Von Füchsen und Menschen (eBook)

Auf den Spuren unserer schlauen Nachbarn - als Wildbiologin unterwegs in der Großstadt
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
240 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99956-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Von Füchsen und Menschen -  Sophia Kimmig
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Faszination Fuchs: alles zum Überlebenskünstler Roter Pelz, bernsteinfarbene Augen, grazile Statur - wer ihm einmal begegnet, vergisst diesen Anblick nicht mehr. Doch der Fuchs ist nicht nur für seine Schönheit, sondern auch als schlau, gerissen und neugierig bekannt. Vom Polarkreis bis in den Norden Afrikas findet man ihn, und er besiedelt zunehmend unsere Städte. Wildbiologin Sophia Kimmig heftet sich dort an seine Fersen und versucht, hinter das Geheimnis des Überlebenskünstlers zu kommen. Sie nimmt uns mit auf nächtliche Erkundungstouren, erzählt amüsant von den Tücken der Feldforschung und gewährt uns spannende Einblicke in das verborgene Leben unserer wilden Nachbarn. - neues Expertenwissen einer jungen & engagierten Wildbiologin - mit illustrierten »Fox Fun Facts« - mit liebevollen Zeichnungen und einer Karte

Sophia Kimmig, 1988 in Berlin geboren, ist promovierte Wildbiologin und erforscht, wie sich Wildtiere an sich verändernde Lebensraumbedingungen anpassen - zuletzt am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) anhand des Berliner Fuchses und seiner Anpassung an das Stadtleben. Sie ist eine talentierte Naturillustratorin und engagiert sich im Bereich Umweltbildung und Wissenstransfer: In Vorträgen, durch Medienarbeit und mit ihren Texten verfolgt sie ihr Anliegen, Menschen die Vielfalt und den Wert der Natur näherzubringen und Akzeptanz für Natur- und Artenschutz zu schaffen. Sophia Kimmig lebt in Berlin.

Sophia Kimmig, 1988 in Berlin geboren, ist Wildbiologin und erforscht, wie sich Wildtiere an sich verändernde Lebensraumbedingungen anpassen – konkret am Beispiel des Berliner Fuchses und seiner Anpassung an das Stadtleben. Dabei widmet sie sich nicht nur ökologischen Fragen, sondern engagiert sich auch beruflich im Bereich Umweltbildung und Wissenstransfer: In Vorträgen, durch Medienarbeit und im Bürgerdialog verfolgt sie ihr Anliegen, Menschen die Vielfalt und den Wert der Natur näher zu bringen und Akzeptanz für Natur- und Artenschutz zu schaffen. Sophia Kimmig lebt in Berlin.

Gestatten, Meister Reinecke


Der Rotfuchs ist der heimliche König der Tiere. Auch wenn diesen Titel seit Disneys »König der Löwen« offiziell der afrikanische Löwe trägt oder – um mit Bambi mehr in unseren Breiten zu bleiben – der Hirsch, hat sich der kleine rote Räuber an die Spitze der weltweiten Verbreitung aller Landraubtiere geschlichen. Er ist dort, zumindest in Europa, leise und oftmals unbemerkt angekommen – quasi ein Siegeszug, ohne jemandem unterwegs auf die Füße zu treten.

Vulpes vulpes, wie der Rotfuchs mit seinem wissenschaftlichen Namen heißt, gehört zu den mittelgroßen Raubsäugetieren und besiedelt eine unglaubliche Vielfalt an Lebensräumen. Er ist auf dem nordamerikanischen Kontinent und in Eurasien, in den heißen Wüsten Nordafrikas und nördlich des Polarkreises zu Hause (dort macht er seinem Verwandten, dem Polarfuchs, ziemlich Konkurrenz). In den letzten fünfzig Jahren ist er zudem mehr und mehr in unsere Städte vorgedrungen, wo er nun zwischen Gartenhütten, Bahndämmen und Friedhöfen lebt und anscheinend ebenfalls ganz gut zurechtkommt.

Eine große Ausnahme von der »unbemerkten« Ausbreitung des Fuchses sind der australische Kontinent und Tasmanien. In Australien ist unser heimischer Rotfuchs eine invasive Art, also ein eingeschleppter Neubürger, dessen Anwesenheit dem vorhandenen Ökosystem Schaden zufügt. Ein Prädator wie der Fuchs ist im australischen Ökosystem schlicht nicht vorgesehen, mit verheerenden Auswirkungen für die lokale Tierwelt. Nachvollziehbar, dass der Fuchs dort nicht so positiv wegkommt wie meist bei uns. Ihn wieder loszuwerden dürfte allerdings schier unmöglich sein, denn ähnlich wie bei uns der Waschbär hat der Fuchs als Spezies, einmal etabliert, wenig zu befürchten. Aber was genau macht das kleine Raubtier so erfolgreich?

Füchse sind flexibel! Diese Flexibilität betrifft verschiedene Aspekte des Fuchslebens, darunter auch das breite Nahrungsspektrum. Als Generalisten ernähren sich Füchse von pflanzlicher wie tierischer Nahrung. Spezialisiert sind sie auf die Mäusejagd, aber auch Obst, Insekten, Regenwürmer oder Aas stehen auf ihrem Speiseplan. Sie sind sowohl Jäger als auch Sammler – genau wie wir. Allerdings »sammeln« sie Dinge, bei denen wir angewidert die Nase rümpfen würden, wie etwa Aas von überfahrenen Tieren. Füchse sammeln jedoch nicht nur Nahrung ein, die sie finden, sondern suchen und graben auch aktiv danach. Es stehen zum Beispiel nicht selten Regenwürmer auf dem Speiseplan, die die Füchse mit ihren Zähnen vorsichtig aus der Erde ziehen. Unter Obstbäumen finden die Tiere Fallobst wie Äpfel oder Pflaumen, aber sie gehen auch selbst ernten und zupfen Brombeeren und andere Früchte von Sträuchern. Das Bild eines jungen Fuchses, der mit fast geschlossenen Augen genüsslich eine Beere von einem Himbeerstrauch zupfte und verspeiste, gehört zu den vielen schönen Szenen in meinem geistigen Album der Fuchserinnerungen. Obwohl es inzwischen wohl eher eine ganze Buchreihe ist, die mentale Regallager füllt und für die vermutlich anderes Wissen seinen hart erkämpften Platz räumen musste: Wie ging noch mal eine Polynomdivision? Vergessen. Dafür weiß ich jetzt, dass Füchse gerne Kirschen fressen. Wenn ich im Sommer gelegentlich mit Fuchsinteressierten durch Berlin ziehe und nach Spuren wie Pfotenabdrücken, Wechseln (ausgetretenen kleinen Trampelpfaden der Tiere) oder Kot suche, ist es immer wieder amüsant, die überraschten Gesichter zu sehen, wenn wir die »dreckigen Kirschkernhaufen« finden, die die Füchse hinterlassen, nachdem sie sich im Schrebergarten nebenan den Bauch mit dem Fallobst vollgeschlagen haben.

Dass Füchse Generalisten sind, heißt im Übrigen nicht, dass sie keine individuellen Vorlieben haben. Der Fuchs als Spezies mag einen umfangreichen Speiseplan haben, der Fuchs Kalle in Berlin-Tempelhof hingegen »jagte« überwiegend nach Hotdogresten, wenn er nachts über den Parkplatz eines bekannten schwedischen Möbelhauses streifte.

Anthropogene Nahrung, also Nahrung, die (freiwillig oder unfreiwillig) vom Menschen bereitgestellt wird, wie Nutztiere, Kulturpflanzen oder Küchenabfälle, spielt in der Fuchsernährung eben eine wichtige Rolle. Besonders in der Stadt finden Füchse an jeder Ecke etwas Essbares: ein offener Mülleimer, in den ein letztes Stück vom Brötchen hineingeworfen wurde, Grillüberbleibsel auf der Wiese im Park um die Ecke, ein von Feiernden auf dem Weg zur S-Bahn achtlos auf die Straße geworfener Dönerrest, der offene Komposthaufen in einem Garten oder eine für die Katze auf die Terrasse gestellte Schale mit Nassfutter – das Angebot an menschengemachter Nahrung ist umfangreich.

Doch auch wenn Stadtfüchse dieses Angebot gerne nutzen, haben sie ihrer Hauptnahrungsquelle nicht den Rücken gekehrt. Füchse sind Mäusejäger. Sie fressen alle Mäuse- und Wühlmäusearten und bedienen sich meist an dem, was am reichlichsten da ist. Je nachdem wo sie leben, fangen sie also vermehrt Feldmäuse und Schermäuse (Agrarlandschaft), Hausmäuse und Ratten (Siedlungsraum) oder Gelbhalsmäuse und Brandmäuse (Wald).

Die Evolution hat den Fuchs im Laufe der Zeit bestens an die Mäusejagd angepasst. Seine schlanke, hochbeinige Gestalt und seine wendigen und grazilen Bewegungen erinnern stark an unsere Katzen, deren Vorfahrin, die Wildkatze, ebenfalls auf Mäusejagd spezialisiert ist. Dass Füchse als einzige Mitglieder der Hundefamilie klettern können und sich so filigran und leichtfüßig bewegen wie unsere Hauskatzen, ist Ergebnis ebendieser Spezialisierung auf Mäusefang. Obwohl Hauskatze und Fuchs zu verschiedenen biologischen Gruppen gehören und durch eine Reihe von nicht kletternden Arten in der Evolutionsgeschichte getrennt sind, zeigen sie Gemeinsamkeiten. Ihre ähnliche Lebensweise, nicht ihre Genetik, hat ihnen die gleichen Anpassungen beschert.

Dieses Phänomen der sogenannten konvergenten Evolution lässt sich gut an Hai und Delfin verdeutlichen, die eine lange evolutionäre Reise trennt. Haie sind eine der ältesten noch vorkommenden Tiergruppen unseres Planeten. Die ersten Haie schwammen laut Skelettfunden bereits vor über 380 Millionen Jahren durch die Meere, als die Fische dem Wasser entstiegen und das Land eroberten. Selbst die modernen Haie gab es wohl schon vor fast 300 Millionen Jahren, das war, bevor die ersten Säugetiere entstanden und lange, lange bevor einige davon wieder heimkehrten in die Meere – und zu Vorfahren des Delfins wurden. Dennoch haben Haie wie Delfine den gleichen stromlinienförmigen Körperbau mit einer Rückenflosse (der Finne) und zwei Brustflossen. Er ist eine Anpassung an das Leben im Wasser und kein vererbtes Merkmal. Deshalb ist er mehrfach und zu verschiedenen Zeiten in der Evolution entstanden.

Ähnlich bei Fuchs und Katze, die Merkmale teilen, ohne nahe verwandt zu sein. Der Fuchs verdankt seine »Leichtbauweise« und sein Geschick also dem Lebensstil als mittelgroßer Mäusejäger. Auch wenn wir Füchse natürlich meist auf dem Boden sehen, können sie problemlos auf Mauern und Gartenzäunen balancieren. Sie bewegen sich leichtfüßig über schmalste Grate und können Leitern erklimmen. Kein Wunder, dass sie in der Stadt manchmal auf den Balustraden, Balkonen oder auf Baugerüsten von Gebäuden auftauchen. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in Ihrem Büro im dritten Stock, und plötzlich steht ein Fuchs auf dem Baugerüst vor dem Fenster – gar nicht so unwahrscheinlich, wie es zunächst klingt.

Der Bibliotheksfuchs der Staatsbibliothek zu Berlin Unter den Linden wurde des Öfteren auf den Fensterbrettern des ersten Stocks gesichtet. Den Rekord hält jedoch Fuchs Romeo, der sich während Bauarbeiten am Londoner Shangri-La Hotel in den 72. Stock verirrte. Dort hielt er sich zwei Wochen auf und ernährte sich von den Essensresten der Bauarbeiter, bis er gefangen und umgesetzt wurde. Ganz so hoch hinaus zieht es Füchse sonst nicht, aber sie bewegen sich selbstverständlich über Dächer von Garagen, Gartenlauben und Containern. Aber Füchse steigen nicht nur Treppen hinauf, sondern auch hinab. So trifft man sie gelegentlich in den Berliner U-Bahn-Stationen, und in London wurden sie laut der britischen Journalistin und Fuchsbuch-Autorin Lucy Jones gar beim Fahrstuhlfahren ertappt.

Sein Geschick bei der Jagd zeigt der Fuchs mit dem Maussprung. Mithilfe seiner feinen Nase und seines empfindlichen Gehörs ist er in der Lage, Mäuse unter Gras, Laub oder Schnee zu orten. Hat er die Position erfasst, verharrt er zunächst in Spannung und springt dann in hohem Bogen auf sein Ziel. Ähnlich wie bei Katzen sieht man den Fuchs auch gelegentlich mit seiner Beute spielen.

Die erfolgreiche Anwendung des Maussprungs auch bei tiefem Schnee ist sowohl beeindruckend als auch unterhaltsam für den Beobachter. Ich lege Ihnen an dieser Stelle sehr ans Herz, sich das Kunstwerk einmal als Video anzusehen (online zum Beispiel unter dem Suchbegriff »fox snow dive«, also Fuchs-Schneetauchen, zu finden). Einen kleinen statischen Vorgeschmack gibt es im Bildteil.

Der einsame Jäger


Begegnet uns ein Fuchs, sehen wir ihn meist allein um-
herstreifen. Vielleicht treffen wir ihn an einem Herbsttag, an dem es schon früh dunkel wird und Menschen noch und Füchse schon unterwegs sind. Auf unserem abendlichen Heimweg sehen wir ihn unerwartet aus dem Dunkeln auftauchen, wie er schnellen Schrittes seiner Wege geht. Wir wissen nicht, woher er kommt oder welches Ziel er verfolgt. Ein kurzer Blick, ein Funken Wildnis mitten in der Stadt, und schon ist er wieder fort, einsam in der Nacht verschwunden. Im Kopf entsteht ein romantisches Bild, das des einsamen Jägers.

Wirft man einen Blick in alte Fuchsliteratur, könnte man sich in dieser Schlussfolgerung bestätigt sehen, wenn dort behauptet wird, der Fuchs sei ein...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2021
Zusatzinfo Mit 57 farbigen Abbildungen, 20 Illustrationen und einer Karte
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Natur / Ökologie
Technik
Schlagworte Berlinbuch • Berlin Buch • Beziehung Mensch Fuchs • Biologie • biologie buch • Biologie für Laien • Buch über Füchse • Buch über Wildtiere • Die Weisheit der Füchse • Forscherin • Forschung • Forschung Wildtiere • Fuchs • Fuchsbuch • Fuchs Buch • Fuchs-Buch • Füchse • Füchse in der Stadt • Fuchsforschung • Fuchs ganz nah • Fuchs in Berlin • Fuchs in der Großstadt • Fuchs in der Stadt • Fuchsstadt • Großstadt • Großstadt Tiere • Jagd • Kulturfolger • Kulturgeschichte • Lebendige Nacht • Leben in der Stadt • Leibnizinstitut für Zoo- und Wildtierforschung • Liebe Fuchs • Stadtfuchs • Stadt Fuchs • Stadttiere • Sympathie Fuchs • Tierbuch • Tier Buch • Verhaltensforschung • Waldtier • Wildbiologin • wildes Leben in der Stadt • Wilde Tiere in der Stadt • Wildtiere • Wildtiere Buch • Wildtiere in der Stadt • Wildtier Forschung • Wolf • Wölfe
ISBN-10 3-492-99956-5 / 3492999565
ISBN-13 978-3-492-99956-4 / 9783492999564
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