Der relativ unsouveräne Souverän -  Peter Brandlmayr

Der relativ unsouveräne Souverän (eBook)

Versuch zu einer hantologischen Ethik
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2023 | 1. Auflage
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978-3-99139-507-2 (ISBN)
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Eine Ethik formulieren zu wollen erscheint heutzutage als ein äußerst dreistes, zweifelhaftes und aussichtsloses Unterfangen. Dennoch gestehen wir ein, dass die Frage nach dem, was recht, gerecht, gut und böse ist, keineswegs unbedeutend ist. Wir stehen alle mitten drinnen in einem moralisch geprägten gesellschaftlichen Zusammenhang, ausgestattet mit einem breiten Fundus eines impliziten und expliziten ethischen Selbst- und Weltverständnisses. Nun, wie kommt es, dass wir uns einerseits zieren Ethisch-Moralisches zu formulieren, andererseits aber dennoch auf ein solches angewiesen sind? Und warum führt jedes Nachdenken über das Ethisch-Moralische ins Paradoxe, Zweifelhafte, Prekäre hinein? Verbirgt sich in all dem etwa Grundsätzliches die Ethik betreffend? Mit diesen Fragen setzt sich das vorliegende Buch auseinander und versucht aus einer hantologischen Perspektive einen Ausblick auf eine relativistische Ethik zu geben.

Peter Brandlmayr wurde 1970 in Bad Ischl geboren. Er absolvierte ein Geologiestudium an der Universität Innsbruck, danach das Kolleg für Fotografie an der Höheren Grafischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in Wien. 1998 gründete er das Institut für Wissenschaft und Forschung (IWF), ein Experiment zwischen Kunst und Wissenschaft, Realität und Fiktion. 2005 Promotion Brandlmayr an der Universität Innsbruck zum Dr. phil.; 2013 gründete er das Pegasus-Institut für Pataphysik (PIP) sowie im Jahr 2019 das Institut für Müßiggang und Kontemplation (IMK). Er führte zahlreiche Ausstellungen, Installationen, Vorträge und Performances duch.

Ein Wort zum Vorhaben eine hantologische Ethik
zu verfassen

 

All unser Bauen wird immer ein listig schwindelerregendes Unternehmen sein

Eine Ethik formulieren zu wollen, erscheint heutzutage ein mutiges und äußerst zweifelhaftes Unterfangen. Nicht nur die Frage nach einer Legitimation zu einem solchen Unternehmen stellt sich hier, sondern auch, ob denn nicht in der Geschichte der Philosophie bereits genug Schriften zu diesem strittigen und kaum sicher bestimmbaren Thema verfasst worden sind. Als Unfug, als sinnloses und aussichtsloses Unterfangen scheint uns eine grundlegende ethische Schrift im Grunde mehr verdächtig als notwendig. Dennoch gestehen wir ein, dass die Frage nach dem Moralischen, nach dem, was recht, gerecht, was gut ist, keineswegs unbedeutend ist. Wir alle entkommen diesen Fragestellungen nicht. Gleich ob im alltäglichen Leben oder in Betrachtung grundsätzlichen Handelns oder aber in Betrachtung unseres Lebens als Ganzes, die Frage nach dem moralischen Wert stellt sich immer wieder von Neuem. Soll ich handeln oder unterlasse ich besser? Ja bin ich überhaupt frei, um solches generell entscheiden zu können? Wen darf ich als frei entscheidend auffassen? Kennen nur wir Menschen die Erfahrung der Freiheit? Kennen nur wir Menschen einen als frei aufgefassten Willen, wogegen alle anderen Existenzen bloß einem unfreien Wollen, einem Streben unterliegen? Darf ich mich an all dem, das ich nicht als frei erachte, einfach bedienen, ohne mir zu überlegen, ob mein Handeln für eben dieses Unfreie vorteilhaft oder unvorteilhaft ist? Oder sollte ich unfreie Existenzen moralisch in meinem Entscheiden mitbedenken? Und was ist, wenn mir das Benutzte leid tut - wenn ich also mir selbst etwas Schlechtes tue, wenn ich Benutztes in meiner Betrachtung übergehe?

All dies und vieles mehr zeigt uns als grundsätzlich moralisch denkende Wesen. Wir stehen mitten drinnen in einem moralisch geprägten gesellschaftlichen Zusammenhang, ausgestattet mit einem breiten Fundus eines impliziten und expliziten ethischen Selbst- und Weltverständnisses. Sobald wir unser heterogenes moralisches Verständnis jedoch in explizite Worte zu fassen versuchen, geraten wir unweigerlich in einen schwindelerregenden Strudel von Widersprüchlichem. Wir beginnen zu stammeln, uns zu verhaspeln, zu stolpern.

Eben hier erfasst uns jener Gegenwind, der uns von einem Versuch einer Formulierung einer Ethik abbringen möchte. Man erinnert sich an all die klassischen Ethiken, die, auch wenn sie um die selben Begriffe kreisen, letztlich doch höchst widersprüchliche Versuche darstellen, das moralische Tun des Menschen zu erklären. Doch genau in diesem paradoxen Umstand, dass wir uns selbst als moralische Wesen bezeichnen, gewohnt in einem solchen Sinne zu agieren, gleich ob das Moralische nur paradox formulierbar ist, liegt ein wesentliches Moment dafür, dass es sehr wohl lohnt, weiter über Ethik in einem systematischen Sinne nachzudenken. Eine der Fragen könnte dabei lauten: warum ist dies ebenso? Warum führt alles Nachdenken über das Ethische stets ins Paradoxe hinein?

Abseits dieser generellen Frage über die Konstitution von Ethik steht für mich – als generell am Hantologischen d.h. am absolut Relativistischen Interessierten - aber auch noch eine zweite Frage im Raum. Denn blicken wir in die Geschichte, dann zeigt sich, dass beinahe alle klassischen Ethiken im Sinne einer eindeutigen ausschließenden Logik – das heißt klassisch ontologisch – geprägt sind und nicht hantologisch. In diesem Sinne stellt sich für mich hier also auch die Frage, was man denn potenziell unter einer hantologischen Ethik verstehen könnte.

In Bezug auf die Geschichte und Bedeutung des Hantologischen soll an dieser Stelle auf das Buch „Ivo und die Pataphysik“ verwiesen werden, in dem ein Versuch zu einer hantologischen Erkenntnistheorie unternommen wird. In aller Kürze dargestellt, ist Hantologie das relative Geschwister der klassischen Ontologie. Ist Letztere von einem zweiwertig ausschließenden Logik- und Wesensbegriff gemäß einem Entweder-Oder geprägt (entweder System oder Umwelt, entweder falsch oder wahr, entweder gerecht oder ungerecht), so zeichnet sich die Hantologie durch einen relativistischen Logik- und Wesensbegriff aus. Hier erscheinen System und Umwelt nicht durch eine Singularität eindeutig getrennt, sondern Systeme sind hier durch einen paradoxen Rand nach innen und außen hin mit der Umgebung verbunden und zugleich von dieser getrennt. Jegliches System ist hier relativ aus Subsystemen aufgebaut und eingebettet in Metasysteme. Entsprechend finden wir eine hantologische Logik abseits eines reinen Entweder-Oder. Der logische Formenschatz spannt sich hier zwischen einem relativen Entweder-Oder, einem Sowohl-Als-Auch und einem relativen Weder-Noch auf.

Aus hantologischer Sicht ist alles Reine grundsätzlich unzugänglich, da dies jenseits des Relativen, des Beziehungsfähigen liegt. Der Umstand der „Unreinheit“, der Relativität gilt für alles Existente und also auch für alle Kategorien, Maßstäbe und Begriffe, die wir Menschen verwenden, um Entscheidungen, Bewertungen und Urteile zu fällen. Ein absolutes Urteil ist etwas, das jenseits unseres Wahrnehmens und Darstellens liegt.

Wir können nicht anders argumentieren, urteilen – ja existieren – als auf Basis von relativen Vorurteilen. Alles Existente, und so auch der Mensch, steht auf einem relativen, grundlosen Grund. Nur mittels eines strategisch gestützten Behauptens können wir in einem veränderlichen Kosmoschaos in Erscheinung treten. Relative Paradoxität ist aus hantologischer Sicht eine Grundbedingung für unsere Existenz. Befangenheit und Vorverurteilung sind aus hantologischer Sicht eine existenzielle Notwendigkeit und, sofern man annimmt, dass das Existieren ein schätzenswertes Gut ist, auch wert und gut. Parteiisch zu sein, heißt ja bloß, dass man ein gewisses Interesse an der Welt und an sich selbst hat, dass man die Absicht hat am Großen vernetzt-kommunikativen Werk des Ganzen, als Teil mitzuwirken, dass man zu dessen Erhaltung beitragen möchte. Das klassische Ideal eines reinen, interesselosen, gleichgültigen und unbeteiligten Beobachters entspricht der Position eines außenstehenden, uninteressierten und unzugänglichen Gottes, der – wie wir noch sehen werden – nicht nur kein Interesse an einer Schöpfung haben kann, sondern ganz in sich für sich selbst versunken bleibt.

In diesem Sinne kann auch die vorliegende Betrachtung bezüglich einer hantologischen Ethik nicht unter dem Stern einer reinen Klarsichtigkeit stehen. Wenn die Begriffe, die Kategorien und die Maßstäbe des Urteilens und Betrachtens von uns als relative Wesen nur beschränkt zu verwirklichen sind, dann wird auch die hier vorgelegte Untersuchung abseits der Reinheit zu liegen kommen. Gleichwie klassische Positionen nicht umhin kommen zu behaupten, vorzuverurteilen, Partei zu ergreifen, sich und andere hinters Licht zu führen, ja zu schwindeln, werden auch wir in unserem Urteilen und Darstellen Kunstgriffe anwenden. Scheint all dies aus klassischer Sicht höchst verdächtig, auszuschließen und kaschierungswürdig, ohne ebensolches vollständig zustande bringen zu vermögen, so ist der Mangel, der Fehler, das Paradoxe, das Relative aus hantologischer Sicht eine allgemeine relativ ambivalent gehaltene Notwendigkeit, um existent zu sein. Solcherart ist all dies, hantologisch betrachtet, durchaus auch positiv zu bewerten.

Hantologie steht für eine vieldeutige vom Relativen und Paradoxen gezeichnete Weltsicht. Hantologisch scheint uns dies eine allgemeine Gegebenheit, und als solche relativ hinzunehmen und zu bejahen.

Aus klassischer Sicht erscheint Relatives und Paradoxes dagegen höchst zwielichtig und unheimlich. Aus einer solchen Perspektive scheint es eine Unheimlichkeit, eine unglaubliche Zumutung, dem Menschen eine solch paradoxe Welt unterjubeln zu wollen. Der Mensch als Krönung der Schöpfung, als Zweck an sich, als würdevoll erhabenes Wesen scheint etwas Besseres als eine solch relative Welt verdient zu haben. Die klassisch ontologische Perspektive zeichnet den Menschen überlegen und dazu auserkoren, die Welt dem eigenen Wollen zu unterwerfen, für sich nutzbar zu machen. Doch sehen wir uns an, in unserer glänzenden Pracht, haben wir einen solchen reinen Standpunkt denn je verwirklichen können? Blieb nicht alles, was wir einst mit Hammer und Nägeln unbeweglich zu fixieren suchten, renitent? Blieb der bessere, der wahre Mensch nicht immer ein zwielichtiges Hirngespinst? Alle Versuche Dr. Jekyll herauszudestillieren, haben immer noch in Katastrophen geendet, die wir dann letztlich als unmenschliche von uns abzurücken suchten.

Gleichwie jeglicher Versuch einen rein guten Menschen zu produzieren, ein janusköpfiges Wesen hervorbringt, finden wir jegliche Form des Paradieses als etwas Doppelgesichtiges vor. Ohne Hölle, kein Himmel. Ein Paradies ist eben nicht nur eine befriedete Zone, voller Freiheit und Naivität, sondern zugleich immer auch ein eingezäuntes Gefängnis, ein Verlies. Um etwas rein zu halten, muss eben ein Wall errichtet werden. Das Gute und das Böse hängen...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Technik
ISBN-10 3-99139-507-X / 399139507X
ISBN-13 978-3-99139-507-2 / 9783991395072
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