Nomaden der Ozeane - Das Geheimnis der Meeresschildkröten (eBook)

Ihre einzigartigen Supersinne, ihr erstaunliches Orientierungsvermögen und wie sie die Meere formen
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2023 | 1. Auflage
224 Seiten
Ludwig (Verlag)
978-3-641-26810-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Nomaden der Ozeane - Das Geheimnis der Meeresschildkröten -  Frauke Bagusche
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Rendezvous mit den Meeresschildkröten
Meeresschildkröten können Erstaunliches: Einige tauchen über 1000 Meter tief, manche transportieren Organismen durch die Meere und tragen so zu deren Ausbreitung bei, und wieder andere sorgen als »Architekten der Ozeane« für die Ausbreitung von Korallenriffen. Und sie alle haben verblüffende Supersinne, mit denen sie noch nach Jahrzehnten ihre tausende Kilometer entfernten Niststrände wiederfinden - dank ihrer Fähigkeit, sich am Magnetfeld der Erde zu orientieren, und dank ihres extrem guten Geruchssinns, mit dem sie vermutlich sogar ihren Geburtsstrand riechen können.

Die Meeresbiologin Frauke Bagusche nimmt uns mit auf eine einmalige Welt- und Zeitreise unter Wasser: In faszinierenden Geschichten über die ungeahnten Fähigkeiten der Meeresschildkröten zieht sie die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse ebenso heran wie ihre eigenen unmittelbaren Erfahrungen. Sie zeigt auch, warum die beliebten Panzerträger so dringend unsere Hilfe brauchen und wie wir alle helfen können, diese Tiere und unsere gemeinsame Lebensgrundlage, das Meer, zu erhalten.

Mit großem Bildteil sowie vielen Karten und Illustrationen

Dr. Frauke Bagusche, Jahrgang 1978, ist Meeresbiologin. Nach ihrer Promotion an der University of Southampton in England leitete sie meeresbiologische Stationen auf den Malediven und segelte 9500 Kilometer von der Karibik durch den Atlantik ins Mittelmeer, um auf die Vermüllung der Ozeane aufmerksam zu machen. Sie ist eine gefragte Rednerin und hält deutschlandweit Vorträge zu meeresbiologischen Themen. Der von ihr mitbegründete gemeinnützige Verein »The Blue Mind« ist mittlerweile in drei Bundesländern im Bildungsbereich mit Fokus auf Kinder und Jugendliche aktiv und verankert Meeresschutz auch im Inland. 2019 erschien bei Ludwig ihr Spiegelbestseller 'Das blaue Wunder. Warum das Meer leuchtet, Fische singen und unsere Beziehung zum Meer so besonders ist ? Erstaunliche Einblicke in eine geheimnisvolle Welt'. Frauke Bagusche lebt in Saarbrücken.

Sieben Wanderer, fünf Ozeane


Meeresschildkröten gehören zu den am weitesten verbreiteten Lebewesen auf unserem Planeten; man findet sie weltweit in allen tropischen und subtropischen Meeren. Dort fühlen sie sich sowohl in den Küstenregionen als auch auf hoher See zu Hause. Insgesamt gibt es sieben Arten von Meeresschildkröten auf der Welt, von denen fünf global verbreitet sind und zwei nur regional im Golf von Mexiko und in Ozeanien vorkommen.

Doch wie kam es dazu, dass diese Tiere so erfolgreich die Meere bevölkern? Wie vieles im Laufe der Erdgeschichte liegt auch die Evolution der Meeresschildkröten noch weitgehend im Dunkeln, aber wie bei einem Puzzle finden Wissenschaftler*innen immer wieder fehlende Teile und setzen sie zu einem – wenn auch längst noch nicht vollständigen – Bild zusammen. So lernen wir Stück für Stück, wie es diese faszinierenden Tiere geschafft haben, unsere Ozeane schon so lange erfolgreich zu durchwandern.

Urzeitliche Vorfahren


Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden in einem Meer schwimmen: in einer Welt, die es heute so nicht mehr gibt. Zugegeben, Sie würden wohl keine Stunde in diesem Meer vor 74 Millionen Jahren überleben, da es dort von einer Vielzahl an urzeitlichen Räubern nur so wimmelte. Dieses Flachmeer, der Western Interior Seaway, der in der mittleren und späten Kreidezeit (Beginn der Kreidezeit vor 145 Millionen Jahren und Ende vor 66 Millionen Jahren) große Teile des nordamerikanischen Kontinents bedeckte, war das Zuhause von Archelon ischyros, der größten Schildkrötenart, die nach heutigen Erkenntnissen je auf unserem Planeten gelebt hat. Für den Fall also, dass Sie eine Stunde in diesem urzeitlichen Meer überlebten, ständen die Chancen gut, dass Archelon an Ihnen vorbeischwimmen würde. Äußerlich würde dieses Tier Sie vielleicht an eine Lederschildkröte erinnern, jedoch in Größe und Gewicht vergleichbar mit einem klassischen VW Käfer. Die Tiere konnten nämlich von Kopf bis Schwanz eine stolze Länge von bis zu 4,5 Metern und bei ausgebreiteten Vorderflossen eine Breite von vier Metern erreichen. Zum Vergleich: Die größten heute lebenden Schildkröten, die Lederschildkröten, erreichen »nur« eine Panzerlänge von bis zu 2,7 Metern.

