Gold und Ehre (eBook)

Historischer Roman

(Autor)

The Susijn Agency (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
704 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-1009-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gold und Ehre -  Sabine Weiß
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

Ein großer Historischer Roman um den Bau des Hamburger Michels, Krieg und Frieden und die Freiheit, sein eigenes Glück zu suchen

Nach einem verunglückten Experiment wird Benjamin von seinem Vater nach Hamburg geschickt. Anfangs tut sich der junge Architekt schwer so fern der Heimat. Er wird belogen und betrogen, doch bald lernt er Menschen kennen, auf die er zählen kann - allen voran Lucia, die stehlen muss, um das Überleben ihrer Familie zu sichern. Sie fasziniert ihn, auch weil sie blitzgescheit ist. Als Benjamin von seinem Vater zurück nach Amsterdam gerufen wird, bleibt sie zurück. Kann dennoch mehr aus ihrer Verbindung werden?

Folgen Sie Sabine Weiß' Helden ins spannende 17. Jahrhundert, und erleben Sie Amsterdam und Hamburg von einer neuen Seite!




Sabine Weiß arbeitete nach ihrem Germanistik- und Geschichtsstudium als Journalistin. Seit 2007 veröffentlicht sie erfolgreich Historische Romane, seit 2016 auch Kriminalromane um die junge Kommissarin Liv Lammers. Wenn sie nicht gerade mit ihrem Camper auf den Spuren ihrer Figuren reist und recherchiert, lebt Sabine Weiß mit ihrem Mann und ihrem Sohn in der Nähe von Hamburg.

Sabine Weiß arbeitete nach ihrem Germanistik- und Geschichtsstudium als Journalistin. Seit 2007 veröffentlicht sie erfolgreich Historische Romane, seit 2016 auch Kriminalromane um die junge Kommissarin Liv Lammers. Wenn sie nicht gerade mit ihrem Camper auf den Spuren ihrer Figuren reist und recherchiert, lebt Sabine Weiß mit ihrem Mann und ihrem Sohn in der Nähe von Hamburg.

1


Amsterdam, 30. Juli 1650


Benjamins Finger drohten an der Windmühlenkappe abzurutschen. Trotzdem schob er sich weiter durch die Luke. Der Regen peitschte ihm um die Ohren, und der Wind zerrte an den Flügeln der Mühle. Durch die Bewegung des Oberkammrads auf der Flügelwelle vibrierte das wettergegerbte Holz; das dumpfe Rumpeln der Mechanik ging ihm durch Mark und Bein. Als er die Regentropfen aus den Wimpern blinzelte, zersprangen diese zu Lichtreflexen. Wie eine verlöschende Glutpfanne lag Amsterdam vor ihm. Eine Stadt zwischen Sumpf und See, zwischen Moor und Meer. Vereinzelt schimmerten Lichter in den Häusern. Aschgraue Wolken taumelten über den mondlosen Himmel, vermischten sich mit dem Rauch, der aus unzähligen Schornsteinen quoll. Die hitzige Energie dieser Stadt schien verflogen. Hätte es nicht schwarz auf weiß in seinem Almanach gestanden, hätte er bezweifelt, dass tatsächlich Hochsommer war.

Ein Blitz zuckte über das Firmament. Wie schade, dass das Gewitter so weit weg war! Es hätte seine Forschungen um einen weiteren Aspekt bereichert. Noch einmal ließ der Neunzehnjährige seinen Blick auf der hügeligen Landschaft nassglänzender Dächer und spiegelnder Flächen ruhen. Amsterdam war zweifellos eine Wasserstadt. Da war der Fluss Amstel, der sich in die Grachten ergoss. Es gab das IJ, den Meeresarm der Zuiderzee, der an den Hafen brandete. Die Sumpfadern und Seen. Und natürlich das Haarlemmermeer, das sich im Südwesten der Stadt stetig weiter ausbreitete. Ein Jammer, dass die Bürgermeister sich nicht durchgerungen hatten, den Waterwolf zu bändigen, dieses landfressende Wasserungeheuer! Dabei hatte der Ingenieur Leeghwater einen ausgefeilten Plan entwickelt, wie das Land trockengelegt werden könnte. Aber angeblich kosteten die einhundertsechzig Windmühlen mit ihren Wasserpumpen zu viel Geld. Ein kurzsichtiges Urteil, fand Benjamin. Was war diese Investition schon gegen den Ertrag des Landes, das sie gewinnen würden? Waren sie, die Holländer, nicht die Beherrscher des Wassers, die Herren der Ozeane?

Am Horizont kündigte ein schwefelgelbes Glimmen den Sonnenaufgang an. Je stärker das Licht durchbrach, desto dünner schienen die Regenschleier zu werden. Ob eine Verbindung zwischen dem Schein der Sonne und dem Abklingen des Unwetters bestand? Auch das wäre eine Frage für seine Forschungen.

Benjamin schauderte, als der Regen seine Jacke durchdrang und ihm über den Rücken perlte. Es kam ihm vor, als ob sich Nässe nicht unbedingt segensreich auf den menschlichen Körper auswirkte. In Gedanken notierte er sich, mit Theo darüber zu beraten oder den Arzt Nicolaes Tulp dazu zu befragen, dessen Vorlesungen an der Illustren Schule er gelauscht hatte und dessen öffentliche Sektionen er stets besuchte. Die Leichenöffnungen waren zwar etwas gruselig, erhellten den Geist aber ungemein.

Endlich riss Benjamin sich von dem Anblick Amsterdams los und wandte sich wieder seinem Vorhaben zu. Vorsichtig setzte er die Füße auf die Leiste. Das schmale Holz, das die Kappe der Windmühle einfasste, war glitschig. Natürlich wäre einer der Kirchtürme für seine Zwecke besser geeignet gewesen, dort aber sah man derartige Experimente nicht gerne. Jungen Männern unterstellten die Küster ohnehin, sie würden nur Unfug treiben. Nicht ganz unberechtigt, das musste Benjamin zugeben, denn auch Theo und seine Freunde machten sich einen Spaß daraus, beim nächtlichen Kolf-Spiel mit Ball und Schläger auf Fensterscheiben zu zielen.

Er schob sich vor, sah hinunter. Obgleich der Regendunst den Abgrund harmlos erscheinen ließ, wusste er, dass ein Sturz tödlich sein konnte. Aber was tat man nicht alles im Dienste der Wissenschaft?

Stück für Stück balancierte er vor, bis seine Hände den sicheren Halt aufgeben mussten. Nur noch seine Zehenspitzen trugen ihn. Hart schlug sein Herz in seinem Brustkorb. Wie lebendig er sich fühlte! Die Mechanik des Herzschlags – noch so ein Rätsel der Natur, über das er oft mit Theo diskutierte.

Der Gedanke verflog so schnell, wie er gekommen war. Am liebsten hätte er seiner Erregung in einem Schrei Luft gemacht, doch damit hätte er die Aufmerksamkeit der Wächter auf Theo und sich gelenkt und unnötigen Ärger provoziert.

Plötzlich hörte er den gedämpften Ruf seines Cousins. Was wollte Theo ausgerechnet jetzt? Benjamin neigte sich ein wenig über die Kante. Böen brachten seine langen Haare und die Rockschöße seines Mantels zum Flattern. Theos Gesicht schien als heller Schemen im Dunst auf.

»Wo bleibst du denn? Ich bin klitschnass, und mir ist kalt. Hast du sie scho-? Bist du irre geworden?« Theo hatte Benjamin offensichtlich gerade entdeckt. »Was tust du da? Erst gestern musste ich die zerschmetterten Glieder eines Matrosen versorgen, der vom Mast gefallen war. Das war kein schöner Anblick, das sage ich dir! Die Knochen hatten sich durch das Fleisch gebohrt. Ich weiß schon, warum ich nicht zur See fahre wie mein Alter.«

Nicht das schon wieder! Und jetzt schon gar nicht! »Ruhig! Du verrätst uns noch!«, unterbrach Benjamin ihn. Er tastete sich weiter vor. Dann lehnte er sich gegen die Mühlenkappe, eine Hand an der Dachkonstruktion, und löste mit der anderen das Seil vom Haken. Vorsichtig zog er die Kette mit den Behältnissen zu sich heran. Am besten notierte er gleich hier den Wasserstand. Unten wären die Untersuchungsergebnisse möglicherweise bereits verfälscht. Und hing wissenschaftliche Erkenntnis nicht von Genauigkeit ab?

Nachdem er die Schlaufen mit dem Seilende zusammengeknotet hatte, baumelten die Gläser wie eine funkelnde Traube. Langsam balancierte er zurück. Die Seiten seines Notizbuchs flatterten neben der Luke, nur schwach vom Schein der Öllampe erhellt, die er ein Stück weiter im Inneren der Mühle abgestellt hatte.

»Ich höre Leute auf den Straßen. Komm schon, wir müssen fertig werden! Ich kann nicht noch mehr Ärger brauchen«, rief Theo.

»Gleich!«

Benjamin wollte sich gerade auf den Mühlenboden ziehen, als ein Windstoß sein Notizbuch erfasste und zu seiner Öl-Uhr trug. Die Flamme hatte lange gebrannt, und der Ölstand zeigte den Morgen an. Es war mehr Zeit vergangen, als er gedacht hatte. Das Papier flatterte heftiger im Wind. Gleich würden seine kostbaren Beobachtungen und Entwürfe Feuer fangen und verbrennen! Was tun? Das Seil konnte er nicht loslassen, dann wäre das Experiment vergebens gewesen und die teuren Gläser würden zerbrechen. Außerdem war die baufällige Mühle ab morgen in den Händen der Zimmerleute und eine Wiederholung des Versuchs unmöglich. Schon kokelte eine Ecke des Papiers. Instinktiv löste Benjamin die Finger von der Holzkante, um das Buch zu retten. Die Glastraube schwang, das Gewicht des Seils zog ihn gen Abgrund, seine Füße verloren auf der Kante den Halt, er wankte. Unter sich hörte er Glas klirren. Sein Herz überschlug sich. Endlich gelang es ihm, sich in eine Ritze zwischen den Holzsparren zu krallen.

Der Wind wehte zornig klingende Wortfetzen zu ihm: »Was machst … denn! Willst … erschlagen?«

Benjamin zog sich in Sicherheit. Seine Hände zitterten, als er die durchnummerierten Gläser aufstellte, eines nach dem anderen überprüfte und seine Beobachtungen notierte.

»Lass … abhauen. Hast … Kirchenglocken nicht … muss zum Dienst … Außerdem … kalt … Mistwetter … kann doch kein Sommer sein«, schimpfte Theo weiter.

Um genau das herauszufinden, sind wir hier, dachte Benjamin, ganz konzentriert auf seine Aufzeichnungen. Die Ergebnisse würde er sofort analysieren und den anderen Gelehrten mitteilen.

Ehe er die Mühlenkappe schloss, sah Benjamin noch einmal über das Land. Inzwischen hatte die Nacht den Kampf gegen den Tag verloren. Die Wolken wurden vom Wind in Stücke gerissen. Vielleicht bekämen sie doch mal wieder mehr als ein paar trockene Stunden.

In der Nähe des Amstellaufs bemerkte er eine Bewegung. Kurz bedauerte er, dass er sein Fernrohr nicht dabeihatte. Waren das Reiter? Und warum hatten sie es so eilig?

»Komm jetzt endlich!«

Benjamin kniff die Augen zusammen. Tatsächlich! Zwei Reiter preschten zum Stadttor. Auf das Pferd des einen war ein großer Sack geschnallt. Es könnte einer der Postkuriere sein, die zwischen Amsterdam und anderen Handelsstädten pendelten. Aber der zweite …

Da stimmte etwas nicht. Eine Vorahnung ergriff ihn. Benjamin bugsierte das Gläserbündel und sein Notizbuch in den Sack und lief die Mühlentreppe hinunter, sprang über die maroden Bretter, stolperte, nahm das Klirren kaum wahr, kam endlich unten an. Ohne eine Erklärung abzugeben, huschte Benjamin auf dem Wall entlang Richtung Stadttor. Im Schutz einer Mauer versteckte er sich.

Theo lief ihm fluchend nach. »Bist du von allen guten Geistern verlassen? Da unten sind Stimmen zu hören. Gleich kommt die Wache!«

»Das Tagesgeschäft bricht an – niemand wird sich dann noch über uns wundern.«

Theo hockte sich neben ihn, sprang aber gleich wieder hoch. »Godverdomme! Jetzt habe ich mir den neuen Radmantel eingesaut!«

»Still!« Benjamin lauschte dem Wortwechsel, der leise zu ihnen drang. Die Stadtwache diskutierte offenbar mit den beiden Reitern.

»Überfall, sagt Ihr? Mijnheer Bicker schickt Euch, der Drost von Muiden? Eine Armee? Und woher wollt Ihr das wissen?«

Eine überreizte Stimme antwortete: »Das sagte ich doch gerade! Dieser Kurier kommt aus Hamburg. Im Gooi, nahe Hilversum, stieß er auf die Truppen unseres Statthalters. Kavallerie und Fußsoldaten, so weit das Auge reicht. Schwerbewaffnet und wild darauf, Amsterdam zu...

Erscheint lt. Verlag 26.11.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Technik Architektur
Schlagworte 17. Jahrhundert • 17. Jh. • Amsterdam • Architektur • Freiheitskampf • Goldenes Zeitalter • Grachten • Grachtenbogen • Hamburg • Handel • Hanse • Historische Romane • Holland • Krone der Welt • MICHEL • Niederlande • Pest • Rathaus • Seefahrt • Seekrieg • Städtebau • St. Michael
ISBN-10 3-7517-1009-4 / 3751710094
ISBN-13 978-3-7517-1009-1 / 9783751710091
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,7 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Geschichte, Positionen, Perspektiven

von Muriel Asseburg; Jan Busse

eBook Download (2023)
C.H.Beck (Verlag)
8,99
Geschichte, Positionen, Perspektiven

von Muriel Asseburg; Jan Busse

eBook Download (2023)
C.H.Beck (Verlag)
8,99
Vom Untergang des Kaiserreichs bis zur Gegenwart

von Helwig Schmidt-Glintzer

eBook Download (2024)
Verlag C.H.Beck
8,99