Unsere verborgene Natur (eBook)

Honig hören, die Himmelsrichtung fühlen, die Dämmerung riechen – Wie wir unser angeborenes Gespür für die Natur wiederentdecken

(Autor)

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2020
Ludwig Buchverlag
978-3-641-24472-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Unsere verborgene Natur - Tristan Gooley
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Wer Tristan Gooley auf seinen packenden Erzählpfaden folgt, erfährt Erstaunliches: Vögel und Blumen, die von nahen Gewässern erzählen, Farne, die den Norden zeigen, Wolkenfarben, die von entfernten Böden berichten - in der Natur wimmelt es von unterschiedlichsten Zeichen, die zeigen, wie alles zusammenhängt. Was unseren Vorfahren noch selbstverständlich war, die sich von den Botschaften der Natur intuitiv leiten ließen, können auch wir wieder lernen. Das Faszinierende: Die Zeichen sind überall, ob Wolken, Sterne, Sonne, Sträucher - Flora und Fauna werden nach der Lektüre nicht mehr nur einfache Umgebung sein, sondern uns Geschichten erzählen: über die Natur und unsere Umwelt, deren Teil wir sind.

Tristan Gooley, geboren 1973, ist Autor mehrerer Bücher, darunter New-York-Times- und Sunday-Times-Bestseller. Der angesehene Naturexperte ist ein Meister im Entschlüsseln von Zeichen und wird daher regelmäßig als »Sherlock Holmes der Natur« bezeichnet. Als »natural navigator« weiht er Menschen in die Geheimnisse ihrer natürlichen Umgebung ein. Gooley lebt mit seiner Familie in West Sussex, England.

Einleitung

Das instinktive Gespür für die Natur, das früher als selbstverständlich galt, ist mittlerweile so selten geworden, dass viele es als »sechsten Sinn« bezeichnen würden. Doch es ist durchaus möglich, dieses Bewusstsein zurückzuerlangen. Denn im Grunde ist dieser sechste Sinn nichts anderes als die Fähigkeit, die Wahrnehmungen unserer anderen Sinne miteinander in Beziehung zu setzen und ohne lange darüber nachzudenken, die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

In diesem Buch werde ich Ihnen zeigen, wie Sie sich mithilfe von Sternen und Pflanzen orientieren können, wie Sie im Wald mittels der Geräusche das Wetter voraussagen und das Verhalten eines Tiers anhand seiner Körpersprache vorhersehen können.

Wenn man mit all diesen Dingen nicht vertraut ist, fehlen sie einem zumeist auch gar nicht, und man kann sich kaum vorstellen, dass sich auch Zeichen der Natur mit einer Art sechstem Sinn wahrnehmen lassen. In Situationen, die wir vermutlich alle schon einmal erlebt haben, erscheint uns der Gedanke womöglich weniger fremd. Haben Sie zum Beispiel schon mal das Gefühl gehabt, dass Sie beobachtet werden? Und haben Sie später festgestellt, dass Sie richtiglagen, hatten jedoch keine Ahnung, woher Sie das wussten?

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit dem Rücken zum Fenster in einem Café. Sie haben das merkwürdige Gefühl, dassjemand hinter Ihnen Sie anschaut. Möglicherweise haben Sie recht. Wenn dort beispielsweise ein Freund im Auto vorbeifährt und Sie durch Winken auf sich aufmerksam machen will, kann sich das in den Gesichtern oder der Körpersprache anderer Menschen im Café widerspiegeln. Vielleicht schaut der Kellner, der Ihnen gerade Kaffee nachgießt, kurz auf. Und wenn Ihr Freund Sie später an diesem Tag anruft, finden Sie Ihr Gefühl bestätigt.

Psychologen haben herausgefunden, dass wir die Stimmung eines Gesprächspartners am Telefon schon an seinem ersten Wort heraushören. Unser Ohr vernimmt nur das Wort, doch unser Gehirn bezieht automatisch unsere gesamte Erfahrung mit ein, unser Wissen über die Persönlichkeit und die Lebenssituation des Anrufers, die Tages- oder Nachtzeit und etliche andere Dinge – und so zeichnet unser Gehirn ein viel detaillierteres Bild, als das simple Wort »Hallo« vermittelt. Auch die Natur flüstert uns zu jeder Tages- und Nachtzeit einzelne einfache »Worte« mit einer tiefergehenden Bedeutung zu. Wir sind nur ein wenig aus der Übung gekommen, diese Bedeutung zu erfassen.

