Das Mountainbike erlebnispädagogisch einsetzen (eBook)
149 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61737-1 (ISBN)
Jochen Simek ist als Bildungsreferent und Erlebnispäd. (ZQ) in der Jugend- und Erwachsenenbildung tätig und leitet die "Zusatzqualifikation Mountainbike" (Institut für Jugendarbeit des BJR, Gauting).Simon Sirch, Dipl.-Sportwiss., Erlebnispäd. (ZQ), ist im Mountainbike-Lehrteam des Deutschen Alpenvereins und im Lehrteam der Zusatzqualifikation Mountainbike (Institut für Jugendarbeit Gauting) engagiert.
Jochen Simek ist als Bildungsreferent und Erlebnispäd. (ZQ) in der Jugend- und Erwachsenenbildung tätig und leitet die "Zusatzqualifikation Mountainbike" (Institut für Jugendarbeit des BJR, Gauting).Simon Sirch, Dipl.-Sportwiss., Erlebnispäd. (ZQ), ist im Mountainbike-Lehrteam des Deutschen Alpenvereins und im Lehrteam der Zusatzqualifikation Mountainbike (Institut für Jugendarbeit Gauting) engagiert.
2Erlebnispädagogik – und das Mountainbiken als Medium
Nach der Darstellung der Sportaktivität und ihrer pädagogischen Chancen stellt dieses Kapitel eine systematische Verknüpfung zwischen erlebnispädagogischen Zielsetzungen und dem Medium Mountainbiken her. Dabei sollen zahlreiche Beispiele die Verbindung zwischen Theorie und Praxis verdeutlichen. Folgende Leitfragen werden aufeinander aufbauend beantwortet:
■Wie lässt sich „Erlebnispädagogik“ definieren?
■Was heißt „Kompetenz“ und was ist speziell mit „Selbst- und Sozialkompetenzen“ gemeint?
■In welchen Situationen mit dem Mountainbike können bestimmte Selbst- und Sozialkompetenzen gefördert werden?
2.1Erlebnispädagogik als Praxis und als theoretisches Konzept
Definitionen von Erlebnispädagogik gibt es viele (z. B. Schad 2004; Heckmair / Michl 2018; Michl 2020 Bundesverband Individual- und Erlebnispädagogik 2011), allerdings beinhalten diese auch einige Schwierigkeiten. Die folgende Begriffsbestimmung von Erlebnispädagogik berücksichtigt die wesentlichen Elemente bestehender Definitionen und ist zugleich sehr trennscharf:
Erlebnispädagogik bezeichnet sowohl ein theoretisches Konzept als auch eine erzieherische Praxis. Im Zentrum des Theoriekonzepts steht die Förderung von Selbst- und Sozialkompetenzen. Der Kern der daran ausgerichteten Praxis ist gekennzeichnet durch außeralltägliche Aufgabenstellungen an eine Gruppe von Personen, die sich in einem Naturraum unter Beteiligung ihrer bewegten Körper und begleitet von Reflexionseinheiten damit auseinandersetzen, wobei dies typischerweise im Rahmen natursportlicher Aktivitäten stattfindet (Sirch 2013, 23).
Abb. 8: Erlebnispädagogik als Theorie und Praxis
Dieses Verständnis von Erlebnispädagogik bildet den begrifflichen Rahmen für die folgenden Ausführungen und unsere erlebnispädagogische Praxis mit dem Mountainbike. Man kann es sich wie eine Brille vorstellen (Abb. 8): Der Blick auf die Erlebnispädagogik ist dann scharf und vollständig, wenn man durch beide Gläser schaut und sowohl die Praxis als auch das theoretische Konzept vor Augen hat.
Erlebnispädagogik als Praxis
Bei der Betrachtung durch das rechte Brillenglas reichen fünf Merkmale aus, um die erlebnispädagogische Praxis zu beschreiben.
Situationen der erlebnispädagogischen Praxis sind gekennzeichnet durch die Merkmale:
■außeralltägliche Aufgabenstellung
■Gruppe von Personen
■Einheiten der Reflexion
■bewegter Körper
■Natur als Raum
Jedes dieser Merkmale sollte zu einem gewissen Grad vorliegen, damit die Kriterien der Erlebnispädagogik als Praxis erfüllt sind. Je stärker die einzelnen Merkmale ausgeprägt sind, desto „typischer“ ist die Praxismaßnahme für die Erlebnispädagogik.
Beim Mountainbiken sind die Merkmale „bewegter Körper“ und „Naturraum“ hoch ausgeprägt, während die Naturkomponente bei einer City-Bound-Aktion kaum und bei einem Indoor-Training gar nicht erfüllt ist. Deshalb stehen in Abb. 8 Natursportarten näher am Zentrum der erlebnispädagogischen Praxis. Beim Blick durch die rechte Linse zeigt sich ein innerer Kern sowie ein äußerer Bereich der erlebnispädagogischen Praxis „im weiteren Sinne“.
Erlebnispädagogik als theoretisches Konzept
Wodurch unterscheidet sich eine herkömmliche geführte Mountainbike-Tour von einer erlebnispädagogisch orientierten Mountainbike-Tour? Auch eine klassisch geführte Tour kann etwas Außergewöhnliches sein, je nachdem, wie der Guide die Tour gestaltet. Außerdem wird auch bei einer geführten Tour meist in einer Gruppe gefahren, man bewegt sich körperlich in der Natur und reflektiert das Erlebte beim abschließenden Kaffeetrinken.
Beim einseitigen Blick durch das rechte Brillenglas wären alle Merkmale einer erlebnispädagogischen Maßnahme erfüllt. Der zentrale Unterschied liegt in der Zielsetzung, die die Leitungsperson und die Teilnehmenden verfolgen. Die Mountainbike-Angebote von kommerziellen Bike-Unternehmen oder DAV-Sektionen zielen vorwiegend auf die Verbesserung der Fahrtechnik, landschaftliche Eindrücke und den Fahrspaß auf Singletrails. Im Unterschied dazu sind erlebnispädagogische Maßnahmen mit dem Mountainbike schwerpunktmäßig an zwei Zielsetzungen ausgerichtet:
Erlebnispädagogik zielt primär auf
■die Förderung von Selbstkompetenzen und
■die Förderung von Sozialkompetenzen
der teilnehmenden Personen.
Diese vorrangigen Zielsetzungen zeichnen die Erlebnispädagogik aus und erlauben eine trennschärfere Unterscheidung vom schulischen Sportunterricht oder der Umweltpädagogik. Zudem werden die erlebnispädagogische Praxis und die in diesem Bereich Lehrenden durch den eingegrenzten Zielbereich nicht mit maßlosen Ansprüchen überladen.
Ein geklärtes Verständnis von Erlebnispädagogik als Praxis und als theoretisches Konzept ist grundlegend für die professionelle Arbeit – ansonsten bleibt unklar, ob wir Erlebnispädagogik oder „irgendwas Praktisches“ machen, welche Ziele wir damit verfolgen und welchen übergreifenden Sinn unsere Arbeit hat. Auch im fachlichen Austausch mit dem Kollegium ist eine begriffliche Basis hilfreich, wenn wir über Erlebnispädagogik sprechen.
2.2Kompetenzförderung durch erlebnispädagogisches Mountainbiken
Der dargelegten Definition zufolge zielen erlebnispädagogische Maßnahmen auf die Förderung der Selbst- und Sozialkompetenzen der teilnehmenden Personen. Doch was ist damit gemeint und wie können diese Kompetenzen mit dem Medium Mountainbiken gefördert werden?
Kompetenz und Kompetenzförderung
Der Begriff „Kompetenz“ ist in aller Munde – er fällt im Bildungsbereich, in der Wissenschaft und in Unternehmen. Die Erlebnispädagogik kann in vielerlei Hinsicht am Kompetenzbegriff anknüpfen, der sich in drei wesentlichen Aspekten zusammenfassen lässt:
■Kompetenz bezieht praktisches Handeln mit ein.
■Kompetenz hat Situations- und Lebensweltbezug.
■Kompetenz ist mehrdimensional und lässt sich in mehrere Bereiche unterteilen.
Diese Aspekte werden im Folgenden ausführlicher beschrieben und durch wissenschaftliche Beiträge fundiert.
Kompetenz hat Handlungsbezug
Kompetenz betont das Können des Individuums, während der Bildungsbegriff eher das Wissen betont, über das jemand verfügt (Brödel 2002). Eine kompetente Person ist imstande, ihr Wissen und ihre Fertigkeiten selbstständig und selbstwirksam anzuwenden.
Wissen ist nicht gleich Können
Man kann sich Wissen über das Radfahren und bestimmte Fahrtechniken aneignen, indem man die Bewegungsbeschreibungen liest. Man kann es sich gegebenenfalls grob vorstellen und anderen sprachlich erklären: „Schau dorthin, wo du hinfahren möchtest! Trete in die Pedale und versuche, das Gleichgewicht zu halten!“ Doch jemand, der über das Fahrradfahren Bescheid weiß, muss es noch längst nicht können. Um etwas zu können, muss man es lernen. Und um etwas zu lernen, muss man es ausprobieren: Man muss es tun.
Während Wissen im Bereich der Theorie bleiben kann (man spricht dann von „trägem Wissen“), zeigt sich das, was jemand kann oder nicht kann, erst im praktischen Handeln. Andererseits entwickelt sich Kompetenz erst durch Handeln, also durch die aktive Auseinandersetzung mit konkreten Aufgaben, wie sie in der Erlebnispädagogik gestellt werden. Eine kompetenzorientierte Pädagogik möchte den praktischen Umgang mit Wissen fördern, und die Erlebnispädagogik erfüllt die Grundvoraussetzungen hierfür.
Kompetenzen beziehen sich auf Situationen und Lebenswelten
Handeln findet in Situationen statt, und Kompetenzen werden in der Auseinandersetzung mit Situationen ausgebildet und angewendet (Hof 2002). Wie in Abb. 9 dargestellt, ist jede Situation durch eine einzigartige Konstellation von Person-, Aufgaben- und Umweltbedingungen gekennzeichnet, wobei die Umweltbedingungen sowohl andere Personen als auch die Rahmenbedingungen umfassen. Dies entspricht sowohl der Auffassung der Handlungspsychologie (Nitsch 2004) als auch der Themenzentrierten Interaktion (Kügler 2010). Das Situationsmodell bildet die Grundlage für viele weitere Betrachtungen in diesem Buch und ist auch für die Praxis hilfreich, etwa für die Vorbereitung von...
Erscheint lt. Verlag | 6.3.2023 |
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Reihe/Serie | erleben & lernen |
Mitarbeit |
Herausgeber (Serie): Michael Jagenlauf, Werner Michl, Holger Seidel |
Zusatzinfo | 42 Abb. 3 Tab. |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Pädagogik ► Sozialpädagogik |
Technik | |
Schlagworte | Erlebnispädagogik • Informationen • Mountainbike • Persönlichkeitsentwicklung • Sozialkompetenz • Übungen |
ISBN-10 | 3-497-61737-7 / 3497617377 |
ISBN-13 | 978-3-497-61737-1 / 9783497617371 |
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