Faszientherapie beim Hund (eBook)

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2018 | 1. Auflage
176 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-242307-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Faszientherapie beim Hund -  Barbara Welter-Böller,  Hedi Janssen
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Faszination Faszien - bringen Sie Bewegung in den Hund Ausgezeichnet illustriert und klar verständlich vermittelt dieses Buch erstmals Grundlagen und Praxis der Faszientherapie beim Hund. Das osteopathisch versierte Autorenteam um Barbara Welter-Böller erläutert die Biomechanik und Pathologie der Faszien und zeigt, wie sich Einschränkungen auf das parietale, viszerale und craniosacrale System auswirken. Die zahlreichen direkt umsetzbaren Befundungs- und Behandlungsmethoden werden detailliert beschrieben. Damit erhalten Sie konkrete therapeutische Einsatzmöglichkeiten bei der Behandlung von Schmerzen, Verspannungen, orthopädischen Problemen und Stress beim Hund. Mit vielen Tipps und Hintergrundwissen aus dem Praxisalltag wendet sich dieses Buch sowohl an Kleintierpraktiker und ganzheitlich tätige Tierärzte als auch an Tierphysiotherapeuten und Tierheilpraktiker.

2 Anatomie und Physiologie der Faszien


2.1 Definition Faszie


Die Wiederentdeckung der Faszie (lateinisch: Fascia = Verbund, Bündel) mit vielen neuen Erkenntnissen aus aller Welt machte eine moderne und umfassende Definition dieses Gewebes nötig. Dies geschah auf dem 1. Internationalen Fascia Research Congress 2007 in Boston. Danach sind Faszien:

  • alle faserigen Bindegewebsstrukturen, die den gesamten Körper als ein kontinuierliches Netzwerk durchdringen und umhüllen

  • alle kollagenen und elastisch faserigen Bindegewebe, insbesondere Gelenk- und Organkapseln, Ligamente, Muskelhüllen, Membranen, Sehnen, Retinacula sowie die früher als Faszien definierten flächigen, festen Bindegewebsschichten

In den heutigen Anatomiebüchern sind Synonyme für Faszien Membranen, weißliche Substanz, Stroma, Aponeurosen oder auch bedeckende Gewebsschicht.

2.1.1 Welche Gewebe sind nach dieser Definition Faszien?


Zu den Faszien werden folgende Gewebe gezählt:

  • die große, alles überdeckende äußere Körperhülle, die Fascia superficialis

  • die darunter liegenden tiefen Faszien, die den Körper untergliedern:

    • Muskel-, Nerven- und Gefäßhüllen

    • Ligamente, Sehnen, Gelenkkapseln und bindegewebige Verbindungen der unechten Gelenke, z. B. der Suturen

    • das Peritoneum mit seinen Ligamenten

    • die Mesenterien und viszeralen Ligamente

    • Peri-, Epi- und Endokard

    • das Mediastinum

    • Organkapseln

    • die Meningen

    • der Sehnenspiegel des Diaphragma abdominale sowie des Perineum

    • die bindegewebigen Raphen

Bei all diesen Auflistungen sollte man sich immer wieder vergegenwärtigen, dass das Fasziennetz ein Kontinuum ist. Es ist das einzige Körpergewebe, das alle Strukturen miteinander verbindet. Die Faszien geben dem Körper die äußere Form. Sie strukturieren, trennen, verbinden, umhüllen und durchziehen unsere Muskeln, Organe, Nerven und Gefäße. Sie gewährleisten, dass diese Strukturen aneinander entlanggleiten können. Zudem bilden sie Bahnen für die Gefäße und Nerven und verhindern, dass diese abreißen. Die Organe sind an Faszien aufgehängt, um eine größtmögliche Stabilität und Mobilität zu gewährleisten. Auch wenn ein Hund springt, sich dreht, Slalom läuft, Flyball spielt oder auf dem Rücken liegt und strampelt, bleiben seine inneren Organe stets an ihrem Platz – außer bei einem gefülltem Magen, der dann bis zum Nabel erweitert ist und alle anderen Organe verdrängt. Hier besteht die Gefahr einer Überlastung des Fasziensystems mit nachfolgender Magendrehung.

2.1.2 Oberflächenfaszien


Sie geben dem Hund die äußere Form und trennen die Haut von dem darunterliegenden Unterhautfettgewebe und der Muskulatur. Sie ermöglichen, dass diese Gewebe aneinander entlanggleiten können. Kanäle und Spalten mit Fettanteilen durchdringen die Oberflächenfaszien und garantieren eine reibungslose Beweglich- und Verschieblichkeit der Arterien, Venen, Nerven und Lymphgefäße. Die Oberflächenfaszien sind der Ausgangspunkt für die Lymphgefäße, damit spielen sie auch eine wichtige Rolle bei der Stoffwechselversorgung der Zellen.

2.1.3 Muskulatur


„Stellen Sie sich vor, der Körper hätte nur einen einzigen Muskel, der durch 600 Tüten geteilt ist.“ (Myers, in: ▶ [40], S. 6)

Dieses Bild erleichtert die Vorstellung von der Unterteilung der Muskulatur durch Faszien.

