Die Sprache der Wale (eBook)

Eine Reise in die Welt der Tierkommunikation

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
400 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01498-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Sprache der Wale -  Tom Mustill
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Big Data trifft Big Beasts: Wie neueste Technologien unser Wissen über das verborgene Leben der Wale radikal verändern. Nachdem er den Zusammenstoß mit einem Buckelwal nur knapp überlebt hat ? das Video, wie dieser direkt vor ihm in die Höhe schießt und auf seinem Kajak landet, ging viral ?, lässt Filmemacher Tom Mustill die Faszination nicht mehr los. Er besucht Wissenschaftler:innen und Expert:innen auf der ganzen Welt, sammelt unzählige Geschichten über Begegnungen zwischen Mensch und Wal und erkennt: Wir beginnen gerade erst, diese hochintelligenten Meeressäuger zu erforschen und zu verstehen. Der Kommunikationssinn der Wale ist extrem ausgeprägt: Ihr vielfältiger Gesang entwickelt sich wie Sprache ständig weiter. Dank neuester Technologie gibt es inzwischen Möglichkeiten, Walgeräusche auch in entlegensten Gewässern aufzuzeichnen, mit künstlicher Intelligenz auszuwerten und Muster zu entdecken, die kein menschliches Ohr wahrnehmen würde. Doch das ist erst der Anfang. Tom Mustill zeigt, dass sich tatsächlich eine Revolution in der Tierkommunikation anbahnt ? und was das für unsere Welt bedeuten könnte. 

Tom Mustill, geboren 1983, ist Biologe, Filmemacher und Autor. Seine Filme ? viele in Zusammenarbeit mit Greta Thunberg und David Attenborough ? wurden international vielfach ausgezeichnet, u.a. mit zwei British Academy Film Awards und einer Emmy-Nominierung. Er lebt mit Frau und Tochter in London.

Tom Mustill, geboren 1983, ist Biologe, Filmemacher und Autor. Seine Filme − viele in Zusammenarbeit mit Greta Thunberg und David Attenborough − wurden international vielfach ausgezeichnet, u.a. mit zwei British Academy Film Awards und einer Emmy-Nominierung. Er lebt mit Frau und Tochter in London. Christel Dormagen, geboren 1943 in Hamburg, arbeitet seit dem Studium der Anglistik und Germanistik als Journalistin für Rundfunk und Printmedien sowie als Übersetzerin für angloamerikanische Literatur. Sie lebt in Berlin.

Einleitung Van Leeuwenhoek beschliesst Hinzuschauen


«Was, wenn ich dies noch nie gesehen hätte?»[1]

Rachel Carson, Magie des Staunens

Um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts lebte in Delft in den Niederlanden ein ungewöhnlicher Mann namens Antoni van Leeuwenhoek. Das ist er:

02 Antoni van Leeuwenhoek 1686 mit einer seiner Vergrößerungserfindungen, von Jan Verkolje.

 

Van Leeuwenhoek war ein Geschäftsmann, ein Tuchhändler. Er war außerdem ein Erfinder von Hochtechnologie. In Europa waren innerhalb der vorausgehenden fünfzig Jahre in rascher Folge Vergrößerungsinstrumente erfunden worden – Teleskope und Mikroskope. Die meisten funktionierten nach einem ähnlichen Prinzip, mit zwei gläsernen Linsen in einer Röhre. Der Blick durch diese Linsen schenkte dem Benutzer übermenschliche Macht, da ferne Planeten und winzige Objekte besser erkennbar wurden. Diese Instrumente waren außerdem sehr selten: Nur wenige Menschen hatten gelernt, die Gläser zu schleifen, zu polieren und einzupassen, und viele hielten ihr Wissen geheim. Für den Tuchhändlerlehrling van Leeuwenhoek waren «Mikroskope» (vom Griechischen für «klein» und «ansehen») auch Werkzeuge für seinen Beruf; sie halfen ihm, die Qualität der Tuchwaren, mit denen er handelte, zu beurteilen. Die ersten Mikroskope konnten bis aufs Neunfache vergrößern, spätere Instrumente holten die Dinge noch näher heran. Doch die Konstruktion aus mehreren hintereinander gesetzten Linsen wies einen Makel auf – je stärker die Linsen vergrößerten, umso mehr verzerrten sie das Bild, und bei einer über zwanzigfachen Vergrößerung konnte man kaum noch etwas erkennen.[2]

In Delft hatte van Leeuwenhoek heimlich mit einer anderen Technik experimentiert. Anstatt mit einer Reihe von Linsen zu arbeiten, kam er auf die Idee, einzelne winzige bikonvexe Glaskörper herzustellen, manche mit kaum mehr als einem Millimeter Durchmesser, die er zwischen zwei metallene Klammern spannte. Und wenn er nun ein Objekt auf die anmontierte Halterung legte, den Apparat auf eine Lichtquelle richtete, die Glaslinse ganz dicht an sein Auge hielt und hindurchblickte, stellte er fest, dass er seinen Gegenstand ohne große Verzerrungen um das bis zu 275-Fache vergrößern konnte.[3] Es heißt, er habe im Laufe seines Lebens mehr als fünfhundert Mikroskope gebaut.[4] Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass die Schärfeneinstellung und die Klarheit, die seine Geräte erreichten, mit denen moderner Lichtmikroskope vergleichbar sind.[5]

Van Leeuwenhoek benutzte seine revolutionäre Vergrößerungstechnologie nicht nur, um die Webstruktur der Tuche, die er verkaufte, zu überprüfen. Er erforschte auch die Welt jenseits seines Gewerbes. Während andere Mikroskopiker das Sichtbare vergrößert und erforscht hatten – etwa Insekten oder Kork –, entdeckte van Leeuwenhoek einen ganzen Kosmos des Unsichtbaren. In einer Fingerhutmenge Wasser aus einem nahen See seiner Heimat, das für das bloße Auge leer wirkte, erspähte er zu seiner Überraschung Scharen von «animalcules»[6], wie er sie nannte – winzige Tierchen, Bakterien und Einzeller. Wo immer er hinschaute, fand er wimmelnde Schwärme bis dahin unbekannter Geschöpfe: in der Welt um uns herum – in Regen- und Quellwasser und in unseren Körpern – und in Proben, die er aus seinem Mund kratzte oder seinen Eingeweiden entnahm. Van Leeuwenhoek war hingerissen und schrieb, dass «kein erfreulicherer Anblick meinem Auge begegnet ist als jener von so vielen Tausenden lebender Geschöpfe in einem kleinen Wassertropfen, und alle drängen sich aneinander und wuseln umher».[7]

Damals waren die Menschen nicht in der Lage, die Eier von Flöhen, Aalen oder Muscheln mit dem bloßen Auge zu erkennen, deshalb gingen sie davon aus, dass sie nicht existierten. Sie glaubten, diese Tiere entstünden nicht aus Eiern, so wie größere Tiere, sondern in einem Prozess, der «Urzeugung» genannt wurde, bei dem zum Beispiel Fliegen aus Staub entspringen, Muscheln aus Sand und Aale aus Tau. Van Leeuwenhoeks Instrumente offenbarten die bis dahin nicht wahrnehmbaren Eier dieser Tiere und erledigten die Theorie. Er selbst war besessen von dieser neuen Welt, die er entdeckt hatte; rote Blutkörperchen, Bakterien, die Struktur von Salz, die Muskelzellen von Walfleisch. Er erforschte die immer noch geheimnisvolle Welt der menschlichen Reproduktion und entdeckte im Sperma winzige bewegliche Körper mit Schwänzen – Spermien. Wenn ich an diesen Moment denke, male ich mir aus, wie erstaunlich es gewesen sein muss und wo er das Sperma wohl herhatte.

 

Jenseits des Ärmelkanals, in England, hatte der Naturphilosoph Robert Hooke seinerseits mit Mikroskopen experimentiert, sie um weitere Linsen ergänzt, diese verändert und die Struktur von Schneeflocken und Flohhaaren erkundet. Die Zeichnungen, die er von diesen verborgenen Welten veröffentlichte, waren eine Sensation. Der Tagebuchschreiber Samuel Pepys las Hookes Buch im Bett bis zwei Uhr früh. Vertieft in die ausklappbaren Illustrationen, schrieb er, es sei «das genialste Buch, das ich jemals in meinem Leben gelesen habe».[8] Van Leeuwenhoek wiederum schrieb an Hooke und die anderen gelehrten Experimentatoren der Royal Society (die damals noch Royal Society of London for the Improvement of Natural Knowledge hieß) und berichtete von seinen Entdeckungen. Anfangs zweifelten viele, trotz glaubwürdiger Zeugen, an dem «außerordentlich neugierigen und emsigen»[9] Kaufmann. Wie konnte es komplette Lebensbereiche geben, die für normale Menschen unsichtbar waren? Van Leeuwenhoek beklagte sich, er höre «häufig sagen, dass ich nichts als Märchen über die kleinen Tierchen erzähle».[10] Es half ihm auch nicht gerade, dass er seine Mikroskope und die Methoden ihrer Herstellung eifersüchtig hütete.

03 Eine Kopie der Zeichnungen, die van Leeuwenhoek von den vom ihm entdeckten «animalcules» anfertigte. Fig. IV gilt als die erste gedruckte Wiedergabe eines Bakteriums.

In London arbeitete Hooke unterdessen daran, van Leeuwenhoeks Resultate zu reproduzieren. Es bedurfte mehrerer Versuche, bis ihm die Herstellung der exquisiten winzigen Glaslinsen gelang; doch als er am 15. November 1677 endlich erfolgreich in Regenwasser blicken und, «überrascht von solch einem wunderbaren Spektakel»[11], darin winzige bewegliche Geschöpfe erblickte, war auch er «wahrhaftig überzeugt», dass es Tiere waren. Sehen hieß glauben. Van Leeuwenhoek wurde in aller Form zum Mitglied der Society ernannt und gilt heute weltweit als Vater der Mikrobiologie. Seine Erfindungen haben es uns ermöglicht, das mikroskopische Leben, das uns seit jeher umgibt, zu erkennen, aber was ebenso bedeutsam ist, er selbst besaß einen so neugierigen Verstand, dass er dorthin schaute, wo andere nichts zu finden vermuteten.

Ein paar Jahrhunderte später, und unsere Kultur hat sich verändert. Wenn jemand auf der Straße niest, malen wir uns aus, wie Keime durch die Gegend fliegen. Wenn wir besorgt unser Muttermal betrachten, weil es ein bisschen komisch aussieht, stellen wir uns sofort vor, dass sich da winzige Krebszellen wie verrückt teilen. Das Wissen um die mikroskopische Welt hat unser Leben verändert: Wir waschen unsere Hände und unsere Wunden, wir produzieren Embryos und frieren sie ein. Wir wissen, dass in jedem von uns ebenso viele Bakterien wie menschliche Zellen verborgen sind. Ein unsichtbares Ökosystem. Van Leeuwenhoeks Entschluss hinzuschauen hat unser Verhalten, unsere Kultur und die Art, wie wir uns selbst sehen, verändert.

Das ist das Vermächtnis von van Leeuwenhoeks Erfindung. Wir können nicht mehr ungesehen machen, was er erspäht hat.

 

Welche weiteren unsichtbaren Welten könnten wir heute noch entdecken? Sie, die das lesen, sind schon Teil einer neuen Grenzlinie. Seit dem siebzehnten Jahrhundert haben sich unsere Sehinstrumente vervielfältigt, und viele sind inzwischen auf uns selbst gerichtet: Sicherheitskameras überwachen unseren Gang durch die Straßen, das Thermometer und das Gyroskop in unserem Smartphone spüren, wenn wir uns im Schlaf drehen, sobald es im Zimmer kühler wird. So vieles wird heutzutage nachverfolgt. Wann wir schlafen und wann wir träumen. Wo wir leben und wohin wir gehen. Unser Fingerabdruck, Stimmporträt, Irismuster, Gang, Gewicht, Eisprung, unsere Körpertemperatur, mögliche Infektionen, unsere Mammografie, unsere Schrittzählung, die Form unseres Gesichts und seine Mimik. Was wir mögen und was nicht. Wen wir mögen und wen nicht. Die Lieder und Farben und Dinge, die uns gefallen. Was uns anmacht. Was wir lustig finden. Unser Name und unsere Avatare und unsere Spitznamen. Die Wörter, die wir benutzen, unser Akzent. Und das ist erst der Anfang. Heute erinnern sich nicht nur Freunde und Familie an uns, sondern auch Computer, denen wir selbst nie begegnet sind – was die von uns wahrnehmen, ist in Daten kristallisiert und wird via Internet an riesige Server gesendet, wo es zusammen mit den Daten von Milliarden anderen Menschen gespeichert ist. Die Menge unserer Daten nimmt schneller an Umfang zu als jedes Erinnerungsbuch, das wir schreiben könnten, und wenn wir sterben, überdauern sie uns. Und andere Maschinen lernen, in dieser Datensammlung unsichtbare Muster zu...

Erscheint lt. Verlag 14.3.2023
Übersetzer Christel Dormagen
Zusatzinfo mit Abbildungen
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Natur / Ökologie
Technik
Schlagworte Artenschutz • Big Data • Biologie • Blauwal • Buch über Tiere • Buckelwal • Delfin • Kommunikation • Meer • Meeresbiologie • Meerestiere • National Geographic • Natur • Naturwissenschaft • Orca • Ozean • Reiseliteratur • Schwertwale • Tiere • Tierkommunikation • Tiersprache • Wal • wale buch • Wale und Delfine • Walgesänge • Walrufe • Welt der Wale • Wissenschaft
ISBN-10 3-644-01498-1 / 3644014981
ISBN-13 978-3-644-01498-5 / 9783644014985
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