Das kleine Buch vom großen Knall (eBook)
128 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43781-3 (ISBN)
DR. BECKY SMETHURST ist Astrophysikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Oxford. Sie gehört zum wissenschaftlichen Team der Plattform »Galaxy Zoo«. Aktuell beschäftigt sie sich mit der Entstehung von Galaxien und Schwarzen Löchern. Denn Letzteren gehört ihr Herz, wie sie sagt: »Als Astronomin ist genau dies die spannendste aller Aufgaben - Stück für Stück die Grenzen unseres Wissens zu verschieben, damit wir ein vollständigeres Bild des Universums und unseres Platzes darin erhalten.« In ihrem Youtube-Kanal »Dr. Becky« widmet sie sich wöchentlich ungelösten Rätseln, seltsamen Dingen, die man im Weltall findet und dem Neuesten aus der Astrophysik.
DR. BECKY SMETHURST ist Astrophysikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Oxford. Sie gehört zum wissenschaftlichen Team der Plattform »Galaxy Zoo«. Aktuell beschäftigt sie sich mit der Entstehung von Galaxien und Schwarzen Löchern. Denn Letzteren gehört ihr Herz, wie sie sagt: »Als Astronomin ist genau dies die spannendste aller Aufgaben – Stück für Stück die Grenzen unseres Wissens zu verschieben, damit wir ein vollständigeres Bild des Universums und unseres Platzes darin erhalten.« In ihrem Youtube-Kanal »Dr. Becky« widmet sie sich wöchentlich ungelösten Rätseln, seltsamen Dingen, die man im Weltall findet und dem Neuesten aus der Astrophysik.
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WARUM SCHWERKRAFT ZÄHLT
Die Sonne ist nur einer unter mehr als 100 Milliarden Sternen in unserer Galaxie, der Milchstraße. Die Milchstraße ist eine Insel aus Gas, Staub und Sternen mit einem Durchmesser von mehr als einer Million Trillionen Kilometern. Im Zentrum der Milchstraßen-Galaxie befindet sich ein Schwarzes Loch, das vier Millionen Mal massereicher ist als unsere Sonne. Es wird als supermassereiches Schwarzes Loch bezeichnet, und so, wie die Sonne im Zentrum unseres Sonnensystems steht, so ist dieses Schwarze Loch das Gravitationszentrum der gesamten Galaxie.
Isaac Newton entdeckte vor mehr als 300 Jahren das Gesetz der Schwerkraft: Zwei Objekte ziehen sich proportional zu ihrer jeweiligen Masse gegenseitig an. Das schwerere Objekt übt mehr Kraft auf das weniger massereiche aus. Die Gravitationskraft hängt zudem von der Entfernung zwischen den beiden Objekten ab – verdoppelt sich die Entfernung, verringert sich die Kraft auf ein Viertel. Mit diesen Gesetzen können wir die Effekte der Gravitation zwischen zwei beliebigen Objekten im Weltraum bestimmen, etwa auch die zwischen Ihnen und der Erde unter Ihren Füßen.1
Das Gesetz der Schwerkraft bringt Ordnung ins Chaos, schließlich hat sie auch unser Sonnensystem hervorgebracht. Dem Ursprung der Sonne liegen eine riesige Wolke aus gasförmigem Wasserstoff und Helium sowie ein paar von einer früheren Sternengeneration übriggebliebene Einsprengsel schwererer Elemente wie Sauerstoff, Kohlenstoff und Eisen zugrunde. In besagter Wolke wirbelten die Atome all dieser Elemente wild durcheinander. Da jedes Atom ein winziger Partikel mit einer bestimmten Masse ist, wurden die Atome durch die Schwerkraft aller anderen Partikel in dieser wilden Gaswolke angezogen. So fügten sich die Teilchen unter dem Einfluss der Gravitation zusammen, wobei die dicksten Brocken die anderen zu sich heranzogen, bis die Schwerkraft die Energie all der umhersausenden Partikel überwand und sie fest aneinanderband. Dann kühlten sich die Teilchen langsam ab. Der nächste Schritt war der Kollaps der Gaswolke auf eine unglaublich hohe Dichte. Der Druck nahm dabei derart zu, dass es heiß genug wurde, den Prozess der Kernfusion in Gang zu setzen – und damit war unser Stern geboren.
Kernfusion (oder -schmelze) bedeutet, dass Sterne, wie etwa die Sonne, aus vier Atomen Wasserstoff ein Atom Helium erzeugen. Und sie ist auch der Grund, weshalb alle Sterne an unserem Nachthimmel leuchten. Was einst eine wirbelnde Gaswolke war, in der Atome wie wild umhersausten, wurde dank der Schwerkraft zum brennenden Proto-Stern.
Diese unaufhörlich wirbelnde Gaswolke trug auch Überbleibsel aus der Vergangenheit in sich. Von einer früheren Sternengeneration, womöglich gar von den ersten Sternen nach der Entstehung des Universums, hatte sie ein bisschen übriggebliebene Rotationsenergie geerbt: den Drehimpuls. Das bedeutet, die gesamte Gaswolke wirbelte bevorzugt in eine bestimmte Richtung, wodurch auch die von der Gravitation zusammengezogenen Partikel sich in eben dieser Richtung bewegten: Die Proto-Sonne fing an, sich zu drehen. Mit dem Rest der Gaswolke rund um die frühe Sonne geschah das, was auch mit einem Ball aus Pizzateig geschieht, wenn man ihn über seinen Kopf kreisen lässt: Er flachte während der Umdrehungen zu einer Untertasse oder einer Scheibe ab. Innerhalb der Scheibe wirkte weiterhin die Gravitation auf alle Teilchen, sodass sich immer mehr Klumpen zu Proto-Planeten rund um die Sonne zusammenfügten. Damit entstand ein wunderbar geordnetes System, in dem sich die Planeten (und Kometen, Asteroiden und lose Stückchen Fels) alle in derselben Richtung drehen. Wir gehen davon aus, dass sich nicht nur unsere Sonne, sondern alle Sterne auf diese Art und Weise gebildet haben.
Eben dieses Muster findet sich auch in unserem Erde-Mond-System wieder. Die Erde dreht sich in derselben Richtung wie ihr Orbit, da die winzigen Teilchen, die bei ihrer Entstehung zusammengepresst wurden, von der vorhergehenden Generation von Sternen einen Drehimpuls geerbt haben. Deshalb kreist der Mond auch in derselben Richtung um die Erde, in der sich die Erde um ihre eigene Achse dreht.
Allerdings hören hier die Ähnlichkeiten auf, da die weiteren Eigenschaften des Mondes durchweg merkwürdig sind. Sein Tag ist so lange wie sein Jahr. Das heißt, die Zeit, die der Mond für eine Umdrehung um seine eigene Achse braucht, sein Tag also, entspricht genau der Zeit, die er benötigt, um einmal die Erde zu umkreisen, was seinem Jahr und unseren 28 Erdtagen entspricht. Würde die Erde diesem Beispiel folgen, hätte bei der einjährigen Umrundung der Sonne eine Hälfte unseres Planeten immer Tageslicht und die andere Hälfte wäre immer in nächtliche Dunkelheit getaucht. In diesem Szenario würde sich die Erde in genau dem Tempo um sich selbst drehen, dass dieselbe Erdseite stets von der Sonne abgewandt wäre. In dieser Eigenschaft des Mondes ist auch der Grund dafür zu suchen, weshalb wir immer nur die eine Seite des Mondes sehen – die andere bekommen wir deshalb nie zu Gesicht, weil sie nie in unsere Richtung zeigt. Man darf deshalb aber nicht sagen, die uns abgewandte Seite sei die dunkle Seite des Mondes, denn es ist ja nicht die Erde, die den Mond beleuchtet, sondern die Sonne. Das führen uns auch die Mondphasen vor Augen: Wir sehen einen Vollmond, wenn er sich der Sonne gegenüber auf der anderen Seite des Himmels befindet, wodurch die uns zugewandte Seite des Mondes voll angeleuchtet wird. Und wir sehen einen Neumond, wenn der Mond sich zwischen uns und der Sonne befindet, sodass die Sonne die von uns abgewandte Mondseite erstrahlen lässt.
Sollten Sie sich nun fragen, warum wir nun nicht alle 28 Tage eine totale Sonnenfinsternis erleben, wenn doch der Mond bei seiner Umlaufbahn zwischen der Sonne und der Erde hindurchfliegt, so kann ich Ihnen antworten: Der Mond umkreist die Erde nicht auf der gleichen Ebene wie die Erde die Sonne. Sein Orbit ist um etwa fünf Grad geneigt. So passiert er uns am Himmel während der Neumondphase manchmal etwas unterhalb, manches Mal auch etwas oberhalb der Sonne.
All diese Eigenschaften des Erde-Mond-Systems mögen nach einem glücklichen Umstand aussehen, doch tatsächlich helfen sie uns zu verstehen, wie unser Mond entstanden ist. Man ist geneigt anzunehmen, der Mond habe sich unter ähnlichen Umständen in der Nähe der Erde gebildet wie diese in der Nähe der Sonne entstanden ist, also aus den übriggebliebenen Stücken, die sich nicht mehr zur Erde geformt haben. Doch die überzeugendste Theorie über die Entstehung des Mondes ist deutlich dramatischer: Der Kollisionstheorie (Giant Impact Hypothesis) zufolge ist ein weiterer Proto-Planet, der ebenfalls auf einer Umlaufbahn um die Sonne kreiste, in der Anfangszeit unseres Sonnensystems mit der Proto-Erde kollidiert. Durch die ungeheure Energie dieses Zusammenpralls verflüssigten sich der aufprallende Planet und etwa die Hälfte der Erde. Der verflüssigte Gesteinsplanet wurde in das Weltall hinausgeschleudert, während sich die Erde erholte und weiterdrehte. Doch auch dieses Mal konnte der verflüssigte Fels der Anziehungskraft der Erde nicht entkommen, sondern wurde in eine sich drehende Scheibe gezogen, die zusammenklumpte und nach und nach den Mond bildete.
Diese Theorie erklärt, weshalb die Achse, um die sich die Erde dreht, ein wenig aus dem Gleichgewicht geraten ist. Bei der beschriebenen Kollision bekam die Erde einen derartigen Schlag mit, dass sie sich fortan mit einer Schieflage von rund 23 Grad auf die Seite neigte. In etwa wie ein Hund, der niedlich seinen Kopf schief legt. Das bedeutet, dass über das Jahr hinweg, während die Erde um die Sonne kreist, auf der Südhalbkugel so lange Sommer herrscht, solange der Südpol zur Sonne zeigt, bis dann sechs Monate später der Nordpol in Richtung Sonne geneigt ist. So entstehen die Jahreszeiten auf der Erde. Es ist wärmer, wenn die jeweilige Halbkugel wegen der Neigung der Erde in Richtung Sonne weist.
Es ist unglaublich, wie viel Ordnung und Ruhe mithilfe eines einfachen physikalischen Gesetzes aus einem derartigen Chaos entstehen kann. Dasselbe Gesetz, das dafür sorgt, dass Äpfel von Bäumen fallen, dass Ihre Füße auf dem Boden bleiben und sich unsere Jahreszeiten abwechseln, wirkt auf alles in der Galaxie und in unserem Sonnensystem. Und wir erkennen das nicht nur im Hinterhof unseres eigenen Sonnensystems. Außerhalb der Milchstraße finden wir noch mehr solcher Sterneninseln in allen Formen und Größen, ganz gleich, in welche Richtung wir ins Universum hinausblicken. Die Schwerkraft hat all das geformt, von der großen Wolke chaotischer Wasserstoffgasteilchen bis hin zu geordneten Systemen mit wunderschönen Spiralstrukturen.
Auch wenn die Gravitation diese wunderschönen Sterneninseln erschafft, so sorgt sie zugleich auch für ihre Zerstörung. Nur die wenigsten Galaxien liegen isoliert; meist sind sie dicht zusammengedrängt in durch die Schwerkraft aneinandergebundenen Gruppen. Unsere Milchstraße gehört, zusammen mit Andromeda, zur Lokalen Gruppe von Galaxien. Diese beiden sind die größten Galaxien der Gruppe, und sie ziehen sich durch die Schwerkraft gegenseitig an. Eines Tages, so etwa in vier Milliarden Jahren, kollidieren die Milchstraße und Andromeda miteinander, wobei die Gravitationskräfte sie auseinanderreißen werden. Das zerstört die Umlaufbahnen aller Sterne, bevor später alles wieder in einem neuen gigantischen Haufen der übriggebliebenen Galaxie seinen Platz findet, und zwar dann in der »Milkomeda« (der Begriff setzt sich zusammen aus Andromeda und dem englischen Begriff »Milky Way«, Milchstraße).
Damit wären wir bei einem Beispiel für ein weiteres physikalisches Gesetz angekommen, dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Es sagt...
Erscheint lt. Verlag | 21.8.2020 |
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Übersetzer | Jörn Pinnow |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Naturwissenschaft |
Technik | |
Schlagworte | A Day in the Life of an Oxford Astrophysicist • Astrophysik • Deek Sky Videos • Dr. Becky • Dunkle Materie • Galaxie • Kosmos • Milchstraße • Planeten • Popular science • Raumfahrt • Sachbuch Neuerscheinung 2020 • Schwarze Löcher • Schwerkraft • Sixty Symbols • Sonnensystem • Sterne • Sternsystem • Universum • Weltall • YouTube-Video |
ISBN-10 | 3-423-43781-2 / 3423437812 |
ISBN-13 | 978-3-423-43781-3 / 9783423437813 |
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Größe: 2,7 MB
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