Die prähistorischen Schildkröten teilten sich das Meer mit sehr viel größeren, räuberischen Reptilien wie z.B. den bis zu 18 Meter langen Mosasauriern, mit Plesiosauriern und Ichtyo- bzw. Fischsauriern, denen die ein oder andere Archelon ischyros sicher zum Opfer gefallen ist. Ausgewachsenen Archelons war ihre immense Größe wahrscheinlich jedoch ein guter Schutz gegen die meisten Räuber, auch wenn sie keinen harten, durchgehenden Rückenpanzer besaßen. Ihre Rippen wurden von einer lederartigen Haut ähnlich der der Lederschildkröten bedeckt; lediglich der Brustbereich der Tiere, das sogenannte Plastron, bestand aus großen, sternförmigen Knochenplatten, die nur partiell miteinander verwachsen waren.

Wer sich von dem enormen Ausmaß von Archelon ischyros selber überzeugen möchte, kann das im Naturhistorischen Museum in Wien tun, denn dort wird das weltweit größte gefundene Exemplar ausgestellt. Das Tierskelett mit dem Namen »Brigitta« wurde in den 1970er-Jahren in South Dakota in den USA entdeckt. Damals noch eingeschlossen in einen riesigen Gesteinsblock von mehr als zwei mal vier Metern wurde es nach Wien gebracht und dort in zweijähriger mühevoller Arbeit freigelegt.

Fossilienfunde wie dieser sind für die Wissenschaft von enormer Wichtigkeit, da mit Hilfe dieser Versteinerungen Entwicklungen und Verwandtschaftsbeziehungen von Meeresschildkröten und anderen Organismen besser rekonstruiert werden können. Nach wie vor ist die frühe Evolution der Schildkröten ein umstrittenes Thema in der Wirbeltierpaläontologie*, und das Rätsel um die Entstehungsgeschichte der gepanzerten Reptilien ist immer noch nicht ganz gelöst. Daher wird jedes neu gefundene Fossil gefeiert wie ein Auftritt der Rolling Stones, da es Licht ins Dunkel der Schildkrötenevolution werfen kann.

Einen großen Knall in der Welt der Fossilien gab es im Herbst 2022, als eine neue Studie um den Paläontologen Oscar Castillo-Visa von der Universität Barcelona erschien. Bei Grabungen im Nordosten Spaniens stießen die Paläontologen auf die versteinerten Knochen einer gigantischen Meeresschildkröte. Mit einer Länge von 3,74 Metern war Leviathanochelys aenigmatica, was so viel wie »rätselhafte Riesenschildkröte« bedeutet, fast so groß wie Archelon. Tatsächlich ist der Beckenknochen der neu entdeckten fossilen Meeresschildkröte sogar um wenige Zentimeter breiter als der von Archelon. Aufgrund spezifischer anatomischer Merkmale an der Vorderseite des Beckens gehört Leviathanochelys laut den Forschern zu einer neuen Gruppe ausgestorbener Meeresschildkröten. Diese lebten in der Oberkreide, also zwischen 83,6 und 72,1 Millionen Jahren, in etwa zur selben Zeit wie Archelon. Dieser sensationelle Fund belegt erstmals, dass riesige Meeresschildkröten nicht nur die urzeitlichen Meere Nordamerikas durchschwammen, sondern auch die Meere des heutigen Europa. Zudem deutet ihr Fund darauf hin, dass sich Gigantismus in der Evolution von Meeresschildkröten wahrscheinlich mehrmals unabhängig voneinander entwickelt hat, so die Forscher weiter.

Auch wenn Archelon und Leviathanochelys die größten Schildkröten sind, die jemals auf unserem Planeten gelebt haben, so sind sie bei Weitem nicht die ältesten Schildkröten, die bis jetzt gefunden wurden.

Die Geschichte aller Schildkröten beginnt eigentlich in einer Welt vor 260 Millionen Jahren im heutigen Südafrika, wo an den Ufern des alten Karoo-Meeres ein kleines Reptil namens Eunotosaurus africanus lebte. Dieses Wesen erinnerte äußerlich noch nicht an die Meeresschildkröten, wie wir sie heute kennen. Es hatte außergewöhnlich dicke, nach außen gebogene Rippen, die unter der Haut eine Panzerkuppel formten, was dem Tier ein rundliches Äußeres verlieh. Genau genommen kann man sich einfach einen kleinen Ball mit vier krallenbewehrten Klauen und einem langen Schwanz vorstellen. Dennoch: Eunotosaurus africanus gilt als der wahrscheinliche Vorfahre aller Land-, Meeres- und Sumpfschildkröten.

