Eskapaden der Evolution -  Matthias Glaubrecht

Eskapaden der Evolution (eBook)

Von Menschen, Schimpansen und anderen Kabriolen der Natur
eBook Download: EPUB
2021 | 2. Auflage
272 Seiten
S.Hirzel Verlag
978-3-7776-3004-5 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
16,00 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Auf seinen Streifzügen durch die wundersame Welt der Natur hat Matthias Glaubrecht schon viel Kurioses gesehen. 36 solcher Kapriolen der Evolution schildert er in seinem neuen Buch. So erzählt er von den Wanderungen der Störe, von Sauriern mit vier Flügeln, vom geheimnisvollen Leben unserer Urahnen, von Paarungsritualen bei Tieren und Menschen, von den Schnecken des Tanganjika-Sees oder vom Gesang der Nachtigall - und von der spannenden Arbeit der Naturforscher. Geschichten um Käfer, Kannibalen und Kometen: Pressestimmen Der Autor schildert unterhaltsam erstaunliche Kapriolen der Evolution ... und zeigt nebenbei, wie spannend die Arbeit eines Naturforschers sein kann. (BUCHHÄNDLER HEUTE) ... eine unterhaltsame Lektüre. (dpa) Ein Kuriosenkabinett der Evolution übersichtlich dargeboten in 36 seltsam-wunderlich-amüsanten, aber kurz gefassten Abschnitten. (AUFKLÄRUNG UND KRITIK) ... lehrreiche, bisweilen vergnügliche Geschichten ... mit spitzer Feder geschriebene Streifzüge ... So macht Evolutionsbiologie Spaß. (Deutschlandradio Kultur) Ein empfehlenswertes, sehr anschauliches, fachlich kompetentes Sachbuch ... (ekz-Informationsdienst) Ein verständlich geschriebenes Buch, das Schlaglichter auf die spannende Arbeit der Naturforscher wirft. Gut zu lesen auch deshalb, weil die einzelnen Buchabschnitte sehr kurz und präzise abgefasst sind. (www.rheinneckarweb.de)

Dr. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe und Kurator für Malakozoologie am Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität in Berlin. Seit vielen Jahren arbeitet er als Wissenschaftsjournalist und als Sachbuchautor. Für seine wissenschaftliche und publizistische Tätigkeit erhielt er mehrere Auszeichnungen. Dr. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe und Kurator für Malakozoologie am Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität in Berlin. Seit vielen Jahren arbeitet er als Wissenschaftsjournalist und als Sachbuchautor. Für seine wissenschaftliche und publizistische Tätigkeit erhielt er mehrerer Auszeichnungen.

Vorwort –
Der Schöpfer war ein Käfernarr


Oder: Die drei Mysterien der Biologie

Es ist sicher nicht die Schuld der Käfer! Zwar kennen wir ziemlich präzise die Zahl der Sterne in einer Spiralgalaxie wie der Milchstraße, die Zahl der Gene in einem Virus, und wir wissen auch, welche Masse ein Elektron hat. Ebenso präzise können wir die Zahl sämtlicher Bücher in der berühmten Kongress-Bibliothek in Washington angeben. Doch niemand hat die derzeit lebenden Tier- und Pflanzenarten auf unserem Planeten genau gezählt – oder kennt gar die Arten in einer einzelnen Insektengruppe wie den Käfern.

Dabei leben wir gewissermaßen im Zeitalter der Käfer; ja, diesen Sechsbeinern gehört im Grunde die Welt. Schätzungsweise eine Million Arten gibt es allein von ihnen. Kaum einen Ort auf der Erde haben die anpassungsfähigen Krabbler unbesiedelt gelassen; wie keine andere Tiergruppe demonstrieren sie biologische Vielfalt mit all ihren vielgestaltigen und farbenfrohen Facetten. Unter Biosystematikern – die sich von Berufs wegen mit der Erfassung und Ordnung dieser Lebensvielfalt beschäftigen – kursiert daher das Bonmot, der Schöpfer müsse wohl bis zum Exzess ausgerechnet in Käfer vernarrt gewesen sein.

