Verstörend betörend – Im Bann der Orchidee (eBook)

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2022 | 1. Auflage
256 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-365-00015-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Verstörend betörend – Im Bann der Orchidee - Noemi Harnickell
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Unterhaltsam, humorvoll, verführerisch - die wundersame Welt der Orchideen


Orchideen gehören zu den beliebtesten Zimmer- und Zierpflanzen überhaupt. Keine Blume ist so sexy und betört die Menschen so sehr wie sie. Aber was macht sie so faszinierend? Woher kommt sie? Welche Mythen umgeben sie? Und warum blüht seit Jahrhunderten der illegale Handel mit ihr?

Noemi Harnickell nimmt uns mit in die wundersame Welt der Orchideen: Sie besucht Massenproduktionsstätten in Holland, spricht mit passionierten Sammlern, heftet sich an die Fersen eines vermeintlichen Orchideendiebs, begleitet einen Salep-Produzenten und folgt ihr bis zu ihren Wurzeln im Alten Griechenland. Eine grandiose Entdeckungsreise, die süchtig nach mehr macht.

Alles, was Sie schon immer über die Königin der Blumen wissen wollten



Noemi Harnickell, geboren 1992 in Bern, arbeitet als freie Journalistin und schreibt u.a. für Die Zeit und das Online-Magazin Republik. Mit ihrer Reportage »Würden Sie diesen Mann entlassen?« war sie für den Deutschen Reporterpreis 2020 nominiert. Sie studierte Geschichte und Slawistik in Bern, Fribourg und Krakau und absolvierte die Reportageschule Reutlingen.

Prolog

DER FALL »ORCHIDEENWIESE«

Steffen Siefert, Leiter der Inspektion für Organisierte Kriminalität bei der Kriminalpolizei Offenburg, staunte nicht schlecht, als eine Anzeige wegen Pflanzenraubs bei ihm einging. Dreitausend Orchideen waren aus dem Naturschutzgebiet Taubergießen in Südbaden verschwunden: ein Massaker aus aufgewühlter Erde, Löchern, Spatenspuren und abgezwackten Stängeln.

Anfang Mai 2019 waren einem Biologen bei einem Spaziergang Löcher im Boden der Orchideenwiesen, für die der Taubergießen bekannt ist, aufgefallen. Er ahnte sofort, was hier vorgefallen sein musste: professioneller Orchideenraub. Fünfzig Jahre, glaubte er, würden die Arten brauchen, um sich wieder zu erholen. Den Schaden schätzte er auf 250.000 Euro. Die Täter mussten augenscheinlich mit Gartenwerkzeug bewaffnet gewesen sein. Eine besonders schwere Umweltstraftat.

Die Abteilung der Offenburger Kriminalpolizei nannte den Fall »Orchideenwiese« und erhob die Funkzellendaten für den Tatort: kein Ergebnis. Stattdessen kamen über Nacht Hunderte neue Löcher dazu. Um so viele Orchideen in so kurzer Zeit auszugraben, musste die Bande aus mindestens zehn Personen bestehen. Vermutlich waren es Männer, dankbare Kleinkriminelle vielleicht, die von einem ehrgeizigen Orchideensammler angeheuert worden waren. Wer auch immer für den Raub verantwortlich war, arbeitete schnell und ohne Aufmerksamkeit zu erregen.

Sieferts Team stellte Wildkameras und Bewegungsmelder auf. Dann, in der Nacht vom 17. Mai, versteckten sich Siefert und seine Kollegen in einer Hütte am Rande des Naturschutzgebiets. Sie waren ausgerüstet mit Waffen und schusssicheren Westen und warteten darauf, dass die Orchideenräuber wieder zuschlugen.

***

In vielerlei Hinsicht erinnert mich die Sache mit den Orchideen an das Lied »Stand Up« von One Direction: »From the moment I met you, everything changed / I knew I had to get you, whatever the pain / I had to take you and make you mine« – »Von dem Moment an, als ich dich traf, wurde alles anders / Ich wusste, dass ich dich haben musste, egal wie weh es auch tut / Ich musste dich kriegen und mit dir zusammen sein.«

Viele Sammler beschreiben ihre Hingabe zu Orchideen als eine Art Liebe auf den ersten Blick, als würde es sich um eine Person und nicht um eine Pflanze handeln. So mancher scheut keine Mühe, um an besonders seltene Exemplare zu kommen. Dazu gehört, wie der Fall in Südbaden beweist, auch das großflächige Wildern in ihrem natürlichen Lebensraum.

Es war diese Kriminalgeschichte, die mein Interesse an Orchideen weckte. Ich hatte diese Pflanzenfamilie bis dahin immer für langweilig und spießig gehalten – mit ihren perfekt geformten pastellfarbenen Blüten, die irgendwie aussahen, als wären sie aus Plastik. Es waren Blumen, die bei meiner Oma im Wohnzimmer standen und die für mich Harmlosigkeit und ein geregeltes, unaufgeregtes Leben symbolisierten, nicht jedoch Kriminalität, Drogen oder Sex.

Wie sehr ich mich täuschte.

Im Jahr 2020 lebte ich in Reutlingen, der neuntgrößten Stadt in Baden-Württemberg. In meiner Straße standen hübsche Ein- und Mehrfamilienhäuser, zu deren Türen schmale gepflegte Kieswege führten. Fast in jedem dieser Häuser stand mindestens eine Orchidee in mindestens einem der Fenster. Aber ins Grübeln brachte mich die Shishalounge schräg gegenüber meiner Wohnung: In einem ihrer Fenster stand eine einzelne Orchidee. Was mich erstaunte, war keineswegs, dass die Blume nicht zu der Bar passte, sondern im Gegenteil, dass sie es tat! Die Orchidee bildete eine Schnittstelle zwischen den alteingesessenen Schwaben mit ihrer Kehrwoche und penibel gestutzten Gartenhecken und den Besuchern dieser leicht verrauchten dunklen Bar, die erst zum Leben erwachte, wenn die Lichter in den anderen Häusern bereits ausgegangen waren.

Die Orchidee in diesem Fenster war natürlich nicht gestohlen, sondern eine, wie ich heute weiß, ganz normale Phalaenopsis, die meistverkaufte Orchideengattung der Welt. 2020 machte diese Orchidee 34 Prozent aller in Deutschland verkauften Zimmerpflanzen aus. 1 Sie wird in den Niederlanden im großen Stil produziert und in unseren Supermärkten bereits für fünf Euro verkauft. Sie bestätigt das Vorurteil, das ich Orchideen gegenüber so lange hegte: Orchideen sehen alle gleich aus, und jede Exotik, die sie einst besessen haben mögen, ist ihnen im Zuge ihrer Massenproduktion abhandengekommen.

Die Phalaenopsis ist jedoch nur eine von etwa tausend Orchideengattungen mit insgesamt rund dreißigtausend verschiedenen Arten. Bis heute lässt sich die Zahl der Orchideen nicht genau definieren, weil dauernd neue entdeckt werden, etwa hoch oben auf Bäumen in tropischen Urwäldern oder in kaum begehbaren Sumpfgebieten. Und während Gattung und Art in der Hierarchie der biologischen Systematik eindeutig definiert sind – die Gattung steht unterhalb der Familie und über der Art –, ist dies in der Natur oft nicht ganz so eindeutig. Das Beschreiben von Pflanzen erfolgt nach strengem Protokoll in Herbarien; dazu müssen die Orchideen aus ihrem Lebensraum zur genauen Untersuchung entfernt werden. Das ist schwierig, wenn sie etwa in Naturschutzgebieten stehen, und noch schwieriger, wenn sie dazu über Landesgrenzen transportiert werden müssen. Die Familie der Orchidee ist nämlich streng geschützt.

Insgesamt gibt es aber ungefähr so viele Orchideenarten wie alle Vogel-, Säugetier- und Reptilienarten zusammen. Nicht mitgezählt sind Tausende weitere Arten, die noch nicht entdeckt wurden oder ausgestorben sind, bevor jemand die Gelegenheit hatte, sie zu beschreiben. Dazu kommen etwa hunderttausend Hybriden, die durch Kreuzungen gezüchtet worden sind. 2

Und längst nicht alle Orchideen sind gleich. Manche Blüten sind so klein, dass man sie nur unter dem Mikroskop erkennen kann, während andere handflächengroß werden. Orchideen wachsen auf Bäumen, Felsen und unter der Erde, sie können jede erdenkliche Farbe und Form haben und nach Schokolade, Apfelstrudel oder nach Aas riechen.

Im Laufe meiner Recherche sprach ich mit vielen Sammlern und Züchtern, die meisten von ihnen Männer, die der Orchidee regelrecht verfallen sind. Bereits Shakespeare verwendete Orchideen als Symbol für Weiblichkeit und Tod; ihre Blüten stehen seit dem griechischen Altertum immer wieder für Geschlechtlichkeit, sind Ausdrucksform von Homosexualität und gesellschaftlichem Wandel – von Frauenbewegungen bis hin zu den kolonialen Zusammenbrüchen.

Orchideen haben sich in fast jede Nische unseres Lebens geschlichen. Ob wir sie persönlich mögen oder nicht, sie sind zu einem Teil unserer Kultur geworden. Dieses Buch will deshalb eine Art Reiseführer sein in die Welt hinter den Wohnzimmergardinen. Es erzählt die Geschichte einer Pflanze, die so viel Normalität ausstrahlt, dass wir sie gar nicht mehr wahrnehmen. Aber die Welt, die sich in ihr verbirgt, ist voller Mythen, Traditionen und Nonsens.

Die Orchidee passt sich der Mode der Zeit an. Als vor hundert Jahren vor allem runde Frauenkörper dem gesellschaftlichen Schönheitsideal entsprachen, wurden auch Orchideen mit runden Blättern gezüchtet. Das entspricht keiner in der Natur vorkommenden Form. Runde Blüten wurden zu diesem Zweck immer weiter selektioniert und ausgezeichnet. Heute wiederum sind es schlanke, filigrane Blüten, die im Trend liegen.

Während sich die Kultur verändert, verändert sich auch unsere Wahrnehmung von Orchideen. Umgekehrt prägen Orchideen bis heute Kultur- und Naturwissenschaften. Die Grenzen zwischen Kultur und Natur verschwimmen, wenn es um Orchideen geht.

Orchideen werden oft als prestigeträchtige Objekte gehandelt. Das wurde mir überdeutlich bewusst, als ich im September 2020 – fast vier Monate nachdem ich zum ersten Mal von Orchideenwilderern und dem Fall »Orchideenwiese« gehört hatte – ein Vereinstreffen der Deutschen Orchideen-Gesellschaft (D.O.G.) in der Nähe von Stuttgart besuchte. Fast vierzig Leute waren an diesem Freitagabend in der Denkendorfer Festhalle zusammengekommen und hatten ihre schönsten Orchideen mitgebracht, um sie von einer Jury bewerten zu lassen.

Die »Orchideenfreunde«, wie sich die baden-württembergische Ortsgruppe der D.O.G. nennt, treffen sich jeweils am zweiten Freitag des Monats. Sie saßen an langen Tischen, tranken Bier und aßen Spätzle – zu jedem guten Vereinstreffen gehört schließlich auch nahrhaftes Essen dazu. Am vorderen Ende des Raums saß ein sechsköpfiges Komitee über Bewertungsbögen gebeugt da. Neben ihnen stand ein Wäscheständer, an dem die zehn schönsten Orchideen mit Drähten aufgehängt waren. Jede Blume war mit einer Nummer versehen.

Plötzlich verstummten die lebhaften Gespräche, das Klirren von Besteck ebbte ab. Alle blickten gespannt nach vorne. Zwei Vertreter des Bewertungskomitees hielten die Orchideen nach und nach in die Höhe und zeichneten sie aus. Silber für eine besonders gesunde Wurzel, Bronze für eine gelungene Hybride, noch mal Silber für eine prächtige Blüte. Und dann: Gold.

Gold für eine fünfundzwanzigjährige Orchidee mit Hunderten winzigen gelben Blüten. Sie war mit Draht auf ein Brett gebunden und glich eher einem hübschen Gebüsch als der langweiligen Pflanze auf den Fensterbänken.

»Es beginnt immer mit einer einzigen Orchidee«, raunte mir mein Tischnachbar zu. »Inzwischen«, fuhr er fort, »geht mir in der Wohnung der Platz aus. Glauben Sie mir: Auch Sie werden noch...

Erscheint lt. Verlag 21.7.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Natur / Ökologie
Technik
Schlagworte Blumen & Pflanzen • bücher pflanzen • Buch für Orchideensammler • Buch Pflanzen • Eric Hansen • Geschenk für Orchideenliebhaber • Geschichte der Orchideen • Mike Dash • Orchideen • Orchideen als Zimmerpflanze • Orchideenfieber • orchideen pflanze • orchideen zubehör • Orchideenzucht • Orchideen züchten • Pflanzen Buch • pflanzen orchideen • Tulpenfieber • Tulpenwahn • Wie pflege ich Orchideen? • Zimmerpflanze Orchideen
ISBN-10 3-365-00015-1 / 3365000151
ISBN-13 978-3-365-00015-1 / 9783365000151
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