Zen und das Glück, im Garten zu arbeiten (eBook)

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
256 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2700-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zen und das Glück, im Garten zu arbeiten - Miki Sakamoto
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Die meditative Kraft des Gärtnerns In Gartenbüchern wird hauptsächlich über Pflanzen geschrieben. Wie man Erträge erzielt, wie man Blumen zum Blühen bringt und den Garten zum Kunstwerk macht. Salat und Tomaten, Rosen und Chrysanthemen kommen bei Miki Sakamotos zwar auch vor - in ihrem von buddhistischer Weisheit durchdrungenen Buch wird der Garten jedoch zum kleinen Universum und zur Quelle von Kraft. Eine zauberhafte Anleitung zum Leben im Einklang mit der Gartennatur.



Miki Sakamoto, geboren 1950 in Kagoshima/Japan, entstammt der alten Satsuma-Familie. Sie studierte in Tokio klassische japanische und chinesische Literatur und Kulturanthropologie an der Universität München. In Japan schrieb sie für verschiedene Zeitungen, seit 1974 lebt sie in München. 2019 erschien ihr Buch 'Eintauchen in den Wald'.

I. Der Garten im Jahreskreis


Banal mag es klingen, aber im Garten erlebe ich Zeit anders. Sie ist nicht mehr zerteilt in Datum und Uhrzeit, nicht einmal als Monat festzulegen. Als Fluss, als Strom mit Turbulenzen und ruhigen Phasen zieht sie sich durchs Jahr. Nach dem heutigen Tag darf ich zwar annehmen, dass der morgige sehr ähnlich werden wird, aber am Jahresbeginn weiß ich, dass das Kommende nur ganz grob dem Vergangenen gleichen wird. Deshalb mache ich mir Pläne zu meinen Vorhaben, aber mit Vorbehalten. Viele, die gärtnern, blicken voller Erwartungen auf das neue Gartenjahr. Strahlend erblüht und voller Frucht sehen sie ihr Werk bereits vor sich. Auch ich nehme mir dies und das vor. Den Garten kann man nicht einfach auf sich zukommen lassen. Er stellt eine Herausforderung dar, eine nie ganz erledigte Aufgabe. So oder so ähnlich steht es in fast jedem Gartenbuch. Wenn man es nicht liest, weiß man es trotzdem. Jeder Garten erteilt diese Grundlektion. Beständigkeit ist Illusion, gegen Veränderungen anzugehen unvermeidbar. Doch je aufmerksamer ich betrachte, was in Gärten vor sich geht, desto klarer wird mir der Wandel bewusst. Er überlagert alles Werden und Vergehen. Dem größeren Kreislauf des Jahres gibt er die Richtung. Schon im nächsten Jahr wird vieles ganz anders sein, wenn ich der Natur freien Lauf lasse. Am Widerstand gegen den Wandel erfasse ich das Wesen der Zeit. Und in gewisser Weise auch am Scheitern von Erwartungen, die ich mit meinem Tun verbinde. Es zielt ja auf Kommendes ab, auf noch gar nicht direkt Absehbares. Sei es so etwas Simples wie Salat, den ich frisch aus dem Garten genießen möchte, oder Trauben, auf die ich hoffte, als ich einen Schössling pflanzte und sein Aufwachsen zum Rebstock begleitete. Die Rosenstauden und die Hecke werden im Herbst geschnitten, weil ich Vorstellungen damit verbinde, wie sie blühen oder als dichte grüne Wand die kleine Insel meines Gartens schützend umgeben sollen. Die Blattläuse bekämpfe ich im Mai und Juni, um mich im Juli und August an den Blüten der Hibiskusstauden erfreuen zu können. Und so fort. Ganz selbstverständlich ist das alles. Nicht wert, darüber nachzudenken. So dachte ich lange.