Lange dachte man, dass Schildkröten von den frühen, jetzt ausgestorbenen Reptilien abstammen. Im Jahr 2015 jedoch fand ein stärkeres Erdbeben in der Fachwelt der Paläontologen statt, welches diese Theorie nicht nur ins Wanken, sondern zum Stürzen brachte. In Deutschland, in der Nähe von Schwäbisch-Hall, wurde ein SchildkrötenFossil entdeckt, das heute als Bindeglied zwischen den frühen Echsen und den Schildkröten gilt und ein neues Licht auf die Evolutionsgeschichte der gepanzerten Reptilien wirft. Das Fossil wurde bei Grabungen von dem Paläoherpetologen Prof. Dr. Rainer Schoch in einem Muschelkalksteinbruch im baden-württembergischen Vellberg entdeckt und gilt mit 240 Millionen Jahren als das älteste Schildkröten-Fossil der Welt. Damit sind Schildkröten in etwa so alt wie die Saurier, welche erstmals in der Trias, also zwischen 250 und 201,6 Millionen Jahren vor unserer Zeit auftraten.

Diese gefundene Ur-Schildkröte trägt den wissenschaftlichen Namen Pappochelys rosinae. Der Gattungsname Pappochelys setzt sich aus den beiden altgriechischen Wörter pappos (Großvater) und chelys (Schildkröte) zusammen, während der Artname rosinae eine Würdigung an Isabell Rosin, eine Präparatorin des Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart ist. Der Fund dieses 20 Zentimeter langen, echsenartigen Schildkröten-Urgroßvaters, welcher vermutlich an einem Süßwassersee lebte und sich wahrscheinlich bevorzugt im Wasser aufhielt, legt aufgrund spezieller anatomischer Merkmale eine nähere Verwandtschaft mit Echsen, Vögeln und Krokodilen nahe als mit den urtümlichen Sauriern.

Äußerlich hatte das (im geologischen Sinne) geriatrische Reptil jedoch nichts mit den heute lebenden Schildkröten gemeinsam. Mit seinem langen Schwanz, dafür ohne Rückenpanzer (dem charakteristischen Merkmal heutiger Schildkröten), erinnert das Tier eher an eine Echse. Zudem hatte es stark verbreiterte Rippenknochen und Extremitäten, die eher zum Graben als zum Schwimmen geeignet waren, sowie Zähne, die den modernen Schildkröten fehlen.

Die Merkmale jedoch, welche vor allem in der Fachwelt im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, sind die sogenannten Schädelfenster. Genauer noch, deren Anzahl im Wirbeltierschädel. Schädelfenster sind, einfach erklärt, Aussparungen hinter den Augenhöhlen, an denen die Kiefermuskulatur ansetzt. Die Forscher fanden in den Schädeln der Pappochelys-Fossilien Anlagen von zwei Schädelfenstern.

Löcher im Schädel zu haben – und dann gleich zwei Paar – klingt zugegebenermaßen eher nach Mord mit einer Schusswaffe als nach Wissenschaft, ist aber in der Evolutionsforschung ein Schlüsselmerkmal. Dieser sensationelle Fund löste zwar keinen Mordfall, aber sehr wohl eine jahrzehntelange Debatte um den Ursprung der Schildkröten aus und ist damit von besonders großer Bedeutung. Wirbeltiere, die also diese zwei Paar Schädelfenster haben, zählen zu den sogenannten Diapsiden, zu denen auch die modernen Kriechtiere wie z.B. Schlangen und Echsen gehören. Jahrzehntelang ging die Wissenschaft davon aus, dass Schildkröten diese Schädelfenster fehlten, da keine Fossilienfunde das Gegenteil bewiesen. Somit wurden sie zu den Anapsiden, also den...

Erscheint lt. Verlag 29.3.2023
Zusatzinfo mit 32 S. Bildteil
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Natur / Ökologie
Technik
Schlagworte 2023 • Adria • alt werden • Atlantik • Aussterben • bedroht • Dinosaurier der Meere • eBooks • Eier • Entschleunigung • Erderwärmung • Flossen • Geisternetze • Great Barrier Reef • Klimawandel • Korallenriffe • Malediven • Meer • Meeresbewohner • Meeresbiologie • Mittelmeer • Netze • Neuerscheinung • Nistplätze • Ozean • Pazifik • Plastik • Raine Island • Retten • Schildkröten • Schnorcheln • Sri Lanka • Strand • Tauchen • Traumstrand • Turtles • Urlaub • Verschmutzung • Wasser • Weisheit • Wunder der Natur
ISBN-10 3-641-26810-9 / 3641268109
ISBN-13 978-3-641-26810-7 / 9783641268107
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