Der sechste Sinn ist kein Mysterium: Er hat vielmehr mit dem Schärfen unserer Sinne und der Fähigkeit zu tun, einzelne Sinneswahrnehmungen in Zusammenhang zu bringen und uns somit ein vollständigeres Bild unserer Umgebung zu verschaffen. Und unsere Sinne nehmen viel mehr wahr, als uns bewusst ist. In der vergangenen Sekunde haben Ihre Sinne etwa elf Millionen Informationsfetzen wahrgenommen. Es würde Jahre dauern, all diese Informationen auszuwerten, sodass das Gehirn einen Großteil davon ausfiltert, ohne dass Sie es merken. Doch sobald Ihr Gehirn etwas Ungewöhnliches, Besonderes oder Bedrohliches wahrnimmt, werden Sie sofort darauf aufmerksam.

Aktuelle Studien und Bücher zu dem Thema legen überzeugend dar, dass wir in der Lage sind, in unserem Alltag bestimmte Situationen intuitiv einzuschätzen.

Dazu ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie wollen eine Straße überqueren. Sie sehen drei Autos, von denen eines näher ist als die anderen. Doch Sie wissen augenblicklich, und zwar ohne irgendetwas zu zählen oder auszumessen, dass Sie auf das letzte achten müssen, bevor Sie sich in Bewegung setzen.

Kaum jemand macht sich Gedanken darüber, was wir mithilfe dieser naturgegebenen Begabung auch in unserem modernen Umfeld heute noch leisten – und eigentlich ist das verrückt, denn diese Fähigkeit war für unsere Vorfahren notwendig, um zu überleben. Die Menschheit hat diese Art von Wahrnehmung im Verlauf ihrer Evolution die meiste Zeit genutzt, und die Natur hat dafür gesorgt, dass diese Fähigkeit uns nicht abhandenkommt. Die Menschen der Frühzeit waren darauf angewiesen, zu spüren, wenn sich ein Feind, ein Raubtier oder aber eine mögliche Beute in der Nähe befand.

Einmal unternahm ich mit einem Fernsehteam der BBC eine Expedition tief unter die Erde. Im Norden von Wales manövrierten wir uns durch die dunklen, verworrenen Stollen einer stillgelegten Schiefermine. Die Mitarbeiter des Fernsehteams waren der Ansicht, in dieser nasskalten Umgebung gäbe es keinerlei Anhaltspunkte dafür, in welche Himmelsrichtung wir uns bewegten, und wollten mich wohl testen, indem sie mich danach fragten.

Ich warf einen Blick auf das feuchte Gestein, das nur durch meine Stirnlampe beleuchtet wurde, und antwortete sogleich: »Nach Osten.«

Der Expeditionsleiter, der sich in der Mine bestens auskannte, bestätigte meine Aussage, gab aber zu, dass er über meine rasche Antwort ebenso erstaunt war wie die anderen. Nachdem ich die allgemeine Bewunderung für ein paar Minuten genossen hatte, erklärte ich, dass ich registriert hatte, in welche Richtung die Schieferschicht geneigt war. Das bezeichnet man in der Geologie als »Streichrichtung«. Bei seiner Entstehung bildet Sedimentgestein zunächst horizontale Schichten, doch innerhalb von Millionen von Jahren wirken geologische Kräfte darauf, sodass sich diese Schichten senken und neigen. Oftmals entsteht eine deutliche Neigung, die in eine bestimmte Richtung verläuft. In dem walisischen Dorf hatte ich zuvor gesehen, dass das Schiefergestein ringsum nach Süden geneigt war, und diese Beobachtung hatte mir tief unter der Erde geholfen festzustellen, in welche Richtung wir uns bewegten. Ich hatte also einen durch meine Wahrnehmung gewonnenen Anhaltspunkt bewusst genutzt, um eine einfache Frage zu beantworten.

Diese Herangehensweise nutze ich schon seit Jahren, und die meisten meiner Bücher handeln von logischem, analytischem Denken. Wenn unser Gehirn diesen Prozess übernimmt und gewissermaßen eine Abkürzung nimmt, indem es automatisch eine Verknüpfung herstellt, ist das natürlich noch viel interessanter. Beim Verlassen der Mine waren jedenfalls alle in der Lage, die Himmelsrichtungen anhand der Schieferneigung zu bestimmen.

Diese Fähigkeiten sind tief in uns verankert, und wir haben sie nie vollständig verloren. Stellen Sie sich vor, Sie wachen in einem durch dicke Vorhänge so gut wie vollständig abgedunkelten Raum auf und hören von irgendwoher einen Hahn krähen. Dann müssen gar keine bewussten Gedankengänge ablaufen, um sofort zu wissen, dass draußen langsam die Sonne aufgeht. Und wenn der Hund zur gewohnten Zeit bellt, wissen wir, dass der Postbote da ist.

Doch die Beispiele sind wahrlich simpel gemessen daran, wozu unser Verstand in der Lage ist, wenn wir uns in der freien Natur befinden. Dieses Buch beschäftigt sich mit all unseren großartigen Fähigkeiten, die durch den modernen Lebensstil verkümmert und beinahe in Vergessenheit geraten sind.

Aber woher wissen wir, dass wir diese Fähigkeiten, die Zeichen der Natur zu erfassen und zu deuten, wiedererlangen können? Nun, weil ein paar Menschen an ihnen festgehalten haben. Hauptsächlich diejenigen, die sich mit bestimmten Tierarten oder Landschaften beschäftigen, sei es nun aus Notwendigkeit oder aus Leidenschaft. Viele indigene Völker auf der ganzen Welt, professionelle Jäger und Fischer zeigen uns, was möglich ist.

Zum Beispiel saß ich einmal mit Menschen aus dem Volk der Dayak zusammen, als sie plötzlich sagten, dass gleich auf dem Hügel dort drüben ein Hirsch auftauchen würde. Ich war fasziniert, weil ich nur wenige Augenblicke später tatsächlich auf genau diesem Hügel einen Muntjak-Hirsch entdeckte. Erst nach längerem Hin und Her wurde mir klar, dass die Dayak unbewusst einen Zusammenhang zwischen dem Salzgehalt eines Gesteins, den Bienen, dem Wasser, der Tageszeit und der Lichtung im Wald herstellten – all das brachte sie zu der Schlussfolgerung, dass zu dieser Zeit Hirsche kommen würden, um Salz zu lecken.

Das Volk der Pygmäen im Kongo hingegen ist in der Lage, Honig zu hören. Sie wissen, dass die Laute eines bestimmten Tiers sich geringfügig verändern, wenn Honig verfügbar ist. Außerdem können sie wahrnehmen, wenn sie von einem Leoparden beobachtet werden. Anhaltspunkte dafür sind natürlich die Abdrücke am Boden, aber die Pygmäen haben auch gelernt, bestimmte Spuren mit den typischen Schlafplätzen eines Leoparden in Verbindung zu setzen. Frische Spuren in der Nähe eines möglichen Schlafplatzes bedeuten Gefahr, weil der Leopard sich bewegt. Wenn die Pygmäen spüren, dass ein Leopard um sie herumschleicht, liegen sie also meistens richtig.

Die Jäger der Inuit verwenden ein bestimmtes Wort – »quinuituq« –, um die innere Ruhe und Geduld zu beschreiben, die sie aufbringen müssen, wenn sie auf etwas Bestimmtes warten. Dadurch entwickeln sie eine Beziehung zu ihrer Umgebung, die über simples Analysieren hinausgeht. Wie der Arktisforscher Barry Lopez erklärt, machen die Inuit weitaus mehr, als nur auf die Geräusche der Tiere zu lauschen und ihre Spuren zu lesen. Die Landschaft umgibt sie wie eine zweite Haut, mit der sie sich in einem ständigen, wortlosen Dialog befinden. Es ist wichtig zu betonen, dass es sich dabei um wissenschaftlich belegbare Fakten handelt und nicht um irgendeinen Aberglauben. Die Inuit nutzen eine naturgegebene Fähigkeit, mit der wir alle geboren werden. Viele Menschen können, ohne zuvor den Wetterbericht gesehen zu haben, selbst vorhersagen, ob der einsetzende Regen nur ein kleiner Schauer ist oder länger andauern wird. Sie erkennen die Veränderungen am Himmel, die Schauer oder andere...

Erscheint lt. Verlag 18.5.2020
Übersetzer Jasmine Hofmann
Zusatzinfo Illus im Text
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Wild Signs and Star Path
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Natur / Ökologie
Technik
Schlagworte eBooks • Klima • Meteorologie • Natur & Umwelt • Natur beobachten • Natur Buch • Natur coaching • Natur entdecken • Natur erleben • Nature writing • Naturführer • Naturkunde • Natur Sachbuch • Natur verstehen • Navigation • Navigation Pfadfinder • Nordic Walking • Orientierung Natur • Outdoor • outdoor survival • Peter Wohlleben • Pfadfinder • Pflanzen (allgemein) • Pflanzen & Tiere • Pflanzenführer • Reisen & Abenteuer • Sinneswahrnehmung • Sinneswelten • Sport • Umwelt allgemein • Urvölker Naturvölker • Wald • wald buch • Wald entdecken • Wald Pflanzen • Wald Wiesenkräuter • Wandern • Wandern Buch • Wetter
ISBN-10 3-641-24472-2 / 3641244722
ISBN-13 978-3-641-24472-9 / 9783641244729
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