Im Lauf der Jahre dachte ich jedoch mehr und mehr über das »Selbstverständliche« nach. Ich vertiefte mich in die Abläufe, die ich zu beeinflussen und auszurichten versuche. Wie es die alten Zen-Meister prognostizierten, entwickelt sich daraus von selbst jenes Gefühl, das in der Meditation angestrebt wird, zu der man sich manchmal zwingt. Es kommt aus dem Tun und dem Betrachten. Die Ziele treten zurück. Sie sollen unbedeutend werden, so wünschenswert sie auch sein mögen in Form der Erdbeeren, des Krautkopfes oder der Äpfel aus dem eigenen Garten. Wer sich zu sehr auf den Ertrag ausrichtet, verliert die tiefe Bedeutung der Gegenwart. Das Wesen des Werdens verschwindet unter der Übermacht der Ziele. Viel zu oft gebraucht, und damit fast zur Bedeutungslosigkeit verbraucht drückt der Satz »Der Weg ist das Ziel« aus, worum es im Zen eigentlich geht. Der Weg ist der Gang der Jahreszeiten. Es sind die Veränderungen im Garten, die mir den Lauf der Zeit vermitteln, wie der Blick auf die Uhr den Tag und der Kalender die Tage.

Die Abläufe im Garten unterscheiden sich von den kalendarischen Jahreszeiten. Klare Grenzen gibt es nicht. Sie wären unnatürlich. Nicht allein wegen der Variabilität des Wetters. Gerade bei diesem hängen wir viel zu stark an Klischees – wie etwa, dass der Winter Schnee bringt und Schnee nur im Winter fällt. Auch der präzise, von der Witterung gänzlich unbeeinflusste astronomische Jahresgang kennt keine Grenzen zwischen Winter und Frühling oder für andere Jahreszeiten. Fix sind lediglich der Höchst- und Tiefpunkt des Sonnenstandes und die Tag-und-Nacht-Gleiche im Frühjahr und Herbst. Aber nichts in meinem Garten oder draußen im Wald oder auf den Fluren vermittelte mir irgendeinen Hinweis darauf, dass diese »Punkte« auch Einschnitte in den natürlichen Abläufen wären. Wenn ich nachfolgend die »Jahreszeiten« auf meinen Garten bezogen betrachte, sind diese nichts weiter als Hilfsmittel, um Übersicht zu gewinnen. Denn alles ist Übergang, nichts ist ganz direkt »Sommer« oder »Herbst«.

Ich hatte von Anfang an keine besonderen Schwierigkeiten, mich von der Vorstellung fester, an Monate und das Datum gebundener Jahreszeiten zu lösen, weil diese in meiner südjapanischen Heimat so verschieden sind von den mitteleuropäischen Verhältnissen. Daher betone ich, dass die fünf Zeitspannen, die ich auf meinen Garten beziehe, hiesige, ortsbezogene Phasen im Jahreslauf sind. Mir sagen sie durchaus viel. Sie bestimmen in erheblichem Umfang, was ich im Garten zu tun gedenke und wie ich damit umgehe. Vor allem verdeutlichen sie mir die Abfolge und das Ineinandergreifen der verschiedenen Lebenszyklen. Sie lehrten mich, im Umgang mit der Natur im Garten die »Eigenzeiten« der verschiedenen Organismen zu erkennen und zu berücksichtigen. Meine eigene, ganz persönliche Zeit wurde dadurch zu einer Vielzahl von Zeiten. Sie alle fließen zusammen im Werden und Vergehen. In diesem Sinne stellt für mich der Garten eine geöffnete Tür mit Blick nach draußen dar.

In Japan idealisiert das Ryokan-Hotel die Kombination des Hauses mit Garten. Über die Jahreszeiten eröffnet es den Gästen den Blick auf den Lauf der Zeit mit ihren wechselnden Szenerien. In unserer Haiku-Dichtung gibt ein so genanntes Jahreszeitenwort an, auf welche Phase des Jahres sich die Worte beziehen. Meine »Jahreszeiten« entsprechen weitgehend den hier in Mitteleuropa üblichen kalendarischen Abschnitten des Jahres. Besonderheiten, die mich beschäftigten oder faszinierten, behandle ich gesondert. Meistens fügen sie sich nicht einfach in das Schema, auch wenn sie einer Jahreszeit zugesetzt werden. Jeder »Gang durchs Gartenjahr« ist idealisiert. Das kann auch ich nicht ganz vermeiden. Meine eigenen Zeitvorstellungen sollen möglichst nicht zum Leitmotiv geraten. Gartenzeit zu erleben, heißt sich von Kalender und Uhr zu lösen.

