiten, die in erster Linie auf manuelle Therapietechniken setzen, haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen. So ist z.B. die Pferdephysiotherapie – völlig zu Recht – in das Bewusstsein vieler Pferdebesitzer gerückt. Diese Entwicklung trägt sicherlich ihren verdienstvollen Teil dazu bei, dass Schlagwörter wie „Gymnastizierung“ und „Mobilisierung“ bei immer mehr Pferdebesitzern zum Grundwortschatz gehören

Die Fokussierung auf Bewegungstherapie und Physiotherapie greift für sich allein genommen aber zu kurz. Insbesondere dann, wenn man die Gesundheit von Pferden im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise fördern möchte. Ergotherapeutische Ansätze beim Pferd werden in diesem Zusammenhang bisher viel zu wenig beachtet.

1.2 Ergotherapie beim Menschen


Der Begriff der Ergotherapie stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Gesundung durch Handeln und Arbeiten“. Im humanmedizinischen Bereich gehört die Ergotherapie zu den medizinischen Heilberufen und ist dort bereits seit Jahrzehnten fester Bestandteil des therapeutischen Spektrums. Die Ergotherapie verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Sie stellt damit eine Therapieform dar, deren Ziel es vor allen Dingen ist, die Handlungsfähigkeit des Menschen im Alltagsleben präventiv zu fördern oder wiederherzustellen. Medizinische, sozialwissenschaftliche und handlungsorientierte Grundlagen bilden dabei die Basis der Ergotherapie.

Der Deutsche Verband der Ergotherapeuten hat folgende Begriffsbestimmung der Ergotherapie definiert.

Definition: Ergotherapie

Ergotherapie unterstützt und begleitet Menschen jeden Alters, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind. Ziel ist, sie bei der Durchführung für sie bedeutungsvoller Betätigungen in den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit in ihrer persönlichen Umwelt zu stärken.

Hierbei dienen spezifische Aktivitäten, Umweltanpassung und Beratung dazu, dem Menschen Handlungsfähigkeit im Alltag, gesellschaftliche Teilhabe und eine Verbesserung seiner Lebensqualität zu ermöglichen ▶ [1].

Die Ergotherapie stellt ein medizinisches Heilmittel dar und ist damit eine Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen einer Krankenbehandlung. Eine ergotherapeutische Behandlung wird demnach vom Arzt verordnet und die Kosten werden von den Krankenkassen übernommen. Im sogenannten Heilmittelkatalog ist geregelt, welche Indikation mit welchem Heilmittel nach Maßnahme des Katalogs therapiert wird. Grundsätzlich sind dort drei Heilmittel vorgesehen:

  • die sensomotorisch-perzeptive Behandlung,

  • die motorisch-funktionelle Behandlung,

  • die psychisch-funktionelle Behandlung.

In der Ergotherapie werden die menschlichen Betätigungsbereiche Selbstversorgung (z.B. Kochen und Essen, Hygienemaßnahmen), Freizeit (z.B. Spielen, Sport und Hobbys) und Produktivität (z. B. Lernen, Anforderungen des Berufs) unterschieden. Das Behandlungsspektrum ist dabei sehr weit angelegt ( ▶ Abb. 1.1).

Ergotherapie beim Menschen.

Abb. 1.1 Die Ergotherapie beim Menschen umfasst ein breites Behandlungsspektrum. Balanceübungen, wie hier auf einem Balancepad, können auch auf das Pferd übertragen werden.

(© Kirsten Oborny, Thieme Verlag)

Der Mensch wird als offenes System gesehen, in dem komplexe Beziehungen bestehen. Die Beziehungen finden zwischen dem Individuum, seinen Aktivitäten, seiner Umwelt und seiner Partizipation (Teilhabe) statt. Deshalb ist es unabdingbar, dass bei Betätigungsproblemen stets alle Faktoren berücksichtigt werden, um zielführend therapieren und zu einer zufriedenstellenden Lösung kommen zu können.

Die ganzheitliche ergotherapeutische Sichtweise geht von folgenden Grundannahmen und Werten aus:

Grundannahmen:

  • Von Natur aus sind Menschen handelnde Wesen.

  • Aktivität und Partizipation sind wichtige Faktoren für die Gesundheit eines Menschen.

  • Menschen können Störungen und Einschränkungen im Handeln erfahren.

  • Das Handeln kann als Ausgangspunkt für Veränderung genutzt werden.

  • Die Umgebung kann als Ausgangspunkt für Veränderung genutzt werden.

Werte:

  • Jeder Mensch hat das Recht auf Teilnahme an persönlich bedeutungsvollen Aktivitäten.

  • Einschränkungen vermindern nicht den Wert des Individuums.

  • Einschränkungen sind nicht zwingend ein Hindernis für eine gute Lebensqualität.

  • Jedes Individuum hat das Recht, sein eigenes Leben zu bestimmen.

In der modernen Ergotherapie wird mit diversen Therapiemethoden und -konzepten sowie mit klientenzentrierten Behandlungsleitlinien gearbeitet. Klientenzentriert bedeutet, dass die Bedürfnisse des Betroffenen in den Mittelpunkt gestellt werden. So wird z.B. bei der Behandlungsleitlinie COPM (Canadian Model of Occupational Performance) im Rahmen von Interviews zwischen Therapeut und Klient besprochen, wie die konkreten Betätigungen im Alltag des Klienten aussehen und an welcher Stelle Schwierigkeiten auftreten. Im Anschluss werden gemeinsam Behandlungsziele festgelegt, die sowohl die Ressourcen des Klienten als auch dessen Wünsche nach Verbesserung in den einzelnen Betätigungsbereichen berücksichtigen. Nach einem festgesetzten Zeitraum finden stets eine Analyse und Evaluation der Therapie statt. Ist ein Klient nicht in der Lage, sich selbst zu äußern oder die Therapiemaßnahmen kognitiv zu erfassen, können gegebenenfalls nahe Angehörige oder das Pflegepersonal den Klienten im Rahmen der Analyse und Evaluation „vertreten“.

1.3 Übertragung der ergotherapeutischen Grundsätze auf das Pferd


Obwohl sich Pferd und Mensch naturgemäß in vielen Aspekten unterscheiden, sind sie sich in anderen wiederum sehr ähnlich. Daher müssen die Grundannahmen und Werte der Ergotherapie in modifizierter Form auf das Pferd übertragen werden. Dies vor allem deshalb, weil kognitive Strategien nur im Zusammenspiel mit dem Pferdebesitzer möglich sind.

1.3.1 Kognitive Strategien – die wesentliche Rolle des Pferdebesitzers


Pferde können nicht sprechen – weder mit ihrem Besitzer noch mit dem Therapeuten. Ein Pferd kann seine Bedürfnisse nicht aktiv in einem objektiv messbaren Rahmen äußern. Es kann nicht sagen, in welcher konkreten Alltagsbetätigung eine Verbesserung wünschenswert ist. In Folge dessen können kognitive Strategien in der Pferdeergotherapie nicht direkt mit dem Pferd durchgeführt werden.

Daher spielt der Pferdebesitzer in der Ergotherapie für Pferde eine wesentliche Rolle. Er muss in der Lage sein, das Sprachrohr für sein Pferd zu werden. Der Besitzer muss erkennen und verstehen, wo das Problem für sein Pferd begründet liegt. Er muss ferner dazu bereit sein, Veränderung in Kauf zu nehmen und diese aktiv zu unterstützen, um den Alltag seines Pferdes zu verbessern.

Menschen legen sich Pferde als Freizeitpartner, Sportassistenten oder Co-Therapeuten zu. Der Mensch entscheidet damit über den Betätigungsbereich des Pferdes, also darüber, ob es z.B. ein Spring-, Vielseitigkeits-, Fahr- oder Therapiepferd sein soll. Der Pferdealltag wird – im Gegensatz zu dem des selbstbestimmten Menschen – nicht vom Pferd selbst festgelegt. Von den Haltungsformen bis hin zum Tagesablauf gibt der Mensch die Rahmenbedingungen für das Pferd vor. Deswegen ist auch der Pferdebesitzer derjenige, der maßgeblich bestimmt, welche Betätigungsbereiche einer Verbesserung bedürfen.

Der Therapeut muss deshalb den Pferdebesitzer, das Pferd, dessen Lebensraum und die...

Erscheint lt. Verlag 20.11.2019
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Veterinärmedizin
Schlagworte Ausbildung • Ergotherapie/Pferd • erziehen • Körperwahrnehmung • Pferd • Physiotherapie/Pferd • sicher reiten • Sinneswahrnehmung • tiergestützt • Training • Übungen • Verhalten • verhaltensauffällige Pferde
ISBN-10 3-13-242874-4 / 3132428744
ISBN-13 978-3-13-242874-4 / 9783132428744
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