Nicht wenige Biologen haben über das Käfersammeln zu ihrer Profession gefunden; einige namhafte Naturforscher entwickelten sogar am Beispiel einzelner Käfer wichtige Theorien und lieferten grundlegende Beiträge. Kein Geringerer als der britische Naturforscher Charles Darwin (1809–1882) war während seiner Studienzeit leidenschaftlicher Käfersammler. Letztlich war es diese Passion für die Gepanzerten, die ihn 1831 auf das Vermessungs- und Forschungsschiff Beagle brachte und zu einer fünfjährigen Weltreise führte – und so verhinderte, dass er Landpfarrer wurde, wie es ihm sein Vater nach einem abgebrochenen Medizinstudium geraten hatte. Stattdessen bescherte Darwin der Welt nach seiner Rückkehr eines der fundamentalsten naturwissenschaftlichen Gedankengebäude – jene Theorie der Evolution durch natürliche Selektion, die uns heute auf entscheidende Weise dabei hilft, die belebte Natur um uns herum besser zu verstehen.

Mit diesem Verständnis ist es indes nicht so weit her wie meist angenommen. Unsere Ignoranz gegenüber der belebten Natur erweist sich in höchstem Maße besorgniserregend, denn sie ist ebenso grenzenlos wie die Zahl der Arten auf der Erde. Tatsächlich krankt unser Naturverständnis in vielen Bereichen noch immer daran, dass gleich drei grundsätzliche Fragen der Biologie einer Beantwortung harren, die ich als die drei großen Mysterien der Biodiversitätsforschung beschrieben habe. Wer über Biodiversität – und damit über die Entstehung, die Erforschung sowie den Schutz der Vielfalt biologischer Arten – redet (und das tun inzwischen nicht nur Biologen, sondern Politiker weltweit), der muss erstens wissen, wie viele dieser Arten es auf der Erde gibt, zweitens, was Arten eigentlich sind, und drittens, wie Arten entstehen. Doch alle drei Fragen entziehen sich bis heute, am Beginn unserer zum Jahrhundert der Biologie deklarierten Zeit, hartnäckig und ungeachtet vieler Ansätze einer befriedigenden Antwort. Das erstaunt, denn bereits Charles Darwin bezeichnete das Artproblem als »defining the undefinable« und die Suche nach den Mechanismen der Artenbildung als »mystery of the mysteries«.

Das Mysterium der Artenzahl: Beginnen wir mit der Frage nach der Artenzahl. Für den schwedischen Mediziner und Naturforscher Carl von Linné (1707–1778) war die Sache Mitte des 18. Jahrhunderts noch recht überschaubar; dabei muss er geahnt haben, dass es nicht leicht wird. In der ersten Auflage seiner Systema naturae, einem Verzeichnis aller damals bekannten Pflanzen und Tiere, benannte Linné 1735 gerade einmal 549 Tierarten. Er bediente sich dabei der so genannten binären Nomenklatur. Diese Art der biologischen Benennung hat er zwar nicht erfunden, aber – ihren didaktischen und praktischen Nutzen erkennend – konsequent angewendet und damit etabliert. In der 1758 erschienenen zehnten Auflage seines Werkes, das den Beginn der zoologischen Systematik markiert, waren es immerhin schon 4387 Tierarten.

In der Zwischenzeit wurden die Schätzungen der Artenzahlen – und mehr sind es trotz aller Anstrengungen von Biologen nicht – drastisch nach oben korrigiert. Als sich der amerikanische Insektenforscher Terry Erwin 1982 daran machte, von den Zahlen einzelner Insektengruppen, die auf einem einzigen Baum im Regenwald Panamas leben, auf die Artenzahl der gesamten Erde hochzurechnen, kam er auf spektakuläre 30 Millionen. Inzwischen sind die Fachleute vorsichtiger geworden. Nachdem sie ihre Schätzungen zwischenzeitlich auf 10–15 Millionen lebende Tierarten korrigiert haben, gehen die meisten Biosystematiker derzeit mit überschlägig acht oder neun Millionen Arten immer noch von einer durchaus stattlichen Anzahl aus.

Gerade einmal ein Viertel davon dürfte erfasst und der Wissenschaft namentlich bekannt sein. Die biosystematische Forschung steht damit erst am Anfang, die Schwierigkeiten der Artenerfassung indes sind enorm. Nur eines von vielen Problemen dabei ist, dass ein zentrales Artenarchiv noch immer fehlt, in dem sämtliche bekannten Formen registriert sind. Ein anderes Problem ist, dass klassische Biosystematiker etwa in der Zoologie (also solche, die mehr können als nur Molekulargenetik) inzwischen zu einer aussterbenden Zunft gehören, nachdem eine verfehlte Wissenschaftspolitik auch hierzulande Universitäten und insbesondere Naturkundemuseen als Hort der Vielfalt und Ort systematischer Biodiversitätsforschung über Jahrzehnte systematisch ausgehungert hat. Dass dies derzeit anders ist, verkünden Wissenschaftsministerinnen nur in ihren Sonntagsreden; der Alltag erzählt bei Lichte betrachtet leider auch heute noch überwiegend eine andere Geschichte.

Das Mysterium des Artbegriffs: Natürlich hängt die Feststellung der Zahl der Arten auf der Erde auch maßgeblich davon ab, was wir als Art bezeichnen. Damit sind wir beim Artkonzept und dem zweiten Mysterium der Biodiversitätsforschung. Kaum ein Begriff in der Biologie ist über derart lange Zeit – seit Ende des 18. Jahrhunderts, spätestens aber seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts – derart vielfältigen Versuchen einer Definition ausgesetzt gewesen wie der der Art. Kaum ein anderer Terminus ist zugleich trotz aller Versuche, ihn klar und eindeutig zu definieren, bis heute eigenartig vage geblieben. Was Einigen nur mehr ein Streit um Worte oder längst gelöst zu sein scheint, ist für andere das zentrale Problem der systematischen Biologie.

Wie so häufig verbirgt sich auch hinter dem vordergründigen Disput um eine Definition der Art tatsächlich ein biologisches Problem. Da die Frage nach dem Artkonzept unmittelbar mit dem Mechanismus der Artenbildung verbunden ist, hat die Diskussion um ein allgemein gültiges Artkonzept begreiflicherweise profunde Auswirkungen auf die Evolutionstheorie und die biologische Systematik im Allgemeinen. Allein schon deshalb hat das Artproblem in der Tat eine zentrale Bedeutung für die Biologie und ist keinesfalls nur ein unbedeutender Flügelkampf, wie vielfach irrigerweise angenommen wird.

Überdies: Jede Biospezies ist ein Unikat, das es zu erforschen und zu bewahren gilt. Was aber ist eigentlich eine Art? Noch lange nach Darwin galt dessen Bonmot, dass eine Art das sei, was der Spezialist dafür halte. Doch hier irrte Darwin. Tatsächlich müssen in den biologischen Arten die einzigen natürlichen Einheiten der Natur gesehen werden, gleichsam die Atome für Artenforscher. Biospezies sind damit zugleich auch als die fundamentalen Einheiten der Evolution zu verstehen – ganz im Gegensatz zu den lediglich von Menschen gemachten Kategorien wie etwa der Gattung oder Familie, mit denen Taxonomen versuchen, Ordnung zu halten.

Das Mysterium der Artenentstehung: Was uns zur dritten Frage bringt, dem eigentlichen »Mysterium der Mysterien«, wie es Charles Darwin einst nannte: der Frage nach Ursprung und Entstehen von Arten. Entgegen einer weit verbreiteten und durch den Titel seines Werkes von 1859, Über den Ursprung der Arten, suggerierten Ansicht war es nicht Darwin, der als Erster eine Idee vorstellte, wie Arten entstehen. Nicht nur, dass er darin zahlreiche Vorgänger hatte (die teilweise viel weiter reichende Vorstellungen entwickelten); auch konnte Darwin das Problem der Entstehung der Arten – ein Vorgang, den wir Speziation nennen – noch nicht lösen. Zwar legte er eine Theorie zum Artenwandel vor, also der Evolution an sich, nicht aber zur Artenentstehung selbst, also zur Frage, wie aus einer Art eigentlich eine oder mehrere neue Arten werden.

Tatsächlich wird bis heute – auf der Grundlage der Evolutionstheorie durch natürliche Selektion – um die Beantwortung dieser Frage nach der Artenbildung gerungen. Inzwischen wissen wir: Nur wenn wir sagen können, was Arten eigentlich sind und dass sie wirklich eine objektive Realität in der Natur haben (also nicht nur eine Ordnungskategorie und bloßes Konstrukt des Menschen sind), nur dann ist die Entstehung der Arten selbst und auch deren Erforschung ein sinnvolles Unterfangen. Nur unter dieser Voraussetzung, dass nämlich Arten tatsächlich existieren, kann es sich bei der Artenbildung um einen realen Prozess handeln; und nur dann haben wir es bei der Speziation mit einem wissenschaftlichen Problem...

Erscheint lt. Verlag 11.5.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Technik
Schlagworte Mysterien der Biologie • Sachbuch • Seitensprünge der Evolution
ISBN-10 3-7776-3004-7 / 3777630047
ISBN-13 978-3-7776-3004-5 / 9783777630045
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,1 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich