Aufs Land (eBook)

Wege aus Klimakrise, Monokultur und Konsumzwang
eBook Download: EPUB
2021
352 Seiten
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
978-3-446-27164-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Aufs Land - Ernst Paul Dörfler
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Das Landleben als Chance für Klima und Umwelt? Inspirierende Perspektiven auf Nachhaltigkeit und Selbstversorgung von Ökologe Ernst Paul Dörfler
Wir haben den Blick für das Wesentliche verloren: unser Wohlergehen und das der Natur. Wir leben in engen Städten. Wir arbeiten viel, um immer mehr zu konsumieren. Leidenschaftlich und kompetent ruft der Ökologe Ernst Paul Dörfler dazu auf, endlich auszubrechen und nachhaltige Lösungen zu finden. Der Weg dorthin führt aufs Land. Als unbequemer Umweltschützer schon in der DDR vermittelt er glaubhaft wie kein Zweiter, was freies und selbstbestimmtes Leben bedeutet und wie es gehen kann. Wer weniger braucht, muss weniger arbeiten und verdienen, schont zugleich die natürlichen Lebensgrundlagen, lebt zufriedener und gesünder. Ob Stadt- oder Landmensch, dieses Buch rüttelt auf und zeigt Perspektiven für ein freies, umwelt- und klimafreundliches Leben.

Ernst Paul Dörfler, geboren 1950 in Kemberg bei Lutherstadt Wittenberg, ist promovierter Ökochemiker. Sein Buch Zurück zur Natur? (1986) wurde zum Kultbuch der ostdeutschen Umweltbewegung. Er erhielt zahlreiche Preise, darunter den EuroNatur-Preis der Stiftung Europäisches Naturerbe. 2019 erschien sein Buch Nestwärme bei Hanser, 2021 Aufs Land. Er lebt und arbeitet in Steckby.

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Unser größtes Kapital


Wird über Kapital gesprochen, geht es meist um Geld, um Finanzkapital. Unser größtes Kapital jedoch ist das Naturkapital, auch wenn es in den Börsenberichten nicht vorkommt. Auf dem Naturkapital fußt unser ganzer Reichtum. Unser bisheriges Wohlstandsniveau verdanken wir vor allem der Verbrennung von Kohle und Öl. Doch damit ist bald Schluss. Unser künftiges Wohlergehen hängt vor allem von unserem Umgang mit dem Klima, dem Boden, dem Wasser, den Pflanzen und Tieren ab. Vieles davon scheint kostenlos!

Was nichts kostet, ist in einer durch und durch ökonomisierten Welt nichts wert. Dass dies ein Irrtum ist, wird spätestens dann sichtbar, wenn die Naturschätze erschöpft oder die Naturräume zerstört sind. Es schmerzt, wenn wir die Wälder brennen oder die Fische sterben sehen, wenn die Strände unter stinkenden Algenmassen versinken oder durch den Meeresspiegelanstieg ganz und gar untergehen. Erst dann wird man sich fragen: Da war doch mal was Tolles, was uns wichtig war?

Geld kann man bekanntlich nicht essen. Es kann von heute auf morgen verfallen oder verbrennen, zur Luftbuchung verkommen. Die Natur hingegen liefert die wirklich wichtigen und unersetzlichen Ressourcen und Dienstleistungen für unser Überleben. Sie bietet Luft, Wasser, Nahrung und den Sonnenschein, ohne eine Rechnung zu stellen! Diese Leistungen sind tatsächlich unbezahlbar. Für die Natur gibt es keine Druckerpresse, für Geldscheine schon. Natur wird immer kostbarer, je mehr sie schrumpft. Wird Geld in großen Mengen ohne Gegenwert gedruckt, kann es eines Tages wertlos werden. Es wäre nicht die erste Inflation, meine Eltern haben zwei Desaster dieser Art ertragen müssen.

Die wachsenden wirtschaftlichen Eingriffe in den Naturhaushalt, sei es durch Bergbau, durch Industrie, Verkehr oder Landwirtschaft, verursachen neben den gewollten Wirkungen auch mehr oder weniger große Schäden an Boden, Wasser, Luft und Klima, an der biologischen Vielfalt sowie an ökologischen Leistungen. Unser wichtigstes Kapital schrumpft bedrohlich. Auch die menschliche Gesundheit kann darunter leiden. Schäden verursachen wiederum Kosten für nötige Reparaturen oder für Ersatzleistungen. Es sind Folgekosten einer falschen Wirtschaftsweise, die bislang nicht in die Gesamtrechnung eingehen. Oft sind die Folgekosten sogar deutlich höher als die Vermeidungskosten. So gesehen haben Schäden am Naturkapital auch eine volkswirtschaftliche Dimension. Wir sollten sie um jeden Preis vermeiden. Nur ein intaktes Naturkapital wirft Zinsen ab, von denen wir gut leben können. Gesunde Wälder erneuern den Sauerstoff, der lebendige Boden reinigt das Wasser, die grünen Pflanzen liefern uns nachwachsende Nahrung. Diese Zinsen fließen nur dann dauerhaft, wenn wir den Kapitalstock nicht angreifen oder gar aufzehren.

Klimaschutz und der Schutz der biologischen Vielfalt sind die wichtigsten Aufgaben unserer Zeit. Sie sind gleichermaßen bedeutsam, sie dulden keinen Aufschub und sie sind keineswegs Kontrahenten. Die Entweder-oder-Frage ist hier deplatziert. Sofern die richtigen Maßnahmen ergriffen werden, ergänzen sich beide Themen in hervorragender Weise. Klimaschutz und Naturschutz gehören zusammen auf die Tagesordnung — und zwar ganz oben.

Luft und Klima


Ohne Luft können wir nicht überleben, ohne erträgliches Klima ebenso wenig. Unser gemäßigtes mitteleuropäisches Klima ist ein besonderer Schatz, um den man uns beneiden kann. Wer möchte schon gern im Wüstengürtel der Erde sein Leben fristen? Doch unser Klima ist keine Konstante, es ist verletzbar und es verändert sich.

Die meisten Wissenschaftler sind sich einig: Wir stehen vor einer Klimakrise, einer Erderhitzung und der entscheidende Täter ist der Mensch. Durch seine Aktivitäten entstehen Treibhausgase, die vor allem aus der Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas stammen.

Die Bewohner der reichsten Länder sind pro Kopf die größten Klimakiller. Nach den US-Amerikanern sind es vor allem die Europäer. Wir zeigen zwar mit unseren Fingern gern nach China, wenn es um Verursacher der Krisen geht, doch unser Pro-Kopf-Ausstoß von Treibhausgasen liegt klar über dem eines Chinesen, fünfmal so hoch wie der eines Inders und mehr als zehnmal so hoch wie der eines Afrikaners. Es führt kein Weg daran vorbei: Wenn wir in einem erträglichen Klima leben wollen, muss der Ausstoß von Treibhausgasen reduziert werden. Gerade wir, die Bewohner des globalen Nordens, können den größten Beitrag leisten, nicht nur, weil wir die größten Verursacher sind, wir haben auch die Kraft und die Ideen, zu Vorreitern im Klimaschutz zu werden. Jahrzehntelang wurde Deutschland weltweit als »Autoland« bewundert. Wir sollten uns anstrengen, künftig als Vorzeigeland für den Klimaschutz, als »Klimaland« gesehen zu werden. Wissenschaft und Forschung arbeiten hart daran. Der Königsweg lautet: aus Kohle und Öl rasch aussteigen, den Ausstoß von Treibhausgasen zügig auf null herunterfahren und schleunigst auf Erneuerbare Energien umstellen. »Dekarbonisierung« heißt die Zielsetzung, ein Begriff, der noch vor zehn Jahren nur unter Experten gebräuchlich war. Nun ist er in den obersten Etagen von Politik und Wirtschaft angekommen.

Strom vom eigenen Dach statt vom Kohlekraftwerk — warum nicht? Voraussetzung ist eine nach Süden gerichtete Dachfläche, um die Energie von der Sonne einzufangen. Die Pioniere und Vordenker haben schon vor drei Jahrzehnten damit begonnen, viele sind dem Beispiel gefolgt, nachdem das Erneuerbare-Energien-Gesetz erlassen wurde. Wer den technischen Aufwand scheut, kann auch eine Solaranlage zum monatlichen Fixpreis mieten und auf sein Dach montieren lassen. Das Energieunternehmen übernimmt dabei Planung, Bau und Service. Zumindest sollte man zu einem Öko-Stromanbieter wechseln.

Was allzu oft vergessen wird, aber am einfachsten zu realisieren ist: mit Energie sparsam umgehen. Man kann sofort damit beginnen und den eigenen CO2-Fußabdruck kräftig reduzieren. Das betrifft nicht nur den Strom aus der Steckdose. In jedem Produkt, in jeder Dienstleistung verstecken sich Energieverbrauch und Klimaschäden. Nichts ist dringender und simpler, als die persönliche Verschwendung zu minimieren.

Wir sollten uns Fragen stellen. Was benötige ich wirklich für ein gutes Leben? Was macht Lebensqualität und persönliches Wohlbefinden, Glück und Zufriedenheit für mich aus? Sind es nur materielle Dinge oder ist es nicht viel mehr? Was ist für mich überflüssig und belastend?

Weniger verbrauchen ist der einfachste und wirksamste Klimaschutz. In der Mitte des letzten Jahrhunderts galt es noch als Verfehlung, wenn man vergessen hatte, das Licht auszuschalten, nachdem man den Raum verlassen hatte. Inzwischen hat sich der Stromverbrauch in unseren Haushalten im Schnitt verhundertfacht! Mir persönlich steckt der sparsame Umgang mit Elektrizität wohl noch »in den Genen«. Es ist mir ein großes Bedürfnis, den Stromverbrauch von Jahr zu Jahr zu reduzieren. Unnötige Stromfresser werden konsequent ausgeschaltet oder ganz außer Betrieb genommen. Stecker raus! Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, um den Stromzähler zu entschleunigen. Ein Strommessgerät auszuleihen ist hilfreich, um Stromfresser zu identifizieren und nach Alternativen zu suchen.

Einsparung ist überall möglich, oft sogar ohne Komfortverzicht: im Bereich Bauen und Wohnen, in der Mobilität und tagtäglich im Bereich Konsum. Ich habe schon vor vielen Jahrzehnten begonnen aufzuschlüsseln, wo sich die größten Energieverbraucher und damit die größten Sparpotenziale im Haushalt verstecken. Heizung, Warmwasser und Kühlschrank führen die Liste an. Frieren macht keinen Spaß. Aber müssen alle Räume gleichermaßen mollig warm sein? In den Zeiten meiner Kindheit war es völlig normal, nur die Wohnküche zu heizen. 

Wir können durch eigenes bewusstes Handeln einen Großteil Treibhausgase von heute auf morgen einsparen. Dennoch benötigen wir ein Mindestmaß an Energie. Um das Klima nicht weiter zu belasten, müssen wir unsere Energieversorgung zügig auf erneuerbare Energiequellen umstellen. Hierbei ist entschieden mehr Tempo gefordert, um die Klimaerwärmung auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, das auch künftigen Generationen ein Überleben auf diesem Planeten ermöglicht.

Wir haben es in der Hand, die Auswirkungen des Klimawandels auf ein beherrschbares Maß einzugrenzen. 1,5 Grad an globaler Temperaturerhöhung wären ein ehrgeiziges, aber optimales und wünschbares Ziel, das uns vor bösen Überraschungen verschonen könnte. Allzu gerne setzen wir auf technische Lösungen, um die Probleme aus der Welt zu schaffen. An...

Erscheint lt. Verlag 26.7.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Natur / Ökologie
Technik
Schlagworte Annalena Baerbock • Besser leben • CO2 Ausstoß • Freiheit • Gesund ernähren • Klimawandel • Konsumkritik • Konsumverhalten • Maja Göpel • Nachhaltigkeit • nachhaltig leben • Naomi Klein • Natur Bedeutung • Naturschutz • Nestwärme • #ohnefolie • ohnefolie • Ostdeutschland • Peter Wohlleben • Robert Habeck • Selbstbestimmt Leben • Selbstversorger • Selbstversorger Garten • Selbstversorgung • solidarische Landwirtschaft • spiegel bestseller • Unsere Welt neu denken • Wald • Weniger ist mehr
ISBN-10 3-446-27164-3 / 3446271643
ISBN-13 978-3-446-27164-7 / 9783446271647
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