Langsamer Anfang:
der Frühling


Die Jahreszeiten liegen falsch. Dass dies keineswegs mein persönliches Vorurteil ist, das aus meiner fernöstlichen Herkunft stammt, bestätigen mir alljährlich viele Menschen und die Medien. Der Winter wird mit Schnee und Kälte schon im Dezember erwartet. Im Januar soll mit viel Schnee und tiefen Frösten sein Höhepunkt erreicht werden. Im Februar hat er zu enden und im März muss der Frühling beginnen. Doch oft bringt der Februar die größte Kälte und der März überschüttet uns mit Schnee, mitunter auch der April. Gibt es zu Weihnachten keinen Schnee, sei dies kein Winter, heißt es. In den Jahrzehnten meines Hierseins erlebte ich Schneefälle von September bis Mai, also meistens zur unpassenden Jahreszeit. Und nicht nur die weiße Pracht, sondern auch Frost. Schon lange vor meiner intensiveren Beschäftigung mit dem Garten gab ich es auf, das Wetter als Ausdruck der Jahreszeit zu betrachten. Viel wichtiger ist für mich das Licht. Aus meiner Kindheit kannte ich weder Novembergrau noch Dezemberwochen, an denen es kaum Tag wird. Jedes Jahr hoffe ich darauf, dass Schnee fällt, weil er diese finstere Zeit etwas heller machen würde. In dieser Hinsicht, stelle ich mir vor, bin ich wie eine Pflanze, die vom Lichtmangel bedrückt wird. Die Tage sind einfach zu kurz.

Etwa drei Monate nach dieser trübseligen Zeit des »Toten Herbstes«, wie er im bayerischen Volksmund genannt wird, sind endlich die Tage lang genug und die Sonne kräftiger geworden, dass aus dem filigranen Geäst der Birke im Garten morgens die Triller einer Blaumeise kommen. Da ist es an der Zeit, nach den Schneeglöckchen zu schauen. Seit es Ende Januar milde Tage gegeben hat, warte ich auf den Moment, an dem schmale grüne Spitzen die Schneereste durchbrechen. Auf was für ein Signal hin beginnt ihr Wachstum? Mir bleibt dieses verborgen. Sind es die länger werdenden Tage, müssten sie jedes Jahr zu ziemlich gleicher Zeit kommen. An der Temperatur kann es auch nicht liegen. Wir hatten Januare, die milder waren als Februar oder sogar der März, und solche mit tiefem Frost, der mich fast zur Verzweiflung trieb, wenn ich frühmorgens mit dem Hund hinausmusste und mir der Atem gefror. Ein paar Föhntage Anfang Februar reichten, und die Schneeglöckchen schoben sich durchs Moos und die dünne Schneedecke. Die Kohlmeisen sangen nach heftigem Frost besonders intensiv. Auch die ersten Triller der Grünlinge bekam ich morgens zu hören, wenn ich mich lieber noch in der Bettwärme wälzen wollte als aufzustehen. Gut, die Vögel reagierten auf die Morgenhelle und die länger gewordenen Tage. Aber die Triebe der Schneeglöckchen? Sie stecken, wie ich wiederholt feststellte, mindestens zwei Handbreit tief im Boden, zudem in der Schattenlage der Hecke. Wodurch erfahren sie, dass es an der Zeit ist? Läuft in ihnen eine innere Uhr ab, die ein letztes Mal Tageszeit genommen hatte, als irgendwann im Spätsommer die schlaff und braun gewordenen Blätter der Schneeglöckchen vollends abstarben? Allein den Gedanken an eine solche Möglichkeit empfinde ich als kaum zu fassen.

Die Feuerwanzen machen es mir einfacher. Beim Efeu an der sonnenbeschienenen Hauswand sehe ich die ersten. Schwarz und orangerot gemustert sind sie, unverkennbar. Sie wirken bedrohlich, sind aber ganz harmlos. Giftstoffe in ihrem Körper schützen sie davor, von Vögeln gefressen zu werden. Von mir haben die rund einen Zentimeter langen, ovalen Wanzen auch nichts zu befürchten. Später im Frühjahr amüsieren sie mich, wenn sie sich paaren. Dabei koppeln sich Männchen und Weibchen...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik
Geisteswissenschaften Religion / Theologie Buddhismus
Technik
Schlagworte Achtsamkeit • Artenvielfalt • Gartenvögel • Gärtnern • Gelassenheit • Gemüse • Meditation • Nature writing • Schmetterlinge • Zen • Zen-Buddhismus
ISBN-10 3-8412-2700-7 / 3841227007
ISBN-13 978-3-8412-2700-3 / 9783841227003
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