Fabelhafte Flüssigkeiten (eBook)

Kuriose Fakten über alles, was durch unser Leben sickert, tröpfelt, rinnt und fließt
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
304 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-25583-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Fabelhafte Flüssigkeiten -  Mark Miodownik
Systemvoraussetzungen
12,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Lebensspendend und erfrischend, giftig und explosiv: das geheime Leben der Flüssigkeiten
Was haben Erdnussbutter und der Sprengstoff Nitroglyzerin gemeinsam? Warum sollte man zu Fisch Rotwein trinken statt Weißwein? Wie lässt sich mit Olivenöl Licht erzeugen? Flüssigkeiten sind im Alltag selbstverständlich für uns - vom Zähneputzen am Morgen bis zur Tasse Tee vor dem Schlafengehen. Doch wie viel wissen wir wirklich über diese fließenden Stoffe? Sie haben eine Doppelnatur, sind weder Feststoff noch Gas, sondern irgendetwas dazwischen, sie sind undurchschaubar und geheimnisvoll. Der renommierte Wissenschaftler Mark Miodownik unterhält mit den kuriosesten Fakten über diese faszinierende Materie und nimmt uns mit auf eine unglaubliche Entdeckungsreise.

Mark Miodownik, geboren 1969, ist Materialwissenschaftler am University College London. Bereits 2010 zählte ihn die 'Times' zu den 100 einflussreichsten Wissenschaftlern. In Großbritannien ist er in Radio und Fernsehen ein gefragter Gesprächspartner und Moderator von Wissenschaftssendungen. Miodownik schreibt außerdem regelmäßig für den 'Guardian' und die 'Times'. 'Stuff Matters' wurde 2014 als bestes Wissenschaftsbuch des Jahres mit dem Royal Society Winton Prize ausgezeichnet.

Einleitung

Erdnussbutter, Honig, Pesto, Zahnpasta – was haben mir die Sicherheitskontrolleure am Flughafen nicht schon alles weggenommen. Besonders geschmerzt hat mich der schottische Single Malt Whisky. In solchen Situationen verliere ich immer wieder die Fassung. Dann werde ich laut und sage Dinge wie »Ich möchte mit Ihrem Vorgesetzten sprechen!« oder »Erdnussbutter ist doch keine Flüssigkeit!«, obwohl ich es natürlich besser weiß. Erdnussbutter fließt und schmiegt sich an das Glas an, und weil sich nun einmal nur Flüssigkeiten so verhalten, ist die Erdnussbutter eben auch eine Flüssigkeit. Aber es macht mich einfach wütend, dass die Sicherheitskontrollen trotz aller vermeintlich intelligenten Technologie noch immer nicht in der Lage sein sollen, einen harmlosen Brotaufstrich von einem Flüssigsprengstoff zu unterscheiden.

Seit 2006 ist es nun verboten, mehr als 100 Milliliter Flüssigkeit in den Abflugbereich mitzunehmen, doch unsere Durchleuchtungsapparate haben sich seither kaum weiterentwickelt. Mit Röntgengeräten kann man höchstens Koffer durchleuchten und Gegenstände identifizieren. Sie dienen vor allem dazu, das Sicherheitspersonal auf verdächtige Formen aufmerksam zu machen: Ist das eine Pistole oder doch nur ein Haartrockner? Ein Messer oder ein Kugelschreiber? Aber Flüssigkeiten haben keine eigene Form, sondern passen sich dem Behälter an, in dem sie sich gerade befinden. Die Scanner können zwar die Dichte eines Stoffs und verschiedene chemische Elemente erkennen. Doch auch hier ergibt sich eine Schwierigkeit: Erdnussbutter unterscheidet sich in ihrer Zusammensetzung gar nicht so sehr von Nitroglyzerin. Beide bestehen sie vor allem aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff, mit dem Unterschied, dass Ersteres eine wohlschmeckende Paste ist und Letzteres ein hochexplosives Sprengmaterial. Es gibt eine Unmenge gefährlicher Gifte, Bleichmittel und Krankheitserreger, die man nur mit einiger Mühe von harmlosen Flüssigkeiten unterscheiden kann. Dieses Argument musste ich mir auch immer wieder von den Sicherheitskontrolleuren (und ihren Vorgesetzten) anhören. Und dann musste ich jedes Mal zähneknirschend zustimmen, dass die Erdnussbutter oder irgendeine andere Flüssigkeit, die ich aus Schusseligkeit nicht aus meinem Handgepäck genommen habe, tatsächlich ein Risiko darstellen könnte.

Flüssigkeiten sind in vieler Hinsicht das Gegenteil von verlässlichen Feststoffen. Feste Materialien waren schon immer der Freund des Menschen und nehmen in Kleidung, Schuhen, Telefonen, Autos und natürlich auch in Flughafengebäuden zuverlässige Gestalt an. Flüssigkeiten sind dagegen fließend – sie können jede beliebige Form annehmen, aber nur, solange sie von irgendetwas festgehalten werden. Andernfalls sind sie dauernd in Bewegung, sie sickern, zersetzen, tröpfeln und zerrinnen uns zwischen den Fingern. Wenn Sie einen Feststoff irgendwo hinstellen, dann bleibt er da auch stehen (es sei denn, er wird mit Gewalt entfernt); oft macht er sich dort nützlich und trägt ein Gebäude oder erzeugt Strom für die ganze Stadt. Flüssigkeiten sind dagegen die geborenen Anarchisten und haben einen Hang zur Zerstörung. Im Bad ist es zum Beispiel ein konstanter Kampf, das Wasser daran zu hindern, in Ritzen zu laufen und sich in Hohlräumen unter dem Fußboden zu sammeln, wo es Dielen und Balken zernagt. Nicht weniger gefährlich ist es als rutschige Pfütze auf den Fliesen, wo es für zahllose Unfälle verantwortlich ist; und wenn es sich in den Ecken festsetzt, bietet es Nahrung für schwarzen Schimmel und glibberige Bakterien, die uns krank machen können. Doch trotz seiner Heimtücke lieben wir das Wasser – wir räkeln uns unter dem Strahl der Dusche, planschen in der Wanne und tauchen ganz darin ein. Und was wäre ein Bad ohne eine ganze Flut von Seifen, Shampoos, Spülungen, Cremes und Pasten? Wir lieben diese köstlichen Flüssigkeiten, aber sie sind uns auch immer ein wenig unheimlich: Sind sie wirklich gut für uns? Oder könnten sie nicht vielleicht Krebs verursachen? Schaden sie der Umwelt? Bei Flüssigkeiten gehen Genuss und Misstrauen immer Hand in Hand. Sie haben eine Doppelnatur, sie sind weder Feststoff noch Gas, sondern irgendetwas dazwischen, sie sind undurchschaubar und geheimnisvoll.

Zum Beispiel Quecksilber, das die Menschheit seit Jahrtausenden beglückt und vergiftet. Als Kind habe ich mit flüssigem Quecksilber gespielt, ich habe es auf dem Tisch herumgeschnippst und war fasziniert von seinem scheinbar unwirklichen Verhalten, bis mich jemand darauf aufmerksam machte, dass es giftig ist. Aber in vielen antiken Kulturen glaubte man, dass Quecksilber das Leben verlängere, Knochenbrüche heile und gut für die Gesundheit sei. Wie die Menschen darauf kamen, weiß heute niemand mehr – vielleicht galt es als etwas Besonderes, weil es als einziges Metall bei Zimmertemperatur flüssig ist. Der chinesische Kaiser Qin Shihuangdi nahm zur Stärkung Quecksilberpillen und starb im Alter von 39 Jahren; kaum zu glauben, dass es da keinen Zusammenhang gegeben haben sollte. Trotzdem wurde er in einem Sarg mit Flüssen aus Quecksilber beigesetzt. Die alten Griechen rührten das Metall in ihre Cremes. Die Alchemisten glaubten gar, eine Kombination aus Quecksilber und Schwefel sei die Basis aller Metalle, und im Gold befänden sich beide im perfekten Gleichgewicht. Daher waren sie überzeugt, sie könnten aus verschiedenen Metallen Gold herstellen, wenn sie nur das richtige Mischungsverhältnis fänden. Das erwies sich zwar als Irrglaube, doch Gold löst sich tatsächlich in Quecksilber. Wenn man diese Flüssigkeit dann erhitzt, bis das Quecksilber verdampft, bleibt ein Goldklumpen zurück. Vor dem Zeitalter der Wissenschaft war das für die meisten Menschen reine Magie.

Quecksilber ist nicht die einzige Flüssigkeit, die andere Stoffe in sich aufnehmen kann. Wenn man Salz in Wasser rührt, wird es rasch unsichtbar – das Salz ist nicht verschwunden, aber wo ist es? Wenn man Salz dagegen in Öl gibt, setzt es sich einfach am Boden ab. Wieso? Flüssiges Quecksilber nimmt Gold in sich auf, aber Wasser weist es ab. Weshalb? Wasser nimmt Gase auf, zum Beispiel Sauerstoff; andernfalls würden wir in einer ganz anderen Welt leben, denn der in Wasser gelöste Sauerstoff erlaubt Meereslebewesen das Atmen. Wasser nimmt zwar nicht genug Sauerstoff auf, damit der Mensch atmen kann, aber andere Flüssigkeiten tun das sehr wohl. Eine bestimmte Sorte von Ölen, die Fluorchlorkohlenwasserstoffe, sind chemisch und elektrisch so träge, dass Sie Ihr Handy hineinwerfen können, ohne dass seine Funktion beeinträchtigt wäre. Sie können auch Sauerstoff in solchen Mengen aufnehmen, dass wir durch sie atmen können. Diese Art von Flüssigkeitsatmung lässt sich vielseitig einsetzen, zum Beispiel zur Behandlung des Atemnotsyndroms bei Frühgeburten.

Aber nicht dem Fluorchlorkohlenwasserstoff verdanken wir das Leben, sondern dem Wasser und seinen besonderen Eigenschaften. Es kann nämlich nicht nur Sauerstoff lösen, sondern auch zahlreiche andere Chemikalien, darunter auf Kohlenstoff basierende Moleküle. Dieses Umfeld war die Voraussetzung für das Leben und für die spontane Entstehung neuer Organismen auf unserer Erde. So weit zumindest die Theorie. Deshalb fahnden Wissenschaftler auch nach Hinweisen auf flüssiges Wasser, wenn sie nach Leben auf fernen Planeten suchen. Aber im Universum ist Wasser selten. Unter der Eisdecke des Jupitermonds Europa könnten sich Wasserozeane befinden, genau wie auf dem Saturnmond Enceladus. Aber in unserem Sonnensystem ist die Erde der einzige Himmelskörper, auf dem Wasser direkt auf der Oberfläche vorhanden ist.

Die Oberflächentemperatur und der Atmosphärendruck auf der Erde bieten genau die richtigen Bedingungen für flüssiges Wasser. Hätte die Erde beispielsweise keinen flüssigen Kern aus geschmolzenem Metall, dessen Magnetfeld uns vor den Sonnenwinden schützt, dann hätte sich das Wasser vermutlich schon vor Milliarden von Jahren verflüchtigt. Doch auf unserem Planeten ermöglicht die Existenz einer Flüssigkeit im Innern die Existenz einer anderen auf der Oberfläche, und diese wiederum brachte das Leben hervor.

Aber Flüssigkeiten können auch zerstörend wirken. Schaum fühlt sich weich an, weil er sich leicht zusammendrücken lässt – wenn Sie auf eine Schaummatratze springen, dann spüren Sie, wie sie unter Ihnen nachgibt. Flüssigkeiten können das nicht. Sie fließen, das heißt, ein Molekül rückt an die Stelle, die ein anderes freigegeben hat. Das können Sie in einem Fluss beobachten, oder wenn Sie den Wasserhahn aufdrehen, oder wenn Sie mit einem Löffel den Kaffee umrühren. Wenn Sie vom Sprungbrett ins Schwimmbecken springen und auf die Wasseroberfläche auftreffen, dann verdrängt Ihr Körper das Wasser. Das braucht allerdings eine gewisse Zeit, und wenn Sie mit zu hoher Geschwindigkeit aufprallen, dann kann das Wasser nicht schnell genug abfließen und setzt Ihnen einen Widerstand entgegen. Deshalb ist ein Bauchplatscher so schmerzhaft, und deshalb ist das Wasser hart wie Beton, wenn Sie aus großer Höhe hineinspringen. Aus dem gleichen Grund können auch Wellen eine derart tödliche Kraft entwickeln: Deshalb zerstören Tsunamis Gebäude und ganze Städte und reißen Autos mit sich wie Treibholz. Das Erdbeben, das im Dezember 2004 den Indischen Ozean heimsuchte, verursachte gleich mehrere solcher Tsunamis und tötete 230 000 Menschen in vierzehn Ländern. Auf der Liste der schlimmsten jemals registrierten Naturkatastrophen belegt es den achten Platz.

Eine weitere unangenehme Eigenschaft von Flüssigkeiten ist, dass sie explodieren können. Während der Forschungen für meine Doktorarbeit bereitete ich kleine Proben für die Untersuchung unter einem Elektronenmikroskop vor und...

Erscheint lt. Verlag 9.8.2021
Übersetzer Jürgen Neubauer
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Liquid. The Delightful And Dangerous Substances That Flow Through Our Lives
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik
Technik
Schlagworte Chemie • Chemische Elemente • eBooks • Erklärs mir als wär ich 5 • fließend • Flüssigkeiten • how to • liquid • mai thi nguyen-kim • Materie • Moleküle • Physik • Popscience • populäre Wissenschaft • Randall Munroe • Wasser • What if? • Wissen • Wunderstoffe
ISBN-10 3-641-25583-X / 364125583X
ISBN-13 978-3-641-25583-1 / 9783641255831
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 4,2 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich