Wir müssen reden, Frau Doktor! (eBook)
368 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45672-9 (ISBN)
Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Gefragt ist sie auch als Expertin für Anti-Aging-Medizin und Longevity, das gesunde Altern. Sie hat in der klinischen Forschung gearbeitet und leitet seit 2007 eine eigene Praxis in Berlin. Zudem praktiziert sie seit 2024 in der renommierten Clinic Utoquai in Zürich. Yael Adler hat das Talent, komplexe medizinische Sachverhalte verständlich und eingängig zu erklären. Dies stellt sie in stand-up-Vorträgen und als Gesundheitsexpertin in den Medien unter Beweis, u.a. als Medizin-Expertin in verschiedenen TV-Formaten (u. a. Sat.1-Frühstücksfernsehen, ZDF-Fernsehgarten, ARD-Buffet, hr-Ratgeber, RTL Punkt 12), als gefragte Sparringspartnerin für große Interviews in Zeitungen und Zeitschriften, als Kolumnistin bei t-online.de und der FAZ am Sonntag. Auch in ihrem regelmäßigen Podcast »Ist das noch gesund?« gibt sie mit ihren Interviewpartnern seit Jahren Expertenrat. Ihre bei Droemer erschienenen Bücher »Haut nah« (2016, in 35 Sprachen übersetzt), »Darüber spricht man nicht« (2018) und »Genial vital« (2023) landeten alle auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Mehr Informationen zu Dr. Yael Adler erhalten Sie hier: dradler-berlin.de, yael-adler.de, healthspeaker.de.
Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Gefragt ist sie auch als Expertin für Anti-Aging-Medizin und Longevity, das gesunde Altern. Sie hat in der klinischen Forschung gearbeitet und leitet seit 2007 eine eigene Praxis in Berlin. Zudem praktiziert sie seit 2024 in der renommierten Clinic Utoquai in Zürich. Yael Adler hat das Talent, komplexe medizinische Sachverhalte verständlich und eingängig zu erklären. Dies stellt sie in stand-up-Vorträgen und als Gesundheitsexpertin in den Medien unter Beweis, u.a. als Medizin-Expertin in verschiedenen TV-Formaten (u. a. Sat.1-Frühstücksfernsehen, ZDF-Fernsehgarten, ARD-Buffet, hr-Ratgeber, RTL Punkt 12), als gefragte Sparringspartnerin für große Interviews in Zeitungen und Zeitschriften, als Kolumnistin bei t-online.de und der FAZ am Sonntag. Auch in ihrem regelmäßigen Podcast »Ist das noch gesund?« gibt sie mit ihren Interviewpartnern seit Jahren Expertenrat. Ihre bei Droemer erschienenen Bücher »Haut nah« (2016, in 35 Sprachen übersetzt), »Darüber spricht man nicht« (2018) und »Genial vital« (2023) landeten alle auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Mehr Informationen zu Dr. Yael Adler erhalten Sie hier: dradler-berlin.de, yael-adler.de, healthspeaker.de.
Kapitel 1
Allein unter Ärzten
Bevor wir gleich richtig loslegen, gestatten Sie mir noch eine Bemerkung. In jeder Beziehung können Missverständnisse zu Problemen führen. Das erste Missverständnis in der Beziehung zwischen Ärzten und Patienten ist häufig schon das Rollenbild: Eine befreundete Gynäkologin ist Oberärztin in einer Geburtsklinik. Während eines Nachtdienstes musste sie ein Kind per Kaiserschnitt auf die Welt bringen. Gemeinsam mit der Narkoseärztin und einer Hebamme bereitete sie die werdende Mutter auf die Operation vor. Der Venenzugang war gesetzt, das Aufklärungsgespräch war geführt, es konnte also losgehen, da fragte die junge Frau plötzlich: »Und wann kommt der Arzt?«
Ich selbst habe während meiner Zeit als Hautärztin in einem Krankenhaus Ähnliches erlebt. Bei einer Visite sprach ich mit einer Patientin über ihren Gesundheitszustand und die notwendige Therapie. Als ich geendet hatte, schaute sie erwartungsvoll zu dem Zivildienstleistenden neben mir und fragte ihn: »Bekommen Sie mich wirklich wieder hin, Herr Doktor?«
Und als ich vor vielen Jahren weiße Arztsocken in Größe 36 suchte, verwies mich die Verkäuferin auf den Ständer mit den »Schwesternsocken«. Arztsocken begännen erst ab Größe 40 …
Auch wenn knapp die Hälfte des angestellten ärztlichen Personals inzwischen Frauen sind und deutlich mehr junge Frauen als Männer ein Medizinstudium beginnen, bleibt für viele Patienten der Arztberuf männlich geprägt. Wenn ich in diesem Buch Bezeichnungen wie Arzt, Patient, Doktor oder Spezialist im Sinne der weiblichen UND der männlichen Form verwende, dann ist das jedoch kein Einknicken vor dieser alten Erwartungshaltung. Ich verwende diese Begriffe ausschließlich zur besseren Lesbarkeit des Textes.
Und noch etwas möchte ich voranschicken: Alle Geschichten, die ich in diesem Buch schildere, sind wahre Geschichten. Sie wurden mir genauso von Patienten und Ärzten berichtet. Verändert wurden lediglich die Fachrichtung, das Geschlecht oder Namen, um die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu schützen, ohne jedoch die Aussagen zu verfälschen.
Die folgende Geschichte hat mich besonders bewegt, weil sie zeigt, wo es gravierende Defizite in unserem Gesundheitssystem gibt, warum fehlgeschlagene Kommunikation gefährliche Konsequenzen für Patienten haben kann und dass selbst Privatversicherte und sogar Mediziner, die selbst zu Patienten werden, nicht vor Unheil gefeit sind. Diese Geschichte zeigt: Es geht nicht nur um Geld, um »Vitamin B« oder die richtige Versicherung. Sie zeigt, dass es im Kern um den Verlust an Empathie geht.
Markus arbeitet als Mediziner in einem Pharmaunternehmen an der Entwicklung neuer Medikamente. Ein Mann also, der sich auskennt im Gesundheitssystem, der sich eigentlich zu wehren weiß und sich dennoch immer wieder ohnmächtig fühlte. Markus hat ein Prostatakarzinom. Die Diagnose traf ihn mit Anfang fünfzig, mitten im Berufsleben, glücklich verheiratet, drei schulpflichtige Kinder. Markus hatte zunächst keinerlei Beschwerden. Dennoch entschied er sich – wie für sein Alter empfohlen – für eine Früherkennungsuntersuchung der Prostata. Dabei wurde zunächst der sogenannte PSA-Wert im Blut bestimmt, das prostataspezifische Antigen. Dieses Eiweiß ist ein Tumormarker. Je höher der Wert, desto aktiver das Gewebe und desto problematischer wird es. Bei Markus lag der PSA-Wert an der Obergrenze des Normalen, die Ultraschalluntersuchung der noch normal großen Prostata dagegen zeigte keinerlei Auffälligkeiten. Für sein Alter ein durchaus üblicher Befund.
Wenige Monate nach der Untersuchung spürte Markus, dass sein Urinstrahl etwas dünner und schwächer wurde. Allzu große Sorgen machte er sich deswegen zunächst nicht. Ein Prostatakarzinom ist statistisch gesehen eher eine Erkrankung älterer Männer, also der Sechzig- bis Siebzigjährigen. Markus erinnerte sich an den umstrittenen Krebsmediziner Julius Hackethal, der in den 1980er-Jahren verkündete, dass die meisten Prostatakarzinome »nur« eine Art »Haustierkrebs« seien. Ein Krebs also, der so langsam wachse, dass er mit den alternden Männern lebe, sie aber nicht umbringe, weil sie vorher aus anderen Gründen sterben würden. An die gefährliche Variante »Raubtierkrebs«, der aggressiv und schnell zupackt und rasch lebensbedrohlich wird, dachte Markus nicht. Mittlerweile weiß man, dass es viele unterschiedliche Arten von Prostatakrebs gibt und gerade jüngere Männer leider häufig von der »aggressiven« Variante betroffen sind.
Als Markus mit seiner Ehefrau, die ebenfalls Ärztin ist, über seine Beobachtung sprach, bat sie ihn, den PSA-Wert zur Sicherheit noch einmal überprüfen zu lassen. Die erneute Blutkontrolle zeigte einen massiven Anstieg des PSA-Wertes – und das innerhalb von nur vier Monaten. Kein gutes Zeichen, Markus wusste das. Jetzt musste schnell abgeklärt werden, was sich da in den letzten Monaten verändert hatte. Deshalb bat er im Universitätsklinikum um einen Termin bei einem bekannten Urologen. Der hatte bereits seinen Vater und seinen Schwiegervater erfolgreich behandelt. Beide litten an einem Prostatakarzinom, das zum Glück jeweils rechtzeitig entdeckt worden war. Offenbar ein guter Arzt, dem man vertrauen konnte. Doch diesmal wurde daraus keine Erfolgsgeschichte. Schon das Verabreden eines Termins erwies sich als äußerst schwierig. Erst drei Wochen nach der ersten Anfrage gab es überhaupt eine Reaktion aus dem Sekretariat des Professors. In der Zwischenzeit bekam Markus Hüftschmerzen. Er ließ ein MRT machen. »Nichts Auffälliges«, sagte der Radiologe.
Als Markus nach weiteren langen Wochen des Wartens endlich bei dem Urologie-Professor vorsprechen konnte, schlug dieser eine weitere MRT-Untersuchung vor, ohne das weiter zu begründen. Markus vermutete sofort Geldschneiderei, denn gerade bei Privatpatienten werden gut bezahlte Untersuchungen immer wieder sehr großzügig verordnet. In diesem Fall aber irrte Markus. Leider hielt es der Professor nicht für nötig, seinem skeptischen Patienten die Notwendigkeit eines erneuten MRT zu erklären. Dabei wäre es ganz einfach gewesen: Bei der ersten Hüftuntersuchung war kein Kontrastmittel zur Darstellung der Prostata gespritzt worden. Man konnte also genaue Aussagen zum Zustand der Hüfte treffen, aber nicht zum Zustand der Prostata. Diesen wichtigen Hinweis gab der Professor jedoch nicht. Am Ende einigte man sich auf einen Ultraschall, eine für Markus sehr schmerzhafte Untersuchung durch den Anus. Durchgeführt wurde sie vom Oberarzt, der wenig einfühlsam und ohne weitere Erklärungen agierte. Der einzige Kommentar des Oberarztes während der Untersuchung: »Es ist groß, sehr groß.«
Markus fühlte sich allein gelassen. Warum setzte sich niemand auf vernünftige Weise mit ihm auseinander? Immerhin war er selbst Arzt, man hätte offen, von Kollege zu Kollege, mit ihm reden können. Er fragte sich, wie es anderen Patienten an seiner Stelle gehen würde, Nichtmedizinern, Menschen, die die Lage überhaupt nicht einschätzen konnten. Als er dem Professor in einem Auswertungsgespräch seine Empfindungen mitteilte, war die Reaktion ernüchternd. »Tja, wir sind hier nicht wie Sie in der Industrie. Das ist ein öffentlicher Betrieb, wir sind nun mal kein Serviceunternehmen.«
Ein empathischer Arzt hätte Markus in der Partnerschaft gehalten. Er hätte ihm begründet, warum ein neues MRT nötig gewesen wäre, ihm den Ernst der Situation geschildert und vor allem die emotionale Ausnahmesituation seines Patienten erkannt und entsprechend darauf reagiert. Stattdessen wertete er Nachfragen als Kritik und begegnete dem Patienten mit Arroganz und Kaltherzigkeit, nicht mit Verständnis.
Eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient heißt nicht, Laborwerte herunterzuleiern und Ansagen zu machen, sondern den Patienten emotional abzuholen. Dabei geht es im Kern um die Frage, wie es der Stärkere, der in dieser Partnerschaft immer der Arzt ist, schafft, das Denken und Fühlen des Schwächeren zu erreichen. Dazu später mehr. Markus jedenfalls hatte das Vertrauen in seine große Hoffnung, den Retter seines Vaters und seines Schwiegervaters, längst verloren. Eine gescheiterte Beziehung.
Markus’ Ehefrau Elke, die als Ärztin eine internistische Praxis betreibt, hatte inzwischen ein anderes Krankenhaus recherchiert und einen anderen renommierten Urologen gefunden. Wieder dauerte es lange, bis ein erster Gesprächstermin möglich war. Mitte Dezember klappte es dann mit der Vorstellung beim Chefarzt, der ebenfalls ein neues MRT empfahl, den Grund dafür aber erklärte. Da jedoch über die Weihnachtszeit keine Untersuchung mehr möglich war, musste sich Markus bis Januar gedulden.
Als er endlich in der Röhre lag und dem heftigen Wummern der Magnetspulen lauschte, war Markus in großer Sorge. Er fühlte, dass die Zeit mittlerweile gegen ihn arbeitete, und hoffte, dass der Radiologe im Krankenhaus gleich mit ihm über den Befund sprechen würde. Doch man richtete ihm aus, der Radiologe habe leider keine Zeit, das Ergebnis würde direkt an den Chefarzt gehen.
Zwei unendlich lange Wochen später dann der erneute Termin beim Chefarzt und eine dramatische Nachricht. Markus hatte ein Prostatakarzinom, das innerhalb von sechs Monaten quasi von null auf hundert angewachsen war. Es hatte bereits die Organkapsel durchbrochen und sich in Darm, Blase und Beckenboden hineingefressen.
Jetzt wurde eine Gewebeprobe angeordnet, um zu überprüfen, wie schwerwiegend die Zellen entartet waren und ob es Medikamente gab, die zielgerichtet gegen diesen Zelltyp eingesetzt werden konnten. Noch offen war die Frage, ob der Krebs bereits gestreut hatte. Zur Abklärung war eine weitere Untersuchung notwendig: eine sogenannte PSMA-PET/CT. PSMA steht für...
Erscheint lt. Verlag | 27.8.2020 |
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Illustrationen | Katja Spitzer |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Krankheiten / Heilverfahren |
Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Naturwissenschaft | |
Technik | |
Schlagworte | Achtsamkeit • Arzt • Arztbesuch • Arzt-Besuch • Arzt finden • Ärztin • Ärztliche Kompetenz • Arzt-Patient-Beziehung • Arzt Patienten Kommunikation • Arzt-Patienten-Verhältnis • Arzt-Patient-Verhältnis • Arztsuche • Arzt und Patient • Arzt verstehen • Arzt vertrauen • Aufmerksamkeit • Bestseller-Autorin • Beziehung • Beziehungen verbessern • Empathie • Erfahrungsbericht • Erfahrungsbericht Facharzt • Fehlbehandlung • Genesung • guter Arzt • Heilung • Kommunikation • Kommunikation & Psychologie • Kommunikation Beziehung • Medizin • Patient • Patientenratgeber • Patient verstehen • Praxisleitfaden • Ratgeber Gesundheit • ratgeber kommunikation • Ratgeber krank sein • Sprechstunde • TV Ärztin • TV Ärztin Buch • Vertrauen • Zuwendung |
ISBN-10 | 3-426-45672-9 / 3426456729 |
ISBN-13 | 978-3-426-45672-9 / 9783426456729 |
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