Falsche Taktik - Große Schäden -  Markus Pulm

Falsche Taktik - Große Schäden (eBook)

(Autor)

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2024 | 10. Auflage
176 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-044475-1 (ISBN)
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This book reveals all sorts of firefighting operations from a completely new perspective. Things that have been previously taken for granted are called into question. Numerous examples are used to show how the quality of the fire brigade=s work can be substantially improved. The volume is not intended as a textbook, but rather as provocative reading that unsparingly and urgently reveals deficiencies in the way in which operations are conducted. The specific examples and approaches to solutions are easily understood, so that they can be applied during operations.

Fire Director Dr. Markus Pulm is Deputy Director of the Karlsruhe Fire Brigade.

[24]2Beurteilung von Schäden


2.1Schäden bei Brandeinsätzen


Brände können Personen-, Sach- und Umweltschäden nach sich ziehen. An dieser Stelle sollen zunächst nur die Sachschäden betrachtet werden, auf die Bewertung von Personenschäden wird später noch eingegangen.

Um unser Ziel, Sachschäden zu reduzieren, erreichen zu können, müssen wir uns zunächst über die Zusammensetzung von Sachschäden bei Bränden Gedanken machen. Brandschäden setzen sich aus mehreren Parametern zusammen (Bilder 8a–c). Schon während der Einsatzplanung muss der Einsatzleiter versuchen, die einzelnen Parameter grob abzuschätzen und den zu erwartenden Gesamtschaden zu bilanzieren. Die isolierte Betrachtung nur eines einzelnen Parameters kann zu einer vermeidbaren Verschlechterung der Schadenbilanz führen. Ein Brandschaden setzt sich wie folgt zusammen:

Schäden durch unmittelbare Brandeinwirkung

+ Löschwasserschäden

+ Rauchschäden

+ Sanierungs- und Entsorgungskosten

+ Ausfallzeiten

+ ökologische und ideelle Schäden,

+ Imageverluste usw.

-----------------------

= Gesamtschaden

Die Parameter »Rauchschäden«, »Sanierungs- und Entsorgungskosten« und »Ausfallzeiten« sind fett gedruckt. Dies hat zwei Gründe:

  1. Es sind diese Parameter, die zunehmend negativen Einfluss auf die Schadenbilanzen nach Bränden haben. Sie machen oft den größten Anteil des Schadens aus, mit steigender Tendenz.

  2. Gleichzeitig sind es die Parameter, die in unseren taktischen Überlegungen häufig eine eher untergeordnete Rolle spielen. Wir konzentrieren uns vornehmlich auf die Brandbekämpfung, versuchen an das Feuer heranzukommen, es zu löschen. Es ist ein Erfolg des Umdenkens in den vergangenen Jahren, dass wir zumindest bemüht sind, Wasserschäden zu vermeiden.

[25]Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die Äußerung einer Feuerwehrführungskraft, als sie erstmals mit der hier vorgestellten Überlegung konfrontiert wurde. Spontan äußerte sie eine Meinung, die vermutlich von vielen Kollegen/innen und Kameraden/innen mitgetragen wird, als sie sagte:

»Sollen wir jetzt auch noch auf Rauchschäden achten?«

Betrachtet man beispielhaft den Brand in der Fachhochschule in Karlsruhe, so wurde der reine Brandschaden auf etwa 250 000 Euro, der Gesamtschaden jedoch auf 5 Millionen Euro geschätzt. Die obige Frage könnte man mathematisch demnach auch wie folgt formulieren:

»Sollen wir uns auch noch um 95 Prozent des Problems kümmern?«

[26]Bilder 8a–c:  Schäden bei Bränden entstehen auf unterschiedliche Art. Neben thermischen Schäden durch die unmittelbare Brandeinwirkung, sind Schäden durch das Löschwasser und insbesondere auch durch den Brandrauch zu betrachten. [zurück]

[27]Die Antwort auf diese Frage kann sich der Leser selbst geben. Wir dürfen die Rauchschäden in unserer Lagebeurteilung nicht unbeachtet lassen, sie gehören mit in das Zentrum unserer taktischen Überlegungen.

Bild 9: Die Schäden durch Kontamination mit Ruß und den daran anheftenden Schadstoffen machen in vielen Fällen den größten Teil des Schadens aus. Daher muss die Vermeidung der Rauchausbreitung in bis dahin rauchfreie Bereiche, auch unter dem Aspekt der Vermeidung von Sachschäden bei der Einsatzabwicklung, einen hohen Stellenwert einnehmen. (Bildquelle: Fa. Belfor Deutschland GmbH.)

Vielleicht ist es für jeden Feuerwehrangehörigen, insbesondere für Führungskräfte, empfehlenswert, nach einigen Tagen oder Wochen die Brandgeschädigten aufzusuchen, um ein Gespür dafür zu entwickeln, welche Auswirkungen ein Schadenfeuer auf eine Familie, eine Hausgemeinschaft oder eine Firma hat. Bei solchen Besuchen erfährt man von den Problemen, die ein Brand hervorrufen kann, der in unserer Statistik vielleicht nur als »Kleinbrand a« oder »b« erscheint. Indem wir uns mit solchen Themen, die bis hin zu psychischen Problemen reichen, auseinander[28]setzen, lernen wir, den Stellenwert unserer Arbeit besser einzuschätzen. Dies muss zwangsläufig zu einer Sensibilisierung im Umgang mit fremdem Eigentum führen.

Um die Bedeutung der Parameter »Sanierungs- und Entsorgungskosten« und »Ausfallzeiten« zu veranschaulichen, soll auf diese Punkte, die in der Betrachtungsweise eines Einsatzleiters kaum Beachtung finden, besonders eingegangen werden.

2.1.1Sanierungs- und Entsorgungskosten


Die Bedeutung der Brandschadensanierung hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen (Bild 10). Man hat ein mögliches Gefährdungspotenzial an kalten Brandstellen erkannt, wodurch bei gleichzeitig extrem zunehmendem Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung der Bedarf für umfangreiche Sanierungsmaßnahmen sprunghaft angestiegen ist. Die Zeiten, in denen die Hausbewohner in einer gemeinsamen Aktion mit warmer Seifenlösung den Treppenraum dekontaminiert haben, sind längst vorbei.

Ein weiterer Aspekt, der im Zusammenhang mit Sanierungskosten zu nennen ist, ist die zunehmende Vorhaltung empfindlicher elektronischer Komponenten in fast allen Bereichen des täglichen Lebens. Diese Geräte können nicht einfach nur abgewaschen werden, sie müssen einer aufwändigen und kostenintensiven Sanierungsmaßnahme unterzogen werden. Gelingt eine Sanierung nicht, so fallen außer den Wiederbeschaffungskosten auch noch Entsorgungskosten an.

Die Entsorgungskosten nehmen ebenfalls stetig zu. Die Verknappung von Deponiekapazitäten und der Zwang zur Abfalltrennung und Wiederverwertung sorgen für ungeheure und für Außenstehende nahezu unvorstellbare Entsorgungskosten. Insbesondere wenn es nicht gelingt, Abfälle systematisch zu trennen, können Kosten entstehen, die auch den von der Versicherung abgedeckten Betrag von 3 % der Versicherungssumme übersteigen können. So kostete beispielsweise die Entsorgung des Brandschutts nach einem Scheunenbrand mehr als 200 000 Euro, weil asbesthaltige Bruchstücke der Dacheindeckung nicht vom übrigen Brandschutt getrennt wurden.3

[29]Bild 10: Aufwendige Sanierungen kosten Zeit und Geld. Bei ideellen Werten, hochwertigen Maschinen und Werkzeugen ist sie oftmals alternativlos, da Ersatzbeschaffungen nicht möglich, zu teuer oder zu langwierig sind (Foto: Fa. Belfor Deutschland GmbH). [zurück]

2.1.2Ausfallzeiten


Ausfallzeiten im privaten Bereich:

Sanierung nach Bränden ist heute nicht mehr mit einem einfachen Abwaschen von Wänden und Einrichtungsgegenständen gleichzusetzen. Häufig werden aufwändige Maßnahmen durchgeführt, die auch sehr zeitraubend sind. Während der Sanierungsmaßnahmen sind die zu sanierenden Objekte häufig nicht bewohnbar. Dadurch kommt es zu Ausfallzeiten, zu Verlusten in der Lebensqualität für die Betroffenen, die nicht zu unterschätzen sind. In welchen Dimensionen sich diese »Ausfallzeiten« bewegen können, sei an zwei Beispielen aus Karlsruhe veranschaulicht:

  • Durch vorsätzliche Brandstiftung gerät ein Keller in einem Mehrfamilienhaus in Brand. Das Feuer bleibt auf den Kellerraum beschränkt, es wird mit einem C-Rohr gelöscht. Allerdings werden der Treppenraum und einige Wohnungen durch Rauch in Mitleidenschaft gezogen. Selbst die Familien, [30]deren Wohnungen nicht verraucht waren, können erst etwa zwei Monate nach dem Brand, nachdem die Sanierung des Treppenraumes abgeschlossen ist, wieder in ihre Wohnungen zurückkehren.

  • Infolge eines technischen Defekts fangen im Keller eines Reihenendhauses ein Fernsehgerät, ein Videorekorder und einige Videokassetten Feuer. Der Rauch breitet sich bei geöffneten Türen im ganzen Haus aus. Das Feuer kann rasch mit einem C-Rohr unter Kontrolle gebracht werden. Es dauert allerdings etwa sechs Monate, bis die Hausbewohner ihr Haus wieder beziehen können.

Bild 11: Über den Treppenraum gelangen die Bewohner zu ihren Wohnungen. Ist der Treppenraum kontaminiert, sind die Wohnungen nicht mehr zu erreichen.

Ausfallzeiten im gewerblichen Bereich:

Man stelle sich einen mittelständischen Betrieb vor, der Kupplungsteile für die Produktion des VW-Golf produziert. Durch einen Brand kommt es zu einer Betriebsunterbrechung von drei bis vier Wochen. Der Betriebsleiter informiert den VW-Konzern, dass sein Betrieb als Lieferant kurzfristig ausfällt.

[31]Was zunächst harmlos klingt, kann den Kleinbetrieb auf lange Sicht in seiner Existenz gefährden. Da in unserer »Just-In-Time-Gesellschaft« die Lagerhaltung stark reduziert worden ist, ist VW auf die Lieferung der Teile angewiesen. Man kann nicht erwarten, dass der große Konzern aus Rücksicht auf den kleinen Lieferanten die Produktion vorübergehend einstellt. Vielmehr wird er nach einem neuen Lieferanten Ausschau halten und dabei sicherlich erfolgreich sein. Nur wenn es dem ursprünglichen Lieferanten gelingt, nach der Betriebsunterbrechung wieder mit dem Konzern ins Geschäft zu kommen, was eher unwahrscheinlich sein dürfte, ist der Zustand vor dem Brand in etwa wiederhergestellt. Gelingt es hingegen nicht, den Großkunden zurückzugewinnen, treten Verluste ein, die von keiner Versicherung gedeckt werden. Hinzu kommen unter Umständen Regressforderungen für Schäden, die durch den Lieferausfall entstanden sind.

Was dies bedeuten kann, zeigt eine Statistik, die für...

Erscheint lt. Verlag 28.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Technik
ISBN-10 3-17-044475-1 / 3170444751
ISBN-13 978-3-17-044475-1 / 9783170444751
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