Muskel- und Fasziengewebe sind untrennbar miteinander verbunden. Wer schon einmal Fleisch zerlegt hat, weiß, wie mühsam es mitunter sein kann, die Faszien von dem Muskelfleisch abzutrennen. Faszien umhüllen das Muskelgewebe, bilden eine gute Auflage- und Verschiebefläche gegenüber anderen Muskeln oder dienen ihnen als Ansatzpunkt. Sie versorgen den Muskel mit Gefäßen und Nerven. Das sog. Perimysium, eine Faszienmembran, umgibt die Muskulatur und fasst Gruppen von 10 bis über 100 einzelne Muskelfasern zu Faserbündeln zusammen. Das Perimysium externum bildet die äußere Muskelhülle. Das Perimysium internum dringt in die Tiefe des Muskels ein und unterteilt ihn in Primärbündel. Mehrere Primärbündel bilden über das Perimysium externum ein Sekundärbündel. Das Perimysium internum gliedert sich weiter in die Muskelhüllen der einzelnen Muskelfasern auf, dem Sarkolemm, in dem sich die Myofibrillen befinden. Das Perimysium externum setzt sich in die Sehne des Muskels fort und ist hier ein straffes paralellfaseriges Bindegewebe, das der Kraftübertragung des Muskels dient. Die Muskelfaszien sind entweder längs oder quer seriell angeordnet. Je nach Anordnung werden sie bei Kontraktion oder Dehnung des Muskels unterschiedlich angesprochen. In Ruhestellung des Muskels sind alle Faszien entspannt. Kontrahiert der Muskel, wird sein Muskelbauch dicker und die quer angeordneten Faszien nehmen Spannung auf. Dadurch verhindern die Faszien, dass der Muskelumfang bei einer Kontraktion zu stark zunimmt, denn sonst würde er keine Zugspannung mehr auf die Sehne ausüben. Auch die Sehne selbst gerät bei der Kontraktion unter Spannung. Die längs ausgerichteten Faszien hingegen werden bei der Dehnung des Muskels gespannt. Dadurch verhindern die, dass der Muskel überdehnt wird.

2.1.4 Körperhöhlen


Perikard, Pleura parietale und das Peritoneum bilden die großen Körperhöhlen und gewährleisten eine stabile Form der Organe bei größtmöglicher Mobilität. Zwischen den Organen und den mittleren und inneren Bindegewebshüllen befindet sich eine Flüssigkeit, damit ein freies Gleiten der Organe und Strukturen untereinander möglich ist.

2.1.5 Nerven und Gefäße


Die äußere Faszienhülle der Nerven (Epineurium) und Gefäße (Tunica adventitia, früher: Tunica externa) sorgen dafür, dass diese ungehindert zu ihren jeweiligen Erfolgsorganen gelangen, egal welche Haltung der Hund gerade einnimmt oder wie er sich bewegt.

2.1.6 Gehirn und Rückenmark


Die harte Hirnhaut, Dura mater encephali, umhüllt das Gehirn und schützt es vor Stößen. Die Dura mater encephali setzt sich als Rückenmarkshaut, Dura mater spinalis, im Wirbelkanal fort und umhüllt dort das Rückenmark. Sie ist im Rückenmarkskanal normalerweise frei beweglich, nur im Bereich von C2–C3 und S2 ist sie fixiert. Sie begleitet austretende Nerven noch bis hinter das Foramen intervertebrale, wodurch deren Beweglichkeit gewährleistet wird.

2.1.7 Dysfunktionen von Faszien beim Hund


Jede Faszie kann durch Über- oder Fehlbelastung in Mitleidenschaft gezogen werden. So kann im orthopädischen Bereich ein Sehnen- oder Kreuzbandproblem ebenso wie eine Spondylose, die aus der Fibrosierung und der späteren Verknöcherung des ventralen Längsbandes, Lig. longitudinale ventrale, entsteht, zu einer Faszienstörung führen. Eine Magendrehung oder -dilatation kann beispielsweise durch eine Dysfunktion der stabilisierenden Haltebänder und der Organkapsel begünstigt werden. Die Suturen des Schädels sind definiert als bindegewebige (fasziale) Nahtstellen, weshalb Einschränkungen der Faszienfunktionen auch zu einem craniosacralen Problem führen können. Beispiel: Die langen und schweren Ohren eines Cocker Spaniels verändern seine Kopfform und geben einen konstanten Zug auf das Hirnzelt (Tentorium). So könnte der bei dieser Hunderasse oft auftretende Schwindel oder gar die Cockerwut auf ein Faszienproblem zurückzuführen sein und mit craniosacralen Techniken behandelt werden.

2.2 Funktion der Faszien – der Körper im Spannungsfeld zwischen Stabilität und Mobilität


Damit Mensch und Tier überleben können, müssen Haltung und Bewegungsabläufe effizient sein. Ein Wolf, der jagt, lässt von der Verfolgung seiner Beute ab, wenn ihn die Jagd zu viel Energie kostet. Auch in Bezug auf die Energiereserven eines Organismus spielen die Faszien eine Rolle. Da sie den Körper und seine Organe bei größtmöglicher Mobilität formen und stabilisieren, ohne dass Muskelarbeit stattfindet, minimieren Faszien auch den Energieverbrauch. In diesem Zusammenhang bietet sich das Tensegrity-Modell (Tensegrity ist ein Kunstwort, das sich aus dem Wort tension = Zugspannung und dem Wort integrity = Zusammenhalt, Ganzheit zusammensetzt; ▶ Abb. 2.1) an, mithilfe dessen diese Vorgänge verständlicher werden. Entwickelt wurde das Modell 1975 von dem Architekten Buckminster Fuller (1895–1983).

Abb. 2.1 Tensegrity-Modell.

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Erscheint lt. Verlag 19.9.2018
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Veterinärmedizin Kleintier
Schlagworte Befundung • Behandlung • Diagnostik • Faszientheraie • Faszientherapie • Ganzheitlich • Hund • Hundekrankheit • Osteopathie • Stress • Tierheilpraktiker • Tiermedizin
ISBN-10 3-13-242307-6 / 3132423076
ISBN-13 978-3-13-242307-7 / 9783132423077
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